Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.01.2006

OLG Düsseldorf: treu und glauben, vergütung, unternehmer, senkung, anpassung, vertragsschluss, universität, auftragsvergabe, geschäft, ausnahmefall

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-23 U 113/05
Datum:
03.01.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-23 U 113/05
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2
ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur
Stellungnahme bis zum 20.1.2006.
Der Verhandlungstermin vom 24.1.2006 wird aufgehoben.
G r ü n d e
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I.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, § 522
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die
Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO)
noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere
Entscheidung, § 513 ZPO.
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Der Klägerin steht der zuerkannte Vergütungsanspruch gemäß § 631 BGB zu. Die
Beklagte war nicht berechtigt, einen Teil der monatlich zu zahlenden Vergütung deshalb
einzubehalten, weil sich die Lohnkosten der Klägerin mit Wirkung ab dem 1.4.2004
verringert haben. Ein Recht zur Anpassung der Vergütung ergibt sich weder aus § 7 des
Vertrages vom 21.12.1999 noch aus § 313 BGB.
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1.
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Die Beklagte ist nicht aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung des § 7 der
Vereinbarung vom 21.12.1999 gemäß §§ 133, 157 BGB zur Reduzierung der Vergütung
der Klägerin berechtigt.
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Auf das Vertragsverhältnis der Parteien des Rechtsstreits findet Werkvertragsrecht
Anwendung. Gemäß § 631 BGB schuldet der Auftraggeber für die erbrachten
Leistungen die vereinbarte Vergütung. Mit Vertragsschluss entsteht die Bindung an den
vereinbarten Preis; eine Änderung des Preises ist bei unveränderter Leistung
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grundsätzlich nur mit Zustimmung des Vertragspartners möglich. Dies bedeutet, dass
der Unternehmer das Risiko seiner Kostenkalkulation trägt. Materialpreis- und
Lohnkostenerhöhungen, die sich während der Vertragsdurchführung ergeben, kann er
grundsätzlich nicht an den Auftraggeber weitergeben. Auf der anderen Seite ist der
Auftraggeber nicht zu einer Reduzierung der vereinbarten Vergütung bei einer
Ermäßigung der Material- und Lohnkosten berechtigt. Den Vertragsparteien steht es
allerdings frei, Preisanpassungsregeln für den Fall zu vereinbaren, dass sich das
Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung bei länger laufenden Verträgen
durch Änderungen der Kosten des Unternehmers verändert. Eine allerdings
beschränkte Vergütungsanpassung haben die Klägerin und die Beklagte in dem Vertrag
vom 21.12.1999 unter § 7 vereinbart. Diese Regelung lautet:
"Die vereinbarte Vergütung basiert auf dem zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses gültigen Lohntarifvertrag des Gebäudereiniger-Handwerks
NRW und Rahmentarifvertrag des Gebäudereiniger-Handwerks Bundesrepublik.
Tarifänderungen werden in der Höhe anerkannt, in der die M-U D Tariferhöhungen
akzeptiert."
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Eine solche Kostenklausel dient dazu, einerseits dem Unternehmer das Risiko
langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher,
ihn belastender Kostensteigerung zu sichern, und andererseits den Vertragspartner
davor zu bewahren, dass der Unternehmer mögliche künftige Kostenerhöhungen
vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht
(vgl. grundsätzlich zu solchen Kostenelementklauseln BGH Urteil v. 21.9.2005 - VIII ZR
38/05; BGH Urteil v. 12. 7. 1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115 unter II 2 b). Die hier
vorliegende Anpassungsklausel ist zum einen beschränkt auf den Fall der Erhöhung der
Lohntarife für Gebäudereiniger und zusätzlich daran geknüpft, dass der
Hauptauftraggeber – die U D - die Erhöhung ihrem Vertragspartner, der Beklagten,
gegenüber akzeptiert, d.h. deren Vergütung erhöht. Für den Fall der Senkung der
Tariflöhne enthält die Klausel keine Regelung. Eine ergänzende Vertragsauslegung mit
dem Inhalt, dass die Beklagte bei einer Senkung der Tariflöhne unabhängig von dem
Verhalten des Hauptauftraggebers zu einer Reduzierung der Vergütung berechtigt ist, ist
entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gerechtfertigt.
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Das Landgericht hat eine ergänzende Vertragsauslegung mangels einer planwidrigen
Lücke abgelehnt und die Entscheidung hilfsweise damit begründet, dass eine
ergänzende Vertragsauslegung die Reduzierung der Vergütung nicht zur Folge hat. Der
Senat hat die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Klausel auf der
Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen in vollem Umfang darauf zu
überprüfen, ob die Auslegung überzeugt (vgl. zur Überprüfung der erstinstanzlichen
Auslegung einer Individualvereinbarung durch das Berufungsgericht BGH Urteil v.
14.7.2004 – VIII ZR 164/03, NJW 2004, 2751ff). Es mag dahin stehen, ob die Parteien
die vertragliche Regelung in § 7 als abschließend gewollt haben, wie das Landgericht
meint. Jedenfalls trifft es zu, dass eine Reduzierung der Vergütung auch für den Fall,
dass der Hauptauftraggeber der Beklagten die in der Höhe unveränderte Vergütung
zahlt, nicht gerechtfertigt ist, §§ 157, 133 BGB.
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Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich an dem hypothetischen Parteiwillen
orientieren, d.h. es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei Abwägung ihrer
Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn
sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH Urteil v. 25.11.2004 – I ZR 49/02,
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NJW-RR 2005, 687, 690; BGH Urteil vom 17.5.2004 – II ZR 261/01, NJW 2004, 2449).
Dabei ist an den Regelungen und Wertungen des Vertrages anzuknüpfen. Es sind
neben den individuellen Kriterien auch die objektiven Gegebenheiten zu
berücksichtigen. Zum Verständnis dessen, was Treu und Glauben entspricht kommt
hierbei den Wertungen, die in den gesetzlichen Vorschriften Ausdruck gefunden haben,
entscheidende Bedeutung zu (BGH Urteil vom 17.5.2004 – II ZR 261/01, NJW 2004,
2449). Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Auslegung ergibt, dass die
Vergütung der Klägerin nur dann zu reduzieren ist, wenn die Lohntarife gesenkt werden
und die Universität Duisburg den an die Beklagte zuzahlenden Werklohn deswegen
kürzt.
Für den Fall einer Erhöhung der Lohnkosten haben die Parteien vereinbart, dass dies
nicht automatisch eine Erhöhung der Vergütung der Klägerin nach sich ziehen soll. Die
Klägerin trägt danach zunächst unverändert das Kostenrisiko. Nur für den Fall, dass der
Hauptauftraggeber der Beklagten eine höhere Vergütung zahlt, d.h. deren Gewinn bei
gleichzeitiger Gewinnreduzierung der Klägerin steigt, soll die Tariferhöhung auch den
Werklohnanspruch der Klägerin beeinflussen. Erst und nur dann liegen die
Voraussetzungen vor, die die Parteien als maßgeblich für eine Vergütungsanpassung
gesehen haben. Es handelt sich nicht um die Übernahme des Kostenrisikos durch die
Beklagte, was dann vorläge, wenn eine Tariferhöhung zu ihren Lasten ginge. Die
Regelung schöpft vielmehr lediglich einen etwaigen zusätzlichen Gewinn der Beklagten
ab, ohne dass die Beklagte das Risiko von Kostensteigerungen übernehmen muss.
Überträgt man diese Vereinbarung in § 7 des Vertrages auf den Fall der Senkung der
Tariflöhne hat dies zur Folge, dass auch dann keine automatische Reduzierung des
Werklohnanspruches der Klägerin erfolgt. Erst wenn der Hauptauftraggeber die
Vergütung der Beklagten herabsetzt, tritt eine der vertraglichen Regelung
entsprechende Sachlage ein. Denn dann würde sich der Gewinn der Klägerin erhöhen
bei gleichzeitiger Gewinnreduzierung der Beklagten. So, wie bei der Abschöpfung eines
zusätzlichen Gewinns der Beklagten im Falle der Steigerung ihrer Vergütung wegen
Tariflohnerhöhungen, muss dann, aber auch nur dann ihr Verlust von der durch die
Lohnsenkung profitierenden Klägerin übernommen werden. Eine andere, das heißt
automatische Vergütungsanpassung, hätten die Parteien angesichts der getroffenen
Regelung für Tariferhöhungen redlicherweise nicht vereinbart. Daran ändert sich nichts,
wenn die Parteien, wie die Beklagte behauptet, davon ausgegangen sind, die
Universität werde sich im Falle von Tariferhöhungen in jedem Fall zu einer Erhöhung
des Werklohns der Beklagten bereit erklären. Dies bedeutet nicht, dass durch
Kostenersparnis erzielte zusätzliche Gewinne der Klägerin, die keinen Einfluss auf die
Gewinne und Verluste der Beklagten haben, automatisch zu einer Übertragung der
Zusatzgewinne auf die Beklagte führen müssten. Es kann dahin stehen, ob die Beklagte
eine geringere als die übliche Marge mit der Klägerin vereinbarte. Die Änderung der
Preisgrundlagen der Klägerin rechtfertigt es nicht, die Gewinnmarge der Beklagten zu
erhöhen. Ebensowenig spielt es eine Rolle, dass die Klägerin nur durch die
Auftragsvergabe der Beklagten "im Geschäft geblieben ist", wie die Beklagte behauptet.
Auch dies rechtfertigt keine Vertragsanpassung mit einer Kürzung der Gewinne der
Klägerin trotz unveränderter Gewinne der Beklagten.
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2.
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Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Änderung der
Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB scheidet aus. Die Anpassung des Vertrages
wegen Störung der Geschäftsgrundlage ist nachrangig, d.h. sie kann vorgenommen
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werden, wenn, wie hier, eine Vertragsanpassung nicht bereits infolge der
Vertragsauslegung vorzunehmen ist. Die Voraussetzungen für eine
Vergütungsreduzierung wegen Störung der Geschäftsgrundlage liegen aber nicht vor.
Nur im Ausnahmefall kann eine unvorhergesehene Materialpreis- oder
Lohnkostenerhöhung, Erhöhung öffentlicher Lasten, Steuern oder von
Versicherungsbeiträgen einen Anspruch auf Preisanpassung nach den Grundsätzen
des Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründen. Grundsätzlich fallen die Preisbildung
und damit auch die Entwicklung der preisbildenden Umstände in den Risikobereich
einer Partei, regelmäßig des Unternehmers (BGH, Urteil v. 19.12.1985 – VII ZR 188/84,
BauR 1986, 334). Nur ganz extreme, nicht vorhersehbare Preisentwicklungen können
eine Anpassung des Vertrages rechtfertigen (BGH, Urteil v. 13.7.1995 – VII ZR 142/95,
BauR 1995, 842; Kniffka, Bauvertragsrecht, ibr-online-Kommentar, § 631 Rn. 189).
II.
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Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO)
noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
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