Urteil des OLG Düsseldorf vom 09.07.2002

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 154/01
Datum:
09.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 154/01
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für
Handels-sachen des Landgerichts Düsseldorf vom 24. Oktober 2001
teilweise abge-ändert.
Die Unterlassungs-, Auskunfts- und Feststellungsklage (Ziff. I. - III. der
Kla-geanträge und des Tenors des angefochtenen Urteils) werden
abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von jeweils 105 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Gegenpartei zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
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Beide Parteien sind auf dem Gebiet der Weiterbildung tätig. Die Klägerin bietet gegen
Entgelt Weiterbildung im Bereich des sogenannten Eventmanagements,
Medienmanagements und Kulturmanagements an und bereitet auf die IHK-Prüfung zum
Messe-, Tagungs- und Kongressfachwirt vor. Die Beklagte firmiert als e. GmbH. Sie
bietet ebenfalls Weiterbildungsveranstaltungen an, insbesondere in den Bereichen
Musik, Medien, "Events" und Kultur. Die Beklagte bezeichnet sich, etwa in ihrem
Internetauftritt als "e. Business Akademie für Medien, Event &Kultur" oder kurz als "e.
Akademie" (Anlage K 9). Das Kürzel "e." geht auf die früher verwendete Bezeichnung
"Europäische Business Akademie für Medien, Event &Kultur zurück (Anlage K 2).
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Die Parteien streiten über das Recht der Beklagten zur Führung dieser Bezeichnung.
Nachdem die Beklagte unter dem 5. April 2001 eine Unterlassungserklärung hinsichtlich
der Verwendung des Begriffs "Europäisch" abgegeben hat, geht es im Rechtsstreit noch
um ihre Befugnis zur Benutzung der Bezeichnung "Akademie".
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Die Klägerin hat gemeint, die Bezeichnung Akademie sei irreführend (§ 3 UWG), weil
die Beklagte sich damit in unzulässiger Weise als öffentlich-rechtliche Einrichtung
darstelle, obwohl sie ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen sei. Die Bezeichnung
"Akademie" bzw. "akademisch" dürfe nur von öffentlich-rechtlichen oder jedenfalls
behördlich anerkannten Ausbildungsstätten geführt werden. Die Beklagte verfüge auch
nicht über akademische Strukturen. Da sie den Begriff "Akademie" unstreitig verwende,
sei auch die Gefahr der Benutzung des Begriffes "akademisch" gegeben.
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Weiterer Gegenstand der Klage sind die Anwaltskosten der Klägerin wegen der
vorprozessual erwirkten Unterlassungserklärung hinsichtlich des Begriffs "Europäisch".
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Die Klägerin hat beantragt,
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I. der Beklagten zu untersagen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, wobei die
Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer Georg F. L. zu
vollstrecken ist,
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a) die Bezeichnung "Business Akademie" oder eine ähnliche irreführende
Bezeichnung zu führen,
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b) den Begriff akademisch und/oder Akademie einzeln oder zusammengesetzt
mit anderen Begriffen in Bezug auf ihr Unternehmen zu verwenden,
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II. die Beklagten zu verurteilen, den Klägern Auskunft darüber zu erteilen, in
welchem Umfang sie die vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen
begangen hat, wobei die Angaben nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger,
Bundesländern und Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln sind;
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III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern allen denjenigen
Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I. bezeichnete
Handlung entstanden ist und künftig noch entstehen wird;
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IV. der Klägerin Anwaltskosten in Höhe von 1.895,21 DM zu erstatten.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat gemeint, mit der Bezeichnung e. GmbH sei sie von vornherein als
privatwirtschaftliches Unternehmen erkennbar. Auf dem Weiterbildungsmarkt seien
zahlreiche privatwirtschaftliche Unternehmen tätig. Im Übrigen benutze sie nur die
Werbezeile "Business Akademie für Medien, Event &Kultur"; den Begriff "akademisch"
habe sie in diesem Zusammenhang nie gebraucht.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang
stattgegeben, weil die Bezeichnung "Akademie" nur für öffentlich-rechtliche oder
jedenfalls behördlich anerkannte Ausbildungsstätten verwendet werden dürften; von
einer entsprechenden Vorstellung gingen die angesprochenen Verkehrskreise bei der
Bezeichnung "Akademie" für eine Bildungseinrichtung aus.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie kritisiert den Antrag der
Beklagten und hält ihn weitgehend schon deshalb für unbegründet, weil es an
entsprechenden Verletzungshandlungen fehle, etwa hinsichtlich des Gebrauchs von
"akademisch" und "Akademie" in Alleinstellung. In der Sache sei das Verständnis des
angefochtenen Urteils vom "Akademie"-Begriff überholt. Das gelte vor allem im Medien-,
Kultur- und Event-Bereich, weil es hier an staatlichen Ausbildungsstätten weitgehend
fehle. Deshalb werde die Ausbildung in diesem Bereich ganz überwiegend von
Privatunternehmen übernommen. Das wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, die
meist der Altersklasse der 25 bis 30-jährigen angehörten. Die Beklagte behauptet dazu,
die von ihr angebotenen Kurse führten unter anderem zu Lehrberufen mit IHK-Abschluss
hin.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie stellt nicht in Abrede, dass eine Akademie auch privatwirtschaftlich organisiert sein
könne. Die Werbezeile "Business Akademie für Medien, Event &Kultur" lasse aber kein
privatwirtschaftliches Unternehmen erkenne. Vor allen Dingen fehlten der Beklagten
akademische Strukturen. Sie verfüge weder über habilitierte Mitarbeiter oder
Professoren noch über eine wissenschaftliche Zielsetzung oder die mit einer
Hochschule vergleichbare Ausstattung und Organisation.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat mit Ausnahme des eingeklagten Zahlungsanspruchs auch
in der Sache Erfolg. Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung erläutert hat,
bestehen gegen den Unterlassungsantrag (Ziff. I. des Klageantrags und der
Verurteilung) Bedenken unter dem Gesichtspunkt sowohl der Zulässigkeit als auch der
Begründetheit. Mangels Begründetheit besteht auch kein Anspruch auf Auskunft und
Schadenersatz.
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Soweit der Beklagten verboten werden soll eine der Bezeichnung Business Akademie
"ähnliche irreführende Bezeichnung zu führen", ist der Antrag unbestimmt (vgl. § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO und Melullis Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdnr.
321; Pastor/Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kapitel 27, Rdnr. 13).
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Unbegründet ist der Antrag (teilweise) schon deshalb, weil er sich nicht auf die konkrete
Verletzungsform beschränkt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl.,
Rdnr. 443; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 3, Rdnr. 519). Wenn ein Begriff wie
"Akademie" oder "akademisch" als solcher (abstrakt) als irreführend angegriffen wird,
muss er in jedem Fall irreführend sein, unabhängig davon, in welche Benutzungsform er
eingebettet ist. Für den Begriff "akademisch" fehlt es überhaupt an einer
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entsprechenden Verletzungshandlung; sie kann auch nicht aus dem Gebrauch des
Begriffs "Akademie" gefolgert werden. Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung
ebenfalls ausgeführt hat, ist das Adjektiv "akademisch" seinem Inhalt nach eher stärker
mit "akademischen" Vorstellungen besetzt als das entsprechende Substantiv.
Dies wirkt sich aber nicht aus, weil die Verwendung des Begriffs "Akademie" für den
Betrieb der Beklagten nicht irreführend ist. § 3 UWG wäre zwar auch dann anwendbar,
wenn es sich bei der (neuen) Benutzungsform "Business Akademie für Medien, Event
&Kultur" um einen Firmenbestandteil oder -zusatz handelte (vgl. BGH NJW-RR 00,
1640, 1641 - Stich den Buben), die Voraussetzungen der Vorschrift sind aber nicht
erfüllt.
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Die Klägerin behauptet eine Verkehrsauffassung, nach der ein als "Akademie"
bezeichneter Betrieb (zumindest) akademische Strukturen haben müsse. Maßgebend
für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 3 UWG ist, wie der angesprochene
Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Dabei ist vom Wortsinn auszugehen (BGH
NJW-RR 02, 329, 331 - Das Beste jeden Morgen). Im Allgemeinen werden die
angesprochenen Verkehrskreise die Werbeangabe so verstehen, wie es dem
allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (Gloy/Helm, Handbuch des Wettbewerbsrechts,
2. Aufl., § 49, Rdnr. 42). Die Berufungsbegründung hat sich auf den "Brockhaus"
bezogen (vgl. das Zitat aus LG Frankfurt NJWE-WettbR 98, 244), um darzulegen, dass
der Akademiebegriff der Klägerin überholt sei. Dort ist tatsächlich dargelegt, dass in
neuerer Zeit unter "Akademie" nicht nur Einrichtungen zur Förderung von Wissenschaft,
Forschung und Kultur, sondern auch Zusammenschlüsse besonders im Rahmen der
beruflichen Aus- und Fortbildung verstanden werden. Akademien in diesem Sinne seien
auch Ausbildungslehrgänge für besondere Tätigkeiten wie Sportarten, Mode und
Kochen (Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl., Band I., "Akademie". Noch deutlicher
heißt es in einem anderen Nachschlagewerk (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band
I.,) unter dem Stichwort "Akademie":
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"Schließlich nahmen sogar Lehrgänge zur Erlernung des Fechtens, Schwimmens,
Reitens und Tanzens die (rechtlich nicht geschützte) Bezeichnung Akademie für
sich in Anspruch, ebenso wie Fortbildungsanstalten für Köche, Schneider und
andere. In neuerer Zeit nahmen viele Unterrichtsanstalten, besonders
berufsbildende höhere Schulen, Fachhochschulen oder hochschulähnliche
Sportbildungseinrichtungen den Namen Akademie an."
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In neuerer Zeit gibt es also neben dem "akademischen" Begriff der Akademie als
wissenschaftliche, hochschulähnliche Fortbildungsstätte die Verwendung des Begriffs
auch für lediglich schulmäßige Anstalten und Veranstaltungen, die mit
hochschulmäßigen Lehrgegenständen und Organisationen nichts zu tun haben. Bei
Anlegung eines derartigen Maßstabes kann auch der Beklagten nicht verwehrt werden,
ihre Schule bzw. Schulungen "für Medien, Event &Kultur" als "Akademie" zu
bezeichnen.
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Allerdings muss bei Mehrdeutigkeit eines Begriffs - wie hier - grundsätzlich jede in
Betracht kommende Deutung richtig sein, wenn die Verwendung des Begriffs nicht
irreführend sein soll (vgl. Köhler/Pieper a.a.O. § 3, Rdnr. 171). Davon gibt es indes
Ausnahmen. Eine davon gilt für den Fall, dass ein mehrdeutiger Begriff in Wirklichkeit
unklar ist, so dass der Verkehr über seinen Inhalt keine klare Vorstellung hat. Wird mit
einem mehrdeutigen Begriff geworben, über dessen Sinn und Wesensmerkmale bei
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keinem rechtlich beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine klare und
eindeutige Vorstellung feststellbar ist, liegt ein Verstoß gegen § 3 UWG nicht schon
deshalb vor, weil die Werbung mit einem mehrdeutigen Begriff nach einer der möglichen
Auffassungen irreführend ist (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3
UWG, Rdnr. 45). Angesichts der "originären" Unbestimmtheit des Akademiebegriffs (vgl.
oben) ist nicht auszuschließen, dass er auch in den Verkehrsanschauungen keinen
klaren Inhalt mehr hat, so dass die von der Klägerin vorausgesetzten akademischen
Strukturen nicht (mehr) erforderlich sind.
Nicht anders ist jedoch zu entscheiden, wenn in Teilen der Bevölkerung noch klare,
aber unterschiedliche Vorstellungen des Begriffs "Akademie" vorhanden sind. So
mögen die von der Beklagten nach der Berufungsbegründung angesprochenen
Verkehrskreise der 25 bis 30jährigen das Wort durchaus im Sinn von Schule,
Fachschule usw. verstehen, während älteren Zeitgenossen noch der "konven-tionelle"
Begriff vorschwebt, wie ihn die Klägerin für richtig hält. Zwar würden diese
Bevölkerungskreise durch die Beklagte irregeführt. Entscheidend ist aber, dass die
Beklagte gleichwohl berechtigt ist, das Wort "Akademie" in seiner Zweitbedeutung (vgl.
Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 3 UWG, Rdnr. 40) etwa als Fachschule, zu verwenden.
Denn für den anderen Teil der Verkehrskreise, insbesondere die von der Beklagten
unbestritten angesprochenen 25 bis 30jährigen, handelt es sich dabei um eine richtige
Information. Ein völliges Verbot, wie es von der Klägerin angestrebt wird, kann also
dazu führen, das möglicherweise der Mehrzahl der Interessierten eine zutreffende
Information vorenthalten wird (vgl. Gloy/Helm a.a.O. § 49, Rdnr. 88). Deshalb ist
anerkannt, dass der Werbende am Gebrauch einer mehrdeutigen Bezeichnung ein
schutzwürdiges Interesse haben kann, wenn beachtliche Teile des Verkehrs eine
Angabe - die als solche von anderen relevanten Teilen des Verkehrs in einem
unzutreffenden Sinne verstanden wird - richtig verstehen (Köhler/Piper a.a.O.). Dieses
schutzwürdige Interesse ergibt sich regelmäßig schon daraus, dass auch ohne einen
aufklärenden Hinweis ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs die Bezeichnung in
dem zugrundegelegten Sinn versteht, während sie nur von einem weiteren (ebenfalls
nicht unerheblichen) Teil des Verkehrs missverstanden wird (von Gamm, UWG, 3. Aufl.,
§ 3 Rdnr.22). Zumindest das ist nach der "originären" Bedeutung des Wortes Akademie
und dem Parteivortrag hier der Fall, so dass der Gebrauch des Begriffs für das
Unternehmen der Beklagten nicht zu beanstanden ist.
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Unbegründet ist die Berufung dagegen, soweit die erstinstanzliche
Zahlungsverurteilung angegriffen wird. Die vorprozessual abgemahnte Benutzung des
Eigenschaftsworts "Europäisch" für die Akademie der Beklagten war
wettbewerbswidrig, weil es für die Benutzung des Begriffs nicht genügt, dass die
Beklagte auch Schüler aus dem europäischen Ausland hat. Unbestritten ist die Beklagte
nicht europaweit tätig; ob sie europaweit tätig werden könnte oder dies beabsichtigt,
spielt keine Rolle (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 3 UWG, Rdnr. 413).
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den § 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 Satz 2 ZPO.
Die Art der Sicherheitsleistung ergibt sich aus § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
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Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, weil die Beurteilung, wie die
angesprochenen Verkehrskreise eine Angabe auffassen, im wesentlichen auf
tatsächlichem Gebiet liegt (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O. § 3 UWG, Rdnr. 39;
Pastor/Ahrens/Bähr, a.a.O. Kapitel 34, Rdnr. 66).
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Berufungsstreitwert: 77.662,79 EUR (= 151.895,21 DM).
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1. Dr. Sch. F.
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