Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.08.2006
OLG Düsseldorf: abschreibung, treu und glauben, unrichtige auskunft, materielles recht, eigentumswohnung, zulage, mitverschulden, erwerb, kaufvertrag, gebäude
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-23 U 42/06
Datum:
18.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-23 U 42/06
Tenor:
1. Der Termin vom 05.09.2006 wird aufgehoben.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522
Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur
Stellungnahme bis zum 08.09.2006.
G r ü n d e
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I.
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Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
ZPO. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§
546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine
andere Entscheidung, § 513 ZPO.
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Soweit es auf materielles Recht ankommt, ist das BGB in der bis zum 31.12.2001
geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB.
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Das Landgericht hat den Klägern zu Recht einen Anspruch auf Schadensersatz in der
geltend gemachten Höhe aus positiver Forderungsverletzung i.V.m. §§ 675, 611 BGB
zugesprochen.
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1. Zur Pflichtverletzung
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Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem mit den Klägern bestehenden Vertrag verletzt,
indem sie auf die konkrete Frage, ob bei Geltung des InvZulG 1999 neben der
Investitionszulage auch die degressive Abschreibung gem. § 7 Abs. 5 EStG geltend
gemacht werden könne, eine falsche Antwort gegeben hat.
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Die Aufgaben eines Steuerberaters ergeben sich aus dem Inhalt und dem Umfang des
ihm erteilten Mandats; in den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber
umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Fragen Auskunft zu geben
(BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX 249/02, NJW 2004, S. 444). Im Rahmen seines Auftrags
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hat er seinen Mandanten möglichst vor Schäden zu schützen. Hierzu hat er den relativ
sichersten Weg zu dem angestrebten Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg
notwendigen Schritte vorzuschlagen. Die mandatsbezogenen erheblichen Gesetzes-
und Rechtskenntnisse muss der Steuerberater besitzen oder sich ungesäumt
verschaffen. Hierzu gehört auch, dass er in diesem Rahmen neue oder geänderte
Rechtsnormen ermittelt (BGH, Urt. v. 23.03.2006 – IX ZR 140/03, BGHRep. 2006, S.
942, 943 (= WM 2006, S. 1304-1306); BGH, Urt. v. 15.07.2004 – IX ZR 472/00, NJW
2004, S. 3487; Senat, Urt. v. 20.11.01 – 23 U 20/01, GI 2002, S. 114f; Senat, Urt. v.
20.01.2004 – 23 U 28/03, GI 2005, S. 92 f). Selbst wenn in der Tages- oder Fachpresse
über Vorschläge zur Änderung des Steuerrechts berichtet wird, die im Fall ihrer
Verwirklichung von dem Mandanten des Beraters erstrebte Ziele unter Umständen
vereiteln oder beeinträchtigen, kann der Steuerberater gehalten sein, sich aus allgemein
zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt und den Verfahrensstand solcher
Überlegungen zu unterrichten, um danach prüfen zu können, ob es geboten ist, dem
Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten (BGH, Urt. v.
15.07.2004 – IX ZR 472/00, NJW 2004, S. 3487).
Im vorliegenden Fall gehörte es zum Mandat der Beklagten, den Text des
Investitionszulagengesetzes 1999 zu beschaffen
und
geben, ob beim Kauf einer Eigentumswohnung die degressive Abschreibung gem. § 7
Abs. 5 EStG neben der Investitionszulage geltend gemacht werden konnte. Der
Beklagten war auch bewusst, dass die Kläger den Erwerb einer bestimmten
Eigentumswohnung planten. Selbst wenn ihr die näheren Umstände des Kaufes nicht
bekannt waren, musste sie daher davon ausgehen, dass ihre Antwort Auswirkungen auf
die finanziellen Dispositionen der Kläger und somit auch auf die Entscheidung, ob und
ggf. wann der Erwerb stattfinden sollte, haben konnte. Die Berücksichtigung der Folgen
der Antwort auf die ihr konkret gestellte Frage im Hinblick auf den geplanten Erwerb der
Wohnung gehörte damit zum Umfang des Mandats.
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Soweit die Beklagte bestreitet gewusst zu haben, dass bei den Klägern eine konkrete
Erwerbsabsicht vorlag und behauptet, die Klägerin habe ihr lediglich eine abstrakte
Frage gestellt, ist ihr Vortrag widersprüchlich und unsubstanziiert. Dass ihr die
konkreten Zusammenhänge bekannt waren, ergibt sich bereits aus ihrer
Gebührenrechnung vom 10.11.1998, mit der Gebühren für eine Beratung wegen des
Kaufs einer Eigentumswohnung geltend gemacht werden. Auch das vom gleichen Tag
stammende Auskunftsschreiben zeigt, dass die Beklagte die konkreten Planungen der
Kläger in ihre Überlegungen einbezogen hatte und sich ihrer Beratungspflicht auch
durchaus bewusst war. Hier gab sie nämlich nicht nur Auskunft über die degressive
Abschreibung, sondern wies gleichzeitig darauf hin, dass eine Bescheinigung der
zuständigen Gemeindebehörde benötigt würde, um die Zulage zu erhalten. Es ist
unerheblich, dass die Beklagte, wie die Kläger selbst vortragen, keine eingehende
Beratung über die zeitliche Planung des Kaufs schuldete. Jedenfalls musste sie, soweit
Fragen des Investitionszulagegesetzes betroffen waren, die Kläger so weit informieren,
dass diese in der Lage waren, selbst zu entscheiden, ob sie den Kauf verschieben
sollten.
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Gegen diese Pflicht hat die Beklagte verstoßen. Ihre Auskunft war falsch; die degressive
Abschreibung konnte neben der Zulage in Anspruch genommen werden, da das
Kummulationsverbot des § 7a Abs. 5 EStG für Zulagen nach dem
Investitionszulagegesetz nicht gilt (Schmidt-Drenseck, EStG, 18. Aufl., 1999, § 7a, Rdnr.
8). Dies war auch schon vor In-Kraft-Treten des Investitionszulagengesetzes 1999 zum
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Zeitpunkt der Beratung durch die Beklagte bekannt und wurde in allgemein
zugänglichen Kommentaren und Fachzeitschriften diskutiert (Schmidt-Drenseck, EStG,
17.
Investitionen in den neuen Ländern ab 1999, DStR 1997, S. 1825, 1827; Kowallik,
Förderfalle oder Förderlücke bei der steuerlichen Investitionsförderung am Jahresende
1998/99, DStR 1998, S. 1779, 1781). Zum Teil wurde in den einzelnen Aufsätzen
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Beratung abzuwägen sei, welches
Förderungsprogramm für den Investor günstiger sei und dass, je nach Konstellation,
zeitliche Investitionsverschiebungen bedenkenswert seien (Streck/Mack/Schwedhelm,
Ausgewählte Beratungsüberlegungen zum Jahreswechsel, DStR 1997, S. 1865, 1868).
Abweichende Meinungen gab es in den Veröffentlichungen nicht. Die Beklagte war
verpflichtet, sich die für die Beantwortung der Frage erforderlichen Rechtskenntnisse zu
verschaffen (s.ob.), was ihr aus allgemein zugänglichen Quellen – hierzu gehörte
insbesondere auch die Zeitschrift DStR - ohne weiteres möglich gewesen wäre. Ob ihr
dabei die von den Klägern abonnierte Informationsschrift zur Verfügung stand, ist ohne
Bedeutung.
2. Zur haftungsausfüllenden Kausalität
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Der Verlust der Investitionszulage war auch kausale Folge des pflichtwidrigen
Verhaltens der Beklagten.
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Der Ersatzpflichtige hat gem. § 249 BGB den Zustand herzustellen, der ohne seine
Pflichtverletzung bestünde. Deshalb ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei
pflichtmäßigem Verhalten des Beraters genommen hätten, insbesondere wie der
Mandant auf eine dementsprechende Beratung reagiert hätte und wie seine
Vermögenslage dann wäre. Dabei hat grundsätzlich der Geschädigte den
Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und den Schaden als
anspruchsbegründende Voraussetzung darzutun und nachzuweisen. Die Ursächlichkeit
einer vom Berater begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch angeblich
entstandenen Schaden gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis
die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen gelten. Demnach reicht für die
richterliche Überzeugungsbildung eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage
beruhende Wahrscheinlichkeit aus. Das wirkt sich auch auf die Darlegungslast des
Geschädigten aus. Es genügt, dass er Tatsachen vorträgt und ggf. unter Beweis stellt,
die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichend greifbare Anhaltspunkte bieten.
An die Darlegung eines hypothetischen Geschehens dürfen keine übertriebenen
Anforderungen gestellt werden (BGH, Urt. v. 19.01.2006 – IX ZR 232/01, NJW-RR 2006,
S. 923, 925; BGH, Urt. v. 29.09.2005 – IX ZR 104/01, BGHRep 2006, S. 164; BGH, Urt.
v. 21.07.2005 – IX 49/02, NJW 2005, S. 3275; BGH, Urt. v. 13.01.2005 – IX ZR 455/00,
MDR 2005, S. 752).
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Die Kläger tragen vor, sie hätten den Kaufvertrag erst im Jahr 1999 abgeschlossen,
wenn sie gewusst hätten, dass die degressive Abschreibung neben der
Investitionszulage möglich sei. In diesem Fall wäre auch die Eigentumsumschreibung
erst 1999 erfolgt und der Kaufpreis erst im Jahr 1999 fällig geworden. Gem. § 3 Abs. 1
Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 InvZulG 1999 ist Voraussetzung für die Gewährung der Zulage, dass
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das neue Gebäude im Jahr der Fertigstellung angeschafft wird,
die Anschaffung zwischen dem 01.01.1999 und dem 31.12.2001 erfolgt,
das Gebäude mindestens 5 Jahre fremdvermietet wird,
eine Bescheinigung der Gemeindebehörde gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4b) InvZulG
vorgelegt wird.
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Das Gebäude ist angeschafft, wenn die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag erfüllt
sind, also das Eigentum übergegangen und der Kaufpreis gezahlt ist. Hätten die Kläger
den Kaufvertrag erst im Jahr 1999 abgeschlossen, wäre die Anschaffung auch erst in
diesem Jahr erfolgt. Dann hätten aber auch die anderen Voraussetzungen der
Investitionszulage vorgelegen. Es ist nämlich unstreitig, dass die Wohnung erst im
Februar 1999 fertiggestellt worden ist, da 1998 wesentliche Merkmale für die
Bezugsfertigkeit fehlten (vgl. Gutachten, Bl. 181 GA). Dies ergibt sich auch aus den von
den Klägern vorgelegten Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass den Klägern am
21.01.1999 mitgeteilt wurde, dass Bezugsfertigkeit der Wohnung im Laufe des Februars
1999 bestehen würde.
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a.
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Die Beklagte hat die Richtigkeit dieser Unterlagen nicht bestritten. Soweit sie dagegen
anführt, die Kläger hätten den Zeitpunkt der Fertigstellung, der ursprünglich für 1998
vorgesehen gewesen sei, nicht steuern können, ist dies unerheblich, da es lediglich auf
den tatsächlichen Fertigstellungstermin ankommt. Auch der Einwand, eine richtige
Beratung hätte schon aus dem Grund nicht erfolgen können, weil zum Zeitpunkt der
Beratung davon habe ausgegangen werden müssen, dass die Fertigstellung noch in
1998 erfolgen würde, trifft nicht zu. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten waren ihr
die Termine der Fertigstellung des Bauvorhabens, sowohl der geplante als auch der
tatsächliche, bei der Beratung nicht bekannt. Sie kann diesen Punkt daher in ihre
Überlegungen auch nicht einbezogen haben. Die Tatsache, dass beide Termine
voneinander abwichen, kann somit auch keine Auswirkungen auf den
Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit, dem Verhalten der Kläger und
dem geltend gemachten Schaden haben.
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b.
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Die Beklagte führt weiterhin an, der entstandene Schaden sei deshalb nicht kausal zu
der Pflichtverletzung, weil die Auskunft für einen anderen Zweck verwendet worden sei
als angegeben. Dies trifft jedoch nicht zu.
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Grundsätzlich haftet derjenige, der für ein schädigendes Ereignis verantwortlich ist, dem
Geschädigten für alle dadurch ausgelösten Schadensfolgen. Als Ausnahme von diesem
Grundsatz ist allerdings auch für das Vertragsrecht anerkannt, dass eine
Pflichtverletzung nur zum Ersatz der Schäden führen kann, deren Vermeidung die
verletzte Pflicht bezweckt. Nach der für Schadensersatzansprüche anerkennten
Schutzzwecklehre besteht eine Schadensersatzpflicht nur, wenn der geltend gemachte
Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm
oder Pflicht fällt. Bei Vertragsverletzungen muss es sich danach um Nachteile handeln,
die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Pflicht
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übernommen worden ist (BGH, Urt. v. 13.02.2003 – IX ZR 62/02, NJW 2003, S. 1035,
1036; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.2004 – 17 U 73/02, NJOZ 2004, S. 3163, 3164/3165).
Der hier geltend gemachte Schaden fällt indes unter den Schutzzweck der verletzten
Vertragspflicht. Wie oben ausgeführt, bestand die vertragliche Pflicht darin, der Klägerin
zu 1.) vor dem Hintergrund des geplanten Kaufs einer Eigentumswohnung eine richtige
Auskunft auf die Frage zu erteilen, ob die Investitionszulage neben der der degressiven
AfA gezahlt werde. Im Falle einer falschen Auskunft musste die Beklagte danach für die
Folgen einstehen, für deren Einschätzung die geschuldete Aufklärung maßgeblich war
(vgl. BGH, Urt. v. 13.02.2003 – IX ZR 62/02, NJW 2003, S. 1035, 1036). Maßgeblich war
die Auskunft aber auch für die Entscheidung der Klägerin, wann die Wohnung erworben
werden sollte und welches Förderungsmodell in Anspruch genommen werden sollte.
Wenn also infolge einer falschen Entscheidung aufgrund der fehlerhaften Auskunft die
Investitionszulage verloren ging, stand dieser Schaden in unmittelbaren
Zusammenhang mit der vertraglichen Pflicht und fiel damit unter deren Schutzzweck.
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3. Zum Schaden
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Das Landgericht hat auch zu Recht die entgangene Investitionszulage als kausalen
Schaden angesehen. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung dagegen
anführt, es sei bislang nicht festgestellt worden, dass die Inanspruchnahme der
Investitionszulage mit der degressiven Abschreibung günstiger gewesen wäre als die
Inanspruchnahme der Förderungsgebietsabschreibung, trifft dies nicht zu.
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Zwar ist es richtig, dass es für die Darlegung und den Beweis eines Schadens nicht
ausreicht, eine einzelne Position im Wege des Schadensersatzanspruchs geltend zu
machen. Vielmehr sind die Vermögenslagen mit und ohne schädigendes Ereignis
miteinander zu vergleichen (BGH, Urt. v. 20.01.2005 – IX ZR 416/00, BGHRep 2005, S.
784 (= MDR 2005, S. 866 f); BGH, Urt. v. 19.01.2006 – IX ZR 232/01, NJW-RR 2006, S.
923 f; BGH, Urt. v. 20.01.2005 – IX 416/00, MDR 2005, S. 866). Nach dem hier
anzuwendenden § 287 ZPO reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter
Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden entstanden sei, für die
richterliche Überzeugungsbildung aus. Hierbei ist grundsätzlich die gesamte
Schadensentwicklung bis zum prozessual spätest möglichen Zeitpunkt, nämlich dem
der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen, in die
Schadensberechnung einzubeziehen (BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW
2004, S. 444, 445). Eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete Darlegung des
Schadens liegt hier jedoch spätestens seit Einholung des Sachverständigengutachtens,
dem sich die Kläger insofern angeschlossen haben, vor. Der Sachverständige hat die
Vermögenslagen bei Inanspruchnahme der Förderungsgebietsabschreibung und der
degressiven Abschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG vergleichend nebeneinander gestellt.
Wenn man zunächst eine mögliche Zulage nach dem InvZulG 1999 außer acht lässt,
ergibt sich aus dieser vergleichenden Zusammenstellung, dass eine Abschreibung nach
dem FördG bis zum Jahr 2003 günstiger war und im Vergleich zur degressiven
Abschreibung zu einer Steuerminderung geführt hatte. Ab dem Jahr 2003 änderte sich
dies jedoch, so dass die Abschreibung nach dem FördG zu einer Steuermehrung in
Höhe von jährlich 1.897,05 € führten. Danach wäre der zunächst durch die lineare
Abschreibung erwirtschaftete Vermögensvorteil jedenfalls bis zum Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz im Jahr 2006 durch den ab 2003
eingetretenen Vermögensnachteil nahezu aufgezehrt gewesen (Rest: 708,23 €) und die
Inanspruchnahme der linearen Abschreibung nach dem FördG würde sich in der
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Folgezeit fortlaufend schadenserhöhend auswirken. Insofern ist es zutreffend, dass die
nicht geltend gemachte Investitionszulage in Höhe von 12.819,11 € einen
Mindestschaden der Kläger darstellt. Vermögensvorteile sind bei der
Schadensberechnung nicht zu berücksichtigen, da diese jedenfalls mittlerweile schon
durch die unterlassene Geltendmachung der degressiven Abschreibung verbraucht
sind. Die Berechnung des Gutachters ist von der Beklagten auch nicht bestritten
worden.
4.
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Das Verschulden der Beklagten wird gem. § 282 BGB analog vermutet.
29
5. Zum Mitverschulden
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Der Anspruch der Kläger wird auch nicht durch ein Mitverschulden gemindert oder
ausgeschlossen.
31
a.
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Die Beklagte trägt insofern zunächst vor, die Kläger hätten gegen die ihnen obliegende
Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie es unterlassen hätten, für 1998 die
Vergünstigungen nach dem FördG und ab 1999 zusätzlich die Investitionszulage auf der
Grundlage einer geminderten Bemessungsgrundlage in Anspruch zu nehmen. Dies war
den Klägern jedoch nicht möglich, da sich die Förderungsmöglichkeiten nach beiden
Gesetzen grundsätzlich einander ausschließen. Die Abschreibungen nach dem FördG
setzen die Fertigstellung oder Anschaffung vor dem 01.01.1999 voraus (§ 4 Abs. 2 S. 1
FördG), während die Investitionszulage nur gewährt wird, wenn dies nach dem 01.01.99
der Fall ist (s.ob.). Eine Splittung der Förderungen, wie sie der Beklagten offenbar
vorschweben, ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen nach dem InvZulG vorliegen,
aber vor dem 01.01.99 Anzahlungen bzw. Teilherstellungskosten geleistet wurden. In
diesem Fall können die noch 1998 angefallenen Kosten nach dem FördG
abgeschrieben und darüber hinaus die Investitionszulage aufgrund einer geminderten
Bemessungsgrundlage geltend gemacht werden (vgl. Stuhrmann, Die steuerrechtliche
Förderung von Investitionen in den neuen Ländern ab 1999, DStR 1997, S. 1825, 1827).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da aufgrund der Beratung der Beklagten die
Voraussetzungen der Anwendung des InvZulG nicht eingetreten waren.
33
b.
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Soweit die Beklagte behauptet, die Kläger hätten die Abschreibungsmöglichkeit nach
dem FördG nicht in voller Höhe in Anspruch genommen, ist der Vortrag unsubstanziiert.
Die Beklagte ist für das Vorliegen der Voraussetzungen eines etwaigen
Mitverschuldens darlegungs- und beweispflichtig. Die Kläger haben aber die
Berechnung der Abschreibung nach dem FördG bereits in erster Instanz dargelegt (u.a.
im Schriftsatz vom 20.06.2001). Angesichts dessen hätte die Beklagte vortragen
müssen, inwiefern die Angaben falsch sein sollen. Die bloße Behauptung, es sei nicht
die Höchstforderung in Anspruch genommen worden, reicht nicht aus.
35
c.
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Dass die Klägerin von der Möglichkeit, die degressive Abschreibung neben der
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Investitionszulage geltend zu machen, zum Zeitpunkt der Beratung, keine Kenntnis
hatte, wird wohl nicht mehr bestritten. Die Beklagte kann sich aber auch nicht mit Erfolg
darauf berufen, dass die Kläger sich hätten informieren können. Nach der Rspr. des
BGH (BGH, Urt. v. 13.01.2004 – XI 355/02, NJW 2004, 1868,1870; BGH, Urt. v.
18.12.1997 – IX ZR 153/96, NJW 1998, S. 1486, 1488; BGH, Urt. v. 25.11.1981 – IVa ZR
286/80, NJW 1982, S. 1095, 1096) kann der Vertragspartner, der eine unrichtige
Auskunft erteilt hat, dem anderen Teil nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht
entgegenhalten, dass dieser auf seine Auskunft vertraut hat, bzw. dass die Gefahr, zu
deren Verwendung er hinzugezogen worden war, von dem anderen Teil selbst hätte
erkannt und abgewendet werden können. Mitverschulden kann aber vorliegen, wenn
nach den Umständen des Einzelfalles Anlass zu Misstrauen bestand (BGH BGH, Urt. v.
25.11.1981 – IVa ZR 286/80, NJW 1982, S. 1095, 1096/1997) oder wenn eine
Schadensursache im Bereich der Eigenverantwortung des Geschädigten entstanden ist
und dieser diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die nach der Sache erforderlich
erschien, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (BGH, Urt. v. 20.06.1996 – IX ZR
106/95, NJW 1996, S. 2929, 2932).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klägerin konnte sich vielmehr auf die Auskunft
der Beklagten auch dann verlassen, wenn sie auf einschlägige Informationsquellen
zurückgreifen konnte. Auch wenn der Geschädigte steuerrechtlich vorgebildet ist, darf er
sich auf eine einwandfreie Vertragserfüllung verlassen (BGH, Urt. v. 18.12.1997 – IX ZR
153/96, zitiert nach juris, Rdnr. 26, 27 (= WM 1998, S. 301 ff)). Es ist zudem nicht
ersichtlich, woraus eine Pflicht der Kläger erwachsen sollte, eine von ihnen abonnierte
Informationsschrift unmittelbar nach Erhalt nachzusortieren, um stets auf dem neusten
steuerrechtlichen Stand zu sein.
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II. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO) noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
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