Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.06.2005

OLG Düsseldorf: vergleich, einzelrichter, eventualwiderklage, aufrechnung, bedingung, anwendungsbereich, gegenforderung, vergütung, rechtsschutzinteresse, abgeltung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-5 W 13/05
Datum:
16.06.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-5 W 13/05
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 11. Kammer für
Handels-sachen des Landgerichts Düsseldorf vom 26. April 2005 - 41 O
52/03 - teilweise geändert.
Der Streitwert des Verfahrens wird für die Zeit vom 04. Febr. 2004 an
festgesetzt auf 350.009 EUR (269.068,38 EUR + 27.024,28 EUR +
53.916,34 EUR).
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden
nicht erstat-tet, § 25 Abs. 4 GKG.
Die Klägerin beanstandet die Streitwertfestsetzung durch das Landgericht.
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Mit ihrer - später teilweise übereinstimmend für erledigt erklärten und geänderten - Klage
hat die Klägerin die Beklagten auf Zahlung von Honorar für
Wirtschaftsprüfungsleistungen in Anspruch genommen.
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Die Beklagten haben mit angeblichen Schadenersatzansprüchen aufgerechnet und - für
den Fall, dass das Landgericht die Aufrechnung für unzulässig halte - hilfswiderklagend
27.024,28 EUR sowie - für den Fall, dass entgegen der Rechtsansicht der Beklagten
Honoraransprüche der Klägerin in Höhe von 59.916,34 EUR entstanden sein sollten -
hilfswiderklagend weitere 53.916,34 EUR geltend gemacht. Außerdem haben sie -
unbedingt - im Wege der Widerklage Zahlung von 183.147,38 EUR verlangt.
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Der Rechtsstreit ist durch Vergleich erledigt worden. Nach dem mit Beschluss des
Landgerichts vom 28. Dez. 2004 gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich haben
sich die Beklagten verpflichtet, an die Klägerin zum Ausgleich der Klageforderung einen
bestimmten - gegenüber dem Klageantrag ermäßigten - Betrag zu zahlen. Die Parteien
waren sich weiter darüber einig, dass die Ermäßigung zu einem Teilbetrag zur
Abgeltung der Schadenersatzansprüche der Beklagten zu 1) erfolgte und mit Erfüllung
des Vergleiches alle in dem Rechtsstreit behandelten wechselseitigen Ansprüche der
Parteien erledigt sein sollten. Die Kosten des Rechtsstreites fielen nach dem Vergleich
der Klägerin zu 10% und den Beklagten zu 90% zur Last. Die Kosten des Vergleiches
wurden gegeneinander aufgehoben.
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Das Landgericht hat bei der Festsetzung des Streitwertes den Wert der
Eventualwiderklage nicht hinzugerechnet, weil eine gerichtliche Entscheidung über die
Eventualwiderklage nicht ergangen sei. Es hat sich dabei gestützt auf die
Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 23. Febr. 2005, wonach eine
Zusammenrechnung nur stattfinde, wenn es zu einer Entscheidung über die
Hilfswiderklage gekommen sei, nicht aber, wenn die Hilfswiderklage durch
Prozessvergleich erledigt werde.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die meint, der Wert
der Hilfswiderklageanträge sei hinzuzurechnen. Sie habe ein Rechtsschutzinteresse an
einem höheren Streitwert, weil sie aufgrund einer Honorarvereinbarung mit ihren
Prozessbevollmächtigten mehr als die gesetzliche Vergütung zu bezahlen habe und
deshalb die Durchsetzung eines höheren Kostenerstattungsanspruches erreichen wolle.
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Die Beschwerde ist zulässig, § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG in der bis zum 30. Juni 2004
geltenden Fassung.
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Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der Senat und nicht sein Einzelrichter
berufen, weil der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen nicht als Einzelrichter
entschieden hat.
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Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Beschwerde, auch wenn die
Klägerin einen höheren Streitwert begehrt. Grundsätzlich kann zwar einer Partei nicht
daran gelegen sein, dass der Streitwert höher festgesetzt wird. Denn dadurch wird sie
mit höheren Kosten belastet. Hier allerdings wirkt sich die Festsetzung eines zu
niedrigen Streitwertes deshalb zum Nachteil der Klägerin aus, weil sie nach der
Honorarvereinbarung ohnehin höhere als die gesetzlichen Gebühren an ihren
Rechtsanwalt zu vergüten hat und als - zu 90 % - kostenerstattungsberechtigte Partei
bei einem höheren Streitwert einen höheren Erstattungsanspruch gegen die Beklagten
hat (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 27. Juli 1993, 2 W 56/93, juris, kore461879400
m.N.).
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In der Sache ist die Beschwerde der Klägerin gerechtfertigt.
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Der Wert des Streitgegenstandes der Hilfswiderklagen ist bei der Streitwertfestsetzung
zu berücksichtigen.
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Gem. § 19 Abs. 4 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung sind bei einer
Erledigung des Rechtsstreites durch Vergleich die Absätze 1 - 3 dieser Vorschrift
entsprechend anzuwenden. Nach Absatz 1 Satz 2 des § 19 GKG wird ein hilfsweise
geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine
Entscheidung über ihn ergeht.
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Das bedeutet, dass sich nicht nur der Streitwert für den Vergleich sondern auch der
Streitwert für das Verfahren nach dem zusammengerechneten Wert für die Klage und
die Hilfswiderklage bestimmt, wenn der Prozessvergleich - wie hier - Klage und
Hilfswiderklage umfasst (so auch Anders/Gehle, Streitwertkommentar, 4. Aufl.,
"Vergleich" Anm. 17f. und 19). Denn da § 19 Abs. 4 GKG bei Erledigung des
Rechtsstreites durch Vergleich Abs. 1 Satz 2 GKG für entsprechend anwendbar erklärt,
so bedeutet dies gerade, dass an die Stelle einer Entscheidung - über die
Hilfswiderklage - der Vergleich tritt, wenn er die Hilfswiderklage mitumfasst.
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Allerdings wird - zu § 19 Abs. 4 GKG in der vom 01. Juli 1994 bis zum 30. Juni 2004
geltenden Fassung - die Ansicht vertreten, dass die Hilfswiderklage den Streitwert des
Rechtsstreites nur erhöhen könne, wenn die innerprozessuale Bedingung für die
Hilfswiderklage eingetreten sei, gleichgültig, ob der Rechtsstreit durch Urteil oder durch
Vergleich beendet werde (OLG Köln NJW-RR 1996, 1278 = JurBüro 1996, 476 = OLGR
1996, 158; vgl. auch KG in KGR Berlin 2002, 119 und MDR 2004, 56).
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Der Senat teilt diese Ansicht nicht.
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Denn sie würde z. B. bei einem durch die Stattgabe der Klage bedingten
Widerklageantrag dazu führen, dass der Streitwert sich bei Abschluss eines Vergleiches
- auch - über die Hilfswiderklage nur dann erhöhen würde, wenn zuvor über den
Klageanspruch ein Teilurteil ergangen ist. § 19 Abs. 4 GKG käme in der Praxis dann in
den seltensten Fällen zur Anwendung.
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Nach Meyer (in Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz 5. Aufl., § 19, Anm. 43) soll der Wert
der Hilfswiderklage für den Streitwert des Verfahrens dann außer Betracht bleiben,
wenn - wegen des Vergleiches - über die Hilfswiderklage nicht entschieden werde.
Dann aber liefe der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 4 GKG völlig leer. Denn wenn
über die Hilfswiderklage durch Urteil entschieden wird, kommt der Abschluss eines
Vergleiches insoweit nicht mehr in Betracht.
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Im Widerspruch zu dieser nicht näher begründeten Ansicht stehen im übrigen die
Ausführungen, die Meyer - ebenfalls im Rahmen der Kommentierung von § 19 Abs. 4
GKG - zuvor (a.a.O., Anm. 39) macht. Danach soll für den Streitwert des Verfahrens dem
Wert der Klageforderung der Wert der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung - und
wohl auch der Wert des mit der Hilfswiderklage erhobenen Anspruchs - hinzuzurechnen
sein, weil an die Stelle einer der rechtskraftfähigen Entscheidung über die
Aufrechnungsforderung der Vergleich trete.
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Mit Recht wird der Gegenmeinung entgegen gehalten, es fehle ein sachlicher Grund, bei
der Hilfsaufrechnung den Vergleich wertmäßig ebenso wie die gerichtliche
Entscheidung zu behandeln, nicht aber bei der Hilfswiderklage (Schneider/Herget,
Streitwertkommentar, 11. Aufl., Anm. 2504).
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a. G... B...
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