Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.04.2002

OLG Düsseldorf: fortsetzung des mietverhältnisses, wohnung, beendigung, ordentliche kündigung, schlüssiges verhalten, herausgabe, räumung, befristung, mwst, import

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 199/01
Datum:
16.04.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 199/01
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 7 O 83/01
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. August 2001 verkündete
Urteil der 7. Zivilkammer des Land-gerichts Wuppertal abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, die im Hauptgebäude M. Str. in S.
gelegenen Keller- und Erdgeschossräume zu räumen und an die
Klägerin herauszugeben.
Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nach
gelassen, die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung in Höhe von
10.000,00 EUR abzuwenden, es sei denn, die Klägerin leistet vorher
Sicherheit in gleichem Umfang.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist seit dem 15. September 2000 (Eintragungsdatum im Grundbuch)
Eigentümerin u.a. des bebauten Grundstücks M. Str. in S., das sie durch notariellen
Vertrag vom 22. November 1999 gekauft hat. Der Beklagte hatte mit der
Voreigentümerin im Jahre 1989 einen Mietvertrag über die in diesem Gebäude auf vier
Ebenen gelegenen Lager- und Kellerräume, eine Lagerhalle sowie angrenzende
Hofflächen geschlossen. In der Folgezeit wandelte der Beklagte im I. Ober- und
Dachgeschoss gelegene Lagerflächen Wohnungen um. Eine der beiden im I.
Obergeschoss gelegenen Wohnung nutzte der Beklagte selbst, die übrigen vermietete
er. Das Erdgeschoß und die Halle nutzte der Beklagte als Lager für seinen Import-
Export-Handel.
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Am 18. Juli 1995 schloss er mit der Voreigentümerin über die in seinem Besitz
befindlichen Räume und Flächen einen neuen, bis zum 30. November 1999 befristeten
"Mietvertrag für gewerbliche Räume" (so die Überschrift) ab. Das Vertragsverhältnis
sollte sich um ein Jahr verlängern, wenn eine der Parteien nicht spätestens sechs
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Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspricht (§ 2 Nr. 1 S. 3 MV). Die
Mieträume wurden "zum Betriebe eines IMPORT-EXPORT-GROSSHANDELS" (§ 1 Nr.
1 MV) überlassen. Als Mietzins wurden 4.250,00 DM (zzgl. MwST und
Betriebskostenvorauszahlung) sowie 125,00 DM (zzgl. MwST) für eine Werbeschild
vereinbart (jeweils monatlich). Die vorhandene Wohnnutzung wird nicht erwähnt. In § 2
Nr. 7 MV heißt es:
" Bei Ablauf der Mietzeit findet § 568 BGB für beide Vertragspartner keine Anwendung."
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Mit Schreiben vom 5. Februar 1999, das dem Beklagten am 09. Februar 1999
zugegangen ist, widersprach die Voreigentümerin unter Hinweis auf die Befristung einer
Verlängerung des Mietvertrags. Sie erklärte vorsorglich die ordentliche Kündigung ,
forderte den Kläger zu Räumung und Herausgabe bis zum Vertragsende auf und
widersprach vorsorglich einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses.
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Der Beklage räumte zum Ablauf der Befristung nicht. Ab Dezember 1999 leistete er
noch Zahlungen an die Klägerin, die sich ihm gegenüber als Erwerberin und neue
Vermieterin vorgestellt und von dem Grundstück Besitz ergriffen hatte. Am 03. Januar
2000 übergab ihr der Beklagte eine im I. Obergeschoss sowie die im Dachgeschoss
gelegene Wohnung sowie die Lagerhalle. Für die eigengenutzte Wohnung im I.
Obergeschoss sowie für die Lagerfläche im Erdgeschoss zahlt der Beklagte seit Januar
2000 nur noch 2.500,00 DM (incl.MwST).
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Mit der am 27. März 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin den Beklagten auf
Räumung und Herausgabe der am 03. Januar 2000 noch nicht zurückgegebenen
Räume in Anspruch genommen.
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Sie hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, die im Hauptgebäude M. Str. gelegenen Kellerräume
und Erdgeschossräume zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat geltend gemacht: Herausgabe der Kellerräume schulde er nicht mehr, weil die
Klägerin sie bereits in Besitz habe. Räumung und Herausgabe des Erdgeschosses
schulde er nicht, weil das Mischmietverhältnis überwiegend der Wohnnutzung diene
und deshalb nicht ohne berechtigtes Interesse des Vermieters an der
Vertragsbeendigung mit Ablauf der Befristung ende. Ein berechtigtes Interesse sei nicht
dargelegt. Ferner sei die Vertragsbeendigung für ihn unzumutbar, weil er allein in den
Um- und Ausbau der selbstgenutzten Wohnung mehr als 150.000,00 DM investiert
habe. Jedenfalls sei aber nach der Teilrückgabe, mit welcher sich die Klägerin zunächst
zufrieden gegeben habe, über die zurückgehaltenen Teile des Mietobjekts eine neuer
Mietvertrag zustande gekommen. Die Klägerin habe auch die Zahlungen
widerspruchslos entgegen genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, zwischen den Parteien sei
bei reduzierter Mietfläche und reduziertem Mietzins ein neuer Mietvertrag zu den
übrigen Bedingungen des Vertrages vom 18. Juli 1995 zustande gekommen. Falls in
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der Klageerhebung eine Kündigung zu erblicken und der Vertrag als gewerblich zu
qualifizieren sei, könne die Klägerin jedenfalls vor dem 30. November 2001 keine
Räumung und Herausgabe verlangen. Handele es sich dagegen um einen
Wohnraummietvertrag, sei die Kündigung mangels Darlegung eines gesetzlichen
Kündigungsgrundes unwirksam.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihre bisherigen Ziele
unverändert weiter verfolgt. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und weist
ergänzend auf die unter den Parteien unstreitige Tatsache hin, dass nach de
Teilrückgabe über ein Nutzungsentgelt erfolglos verhandelt worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlussanträgen im ersten
Rechtszug zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das
angefochtene Urteil, das er für richtig hält.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin als Grundstückserwerberin und
nunmehrige Vermieterin kann gemäß §§ 556 Abs. 1, 564 Abs. 1, 571 Abs. 1, 580 BGB
a.F. (§§ 546 Abs. 1, 542 Abs. 2, 566 Abs. 1, 578 BGB n.F.). Räumung und Herausgabe
des Kellergeschosses und des als Lager genutzten Erdgeschosses im bezeichneten
Gebäude verlangen.
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I.
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Das Klagebegehren scheitert nicht schon daran, dass die Klägerin ihren Räumungs-
und Herausgabeanspruch nicht bezüglich der im I. Obergeschoss gelegenen Wohnung,
sondern nur bezüglich des Kellergeschosses und des Erdgeschosses des bezeichneten
Gebäudes verfolgt. Von der (nach materiellem Recht) unzulässigen Teilkündigung eines
einheitlichen Mietverhältnisses (um die es hier nicht geht, vgl. dazu nach folgenden
unter Nr II. 1 ), ist die prozessuale Teildurchsetzung und Teiltitulierung eines
einheitlichen, aber mehrgliedrigen Räumungs- und Herausgabeanspruchs zu
unterscheiden. Eine solche (offene) Teilklage ist durchaus zulässig, § 308 Abs. 1 ZPO
(vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., vor § 322 Rn. 45, 47f). Maßgeblich für die
Zulässigkeit einer Teilklage ist allein die Vollstreckungsfähigkeit des titulierten
Anspruchs. Dagegen bestehen aber keine Bedenken, weil die Räume, deren Räumung
und Herausgabe die Klägerin hier verlangt, von den der Wohnungsnutzung
unterliegenden Räumen abgrenzbar und abgegrenzt sind, so dass es im Rahmen einer
möglichen Zwangsvollstreckung zu keinen unbehebbaren Schwierigkeiten kommen
kann.
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II.
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1.Entgegen der Meinung des Beklagen musste das Mietverhältnis nicht durch
Kündigung beendet werden. Es endete vielmehr durch Zeitablauf (§ 565 Abs. 1 BGB
a.F., § 542 Abs. 2 BGB n.F.), nämlich infolge der im Mietvertrag (§ 2 Nr. 1 S. 2 MV, GA
78) vereinbarten Befristung bis zum 30. November 1999. Die Befristung wäre nur dann
nicht maßgeblich geworden, wenn die Verlängerungsklausel (§ 2 Nr. 1 S.3 MV) wirksam
geworden wäre. Das ist indes, wovon auch das Landgericht auszugehen scheint, nicht
der Fall. Denn der frühere Vermieter hatte rechtzeitig, nämlich vor Ablauf der
vereinbarten sechsmonatigen Widerspruchsfrist, die am 31. Mai 1999 endete, der
Verlängerung des Mietverhältnisses widersprochen.
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2. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Klägerin könne sich auf die Befristung
nicht berufen, weil es um die Vermietung von Wohnraum gehe und die Klägerin eine
berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht dargelegt habe
und die vertragsgemäße Beendigung für ihn mit Blick auf die hohen Investitionen auch
unzumutbar sei.
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a) Zutreffend ist, dass die Beendigung befristeter Mietverhältnisse über Wohnraum den
besonderen Bestimmungen des sozialen Mietrechts unterliegt. Maßgeblich sind §§
556b,556a BGB (Fortsetzungsverlangen auf bestimmte Zeit) und §§ 564c, 564b BGB
(Fortsetzungsverlangen auf unbestimmte Zeit) jeweils in der bis zum 31. August 2001
geltenden alten Fassung. Die Maßgeblichkeit alten Rechts ergibt sich aus der
Übergangsvorschrift des Art. 229 Abs. 3 EGBGB. Diese bestimmt, dass die genannten
bisher geltenden Vorschriften auf am 01. September 2001 bestehende Mietverhältnisse
weiter anzuwenden sind. Sie sind dann und erst recht auch auf solche Mietverhältnisse
anzuwenden, über deren Bestand am 01. September 2001 gestritten wird. Anliegen des
Reformgesetzgebers war es nämlich, aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes
die neuen Regeln des sozialen Mietrechts nur auf solche Mietverhältnisse anzuwenden,
welche nach dem 01. September 2001 begründet worden sind.
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b) Das Landgericht hat offen gelassen, ob das hier umstrittene Mietverhältnis den
besonderen Regeln des Wohnraummietrechts unterliegt oder ob Gegenstand des
Mietvertrags vom 18. Juli 1995 Gewerberäume sind. Der Senat entscheidet diese Frage
dahin, dass Wohnraummietrecht nicht anzuwenden ist.
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aa) Geht es um die Frage, welche Rechtsregeln auf Mischmietverhältnisse anzuwenden
sind, richtet sich die Antwort nach dem vereinbarten Vertragszweck (vgl. dazu BGH
MDR 1986, 46 [47] und MDR 1986, 842). Die Vertragsparteien entscheiden
privatautonom, welche Vertragszwecke sie verfolgen wollen. Von dieser, keiner
gesetzlichen Regulierung unterliegenden Entscheidung hängt dann erst ab, welche
gesetzlichen Regeln auf das Vertragsverhältnis anzuwenden sind (vgl. Reinstorf
in:Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. Anm. I 105, 107).
Dabei entscheidet der wahre, das Rechtsverhältnis prägende Vertragszweck (vgl. BGH
MDR 1986, 842), also das, was dem tatsächlichen und übereinstimmenden Willen der
Parteien entspricht. Dieser ist notfalls nach den allgemeinen Regeln (§§ 133,157 BGB)
auszulegen (vgl. dazu BGH NJW 1996, NJW 1997, 1845, 1846 und NJW 1998, 746,
747).
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bb) Wahrer, das Rechtsverhältnis prägender Vertragszweck ist im Streitfall die
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Vermietung von Gewerberaum gewesen. Dafür spricht, dass Gegenstand des
ursprünglichen Mietvertrages von 1989 nur Lagerflächen gewesen sind. Die vom
Beklagten behauptete Gestattung des früheren Eigentümers, einen Teil der
Lagerflächen im I. Obergeschoss zur Eigennutzung des Beklagten und weitere
Lagerflächen im I. Ober- und Dachgeschoss zur Fremdvermietung in Wohnraum
umzuwandeln, hätte schon am Charakter des ursprünglichen Gewerbemietvertrags
nichts zu ändern vermocht. Geprägt wurde das Vertragsverhältnis auch danach durch
seinen gewerblichen Teil. Ist nämlich Vertragszweck (auch) die Untervermietung von
Wohnraum, unterliegt der Hauptmietvertrag nicht dem Wohnungsmietrecht (BGH MDR
1986, 46 f). Daran vermag die Bestimmung des § 549 a BGB a.F. (§ 565 BGB n.F.)
nichts zu ändern. Im Gegenteil, sie bestätigt den Befund. Sie schützt nämlich nicht den
Untervermieter
Untermieter
Falle der Kündigung unter den Voraussetzungen des sozialen Mietrechts trotzt
Beendigung des Hauptmietvertrags das Mietverhältnis (als neues Hauptmietverhältnis)
mit dem Hauptmieter fort (vgl. dazu Palandt/Weidenkaff, BGB, 61 Aufl., § 565 Rn.2 und §
546 Rn. 22). Die eigene Nutzung der im I. Obergeschoss ausgebauten Wohnung tritt
demgegenüber in den Hintergrund.
Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte allein in den Ausbau der selbstgenutzten
Wohnung mehr als 150.000,00 DM investiert haben will und nur relativ geringfügige
Mittel in den Umbau des im Erdgeschoss gelegenen Lagers. Die Höhe der Um- und
Ausbaukosten ist nicht geeignet, auf die Vertragsprägung Einfluss zu nehmen. Das
beruht darauf, dass nicht die Höhe der Investitonskosten, sondern nur ihre Art den
Vertragszweck näher bestimmt. Maßgeblich kann deshalb nur sein, auf welche Weise
durch Investitionen in den Um- und Ausbau der gemieteten Räume der von den
Vertragsparteien vereinbarte Vertragszweck näher bestimmt worden ist.
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In dieser Hinsicht haben die Vertragsparteien den Investitionen des Beklagten keine
besondere Bedeutung zugemessen. Das folgt daraus, dass der zwischen dem
Voreigentümer und dem Beklagten am 18. Juli 1995 abgeschlossene Mietvertrag, der
schon in der Überschrift ausdrücklich " gewerbliche Räume" bezeichnet und als
Vertragszweck den (bei Vertragsabschluss tatsächlich schon bestehenden) Betrieb
eines "Import-Export-Grosshandels" nennt, die gewerbliche Nutzung durch den Mieter
im Vordergrund sieht. Unterstrichen wird das noch durch die Mitvermietung einer
Werbefläche auf der westlichen Giebelseite des Gebäudes (§ 3 Nr. 2 MV). Die
Wohnungen, sei es die selbstgenutzte, sei es die untervermietete, werden gar nicht
erwähnt. Es liegt auch kein verdeckter Wohnraummietvertrag vor. Davon könnte nur
dann die Rede sein, wenn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in wirtschaftlicher
Hinsicht die Wohnraumeigennutzung des Beklagten ganz im Vordergrund gestanden
hatte (vgl. BGH MDR 1986, 842). Dafür gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte. Im
Gegenteil, die gewerbliche Nutzung der Lagerflächen sowie die Fremdvermietung von
Wohnung überwog die Eigennutzung von Wohnraum ganz deutlich.
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III.
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Der nach Beendigung des Mietverhältnisses entstandene schuldrechtliche
Herausgabeanspruch (§ 556 Abs. 1 BGB a.F., 546 Abs. 1 BGB n.F.), ist mit dem
Eigentumserwerb (15. September 2000) kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen
(analog § 571 Abs. 1 BGB a.F., analog § 566 Abs. 1 BGB n.F.).
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1. Dem Rechtsübergang steht nicht entgegen, dass das Mietverhältnis vor dem
Eigentumsübergang beendet gewesen ist. Zwar konnte das Vertragsverhältnis vom 18.
Juli 1995 mangels dessen Fortbestands nicht mehr auf die Klägerin übergehen. Wohl
aber ist die Klägerin in das mietrechtliche Abwicklungsverhältnis eingetreten, das nach
der Vertragsbeendigung zunächst in der Person der Voreigentümerin entstanden und
dann auf die Klägerin übergegangen ist. Im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs hatte der
Beklagte den Herausgabeanspruch nämlich noch nicht (vollständig) erfüllt (vgl. BGH
NJW 1978, 2148).
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2. Der schuldrechtliche Herausgabeanspruch ist auch nicht untergegangen durch
entgegenstehende vertragliche Abreden der Parteien. Zwischen ihnen ist nach
Beendigung des Vertragsverhältnisses am 30. November 1999 kein neues
Mietverhältnis zustande gekommen. Die vom Landgericht dazu getroffenen
Feststellungen tragen eine solche Rechtsfolge nicht, geschweige denn die von der
Klägerin im II. Rechtszug dazu ergänzend vorgetragenen und vom Beklagten
zugestandenen Tatsachen.
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Eine Vertragsverlängerung kraft Gesetzes mit der früheren Eigentümerin, in welche die
Klägerin mit dem Eigentumserwerb eingetreten wäre, durch bloße
Gebrauchsfortsetzung hat nicht stattgefunden. Dabei kann offen bleiben, ob durch den
bloßen Verweis auf die Nichtanwendbarkeit des § 568 BGB a.F. (§ 545 BGB n.F.) ohne
dessen inhaltliche Wiedergabe in § 2 Nr. 7 MV eine stillschweigende Fortsetzung des
Mietverhältnisses infolge Gebrauchsfortsetzung wirksam abgedungen ist (verneint für
Wohnraummietverhältnisse vom OLG Schleswig NJW 1995, 2858, 2859). Durch die
bloße Gebrauchsfortsetzung ist schon deshalb kein neuer Mietvertrag zustande
gekommen, weil die Voreigentümerin bereits in dem Widerspruchsschreiben vom 05.
Februar 1999 auch einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses
widersprochen hatte. Das ist rechtlich zulässig. Der in § 568 S. 2 BGB a.F. (§ 545 S.1
Nr. 2 GB n.F.) genannte Beginn der zweiwöchigen Widerspruchsfrist für den Vermieter
(ab Kenntnis von der Gebrauchsfortsetzung) ist nicht dahin misszuverstehen, dass der
Widerspruch erst nach der Beendigung des Mietverhältnisses bei fortgesetztem
Gebrauch zulässig wäre. Er kann vielmehr schon vor der Beendigung erhoben werden,
wenn er noch in einem zureichenden zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung
steht (h.M., vgl. nur Palandt/Weidenkaff, aaO, § 545 Rn. 8 m. zahlr. w .N.).
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So verhält es sich aber im Streitfall. Die Voreigentümerin hatte in dem Schreiben in
mehrfacher Hinsicht deutlich gemacht, dass sie mit der Beendigung des
Mietverhältnisses auf jeden Fall die Räumung wünscht. Darauf konnte und musste sich
der Beklagte einstellen. Unschädlich ist es, dass die Voreigentümerin der
Gebrauchsfortsetzung schon fast zehn Monate vor dem vereinbartem Vertragsende
widersprochen hatte. Maßgeblich ist nicht die absolute Zeit, sondern das Zeitverhältnis
zur Länge des vertragsgemäßen Gebrauchs. Anhaltspunkte für den zeitlichen
Zusammenhang geben deshalb einerseits die vertraglich vereinbarte Widerspruchsfrist
gegen die vertraglich vereinbarte Vertragsverlängerung (6 Monate), andererseits auch
die gesetzliche Kündigungsfrist des § 565 Abs. 1a BGB a.F.: (§ 580 a Abs. 2 BGB n.F.)
für Geschäftsräume (bis maximal 9 Monate). Sinn dieser Fristen ist, dem
Kündigungsgegner Gelegenheit zu geben, sich auf die neue Rechtslage einzurichten.
Es ist deshalb sinnvoll, den Widerspruch im Sinne des § 568 S.1 BGB a. (§ 545 S.1
BGB n.F.) mit einer Widerspruchserklärung gegen eine vertragliche
Vertragsverlängerung oder mit einer Kündigungserklärung zu verbinden (vgl. dazu
Palandt/Weidenkaff, aaO), weil dem Kündigungsgegner damit gleichzeitig deutlich vor
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Augen geführt wird, dass er das Vertragsende nicht gleichsam "aussitzen", also durch
die bloße Gebrauchsfortsetzung nicht mit einer Vertragsverlängerung rechnen kann.
Damit ist zugleich der gesetzliche Zweck des " 568 S.1 BGB a.F.(§545 BGB n.F.) erfüllt,
der nämlich nur darin liegt, einer Unklarkeit der Beziehungen durch einen vertragslosen
Zustand vorzubeugen (Palandt/Weidenkaff, aaO Rn. 1).
3. Schließlich ist entgegen der Annahme des Landgerichts auch nicht unmittelbar
zwischen den Parteien ein stillschweigender Vertrag zustande gekommen.
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a) Ein Mietvertrag kommt wie jeder andere Vertrag durch Angebot und Annahme
zustande. Fehlt es an ausdrücklichen Willenserklärungen, kommt auch ein
Vertragsabschluss durch schlüssiges Verhalten in Betracht. Es ist anerkannt, dass dem
Austausch von Leistung und Gegenleistung, also dem Vertragsvollzug der
übereinstimmende Parteiwille entnommen werden kann, eine vertragliche Bindung
einzugehen (BGH NJW 1983, 1728 und 1777). Eine solche Auslegung (§§ 133, 157
BGB) setzt aber voraus, dass keine Umstände gegen den rechtsgeschäftlichen
Bindungswillen sprechen, das schlüssige Verhalten aus der Sicht eines mit den
Verhältnissen vertrauten Beobachters also eindeutig ist (vgl. OLG Düsseldorf- 10.ZS-,
ZMR 1988, 54 und DWW 2002, 288; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen
Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Auflage. Rn. 52).
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b) An solcher Eindeutigkeit fehlt es im Streitfall.
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aa) Ein Wille, den Vertrag vom 18. Juli 1995 mit veränderten essentiellen Bedingungen
"fortzusetzen", fehlt gänzlich. Dieser Vertrag war nach den getroffenen Feststellungen
nicht nur beendet und schon deshalb im rechtlichen Sinne nicht mehr fortsetzbar,
sondern er wurde zu einem großen Teil auch abgewickelt. Denn der Beklagte hatte in
Erfüllung des Herausgabeanspruch, der rechtlich zu jenem Zeitpunkt noch der früheren
Eigentümerin zugestanden hatte (§§ 571 Abs. 1 , 556 Abs. 1 BGB a.F.[§§ 566 Abs. 1 ,
545 Abs. 1 BGB n.F.]), einen großen Teil der von ihm gemieteten Flächen am 03.
Januar 2000 an die Klägerin herausgegeben. Die Teilherausgabe an die Klägerin steht
der Teilerfüllungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB) nicht entgegen. Maßgeblich ist, dass die
Klägerin als empfangsberechtigt anzusehen gewesen ist. Der Beklagte behauptet
jedenfalls nicht, dass die Klägerin den Besitz unberechtigt ausgeübt hatte. Gegen
unberechtigten Besitz spricht auch, dass sie das Entgelt bis zu ihrer Eintragung als
Eigentümerin (15. September 2000)eingezogen hatte, ohne dass die frühere
Eigentümerin Rechte gegen den Beklagten geltend gemacht hatte.
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bb) Da sich das Mietverhältnis vom 18. Juli 1995 in der Abwicklung befand und sich die
Klägerin schon nach dem Vortrag des Beklagten nur "zunächst" mit der Teilräumung
zufrieden gegeben hatte, gab es auch keinen Anlass, den fortgesetzten Teilbesitz des
Beklagten und seine Zahlungen, wie es das Landgericht getan hat, als vertragliche
Leistungen (§ 535 S. 2 BGB a.F. = § 535 Abs. 2 n.F.) zu qualifizieren. Es liegt doch viel
näher, sie als Nutzungsentschädigung im Sinne de § 557 Abs. 1 BGB a.F. ( § 546a Abs.
1 n.F.) oder als Wertersatz im bereicherungsrechtlichen Sinne (§§ 812 Abs. 1, 818 Abs.
2 BGB) zu qualifizieren, zumal der Beklagte nicht behauptet hat, dass der von ihm
gezahlte monatliche Betrag auf einer Vereinbarung der Parteien beruhte.
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cc) Vor allem aber der ergänzende Vortrag der Klägerin im zweiten Rechtszug belegt,
dass kein rechtsgeschäftlicher Bindungswille vorhanden gewesen ist. Dabei ist
gleichgültig, ob die Parteien über das Zustandekommen eines neuen Mietvertrags oder
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nur über die Höhe einer zu zahlenden Nutzungsentschädigung verhandelt haben.
Maßgeblich ist, dass es zu einer Einigung nicht gekommen ist. Insbesondere konnten
sich die Parteien nicht über das künftige Entgeld einigen. Der damit bestehende offene
Dissens hat gemäß § 154 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die Nutzung der Räume in
vertragslosem Zustand geschehen ist (Wolf/Eckert/Ball, aaO Rn. 52, 164; Bub in
Bub/TreierAnm. II 344). In diesem Zusammenhang ist es gänzlich ohne Belang, dass
sich die Verhandlungen über mehrere Monate hingezogen haben. Maßgeblich ist, dass
der Beklagte im Februar 2000 die Forderung der Klägerin ablehnte und im Sommer
2000 dazu übergegangen war, im Falle eines konkreten Räumungsverlangens auch
bezogen auf die Wohnung seine Wegnahme- und Aufwendungsersatzansprüche näher
darzulegen. Darüber haben die Parteien bis Dezember 2000 korrespondiert. Während
dieses gesamten Zeitraums bis zur Klageerhebung (27. März 2001) gab es keinen
Anhalt, der einen stillschweigenden Vertragsabschluss rechtfertigen könnte. Die
schlichte Gebrauchsfortsetzung erhält dadurch keine vertragliche Grundlage. Die
Grundsätze eines faktischen Vertragsverhältnisses finden im Mietrecht keine
Anwendung (Wolf/Eckert/Ball aaO; Bub aaO).
4. Dem Herausgabeanspruch der Klägerin steht ferner nicht entgegen, dass der
Beklagte erhebliche Aufwendungen auf die Mietsache gemacht haben will. Ein
Zurückhaltungsrecht wegen derartiger Ansprüche besteht kraft Gesetzes nicht ( § 556
Abs. 2 BGB a.F., §§ 570, 578 Abs. 1 BGB n.F.), so dass es eines Eingehens auf deren
Berechtigung nicht bedarf.
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5. Dem vollständigen Erfolg des Klagebegehren steht schließlich keine Teilerfüllung
entgegen. Der Beklage ist für seine Behauptung, er brauche das Kellergeschoss nicht
(mehr) zu räumen und herauszugeben, weil die Klägerin bereits im Besitz dieses
Gebäudeteils sei, darlegungs- und beweispflichtig. Es fehlt schon an einem schlüssigen
Erfüllungseinwand, weil der Beklagte einräumt, jedenfalls (neben der Klägerin) noch im
Besitz von Schlüsseln zum Kellergeschoss zu sein. Daraus folgt, dass er daran
zumindest noch Mitbesitz hat, so dass seine Rückgabepflicht nicht vollständig erfüllt ist.
Daran ändert nichts, dass er die Schlüssel nur deshalb noch im Besitz hält, um sich den
Zugang zu den für die Wohnungsnutzung erforderlichen Messeinrichtungen für Gas,
Wasser und Heizung zu erhalten. Der Beklagte übersieht, dass er auch kein Recht zum
Besitz an der Wohnung hat. Das (einheitliche) Mietverhältnis ist insgesamt durch
Fristablauf beendet und ein neuer Mietvertrag ist auch nicht in Bezug auf die Wohnung
zustande gekommen. An diesem Befund ändert nichts der Umstand, dass die Klägerin
im hiesigen Rechtsstreit ihren Räumungs- und Herausgabeanspruch nur in Ansehung
der nicht Wohnzwecken dienenden Räume verfolgt.
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IV.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO sowie auf § 108
Abs. 1 ZPO n.F.. Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2
ZPO n.F..
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Berufungsstreitwert (§ 16 Abs. 1 GKG): ([12 x 1.080,00 DM = 12.960,00 DM)] 6.626,34
EUR.
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51
a. T D
b. ROLG RLG
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