Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.05.2005

OLG Düsseldorf: eintragung im handelsregister, zahlungsunfähigkeit, liquidator, gesellschaft, jahresbilanz, strafbarkeit, versicherungsleistung, zahlungseinstellung, auflage, unterlassen

Oberlandesgericht Düsseldorf, III-2 Ss 32/05 - 18/05 III
Datum:
23.05.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat für Straf-, und Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-2 Ss 32/05 - 18/05 III
Tenor:
b e s c h l o s s e n :
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landge-richts
zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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Am 30. September 2004 verurteilte das Amtsgericht Mettmann den Angeklagten wegen
vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts zu einer
Gesamtgeldstrafe von fünfundsiebzig Tagessätzen zu je 25,- EUR. Die Berufung des
Angeklagten ist durch das angefochtene Urteil der 16. kleinen Strafkammer des
Landgerichts Wuppertal verworfen worden.
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Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge
(vorläufigen) Erfolg.
3
I.
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Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
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Im Zeitraum 12. Mai bis 12. Juni 1999 führte der Angeklagte als Geschäftsführer der
"........... GmbH" (......) nach dramatischen Umsatzeinbrüchen der letzten Zeit in den
Geschäftsräumen der Firma einen "Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe" durch,
um im Anschluss hieran eine Entscheidung über die endgültige Einstellung des
Betriebs oder über dessen Fortführung unter anderer Firmierung herbeizuführen.
Wenige Tage nach der Verkaufsaktion - am 15. Juni 1999 - vernichtete ein Brand in den
Geschäftsräumen den gesamten noch verbliebenen Warenbestand. Auf anwaltlichen
Rat beschloss die Gesellschaft daraufhin ihre Liquidation und die Bestellung des
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Angeklagten zum Liquidator; die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte
am 1. September 1999. Im Februar 2000 überwies die Versicherung zum Ausgleich des
Brandschadens nur "knapp 100.000,- DM" auf das Konto der GmbH, wobei das
kontoführende Bank-institut hiervon einen "erheblichen Betrag" sogleich zwecks
Ausgleichs ihrer Forderungen gegen die GmbH im Wege des Kontokorrents
verrechnete.
Aufgrund der unerwartet geringen Versicherungsleistung war die Gesellschaft nach den
Feststellungen im angefochtenen Urteil "zahlungsunfähig, da sie ihren
Zahlungsverpflichtungen weitgehend nicht mehr nachkommen und ihre auch
kurzfristigen Verbindlichkeiten, so z.B. die noch ausstehenden Mietzahlungen oder
Rechnungen aus Warenlieferungen, nicht mehr erfüllen konnte". Ein Rechtsstreit gegen
die Versicherung zur Durchsetzung einer höheren Entschädigung erschien ebenfalls
nicht finanzierbar. In Kenntnis dieser Situation sowie seiner daraus erwachsenden
Pflichten als Liquidator der Gesellschaft stellte der Angeklagte in der Folgezeit weder
einen Insolvenzantrag noch veranlasste er die Aufstellung der Jahresbilanz für 1999.
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Am 6. März 2002 beantragte die Deutsche Angestellten-Krankenkasse als Gläubigerin
der .... wegen ausstehender Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen
und Kosten in Höhe von rund 3.000,- EUR die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Dieser Antrag wurde nach erfolgter Zahlung eines Teilbetrages von 1.500,- EUR am 21.
Februar 2003 zurückgenommen. Erst nachdem ein weiterer Gläubiger der PWG im
Verlauf des Jahres 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte,
entschloss sich auch der Angeklagte als Liquidator im Dezember 2003 zur
Antragstellung. "Letztlich" hat die GmbH ihre Zahlungen eingestellt.
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II.
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Die Schuldsprüche wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen
Bankrotts halten rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie durch die zum objektiven
Tatbestand jeweils getroffenen Feststellungen nicht getragen werden.
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1.
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Gemäß §§ 84 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit 64 Abs. 1, 71 Abs. 4 GmbHG macht sich
der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung schuldig, wer es als Liquidator einer GmbH
unterlässt, bis spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder
Überschuldung des Unternehmens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu
beantragen. Die Strafkammer hält den objektiven Tatbestand dieses
Unterlassungsdelikts im vorliegenden Fall für verwirklicht aufgrund der Erwägung, die
..... GmbH sei seit Februar 2000 zahlungsunfähig gewesen. Dieser Annahme liegen
keine ausreichenden Feststellungen zugrunde.
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Für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) im strafrechtlichen Urteil
bedarf es grundsätzlich einer stichtagsbezogenen Gegenüberstellung der fälligen
Verbindlichkeiten sowie der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden
Mittel. Im Einzelfall kann auch die Mitteilung wirtschaftskriminalistischer
Beweisanzeichen (z. B. Häufung von Wechsel- und Scheckprotesten, fruchtlose
Pfändungen, Ableistung der eidesstattlichen Versicherung) genügen, sofern diese den
sicheren Schluss auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erlauben (BGH NStZ 03, 546,
547; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage, Vor § 283 Rdn. 9 m.w.N.). Dem angefochtenen
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Urteil sind keinerlei Feststellungen der einen oder anderen Art zu entnehmen. Es
begnügt sich insoweit vielmehr mit allgemein gehaltenen und formelhaften Erwägungen,
ohne im einzelnen mitzuteilen, wie hoch der Erlös aus dem Räumungsverkauf gewesen
und welcher Betrag der Gesellschaft aus der Versicherungsleistung letztendlich
verblieben war, in welcher Höhe den verbliebenen Aktiva im Februar 2000 fällige
Verbindlichkeiten gegenüber standen und inwieweit es bis zu diesem Zeitpunkt bereits
zu Pfändungsmaßnahmen der Gläubiger gekommen war. Dass der Angeklagte
ausweislich der Urteilsgründe im Februar 2000 offenbar selbst von der
Zahlungsunfähigkeit der ... überzeugt war, vermochte konkrete Feststellungen des
Tatgerichts zu diesem objektiven Tatbestandsmerkmal nicht zu ersetzen. Sie waren um
so mehr erforderlich, als die Urteilsausführungen im übrigen einen Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit bereits im Februar 2000 nicht ohne weiteres nahe legen mussten:
Immerhin wurde der erste Insolvenzantrag eines Gläubigers erst im Jahr 2002 gestellt
und später - aufgrund einer noch erfolgten Zahlung - wieder zurückgenommen, und die
endgültige Zahlungseinstellung ist im landgerichtlichen Urteil erst im Zusammenhang
mit den weiteren Insolvenzeröffnungsanträgen im Jahr 2003 erwähnt.
2.
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Soweit der Angeklagte als Liquidator der .... unterlassen hat, für die rechtzeitige
Erstellung der Jahresbilanz 1999 Sorge zu tragen, ist eine Strafbarkeit nach § 283 Abs.
1 Nr. 7b StGB ebenfalls nicht durch ausreichende Feststellungen belegt.
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Nach dieser Vorschrift ist die unterlassene oder verspätete Bilanzierung nur dann
strafbar, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz spätestens zu erstellen war,
Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder wenigstens drohende
Zahlungsunfähigkeit bestand. Gemäß § 264 Abs. 1 S. 3 HGB hätte die Jahresbilanz
1999 im vorliegenden Fall spätestens zum 30. Juni 2000 vorgelegt werden müssen. Ob
in diesem Zeitpunkt bereits Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit
vorlag, ist aufgrund der insoweit unzureichenden Feststellungen im landgericht- lichen
Urteil (s. II.1.) unklar.
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III.
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Die zu Ziffer II. aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache
an eine andere Strafkammer des Landgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
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Die Strafbarkeit wegen unterlassener Bilanzierung (§ 283 Abs. 1 Nr. 7b oder § 283b
Abs. 1 Nr. 3b StGB) setzt voraus, dass der Täter die Bilanz entweder selbst hätte
aufstellen können oder zumindest finanziell in der Lage gewesen wäre, die hierfür
erforderlichen Arbeiten in Auftrag zu geben (BGH NStZ 03, 546, 548; Tröndle/Fischer,
aaO, § 283 Rdn. 29a). Hierzu sind - insbesondere bei Gesellschaften, die sich
gegebenenfalls zum fraglichen Zeitpunkt in der Krise befanden - konkrete
Feststellungen zu treffen, die das angefochtene Urteil gleichfalls vermissen lässt.
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