Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.09.2006

OLG Düsseldorf: squeeze out, altes recht, handelsregister, veröffentlichung, akte, verfahrensrecht, fristbeginn, form, aktionär, behandlung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I - 26 W 1/06 AktE
Datum:
18.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I - 26 W 1/06 AktE
Tenor:
Der Zwischenfeststellungsbeschluss der 4. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts D. vom 25.11.2004 wird aufgehoben.
Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung – auch
über den Wert des Beschwerdeverfahrens und über die in der
Beschwer-deinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten - an das
Landgericht D. zurückverwiesen.
Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtsgebühren nicht erhoben.
G r ü n d e
1
I.
2
Auf der Hauptversammlung der H. am 03.04.2003 wurde auf Antrag der Hauptaktionärin
N. mit 98,27 % der Aktien der H. die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre
auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 57,68 EUR
je Stückaktie beschlossen (Squeeze-out). Eine gegen den Beschluss erhobene
Anfechtungsklage wurde zurückgenommen, nachdem die Hauptaktionärin das
Abfindungsangebot auf 61,00 EUR je Stückaktie erhöht hatte. Daraufhin wurde der
Übertragungsbeschluss bei dem Amtsgericht L. am 04.08.2003 in das Handelsregister
eingetragen und diese Tatsache wurde anschließend gemäß § 10 HGB bekannt
gemacht. Die Veröffentlichungen erfolgten :
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am 07.08.2003 in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung,
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am 08.08.2003 in den Ruhr-Nachrichten,
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am 03.09.2003 im Handelsblatt und
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am 10.09.2003 im Bundesanzeiger.
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Schon vor der (letzten) Veröffentlichung durch das Handelsregister des Amtsgerichts L.
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waren mehrere Anträge auf Bestimmung einer angemessenen Barabfindung gemäß
§ 327 f AktG bei Gericht eingegangen; andere folgten später. In historischer Reihenfolge
stellten Anträge:
die Antragstellerin zu 1) am 08.08.2003,
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der Antragsteller zu 6) am 11.08.2003,
10
die Antragstellerin zu 2) am 12.08.2003,
11
der Antragsteller zu 3) am 19.08.2003,
12
der Antragsteller zu 4) am 25.08.2003,
13
die Antragstellerin zu 5) am 25.08.2003,
14
die Antragstellerin zu 12) am 25.08.2003,
15
der Antragsteller zu 7) am 26.08.2003,
16
die Antragstellerin zu 13) am 25.08.2003,
17
der Antragsteller zu 14) am 28.08.2003,
18
der Antragsteller zu 8) am 01.09.2003,
19
der Antragsteller zu 15) am 03.09.2003,
20
der Antragsteller zu 11) am 04.09.2003,
21
der Antragsteller zu 10) am 09.09.2003,
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die Antragstellerin zu 9) am 09.09.2003,
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der Antragsteller zu 16) am 08.12.2003,
24
der Antragsteller zu 17) am 10.12.2003,
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die Antragstellerin zu 18) am 23.12.2003,
26
die Antragstellerin zu 19) am 29.12.2003 und
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die Antragstellerin zu 20) am 05.01.2004.
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Ein Teil der Antragsteller hatte seine Anträge als "Anschlussanträge" eingereicht,
nachdem die Kammer für Handelssachen mit dem am 05.11.2003 im Bundesanzeiger
veröffentlichten Beschluss vom 14.10.2003 gemäß §§ 327 f Abs. 2 Satz 2, 306 Abs. 3
AktG den Antrag auf Einleitung eines Spruchstellenverfahrens bekannt gemacht und
darauf hingewiesen hatte, dass außenstehende Aktionäre noch binnen einer Frist von
zwei Monaten nach dieser Bekanntmachung eigene Anträge stellen könnten.
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Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Streit darüber, ob auf das
Spruchstellenverfahren die bis zum 01.09.2003 geltenden Vorschriften des
Aktiengesetzes oder die ab dem 01.09.2003 geltenden Vorschriften des
Spruchverfahrensgesetzes Anwendung finden.
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Das Landgericht hat durch Zwischenfeststellungsbeschluss vom 25.11.2004 festgestellt,
dass auf das vorliegende Spruchstellenverfahren die Verfahrensvorschriften des am
01.09.2003 in Kraft getretenen Spruchverfahrensgesetzes anzuwenden seien. Zur
Begründung hat das Landgericht ausgeführt, zwar seien die Anträge der Antragsteller zu
1) bis 7) und 11) bis 13) vor dem 01.09.2003 gestellt worden. Diese Anträge seien
indessen unzulässig, weil nur ein zulässiger Antrag zur Bestimmung der einschlägigen
Verfahrensvorschriften führen könne. Da die letzte Veröffentlichung, auf welche gemäß
§ 10 Abs. 2 HGB abzustellen sei, am 10.09.2003 erfolgt sei, habe zu keiner Zeit die
Möglichkeit bestanden, nach altem Recht einen zulässigen Antrag zu stellen.
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Gegen diesen Beschluss richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu
1), 6), 7), 13), 17), 18) und 19) mit den Anträgen,
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festzustellen, dass auf das vorliegende Spruchverfahren nicht die ab dem
01.09.2003 geltenden Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes anzuwenden
sind, sondern das bis dahin geltende Spruchverfahrensrecht,
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die Entscheidung des Landgerichts D. aufzuheben und das Verfahren an das
Landgericht zurückzuverweisen.
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Die Beschwerdeführer rügen, das Landgericht habe die Übergangsvorschrift des § 17
Abs. 2 SpruchG unzutreffend ausgelegt. Für die Zulässigkeit des Antrags auf
gerichtliche Überprüfung der Barabfindung komme es auf die Eintragung des Squeeze-
out-Beschlusses im Handelsregister und die damit bereits erfolgte Enteignung der
Minderheitsaktionäre an. § 327 f Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. lege ausschließlich das
Fristende für die entsprechenden Anträge fest. Ziel der Regelung sei, dass die
enteigneten Minderheitsaktionäre ab dem Zeitpunkt der Eintragung das Recht haben
sollen, die gerichtliche Überprüfung zu verlangen. Danach müsse der Antrag auf
Einleitung des Spruchverfahrens ab Eintragung des Squeeze-out-Beschlusses in das
Handelsregister in zulässiger Weise gestellt werden können.
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Die Antragsgegnerinnen beantragen,
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die Beschwerden zurückzuweisen.
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Sie tragen vor:
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Die Entscheidung des Landgerichts D. sei zutreffend. Der Wortlaut des § 327 f Abs. 2
Satz 2 AktG a.F. sei eindeutig. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung könne "nur
binnen zwei Monaten nach dem Tage" gestellt werden, an dem die Eintragung als
bekannt gemacht gelte. Zum Schutz der Minderheitsaktionäre beginne die materiell-
rechtliche Ausschlussfrist für zulässige Anträge nicht zu laufen, bevor das letzte der
Bekanntmachungsblätter erschienen sei. Aktionäre, die nicht regelmäßig die Amtsblätter
studierten, würden nicht unzumutbar benachteiligt, da ein zu früh gestellter Antrag nicht
dauerhaft unzulässig sei, sondern in die Zulässigkeit hineinwachse, wenn der
Antragsteller den Antrag weiter verfolge und innerhalb der Antragsfrist durch Fortführung
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des Verfahrens konkludent erneuere.
Durch den am 05.11.2003 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Hinweis
des Landgerichts D., wonach außenstehende Aktionäre noch binnen einer Frist von
zwei Monaten eigene Anträge stellen könnten, habe das Landgericht D. weder über das
anwendbare Verfahrensrecht entschieden, noch einen Vertrauenstatbestand für die
Antragsteller geschaffen. Wären einzelne Anträge – was vorliegend nicht der Fall sei –
durch konkludente Antragserneuerung in die Zulässigkeit hineingewachsen, müsste
auch über die Zulässigkeit der Anschlussanträge nach neuem Recht entschieden
werden. Da nach dem Spruchverfahrensgesetz die Möglichkeit zur Stellung von
Anschlussanträgen nicht mehr bestehe und keiner dieser Anträge in einen zulässigen
(Erst-)Antrag gemäß § 4 SpruchG umgedeutet werden könne, seien sämtliche
Anschlussanträge unzulässig.
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Keiner der unzulässig vor Beginn der Antragsfrist gestellten Anträge der Antragsteller zu
1) bis 15) sei mit Fristbeginn am 11.09.2003 infolge konkludenter Erneuerung (Heilung)
zulässig geworden. Die Antragsteller hätten entweder innerhalb der bis zum 11.12.2003
laufenden Antragsfrist überhaupt keine weitere Prozesshandlung vorgenommen (so die
Antragsteller zu 11) und 13) bis 15)) oder ausdrücklich einen auf die Anwendung alten
Rechts gerichteten Antrag gestellt und weiterverfolgt (so die Antragsteller zu 1) bis 10)
und 12)), so dass sich die Annahme einer konkludenten Antragserneuerung nach
neuem Recht verbiete. Vor dem Hintergrund der neuen Pflichten bei der Prozessführung
und des damit verbundenen erhöhten Kostenrisikos könnten Anträge von Antragstellern,
die ausdrücklich daran festhielten, vor dem 01.09.2003 einen wirksamen Antrag gestellt
zu haben, auf den altes Recht anzuwenden sei, nicht in nach dem
Spruchverfahrensgesetz zu beurteilende Anträge umgedeutet werden.
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Die Anträge der Antragsteller zu 1) bis 3), 7), 11) bis 13) und 15) genügten zudem nicht
den Anforderungen, die von den Vorschriften der §§ 3 und 4 SpruchG an zulässige
Anträge gestellt würden und seien hilfsweise aus diesem Grund als unzulässig
abzuweisen.
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Die Anschlussanträge seien mangels wirksamer Verfahrenseinleitung gemäß § 306
Abs. 3 Satz 2 AktG a.F. unzulässig. Eine Umdeutung der Anträge der
Anschlussantragsteller zu 16) und 18) bis 20) in wirksame (Erst-)Anträge nach neuem
Recht scheide von vornherein aus, weil die Anträge nicht innerhalb der dreimonatigen
Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG gestellt worden seien. Auch der Antrag des
Anschlussantragstellers zu 17) könne vor dem Hintergrund der erweiterten
Prozessförderungspflichten und Kostenrisiken nicht entgegen dem ausdrücklichen
Willen des Anschlussantragstellers zu 17) in einen nach dem SpruchG zu beurteilenden
(Erst-)Antrag umgedeutet werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Schriftsätze der Parteien mit Anlagen, die angefochtene Entscheidung und den übrigen
Akteninhalt Bezug genommen.
44
II.
45
1. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1), 6), 7), 13), 17), 18) und 19) sind zulässig,
insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
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2. Die Beschwerden sind auch begründet und führen zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses. Das Landgericht konnte durch den Zwischenfeststellungsbeschluss nicht
in zulässiger Form über die Frage des anwendbaren Rechts entscheiden.
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a) Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sieht einen
Zwischenfeststellungsbeschluss nicht vor.
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b) Die Vorschrift des § 280 ZPO, deren entsprechende Anwendung in Betracht kommt,
lässt die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage zu. Dieses
Verfahren soll den Parteien zunächst einen womöglich umfangreichen und
überflüssigen Vortrag zur Hauptsache ersparen (Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 280
Rdnr. 3). Die nach Durchführung des Zwischenverfahrens ergehende Entscheidung
kann entweder in einem Endurteil auf Klageabweisung bestehen oder in einem die
Zulässigkeit der Klage bejahenden Zwischenurteil. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist die
mit Rechtsmitteln selbständig anfechtbare und in Rechtskraft erwachsende
Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage insgesamt. Das Landgericht hat indessen
nicht über die Zulässigkeit der Anträge auf Durchführung des Spruchstellenverfahrens
im Wege der Zwischenfeststellung beschlossen, sondern über das anwendbare Recht.
Dabei handelt es sich um eine rechtliche Vorfrage, nämlich die abstrakte Rechtsfrage,
nach welchem Verfahrensrecht das vorliegende Spruchverfahren zu behandeln ist. Erst
infolge der Rechtsanwendung kommt es zur Entscheidung über die Zulässigkeit der
Anträge auf Durchführung des Spruchverfahrens. Damit kann die Behandlung
rechtlicher Vorfragen auch bei entsprechender Anwendung nicht Gegenstand des
Zwischenverfahrens nach § 280 ZPO sein.
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c) Die isolierte Feststellung des maßgeblichen Verfahrensrechts konnte auch nicht in
entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 256 ZPO im Wege einer
Zwischenfeststellung erfolgen. Voraussetzung für dieses Verfahren wäre die
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, also die
rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache.
Abstrakte Rechtsfragen sind ebenso wenig Gegenstand eines Rechtsverhältnisses wie
die Frage des anzuwendenden Rechts (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 283; Zöller-
Greger, a.a.O., § 256, Rdnr. 5).
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3. Die Beschwerden wären im übrigen auch bei einer zulässigen Form der
Entscheidung über das anwendbare Recht erfolgreich gewesen. Die Anwendung des
am 01.09.2003 in Kraft getretenen Spruchverfahrensgesetzes kommt auf die
vorliegenden Anträge nicht in Betracht. Das Landgericht hat in dem vorliegenden
Spruchverfahren in erster Instanz die bis zum 01.09.2003 geltenden Vorschriften
zugrunde zu legen.
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a) Nach der Übergangsvorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG sind für
erstinstanzliche Verfahren, in denen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem
01.09.2003 gestellt worden ist, weiter die entsprechenden, bis zu diesem Tag geltenden
Vorschriften des Aktiengesetzes und des Umwandlungsgesetzes anzuwenden. Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren erfüllt, da die Antragstellerin zu 1)
ihren Antrag auf Einleitung des Spruchverfahrens bereits am 08.08.2003 und folglich vor
dem Stichtag des 01.09.2003 bei dem Landgericht gestellt hat. Der Antrag ist wirksam.
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b) Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit
einem Teil der Literatur (MünchKomm-AktG-Volhard, 2. Aufl., § 17 SpruchG Rdnr. 5;
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Hüffer, AktG, 6. Aufl., Anhang § 305 § 17 SpruchG Rdnr. 4; Wasmann, DB 2003, 1559;
derselbe DB 2005, 381; Bungert/Mennicke, BB 203, 2021) die Auffassung vertreten,
neben der Einhaltung des Stichtags für den ersten Antrag sei weiterhin erforderlich,
dass dieser Antrag zum Zeitpunkt seiner Einreichung bei Gericht zulässig sein müsse.
Die Anwendung der Vorschriften der § 327 f Abs. 2 AktG a.F. und 4 Abs. 1 Satz 1
SpruchG ergebe, dass diese Voraussetzungen bei den Anträgen nicht vorlägen, die
zwar nach Eintritt der Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses mit dessen Eintragung
in das Handelsregister, jedoch noch vor dem Tag nach der letzten Veröffentlichung
dieser Registereintragung bei Gericht eingegangen seien. In Übereinstimmung mit dem
Oberlandesgericht Frankfurt (B. vom 11.10.2005 – 20 W 149/04 –, NZG 2005, 1016)
folgt auch der erkennende Senat dieser Auffassung nicht.
aa) Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG enthält eine solche Einschränkung
nicht. Danach genügt es vielmehr, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor
dem 01.09.2003 gestellt worden ist. Eine einschränkende Auslegung des Wortlauts ist
ebenso wenig geboten. Um dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf
Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zu genügen, sind
Übergangsvorschriften so zu gestalten, dass sie eine einfach zu handhabende und klare
zeitliche Abgrenzung zwischen der Anwendung alten und neuen Rechts schaffen. Auch
die in § 17 Abs. 2 SpruchG vorgesehene Stichtagsregelung, die an die einfach
festzustellende Tatsache des Eingangs des Antrags bei Gericht abstellt, unterliegt
diesem Maßstab, da die Gesetzesänderung mit einer Verschärfung der
Antragsvoraussetzungen und weitergehenden Pflichten der Antragsteller verbunden ist.
Anträge, die vor dem 01.09.2003 bei Gericht eingegangen sind (und daran anknüpfende
weitere Anträge und Anschlussanträge), könnten nur dann weiteren
Zulässigkeitsanforderungen unterworfen werden, wenn sich dies eindeutig aus § 17
Abs. 2 SpruchG ergeben würde. Daran fehlt es.
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bb) Für die unter aa) beschriebene Anwendung der Vorschrift sprechen auch die
berechtigten Interessen der Aktionäre. Die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses
im Falle des Squeeze-out tritt bereits mit der Eintragung in das Handelsregister ein,
nicht erst durch die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 HGB. Von der Wirksamkeit der
Strukturmaßnahme erhält der Aktionär in aller Regel umgehend durch den veränderten
Depotauszug Kenntnis. Den Fristbeginn gemäß § 10 Abs. 2 HGB, also den Tag nach
der letzten Veröffentlichung, kann der Aktionär indessen schwerlich feststellen. Die
materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 4 Abs. 1 SpruchG (§ 327 f Abs. 2 Satz 2 AktG
a.F.) soll Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen, ändert aber nichts an der
Wirksamkeit der Strukturmaßnahme infolge ihrer Eintragung. Eine vergleichbare
Interessenlage liegt der allgemeinen Auffassung zum Verfahrensrecht zugrunde,
wonach ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung bereits dann möglich ist, wenn die
Entscheidung verkündet ist, ohne dass der Rechtsmittelführer die Zustellung abwarten
müsste.
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cc) Hinzu kommt, dass die bisherige gerichtliche Praxis auch Anträge als zulässig
angesehen hat, die nach Eintragung der Strukturmaßnahme gestellt worden waren,
ohne Rücksicht darauf, wann die letzte Veröffentlichung erfolgt war (BGH, AG 1986,
291; BayObLG, DB 2000, 1650; OLG Stuttgart, DB 1992, 1470). Schon im Hinblick
darauf durften die Antragsteller im vorliegenden Verfahren darauf vertrauen, dass sie
ihre Anträge ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit des Squeeze-out einreichen konnten.
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Das Landgericht hat somit auf der Grundlage des bis zum 01.09.2003 geltenden Rechts
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Zulässigkeit und Begründetheit der Anträge zu prüfen. Da das Landgericht nicht über
die Zulässigkeit der einzelnen Anträge entschieden hat, ist dem Senat eine solche
Prüfung verwehrt.
4. Eine Entscheidung über die in der Beschwerdeinstanz entstandenen Gerichtskosten
unterbleibt, § 21 GKG. Da der Wertansatz und auch die Entscheidung über die
Verpflichtung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten von dem weiteren Verlauf des
Verfahrens abhängen, hat das Landgericht mit der Hauptentscheidung auch hierüber zu
befinden.
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L. R. W.
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