Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.01.2003

OLG Düsseldorf: festgesetzt. G r ü n d e 1 I. 2 Die Beteiligte, und zwar über die Beteiligte, zur "A... der öffentlich-rechtlichen R... der Bundesrepublik Deutschland (...)" gehörende

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 38/01 (V)
Datum:
22.01.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 38/01 (V)
Tenor:
I. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Bundeskartellamts vom
15. August 2001 (B 6 – 92202 – TX – 127/99) bis zu der übereinstim-
menden Erledigungserklärung vom 4. Dezember 2002 in vollem Um-
fang begründet war.
II. Die Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließ-
lich der notwendigen Auslagen, die dem Antragsgegner im Beschwer-
deverfahren entstanden sind.
III. Der Beschwerdewert wird auf 100.000 € festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Beteiligte - eine Kommanditgesellschaft, der als Kommanditisten zahlreiche
Hörfunksender und zu Werbekombinationen zusammengeschlossene Hörfunksender
angehören - verkauft auf der Grundlage von Geschäftsbesorgungsverträgen die
Hörfunkwerbezeiten ihrer Kommanditisten und weiterer Hörfunksender an
Werbekunden. Sie wird dabei als Kommissionär, d.h. im eigenen Namen, aber für
fremde Rechnung tätig. Nach dem Inhalt der Geschäftsbesorgungsverträge obliegt der
Beteiligten zum einen der Verkauf der Hörfunkwerbezeiten der Hörfunksender. Dieser
kann sowohl im Wege einer Vermarktung der Werbezeiten einzelner Hörfunksender
oder Werbekombinationen als auch in großräumigen Werbekombis erfolgen, die die
Beteiligte aus den Werbezeiten mehrerer Hörfunksender zusammenstellt. Die Beteiligte
wird im Rahmen der Geschäftsbesorgungsverträge darüber hinaus mit der Abwicklung
(Disposition, Rechnungstellung, Mahnwesen, Inkasso) der Werbeanzeigenaufträge
betraut. Die gesamte Tätigkeit der Beteiligten bezieht sich nach den Verträgen dabei in
der Regel auf nationale Werbekunden. Damit sind solche Werbekunden gemeint, die
bundesweit, zumindest aber flächendeckend in drei Bundesländern Werbekampagnen
in mindestens einem der klassischen Medien (TV, Hörfunk, Publikumszeitschrift,
3
Tageszeitschrift) durchführen und/oder mit dem beworbenen Produkt vertreten sind. Für
ihr Tätigwerden erhält die Beteiligte von Kommanditisten eine Aufwandsentschädigung,
von Nichtgesellschaftern einen jährlichen Sockelbetrag von 210.000 DM (= 107.371,29
€) und eine 7 %ige Umsatzprovision. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Vertragsgestaltung wird (beispielhaft) auf die als Anlagen B 3 bis B 4.4 und Bf 5
vorgelegten Geschäftsbesorgungsverträge Bezug genommen.
Die "... Radio A..., W..." ist die Betriebsgesellschaft für den Lokalhörfunk im Bereich der
Stadt A...; die "... A... A..., W..." ist die Betriebsgesellschaft für den Lokalhörfunk des
Landkreises A... (nachfolgend: A... Sender). In der Vergangenheit strahlten die A...
Sender ein eigenes mehrstündiges Hörfunkprogramm aus; für die restliche
(überwiegende) Sendezeit bezogen sie ein Rahmenprogramm von der "r..., O..."
(nachfolgend: r... NRW). Die "r... NRW" vermarktete für die A... Sender darüber hinaus
auch deren Werbezeit an nationale Werbekunden in Nordrhein-Westfalen. "r... NRW"
erstellt und liefert nicht nur ein Rahmenprogramm, sondern verkauft - und zwar über die
Beteiligte - für die Abnehmer des Rahmenprogramms in Nordrhein-Westfalen auch
deren Werbezeit. Jene verpflichten sich, der "r... NRW" innerhalb eines bestimmten
Tageszeitraums etwa fünf Werbeminuten stündlich für Hörfunkwerbesendungen zur
Verfügung zu stellen.
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Ab Juni 1999 haben die A... Sender ein eigenes 24-stündiges Hörfunkprogramm erstellt
und ausgestrahlt und die Vertragsbeziehung zu "r... NRW" beendet. Seither haben sie
nur noch eine sehr eingeschränkte Möglichkeit, ihre Werbezeit an nationale
Werbekunden zu verkaufen. Lediglich acht nationale Werbekunden haben sich zu
Direktbuchungen bei den A... Sendern bereit gefunden. Maßgebend dafür ist vor allem
die Tatsache, dass der Preis pro Tausend Hörerkontakte (nachfolgend: TKP) bei einer
Werbekombination, die das ganze Bundesgebiet abdeckt oder zumindest überregional
ausgestrahlt wird, deutlich niedriger ist als der TKP bei einer Einzelbelegung über
lokale Hörfunksender. Die Buchung von Werbezeit bei einer Vielzahl von
Lokalhörfunksendern ist deshalb für Kunden, die an einer überregionalen oder
nationalen Werbung interessiert sind, in aller Regel nicht wirtschaftlich; sie kommt im
Allgemeinen nur dann in Betracht, wenn der Werbekunde auf das Sendegebiet des
betreffenden Lokalsenders nicht verzichten will und er dieses Gebiet anders als durch
eine Direktbuchung beim Lokalsender nicht abdecken kann.
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Das Begehren der A... Sender, ihre Hörfunkwerbezeit an nationale Werbekunden auch
ohne einen Bezug des Rahmenprogramms zu vermarkten, hat "r... NRW"
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, aus dem einheitlichen,
auf Effizienz und Akzeptanz ausgerichteten Programm-, Marketing- und
Vermarktungskonzept könnten nicht einzelne Elemente ausgewählt werden.
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Einzige Anbieterin von Hörfunkwerbezeiten mit bundesweiter Verbreitung sind die
Beteiligte und die - zur "A... der öffentlich-rechtlichen R... der Bundesrepublik
Deutschland (...)" gehörende - "S... & S...". Die Beteiligte verfügt über einen Marktanteil
von mehr als .. %, die "S... & S..." über einen Marktanteil von (deutlich) unter .. %.
Letztere vermarktet hauptsächlich Hörfunkwerbezeiten der A...-Anstalten; nur nebenher
verkauft sie die Werbezeiten einiger privater Hörfunksender.
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Sowohl die "S... & S..." als auch die Beteiligte haben das Anliegen der A... Sender um
nationale Vermarktung ihrer Werbezeit abgelehnt. Die "S... & S..." hat zur Begründung
angeführt, dass die A...-Werbung das A... Gebiet bereits abdecke. Die Beteiligte hat sich
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zur Rechtfertigung darauf berufen, dass sie - von Einzelfällen abgesehen - keine lokalen
Hörfunksender mit geringer Reichweite oder ohne Reichweitenzuwachspotenzial
vermarkte, und dass die A... Sender gerade zu solchen Zwergsendern zählten. Im
übrigen hat sie auf die Möglichkeit der A... Sender verwiesen, ihre Werbezeit unter
Zwischenschaltung von "r... NRW" vermarkten zu lassen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. August 2001 hat das Bundeskartellamt der
Beteiligten - sofort vollziehbar - untersagt, sich zu weigern, Hörfunkwerbezeiten der A...
Sender, die in den Vermarktungszeitraum ab dem 1. Januar 2002 fallen, an nationale
Werbekunden zu vermarkten. Es hat seine Untersagungsverfügung auf § 20 Abs. 1 und
2 GWB gestützt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Relevanter Markt sei
in sachlicher Hinsicht der Angebotsmarkt für die Vermarktung von Hörfunkwerbezeit an
nationale Werbekunden für die Hörfunksender. Auf diesem Markt sei die Beteiligte
marktbeherrschend, weil sie durch den einzigen Wettbewerber "S... & S..." keinem
wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sei (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Die Beteiligte sei auf
dem genannten Markt zudem marktstark; denn den A... Sendern als kleine oder mittlere
Unternehmen stehe keine ausreichende und zumutbare Möglichkeit offen, sich die für
ihren wirtschaftlichen Fortbestand wichtigen Vermarktungsdienste von dritter Seite zu
beschaffen. Sowohl "r... NRW" als auch "S... & S..." seien keine zumutbaren
Belieferungsalternativen. Die Weigerung der Beteiligten, die Hörfunkwerbezeit der A...
Sender an nationale Werbekunden zu vermarkten, stelle eine sachlich nicht
gerechtfertigte Ungleichbehandlung - und zugleich auch eine unbillige Behinderung -
der A... Sender (§ 20 Abs. 1 und 2 GWB) dar. Im Vergleich zu den von ihr (der
Beteiligten) vermarkteten Hörfunksendern bestehe keine hinreichende sachliche
Rechtfertigung, die A... Sender von der "Belieferung" auszuschließen. Die Vermarktung
der A... Sender sei für die Beteiligte nicht mit spürbaren Nachteilen verbunden, weil die
zu erwartenden geringfügigen Kostensteigerungen durch den zu zahlenden
Sockelbetrag und die Umsatzprovision kompensiert würden. Auf der anderen Seite
erziele die Beteiligte durch die Vermarktung einen Nutzen, weil mit dem Sendegebiet
der A... Sender eine bislang vorhandene Lücke in ihrem Vermarktungsgebiet
geschlossen werde. Mit Rücksicht auf diese Lückenschließung sei auch der von der
Beteiligten angeführte Dominoeffekt, dass sich zahlreiche andere Lokalfunksender dem
Begehren der A... Sender anschließen und ebenfalls um eine Vermarktung ihrer
Werbezeit bitten werden, nicht zu befürchten.
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Dagegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer Beschwerde, die sie im Wesentlichen wie
folgt rechtfertigt:
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Sie (die Beteiligte) werde den Hörfunksendern gegenüber nicht als Anbieterin von
Vermarktungsdienstleistungen, sondern als Nachfragerin von Hörfunkwerbezeiten tätig.
Durch die Bündelung und Sortierung von Werbezeit zur Bildung ihrer
Werbekombinationen schaffe sie eigenständige Produkte; für diese frage sie
Hörfunkwerbezeit bei den Sendern nach.
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Fehlerhaft sei überdies die Begrenzung auf nationale Werbekunden. Der vom
Bundeskartellamt für die fehlende funktionelle Austauschbarkeit zwischen nationaler
und regionaler Hörfunkwerbung herangezogene erhebliche Unterschied beim TKP sei
nicht Ausdruck verschiedener sachlicher Märkte, sondern das Ergebnis der stärkeren
Verhandlungsposition der Sender gegenüber regional werbetreibenden Unternehmen.
Jene könnten nämlich in aller Regel nicht auf einen anderen Lokalsender ausweichen,
während es den an einer nationalen Werbung interessierten Kunden möglich sei,
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notfalls auf die Abdeckung einer bestimmten regionalen Fläche zu verzichten. Gegen
die Marktabgrenzung spreche zudem indiziell, dass die A... Sender von einigen
nationalen Werbekunden direkt gebucht worden seien.
Zu Unrecht habe das Bundeskartellamt auch eine Diskriminierung der A... Sender
angenommen. Sie (die Beteiligte) sei schon aus Rechtsgründen nicht dazu in der Lage,
die Hörfunkwerbezeit der A... Sender zu vermarkten. Nach § 2 Ziffer 4 b) des
Geschäftsbesorgungsvertrages vom 22. September 1993 (Anlage B 3) stehe jedem ihrer
Kommanditisten gegen die Bildung neuer Werbekombinationen ein Vetorecht zu, das
nur durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung überwunden werden könne. §
4 Ziffer 1 Satz 1 des genannten Geschäftsbesorgungsvertrages sehe überdies vor, dass
die Gewährung und Höhe des Kombinationsrabatts einer einvernehmlichen Regelung
der beteiligten Sender bedürfe. Nach § 1 Ziffer 4 der Vereinbarung vom 30. Juli 2000 mit
denjenigen Hörfunksendern, die zusammen die "R... W... K..." bilden (Anlage Bf. 7),
bedürfe schließlich die Aufnahme neuer Sender in diese Kombination der Zustimmung
aller "R... W... K..."-Sender.
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Zudem fehle es auch an einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der A...
Sender. Sie (die Beteiligte) vermarkte direkt nur solche lokalen Hörfunksender, für die
dauerhaft eine Hörerreichweite von mindestens 40.000 Hörern zu erwarten sei. Dieses
Kriterium werde von den A... Sendern nicht erfüllt. Zwar weise die Erhebung der "A...
M...-A... e.V." für 2002 eine Reichweite der A... Sender von mehr als 40.000 Hörern aus;
diese Zahlen würden jedoch durch die Angaben der "E... NRW 2002", die für die A...
Sender lediglich eine Hörerreichweite von 27.000 Hörern ausweise, in Zweifel gezogen.
Es komme hinzu, dass - wozu die Beschwerde näher ausführt - die A... Sender nichts
zur Verbesserung ihres (der Beteiligten) Vermarktungsangebots beitragen könnten und
im Gegenteil die Attraktivität ihrer bisherigen Werbekombinationen eher verwässern
würden. Es bestehe des weiteren die Gefahr, dass zahlreiche Werbekunden nicht bereit
seien, die Abdeckung des A... Raums durch ein entsprechend - d.h. um die Zuhörerzahl
der A... Sender erhöhten TKP - angehobenes Entgelt zu honorieren. Vor diesem
Hintergrund könne sich bei einer Aufnahme der A... Sender in die Vermarktung die
Notwendigkeit ergeben, den geltenden TKP zu senken; dies schmälere die Einnahmen
der bisher in der Vermarktung befindlichen Sender und mindere mittelbar auch die
Attraktivität ihres eigenen Vermarktungsangebots.
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Schließlich sei die Untersagungsverfügung auch deshalb rechtswidrig, weil sie zu einer
"Belieferung" verpflichte und damit unzulässigerweise die Möglichkeit abschneide, die
angenommene Diskriminierung der A... Sender dadurch zu beenden, dass die
Vermarktung der Werbezeit für die Vergleichssender eingestellt werden. Darüber hinaus
enthalte die Verfügung in ihrem Begründungsteil unzulässige Vorgaben zu dem
Rahmenbedingungen, unter denen die Hörfunkwerbezeit der A... Sender zu vermarkten
sei. Das betreffe insbesondere die Vorgabe, die beiden Sender in einer Kombination zu
vermarkten und die jährliche Dienstleistungspauschale nur einmal zu verlangen.
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Über das Vermögen der A... Sender ist im Verlauf des Beschwerdeverfahrens das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Beigeladene zum Insolvenzverwalter bestellt
worden. Das Bundeskartellamt hat daraufhin erklärt, keine Rechte aus der
Untersagungsverfügung (ausgenommen den Kostenausspruch) mehr herleiten zu
wollen. Die Beteiligte hat daraufhin im Senatstermin am 4. Dezember 2002 das
Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt; das Bundeskartellamt hat
sich der Erledigungserklärung angeschlossen.
16
Es begehrt nunmehr die gerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit seiner angefochtenen
Verfügung und beantragt,
17
festzustellen, dass die angefochtene Verfügung vom 15. August 2001 bis zum
Zeitpunkt ihrer Erledigung in vollem Umfang begründet gewesen ist.
18
Die Beteiligte beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
20
Zur Rechtfertigung verweist sie auf ihr Beschwerdevorbringen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
angefochtenen Verfügung, die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die
Verfahrensakten des Bundeskartellamts Bezug genommen.
22
II.
23
Nachdem sich die angefochtene Untersagungsverfügung durch die im
Verhandlungstermin des Senats übereinstimmende Erklärung der Beteiligten und des
Antragsgegners erledigt hat (vgl. BGH, WuW/E BGH 1367, 1368 – Zementverkaufsstelle
Niedersachsen; Karsten Schmidt in Imenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 3. Aufl.,
§ 71 Rdz. 22 m.w.N.; Bechtold, Kommentar zum GWB, 3. Aufl., § 71 Rdz. 7), ist nur noch
über das Begehren des Bundeskartellamts zu befinden, die Rechtmäßigkeit der mit der
Beschwerde angegriffenen Verfügung festzustellen. Der Feststellungsantrag hat Erfolg.
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A. Das Feststellungsbegehren ist zulässig. Es findet seine Grundlage in § 71 Abs. 3
GWB. Danach spricht dann, wenn sich die streitbefangene Untersagungsverfügung
erledigt hat, das Beschwerdegericht auf Antrag aus, ob, in welchem Umfang und bis zu
welchem Zeitpunkt die Verfügung begründet gewesen ist.
25
Entgegen der Ansicht der Beteiligten kann das Bundeskartellamt ein berechtigtes
Interesse an der begehrten Feststellung geltend machen (vgl. dazu allgemein: BGH,
WuW/E BGH 3021, 3025 – Stadtgaspreise; Karsten Schmidt, a.a.O. Rdz. 30 m.w.N.).
26
1. Dabei kann es auf sich beruhen, ob sich das Feststellungsinteresse bereits mit dem
Aspekt der Wiederholungsgefahr begründen lässt. Das Bundeskartellamt meint, die
Klärung der Frage, ob die angefochtene Verfügung rechtmäßig gewesen sei, habe
Relevanz für sein zukünftiges Verhalten. Werde der Betrieb der beiden A... Sender
durch ein anderes Unternehmen oder eine neu zu gründende Betriebsgesellschaft
fortgeführt, stelle sich die Frage nach der Pflicht der Beteiligten, die Hörfunkwerbezeit
dieser Sender an nationale Werbekunden zu vermarkten, erneut.
27
Dieser Überlegung ist im Ansatz zuzustimmen. Gleichwohl bestehen Bedenken, ob sich
mit ihr ein Feststellungsinteresse des Bundeskartellamts begründen lässt. Beide A...
Sender befinden sich in Insolvenz; ihr Sendebetrieb wird derzeit nur einstweilen vom
Insolvenzverwalter fortgeführt. Ob, in welcher Form und von welchem Unternehmen der
Betrieb der beiden Lokalsender auf Dauer fortgesetzt werden wird, ist nach dem
bisherigen Sachstand völlig offen. Unter diesen Umständen erscheint es zweifelhaft, ob
das Bundeskartellamt aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein
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berechtigtes Interesse geltend machen kann, die - in ihrer Begründung auf die
insolventen A... Sender zugeschnittene - Untersagungsverfügung gerichtlich überprüfen
zu lassen.
2. Letztlich kann dies allerdings dahinstehen. Das Feststellungsinteresse des
Bundeskartellamts ergibt sich jedenfalls aus dem Umstand, dass die begehrte
Feststellung Bedeutung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der
A... Sender hat.
29
Es ist anerkannt, dass sich das Feststellungsinteresse des Bundeskartellamts auch
daraus ergeben kann, dass die gerichtlich festgestellte Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Untersagungsverfügung Voraussetzung für die Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen des durch die angefochtene Verfügung begünstigten
Unternehmens nach §§ 33, 19, 20 GWB ist (vgl. BGH, NJW 1996, 193, 194/195; Karsten
Schmidt, a.a.O. Rdz. 34 a). Auf diesen Gesichtspunkt kann sich das Bundeskartellamt
auch im Streitfall stützen. Der beigeladene Insolvenzverwalter der beiden A... Sender
hat mit Schriftsatz vom 22. November 2002 (dort Seite 4, GA 321) angekündigt, die
Beteiligte auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, wenn das operative Geschäft
der Lokalsender eingestellt werden muss. Er hat das Schadensersatzverlangen
nachvollziehbar mit dem Vorwurf begründet, die Beteiligte habe die Vermarktung der
Hörfunkwerbezeiten der A... Sender zunächst nicht nach Maßgabe der angefochtenen
Untersagungsverfügung durchgeführt. Bei der Präsentation des Tarifs "R... W... K..." im
Internet habe die Beteiligte beispielsweise durch die Aussage "Die R... W... K... ist das
Angebot zur vollständigen Abdeckung Westdeutschlands der R..." (Anlage 1 Blatt 3, GA
189) fahrlässig den unzutreffenden Eindruck erweckt, bereits der Tarif "R... W... K..." -
und nicht, wie es tatsächlich der Fall ist, nur der in Befolgung der angefochtenen
Verfügung geschaffene Tarif "R... W... K... P..." - erreiche eine lückenlose Abdeckung
des westdeutschen Gebiets. Dadurch seien zahlreiche Werbekunden von einer
Buchung des Tarifs "R... W... K... P..." abgehalten und den A... Sendern sei Schaden
zugefügt worden. Die Beteiligte hat insoweit eine fahrlässige Fehlinformation ihrer
Werbekunden auch eingeräumt (vgl. Seite 5 des Schriftsatzes vom 8. Oktober 2002, GA
239). Sie kann mithin gemäß § 33 Satz 1 2. Alt. GWB - wonach der schuldhafte Verstoß
gegen eine zum Schutz eines Dritten erlassene Verfügung der Kartellbehörde die
Verpflichtung zum Schadensersatz auslöst – den A... Sendern dem Grunde nach zum
Schadensersatz verpflichtet sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die angefochtene
Untersagungsverfügung zu Recht ergangen ist und dies gerichtlich festgestellt wird.
Dass die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt worden ist und deshalb von der
Beteiligten schon vor Eintritt ihrer Bestandskraft zu beachten war, reicht für sich alleine
zur Rechtfertigung einer Schadensersatzhaftung nach § 33 GWB nicht aus.
Ebensowenig genügt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung als solche.
Wird - wie hier - die Schutzverfügung der Kartellbehörde von den Beteiligten
übereinstimmend für erledigt erklärt, verliert sie in jeder Hinsicht ihre Wirksamkeit. Eine
Haftung nach § 33 Satz 1 2. Alt. GWB kommt nur dann in Betracht, wenn die
Rechtmäßigkeit der erledigten Verfügung gerichtlich festgestellt wird (vgl. Karsten
Schmidt, a.a.O. § 33 Rdz. 35). Daraus leitet sich umgekehrt das berechtigte Interesse
ab, gemäß § 71 Abs. 3 GWB die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung gerichtlich
klären zu lassen.
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Der Einwand der Beteiligten, Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei lediglich die
Verbotsverfügung als solche und nicht auch eine etwaige Zuwiderhandlung, ist in
diesem Kontext nicht stichhaltig. Denn er lässt die dargestellten rechtlichen
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Zusammenhänge außer Betracht.
B. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Untersagungsverfügung des
Bundeskartellamts war bis zum Zeitpunkt ihrer Erledigung am 4. Dezember 2002
rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 20 Abs. 1 GWB. Danach dürfen
marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem
Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder
unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen
Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar
unterschiedlich behandeln.
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Zutreffend hat das Bundeskartellamt die Eingriffsvoraussetzungen im Entscheidungsfall
bejaht und angenommen, dass die Beteiligte durch ihre Weigerung, die
Hörfunkwerbezeiten der beiden A... Sender an nationale Werbekunden zu vermarkten,
gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen hat. Es liegt eine sachlich nicht
gerechtfertigte Ungleichbehandlung der beiden A… Sender vor.
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1. Relevanter Markt ist in sachlicher Hinsicht der Angebotsmarkt für Dienstleistungen an
Hörfunksender zur Vermarktung von Hörfunkwerbezeiten an nationale Werbekunden.
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a) Die Beteiligte wird den Hörfunksendern gegenüber als Anbieterin von
Vermarktungsdienstleistungen und nicht - wie die Beschwerde meint - als Nachfragerin
von Hörfunkwerbezeiten tätig.
35
aa) Das ergibt sich bereits aus § 2 des Gesellschaftsvertrages der Beteiligten (Anlage B
1, Bl. 151 ff. der Amtsakten). Darin heißt es zum Unternehmensgegen-stand der
Beteiligten:
36
"Gegenstand des Unternehmens sind der Werbezeitenverkauf für Hörfunk und
Fernsehen, die Abwicklung der Werbezeitenaufträge sowie alle damit
zusammenhängenden Geschäfte (Unterstreichung hinzugefügt)."
37
Unmissverständlich ergibt sich die Anbieterfunktion der Beteiligten überdies aus dem
Geschäftsbesorgungsvertrag, den sie mit ihren Kommanditisten abgeschlossen hat
(Anlage B 3, Bl. 195 ff. der Amtsakten). Schon der Begriff der "Geschäftsbesorgung"
indiziert die Anbieterfunktion der Beteiligten und spricht gegen eine Nachfragetätigkeit.
Daneben weisen auch die folgenden Vertragsbestimmungen darauf hin, dass die
Beteiligte bei den Hörfunksendern keine Werbezeit nachfragt, sondern ihnen die
Vermarktung ihrer Werbezeit als Dienstleistung anbietet:
38
§ 1
39
Rechtsnatur der Zusammenarbeit
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R... übernimmt den Vertrieb von Werbezeiten und damit zusammenhängende
Geschäfte für die Sender im Wege der Geschäftsbesorgung im eigenen Namen,
jedoch für Rechnung der jeweils beteiligten Sender ......
41
§ 3
42
Gegenstand der Geschäftsbesorgung
43
1. R... übernimmt im Rahmen des Vertrages für die Sender
44
45
a. die Akquisition
46
47
der F... K... N...-Aufträge für die FKN-Hörfunksender,
der R... K...-Aufträge für alle daran beteiligten Hörfunksender,
der Werbezeitenaufträge für ....
48
49
b. die gesamte Abwicklung aller akquirierten Aufträge, d.h.
50
51
die Disposition,
die Rechnungslegung und
das Inkasso gegenüber den Kunden;
52
53
c. die Beratung bei Marketing- und Werbemaßnahmen sowie bei regionaler
Marktforschung in angemessenem Umfang, die gemeinsame Werbung, die
Erstellung von R...-Tarifen, - Mailings, -Media-Service etc."
54
55
Schließlich sieht § 5 des Geschäftsbesorgungsvertrages die Verpflichtung der Sender
vor, an die Beteiligte eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Auch das ist nur
plausibel, wenn die Beteiligte (Vermarktungs-)Dienstleistungen anbietet und nicht bloß
Hörfunkwerbezeit nachfragt.
56
Vergleichbare Rechte und Pflichten der Beteiligten sieht im übrigen auch die
Vereinbarung vor, welche die Beteiligte in Befolgung der angefochtenen Verfügung den
beiden A... Sendern zum Abschluss angeboten hat (Anlage Bf. 5). Auch darin übernimmt
die Beteiligte die Erbringung entgeltlicher Vermarktungsdienstleistungen, namentlich
den Verkauf von Werbezeiten, die Aquisition neuer Werbekunden und die
Kundenbetreuung (vgl. § 1 Ziffer (1) und (2) des Vertragsentwurfs).
57
bb) Die Beschwerde hält dem entgegen, dass sich die Beteiligte bei den
Kombiangeboten nicht nur auf eine Vermarktung der Werbezeiten für die Hörfunksender
beschränke, sondern durch die Bündelung und Sortierung von Werbezeit eigenständige
Produkte schaffe, für welche sie Hörfunkwerbezeit bei den Sendern nachfrage. Der
Einwand ist nicht stichhaltig. Er betrifft in allererster Linie das Verhältnis der Beteiligten
zu den Werbekunden beim Angebot von Hörfunkwerbezeit im eigenen Namen. Es lässt
die Feststellung unberührt, dass sich die Beteiligte nicht nur die für jenes Angebot
benötigte Werbezeit bei den Hörfunksendern beschafft, sondern sie den Sendern
darüber hinaus Vermarktungsdienste erbringt.
58
b) Der sachlich relevante Markt beschränkt sich auf die Vermarktungsdienste zur
Vermittlung von Hörfunkwerbezeit an nationale Werbekunden. Damit sind solche
Werbekunden gemeint, die Werbekampagnen entweder flächendeckend für das
gesamte Bundesgebiet oder zumindest für das Gebiet von mindestens drei
Bundesländern wünschen und durchführen.
59
aa) Das Bundeskartellamt hat zu dem nachgelagerten Markt der Nachfrage von
Hörfunkwerbezeiten unangegriffen festgestellt, dass der TKP bei einer Einzelbelegung
über lokale Hörfunksender ein mehrfaches desjenigen Preises beträgt, der bei der
Belegung eines Tarifs für eine national verbreitete Ausstrahlung zu zahlen ist. Nach den
eigenen Angaben der Beteiligten ist der TKP in Nordrhein-Westfalen auf lokaler Ebene
drei mal so hoch wie bei der nationalen Vermarktung. Diesen erheblichen
Preisunterschied zieht auch die Beschwerde nicht in Zweifel (vgl. Seite 10 der
Beschwerdebegründung, GA 117). Mit Rücksicht auf die bestehende Preisdifferenz ist
für den Werbekunden, der Hörfunkwerbezeit für eine nationale Ausstrahlung nachfragt,
eine nationale Hörfunkwerbung nicht austauschbar mit der Bündelung lokaler oder
regionaler Hörfunkwerbung. Umgekehrt ist für Kunden, die eine regional begrenzte
Hörfunkwerbung wünschen, die nationale Hörfunkwerbung wegen ihres absolut deutlich
höheren Preises gegenüber der gezielt nachgefragten lokalen Werbung nicht
austauschbar mit der regionalen Hörfunkwerbung. Daraus hat das Bundeskartellamt
zutreffend auch für den vorgelagerten Markt der Erbringung von Vermarktungsleistungen
eine fehlende funktionelle Austauschbarkeit abgeleitet. Sie resultiert unmittelbar aus
den dargestellten Verhältnissen auf dem Nachfragemarkt für Hörfunkwerbezeiten.
Fragen Kunden, die an einer nationalen Verbreitung ihrer Werbung interessiert sind, nur
eine nationale Hörfunkwerbung nach, sind solche Kunden auch für die Hörfunksender
nur über einen Anbieter von Vermarktungsleistungen an nationale Werbekunden
erreichbar. Auch aus der Sicht der Hörfunksender, die ihre Werbezeit vermarkten lassen
wollen, ist deshalb ein Dienstleister mit Zugang zu nationalen Kunden nicht funktionell
austauschbar mit einem solchen Dienstleister, der nur an einer lokalen oder regionalen
Hörfunkwerbung interessierte Kunden vertritt.
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Darin fügt sich im übrigen ein, dass die Beteiligte in ihren
Geschäftsbesorgungsverträgen, die sie mit den Hörfunksendern über die Erbringung
von Vermarktungsdienstleistungen abschließt, selbst zwischen nationalen und
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regionalen Werbekunden in dem vorgenannten Sinn unterscheidet, und dass sie sich
auf diese Unterscheidung im kartellbehördlichen Verfahren auch ausdrücklich berufen
hat.
bb) Die Argumente, welche die Beschwerde gegen die fehlende Austauschbarkeit einer
Vermarktung von Hörfunkwerbezeit an nationale Werbekunden einerseits und an
regionale und lokale Werbekunden andererseits vorbringt, sind nicht überzeugend.
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(1) Die Beteiligte meint, der erhebliche Preisunterschied zwischen nationaler und
regionaler Hörfunkwerbung sei nicht Ausdruck verschiedener sachlicher Märkte,
sondern das Ergebnis der stärkeren Verhandlungsposition der Sender gegenüber
regional werbetreibenden Unternehmen. Den regionalen Werbekunden stünden
nämlich - anders als den an einer nationalen Werbung interessierten Kunden, die
notfalls auf die Abdeckung einer bestimmten Fläche verzichten könnten - nur ganz
beschränkt die Möglichkeit offen, auf die Hörfunkwerbezeit eines anderen Senders
auszuweichen.
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Der Einwand überzeugt nicht. Bereits gegen die Prämisse der stärkeren
Verhandlungsposition bei der Vermarktung regionaler Hörfunkwerbung bestehen
durchgreifende Bedenken. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts gibt es auch
nationale Werbekunden, die auf eine flächendeckende Werbung bedacht sind und nicht
einzelne Regionen von ihrer Hörfunkwerbung aussparen wollen. In diesem
Zusammenhang hat etwa der Geschäftsführer der Werbeagentur "P... M..." im Rahmen
der vom Bundeskartellamt am 31. Oktober 2000 durchgeführten Telefonbefragung (vgl.
Band II Bl. 541 der Amtsakten) angegeben, dass 80 % bis 90 % der Werbekunden eine
möglichst hohe Hörerreichweite nachfragen, wobei die Wünsche der Kunden insoweit
allerdings indifferent seien. Die Unternehmen "B..." und "F..." beispielsweise legen - so
hat der Geschäftsführer weiter angegeben - in aller Regel auf eine flächendeckende
Verbreitung ihrer Werbung Wert und schließen etwaige Lücken im Verbreitungsgebiet
einer nationalen Hörfunkwerbung durch die ergänzende Beauf-tragung der betreffenden
Lokal- oder Regionalsender. Motiv für "B..." sei die Gleichbehandlung ihrer
Vertragshändler; Beweggrund für den Filialisten "F..." sei die lückenlose Verbreitung der
Werbebotschaft. Legt man die Annahme der Beteiligten zugrunde, wonach das
Preisniveau durch das Ausmaß bestimmt wird, in dem ein bestimmter Werbekunde auf
die regionale oder lokale Hörfunkwerbung angewiesen ist, müssten sich gegenüber den
auf eine lückenlos flächendeckende Hörfunkwerbung angewiesenen nationalen
Werbekunden höhere Preise gebildet haben als sie die anderen nationalen
Werbekunden zu entrichten haben. Das behauptet die Beteiligte indes selbst nicht und
dazu ist auch sonst nichts ersichtlich. Damit ist aber die Prämisse der Beschwerde
insgesamt in Frage gestellt.
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Es kommt hinzu, dass die Argumentation der Beteiligten auch als solche nicht
überzeugt. Selbst wenn die Preise der regionalen Hörfunkwerbung wegen der stärkeren
Verhandlungsposition der Sender und Vermarkter verhältnismäßig über denjenigen für
eine nationale Werbung liegen sollten, bleibt die daraus resultierende Folgerung richtig,
dass nämlich wegen des erheblichen Preisunterschieds für den Werbekunden nationale
und regionale Hörfunkwerbung nicht funktionell austauschbar sind, dass infolgedessen
für die Hörfunksender die Vermarktung von Hörfunkwerbezeit an nationale
Werbekunden einerseits und an regionale Werbekunden andererseits gleichfalls nicht
austauschbar ist, und dass deshalb die beiden Vermarktungsdienstleistungen
verschiedenen sachlichen Märkten angehören.
65
(2) Nicht stichhaltig ist ebenso der Hinweis der Beschwerde, dass es den beiden A...
Sendern in der Vergangenheit gelungen sei, im Wege der Eigenvermarktung einige
nationale Werbekunden (T..., M... D..., S...) zu gewinnen. Es handelt sich um wenige
Ausnahmefälle, welche schon rein quantitativ nicht geeignet sind, die Aussagekraft der
für die sachliche Marktabgrenzung zugrunde gelegten Verhältnisse und die daraus zu
folgernde mangelnde Austauschbarkeit der nationalen und der regionalen
Hörfunkwerbung in Frage zu stellen. Hinzu kommt, dass das Interesse der genannten
nationalen Werbekunden zwanglos darauf zurückzuführen sein kann, dass nur durch
die Beauftragung der A... Sender die vom Werbekunden gewünschte flächendeckende
Hörfunkwerbung zu erreichen war. Dass unter diesen Umständen die (ergänzende)
Einzelbeauftragung eines (oder mehrerer) Lokalsender in Betracht kommen kann, hat -
wie bereits ausgeführt - der Geschäftsführer der Werbeagentur "P... M..." am Beispiel der
Kunden "B..." und "F..." ausdrücklich bestätigt. Darauf kann ohne weiteres auch die den
A... Sendern vereinzelt gelungene Eigenvermarktung nationaler Werbekunden beruhen.
Gegenteiliges macht die Beschwerde substantiiert jedenfalls selbst nicht geltend.
66
(3) Fehl geht ebenso der Hinweis der Beteiligten auf das Ergebnis einer Befragung der
Geschäftsführerin der "M... C... S..." vom 7. November 2000 (vgl. Band II Bl. 544 der
Amtsakten). Deren Schilderung, vor einer Beauftragung würden die Kosten einer
Bündelung der zur Abdeckung des gewünschten Verbreitungsgebiets benötigten
Einzelbuchungen bei den Lokalsendern ermittelt, dieser Betrag werde sodann dem
Preis einer räumlich vergleichbaren nationalen Hörfunkwerbung gegenübergestellt, und
beauftragt werde die nach alledem preisgünstigste Alternative, zieht weder die vom
Bundeskartellamt festgestellten Preisunterschiede zwischen einer regionalen und einer
nationalen Hörfunkwerbung noch deren Relevanz für das Nachfrageverhalten der
Werbekunden in Frage.
67
(4) Erfolglos bleibt schließlich auch die pauschale Behauptung der Beteiligten, es
bestehe ein "durchaus spürbarer" Wettbewerb zwischen der nationalen und der
regionalen Vermarktung von Hörfunkwerbezeiten. Das Vorbringen ist ohne jede
Substanz, nicht nachvollziehbar und gibt deshalb auch keine Veranlassung,
diesbezüglich von Amts wegen in eine Sachverhaltsaufklärung einzutreten (§ 70 Abs. 1
GWB). Das gilt auch, soweit die Beteiligte in diesem Zusammenhang auf § 3 Ziffer (5)
des Geschäftsbesorgungsvertrages verweist, wonach die ihr angeschlossenen
Hörfunksender eine Werbezeit von 4 Minuten pro Stunde überlassen müssen und zu
einer Aufstockung der Werbezeit nur im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet sind. Es
fehlt jedwede nähere Darlegung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die
Sender freie Werbezeit an nationale Werbekunden vergeben und inwieweit - ungeachtet
der bestehenden erheblichen Preisunterschiede zwischen der nationalen und der
regionalen Hörfunkwerbung - ein vorhandenes freies Werbezeitkontingent gerade auch
zu einem Konkurrenzkampf der Regional- und Lokalsender um nationale Werbekunden
führen soll. Unter diesen Umständen ist der geltend gemachte spürbare Wettbewerb der
Regionalsender um nationale Werbekunden nicht im Ansatz plausibel und mithin nicht
rechtserheblich geltend gemacht.
68
2. In räumlicher Hinsicht umfasst der relevante Markt das Bundesgebiet. Dies hat das
Bundeskartellamt seiner Verfügung unausgesprochen zugrunde gelegt. Die
Beschwerde erhebt dagegen keine Einwände; Bedenken sind insoweit auch nicht
ersichtlich.
69
3. Die Beteiligte ist als Anbieterin von Vermarktungsdienstleistungen zur Vermittlung
von Hörfunkwerbezeiten an nationale Werbekunden marktbeherrschend, d.h. keinem
wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt.
70
a) Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die Beteiligte als Anbieterin von
Hörfunkwerbezeit an nationale Werbekunden keinem wesentlichen Wettbewerb
ausgesetzt ist.
71
Es hat dazu - von der Beschwerde unangefochten - ausgeführt: Auf dem genannten
Markt sei neben der Beteiligten lediglich die "S... & S..." tätig. Die Anbieter "S... G... M..."
und "Radio N..." seien wegen ihres beschränkten Ausstrahlungsgebietes für die
Nachfrager nach nationaler Hörfunkwerbung keine geeignete Ausweichmöglichkeit und
deshalb nicht dem Markt zuzurechnen. Auf dem - mithin von zwei Anbietern gebildeten -
Angebotsmarkt für nationale Hörfunkwerbung verfüge die Beteiligte über einen
Marktanteil von mehr als .. % und die "S... & S..." über einen Marktanteil von (deutlich)
unter .. %. Einem wesentlichen Wettbewerb sei die Beteiligte seitens der "S... & S..."
nicht ausgesetzt. Ziel der nationalen Werbekunden - bei denen es sich zumeist um
bedeutende Markenartikelhersteller handele - sei in aller Regel eine möglichst hohe
Hörerreichweite. Aus diesem Grund würden die Leistungsangebote der Beteiligten
einerseits und der "S... & S..." andererseits vielfach nicht als Konkurrenzprodukte
betrachtet, sondern zur Erreichung einer möglichst hohen Hörerquote zusammen
gebucht.
72
b) Die marktbeherrschende Position der Beteiligten als Anbieterin von Hörfunkwerbezeit
an nationale Werbekunden setzt sich auf dem (vorgelagerten) Markt der
Vermarktungsdienste für Hörfunksender zur Vermittlung von Hörfunkwerbezeit an
nationale Werbekunden fort.
73
Das Bundeskartellamt weist mit Recht auf den direkten Zusammenhang hin, der
zwischen dem Marktanteil auf dem Angebotsmarkt für Hörfunkwerbezeit und dem
Marktanteil auf dem (vorgelagerten) Markt der Vermarktungsdienste für die
Hörfunksender besteht. Die Entgelte für die Vermarktungsdienste sind - was auch die
Beschwerde nicht in Zweifel zieht - weitgehend durch die Bruttoumsätze bestimmt,
welche die Vermarkter auf dem nachgelagerten Markt als Anbieter von
Hörfunkwerbezeit tätigen. Dementsprechend wird der Marktanteil eines Vermarkters auf
dem Dienstleistungsmarkt maßgeblich durch die Höhe seiner Hörfunkwerbeumsätze
beeinflusst, die er auf dem nachgelagerten Markt des Verkaufs von Hörfunkwerbezeit an
nationale Werbekunden erzielt. Das wiederum rechtfertigt die Annahme, dass die
Beteiligte, die - wie ausgeführt - als Anbieterin von Hörfunkwerbezeit keinem
wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist, auch auf dem vorgelagerten Markt der
Erbringung von Vermarktungsdiensten für Hörfunksender eine marktbeherrschende
Stellung innehat. Dabei kann auf sich beruhen, ob - wie das Bundeskartellamt meint -
insoweit die Vermutung der Einzelmarktbeherrschung (§ 19 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1
GWB) gerechtfertigt ist. Erfüllt ist in jedem Fall die Oligopolvermutung (§ 19 Abs. 2 Satz
2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB). Danach gilt dann, wenn die drei (oder weniger) führenden
Unternehmen (vgl. dazu: Möschel in Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 3.
Aufl., § 19 Rdz. 97 m.w.N.) zusammen einen Marktanteil von .. % erreichen, jedes dieser
Unternehmen als marktbeherrschend. Dieser Vermutungstatbestand greift im
Entscheidungsfall ohne weiteres ein. Auf dem Markt der Erbringung von
Vermarktungsdiensten zur Vermittlung von Hörfunkwerbezeit an nationale
Werbekunden sind nämlich - wie dargelegt - nur zwei Unternehmen (nämlich die
74
Beteiligte und die "S... & S...") tätig.
Die Beteiligte hat die gegen sie bestehende Vermutung der Marktbeherrschung nicht
widerlegt. Dazu wäre - worauf der Senat im Verhandlungstermin hingewiesen hat -
gemäß § 19 Abs. 3 Satz 2 der Nachweis erforderlich, dass die tatsächlich bestehenden
Wettbewerbsbedingungen einen wesentlichen Wettbewerb mit der Konkurrentin "S... &
S..." erwarten lassen. Das macht die Beteiligte indes selbst nicht geltend; dazu ist auch
sonst nichts ersichtlich.
75
4. Indem die Beteiligte es abgelehnt hat, die Hörfunkwerbezeiten der beiden A… Sender
an nationale Werbekunden zu vermarkten, hat sie gegen das Verbot des § 20 Abs. 1
GWB verstoßen, in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen
Geschäftsverkehr Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu
behandeln.
76
a) Maßgeblicher Geschäftsverkehr ist im Streitfall die Erbringung von
Vermarktungsdienstleistungen für Hörfunksender zur Vermittlung von Hörfunkwerbezeit
an nationale Werbekunden. Dieser Geschäftsverkehr ist Unternehmen,die im Vergleich
mit den der A… Sendern gleichartig sind, üblicherweise zugänglich.
77
Unternehmen sind gleichartig, wenn sie in dem jeweiligen Geschäftsverkehr eine im
wesentlichen gleiche unternehmerische Tätigkeit und wirtschaftliche Funktion ausüben.
Maßgebend kommt es dabei auf das Verhältnis der zu vergleichenden Unternehmen zur
Marktgegenseite des Geschäftsverkehrs an (BGH, WuW/E BGH DE-R 134, 135; Markert
in Immenga/Mestmäcker, GWB Kommentar zum GWB, 3. Aufl., § 20 Rdz. 99 m.w.N.). Im
Rahmen der gebotenen nur verhältnismäßig groben Sichtung reicht für die
Gleichartigkeit regelmäßig die Ausübung der für eine bestimmte Wirtschaftsstufe
(Produktion, Großhandel, Einzelhandel) typischen unternehmerischen Tätigkeit und
wirtschaftlichen Funktion im Hinblick auf eine bestimmte Art von Waren oder
gewerblichen Leistungen aus. Auf die sonstigen Modalitäten wie beispielsweise die
Rechtsform des Unternehmens, ihre Absatzstruktur und Abnahmeleistung oder die
Unternehmensgröße kommt es nicht an. Ebenso unerheblich ist, ob die Unternehmen in
dem maßgeblichen Geschäftsverkehr im Verhältnis zueinander gleichen
Wettbewerbsbedingungen unterliegen (vgl. zu allem: Markert, a.a.O. Rdz. 100 f. m.w.N.).
Im allgemeinen sind solche Unternehmen gleichartig, die als Anbieter oder Nachfrager
einer bestimmten Art von Waren oder Dienstleistungen auf derselben Wirtschaftsstufe
agieren (z.B. als Hersteller, Großhändler, Einzelhändler, gewerblicher Verbraucher).
78
Die A... Sender sind bei der Nachfrage von Dienstleistungen zur Vermarktung ihrer
Hörfunkwerbezeit an nationale Werbekunden gegenüber den anderen Hörfunksendern,
die ihre Werbezeit ebenfalls an nationale Werbekunden vermarkten lassen, in diesem
Sinne gleichartig. Denn jene sind ebenso wie die A... Sender gewerbliche Nachfrager
der Vermarktungsdienste, mithin auf derselben Wirtschaftsstufe tätig. Das reicht für die
Bejahung der Gleichartigkeit aus.
79
b) Die Beteiligte hat die A... Sender durch die Weigerung, deren Hörfunkwerbezeit an
nationale Werbekunden zu vermarkten, im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB ungleich
behandelt. Die Frage, ob gleichartige Unternehmen im Verhältnis zueinander
unterschiedlich behandelt werden, ist nach einem formalen Gleichheitsmaßstab zu
beurteilen (vgl. nur: Markert, a.a.O. Rdz. 123 f. m.w.N.). Für die Feststellung einer
Ungleichbehandlung reicht es im Streitfall folglich aus, dass die Beteiligte ihre
80
Vermarktungsdienstleistungen zwar anderen Hörfunksendern anbietet und erbringt, ein
Tätigwerden für die A... Sender aber abgelehnt hat.
c) Die Ungleichbehandlung der A... Sender war auch sachlich nicht gerechtfertigt.
81
aa) Ob gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich
behandelt werden, ist auf der Grundlage einer Interessenabwägung unter
Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des
Kartellgesetzes zu entscheiden. In diesem Rahmen sind zum einen die Interessen des
ungleich behandelnden Normadressaten zu berücksichtigen, wobei grundsätzlich alle
Belange in die Bewertung einbezogen werden müssen, soweit sie nicht auf einen
gesetzeswidrigen Zweck gerichtet sind oder sonst gegen gesetzliche Vorschriften oder
Zielsetzungen verstoßen. In die Abwägung einzustellen ist zum anderen das Interesse
des ungleich behandelten Unternehmens an einer von machtbedingten
Beeinträchtigungen möglichst freien wettbewerblichen Betätigung (vgl. zu allem:
Markert, a.a.O. Rdz. 129-133 m.w.N.). Bei der Würdigung der beiderseitigen Interessen
ist zu berücksichtigen, dass auch einem marktbeherrschenden Unternehmen ein
unternehmerischer Freiraum zusteht. Jenes wird deshalb durch das Verbot des § 20
Abs. 1 GWB im Grundsatz nicht daran gehindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein
Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie es dies für wirtschaftlich
sinnvoll und richtig hält (BGH, WuW/E BGH 2953, 2964 - Gasdurchleitung; Markert,
a.a.O. Rdz. 141 m.w.N.). Ein Unternehmen mit besonderer Marktmacht unterliegt im
Vergleich zu anderen Unternehmen allerdings engeren Schranken in seiner
Betätigungsfreiheit. Aus der Verpflichtung des marktmächtigen Unternehmens, auf die
wettbewerbliche Betätigungsfreiheit Dritter und auf die im Allgemeininteresse liegende
Freiheit des Wettbewerbs Rücksicht zu nehmen, folgt, dass die Ungleichbehandlung
gleichartiger Unternehmen nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn sie objektiv
sachgemäß und angemessen ist (Markert, a.a.O. Rdz. 142 m.w.N.). Dementsprechend
ist auch eine Lieferverweigerung - wie sie hier vorliegt - nur zulässig, wenn gerade im
Hinblick auf das die Belieferung begehrende Unternehmen sachliche
Rechtfertigungsgründe gegeben sind.
82
bb) Das ist vorliegend nicht der Fall. Es steht außer Streit, dass die A... Sender für die
Aufrechterhaltung ihres Sendebetriebs auf den Verkauf ihrer Hörfunkwerbezeit an
nationale Werbekunden angewiesen sind und dass sie selbst einen hinreichenden
Zugang zu diesem Kundenkreis nicht besitzen. Das hat im übrigen auch der
Insolvenzverwalter der A... Sender im Verhandlungstermin des Senats bestätigt. Er hat
angegeben, dass die Insolvenz beider Sender maßgeblich auf mangelnde
Werbeeinnahmen im Bereich der nationalen Werbekunden zurückzuführen sei. Die A...
Sender waren folglich darauf angewiesen, dass ihre Hörfunkwerbezeit an nationale
Kunden vermarktet wurde. Hinreichende Gründe, diese - für die A... Sender notwendige
- Vermarktung abzulehnen, standen der Beteiligten nicht zur Seite.
83
(1) Die Beteiligte war nicht aus Rechtsgründen gehindert, den A... Sendern ihre
Vermarktungsdienste zu erbringen.
84
(a) Die Beschwerde meint, ein rechtliches Hindernis ergebe sich aus § 2 Ziffer 4 b) des
Geschäftsbesorgungsvertrages vom 22. September 1993 (Anlage B 3, Band I der
Amtsakten Bl. 195, 202), den die Beteiligte bei ihrer Gründung mit den ihr als
Kommanditisten angeschlossenen Sendern abgeschlossen hat. Danach steht jedem
Gesellschafter gegen die Bildung neuer Kombinationen unter näher bezeichneten
85
Voraussetzungen ein Vetorecht zu, das nur durch den Beschluss der
Gesellschafterversammlung überwunden werden kann.
Der Einwand ist schon im Ansatz nicht stichhaltig. Lagen - was zu unterstellen ist - die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 GWB vor, hat die Beteiligte durch
ihre Weigerungshaltung gegenüber den A... Sendern einen kartellrechtswidrigen
Zustand unterhalten. Den Kartellrechtsverstoß der Diskriminierung durfte das
Bundeskartellamt gemäß § 32 GWB zum Anlass nehmen, der Beteiligten durch den
Erlass einer Untersagungsverfügung die Aufgabe ihres diskriminierenden Verhaltens
gegenüber den A... Sendern aufzugeben. Es handelte sich um eine gesetzlich (§§ 20
Abs. 1, 19 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB) verankerte Pflicht, die ohne
Rücksicht auf eine dahingehende gesellschaftsinterne Willensbildung der Beteiligten ihr
gegenüber (alleine) durch den Erlass der kartellbehördlichen Untersagungsverfügung
konkretisiert und begründet worden ist. So wie es für die Entstehung der
kartellrechtlichen Beseitigungspflicht der Beteiligten nicht auf die Zustimmung ihrer
Gesellschafter ankommt, kann umgekehrt das Fehlen einer gesellschaftsinternen
Willensbildung die Entstehung und Geltung der Pflicht zur Beseitigung des
kartellrechtswidrigen Zustands nicht hindern. Dann kann die Beteiligte aber auch nicht
geltend machen, dass ihr das vertraglich vereinbarte Vetorecht der Kommanditisten
unmöglich mache, die Diskriminierung der A... Sender durch deren Aufnahme in eine
neu zu bildende Kombination zu beenden.
86
Es kommt hinzu, dass das Veto eines Kommanditisten durch den Beschluss der
Gesellschafterversammlung mit der einfachen Mehrheit der vertretenen Stimmen (vgl. §
12 Ziffer (3) des Gesellschaftsvertrages; Anlage B 1, Band I Bl. 151, 172 der Amtsakten)
überwunden werden kann. Dass ein etwaiges Veto gegen die Bildung einer neuen
Kombination zur Belieferung der A... Sender nicht durch die Beschlussfassung der
Gesellschafterversammlung hätte abgewehrt werden können, ist weder von der
Beteiligten dargelegt noch sonst ersichtlich. Dies versteht sich auch keineswegs von
selbst. Immerhin hat die Beteiligte der angefochtenen Untersagungsverfügung gerade
dadurch Folge geleistet, dass sie für die Vermarktung der Hörfunkwerbezeit der A...
Sender an nationale Werbekunden die Kombination "R... W... K... P..." neu gebildet hat.
Dass dies auf den Widerstand zumindest der Mehrzahl ihrer zum Veto berechtigten
Kommanditisten gestoßen ist, ist nicht zu erkennen. Die Beteiligte macht in diesem
Zusammenhang geltend, die vom Bundeskartellamt angeordnete sofortige
Vollziehbarkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung habe die Bildung der "R...
W... K... P..." notwendig gemacht und den Kommanditisten keine andere Wahl gelassen.
Mit demselben Argument kann davon ausgegangen werden, dass sich die
Kommanditisten auch der kartellrechtlichen Verpflichtung der Beteiligten als solcher
nicht verschlossen und dementsprechend auch dann auf ein Veto verzichtet hätten,
wenn die Beteiligte in Umsetzung der bestandskräftig gewordenen
Untersagungsverfügung eine neue Kombination gebildet hätte.
87
(b) Ohne Erfolg verweist die Beteiligte überdies auf § 4 Ziffer 1 Satz 1 des genannten
Geschäftsbesorgungsvertrages (a.a.O. Bl. 205). Nach dieser Vertragsbestimmung ist die
Gewährung und die Höhe des Kombinationsrabatts einer einvernehmlichen Regelung
der beteiligten Sender vorbehalten. Auch damit lässt sich bereits aus den vorstehenden
Überlegungen nicht herleiten, dass die Beteiligte aus Rechtsgründen gehindert
gewesen sei, ihre Vermarktungsdienste (auch) den A... Sendern anzubieten. Es kommt
hinzu, dass weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass die Herbeiführung einer
einvernehmlichen Regelung über den Kombinationsrabatt bei einem Hinzutreten der A...
88
Sender nicht möglich gewesen wäre. Berücksichtigt man, dass die Partner des
Geschäftsbesorgungsvertrages vom 22. September 1993 zugleich Kommanditisten der
Beteiligten sind, und geht man bei lebensnaher Würdigung weiter davon aus, dass es
auch in deren eigenen Interesse liegt, wenn die Beteiligte ihren kartellrechtlichen
Verpflichtungen nachkommt, spricht alles für die Annahme, dass bei gebotener
Anstrengung eine Einigung über den Kombinationsrabatt möglich gewesen wäre.
Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt die Beschwerde nicht auf; sie sind auch sonst
nicht ersichtlich.
(c) Die Beteiligte nimmt schließlich auf die Vereinbarung Bezug, die sie am 30. Juli
2000 mit denjenigen Hörfunksendern abgeschlossen hat, die zusammen die "R... W...
K..." bilden (Anlage Bf. 7). Gemäß § 1 Ziffer 4 dieser Vereinbarung bedarf die Aufnahme
neuer Sender in diese Kombination der Zustimmung der Beteiligte und aller "R... W...
K..."-Sender.
89
Auch damit ist nicht nachvollziehbar das Unvermögen der Beteiligten dargetan, den A…
Sendern ihre Vermarktungsdienstleistungen zu erbringen. Das gilt schon deshalb, weil
die Aufnahme der A... Sender in die "R.. W... K..." nicht die einzige Handlungsalternative
darstellt, um die Hörfunkwerbezeit der A... Sender an nationale Werbekunden zu
vermarkten. Es besteht daneben die Möglichkeit, zur Vermarktung der Hörfunkwerbezeit
der A... Sender eine neue Kombination zu bilden. In dieser Weise ist die Beteiligte auch
tatsächlich verfahren. Zur Erfüllung der angefochtenen Untersagungsverfügung hat sie
(u.a.) die Kombination "R... W... K... P..." gebildet und unter dieser neuen Kombination
die Hörfunkwerbezeit der A... Sender angeboten.
90
Es kommt hinzu, dass die Beteiligte bei verständiger Auslegung des Vertrages vom 30.
Juli 2000 von den "R... W... K..."-Sendern die Zustimmung zur Aufnahme der A…
Sender in die "R... W... K..." hätte verlangen können. Das gilt jedenfalls dann, wenn -
was zu unterstellen ist - die Beteiligte durch ihre Weigerung, die Hörfunkwerbezeit der
A... Sender an nationale Werbekunden zu vermarkten, gegen das
Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB verstößt, und wenn eine Belieferung der
A… Sender auf anderem Wege nicht möglich oder nicht zumutbar ist. In einem solchen
Fall sind die "R... W... K..."-Sender aus Rücksichtnahme auf die zwingenden
kartellrechtlichen Pflichten der Beteiligten gehalten, ihre Zustimmung zur Aufnahme der
A... Sender in die "R... W... K..." zu erteilen. Diese Pflicht zur Zustimmung kann dem
Vertrag vom 30. Juli 2000 im Wege einer an Treu und Glauben und unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte orientierten Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zwanglos
entnommen werden. Das gilt um so mehr, als das andernfalls freie
Zustimmungserfordernis der "R... W... K..."-Sender eine kartellrechtswidrige
Diskriminierung seitens der Beteiligten - und damit einen Verstoß gegen das
gesetzliche Verbot des § 20 Abs. 1 GWB - fördern würde, was gemäß § 134 BGB die
Nichtigkeit der betreffenden Vertragsklausel (und nach § 139 BGB unter Umständen die
Unwirksamkeit des gesamten Vertrages) zur Folge haben würde.
91
(2) Die Beteiligte war nicht aus sachlichen Gründen berechtigt, eine Vermarktung der
Hörfunkwerbezeit der A... Sender an nationale Werbekunden zu verweigern.
92
(a) Die Beteiligte hat im Verwaltungsverfahren zu den Kriterien vorgetragen, nach denen
sie die sog. mainstream-Sender - zu denen auch die A... Sender gehört haben -
vermarktet. Sie hat dazu ausgeführt: Die nationalen Werbekunden seien an der
Abdeckung einer großen Fläche und an der Ausstrahlung ihrer Spots in
93
Ballungsräumen interessiert. Im Grundsatz komme deshalb eine Vermarktung dann in
Betracht, wenn ein Sender ein Gebiet abdecke, das bislang von ihr (der Beteiligten)
noch nicht vermarktet werde. Allerdings sei aus wirtschaftlichen Gründen die direkte
Vermarktung eines solchen Senders nur dann sinnvoll, wenn er in der - allein
maßgeblichen - Erhebung der "A... M..." (MA) auf Dauer eine durchschnittliche
Reichweite von 40.000 Hörern nachweisen könne. Sie (die Beteiligte) lehne deshalb die
Direktvermarktung eines Hörfunksenders ab, wenn nicht zumindest zu erwarten sei,
dass der Sender eine MA-Zahl von 40.000 Hörern erreichen werde (vgl. Seite 17 des
Schriftsatzes vom 11. Mai 2000, Band II Bl. 287 der Amtsakten). Durch dieses Kriterium
werde dem geschilderten Interesse der nationalen Werbekunden an einem hinreichend
großen Ausstrahlungsgebiet und an der Verbreitung der Werbespots in Ballungsräumen
Rechnung getragen und es auf der Grundlage der von ihr bislang gemachten
Erfahrungen an möglichst objektiven Kriterien festgemacht. Die dauerhaft zu erwartende
Hörerreichweite von 40.000 Hörern orientiere sich maßgeblich an der Nachfrage der
nationalen Werbekunden. Daran hält die Beteiligte im Beschwerdeverfahren
ausdrücklich fest (vgl. Seite 21 des Schriftsatzes vom 8. Oktober 2002, GA 255).
Schließlich sei erforderlich, dass sich der Sender eine Kontrolle durch A.C. N...
unterwerfe.
(b) Die Beteiligte ist in der Vergangenheit bei der Direktvermarktung von mainstream-
Sendern auch nach diesen Grundsätzen verfahren. Das gilt zumindest für die
nachfolgend aufgeführten Fälle:
94
"R... w..." ist ein sog. mainstream-Sender (vgl. Seite 5 des Schriftsatzes vom 19. Mai
2000, Band II Bl. 311 der Amtsakten). Er ist von der Beteiligten direkt in der "R... S... K..."
vermarktet worden. Der Sender ist seinerzeit zwar ohne eine vorherige Erhebung über
die Hörerreichweite aufgenommen worden. Er erzielt aktuell allerdings eine Reichweite
von 48.000 Hörer, so dass das nach den Belieferungskriterien der Beteiligten
erforderliche Potential von 40.000 Hörern vorhanden war. Der Sender hat mit dem
Sendegebiet B. zudem eine bislang im Vermarktungsgebiet der Beteiligten vorhandene
Lücke ausgefüllt.
95
Der Sender "O... F.M." ist gleichfalls ein mainstream-Sender (vgl. Seite 19 des
Schriftsatzes vom 8. Oktober 2002, GA 253), der mit einer Hörerreichweite von aktuell
71.000 die notwendige Schwelle von 40.000 überschreitet. Von dem Erfordernis einer
Lückenschließlung in ihrem bisherigen Vermarktungsgebiet hat die Beteiligte beim
Sender "O... F.M." sogar abgesehen. Das hat der Verfahrensbevollmächtigte der
Beteiligten im Verhandlungstermin des Senats auf Befragen eingeräumt und darauf
hingewiesen, dass die Sender im Freistaat S. aufgrund des dort geltenden Landesrechts
jeweils landesweit aussstrahlen.
96
Der Sender "p... r... " ist - wie die Beteiligte im Verwaltungsverfahren selbst ausdrücklich
vorgetragen hat (vgl. Seite 5 des Schriftsatzes vom 19. Mai 2000, Band II Bl. 311 der
Amtsakten) - ebenfalls ein mainstream-Sender. Davon ist die Beteiligte im
Beschwerdeverfahren zwar zunächst mehr oder weniger kommentarlos abgerückt und
hat den Sender als einen Spartensender bezeichnet (vgl. Seite 28 der
Beschwerdebegründung, GA 135; Seite 19 des Schriftsatzes vom 8. Oktober 2002,
GA 253). Im Verhandlungstermin des Senats ist die Beteiligte allerdings wieder zu ihrem
ursprünglichen Sachvortrag zurückgekehrt. Der Geschäftsführer ihrer
Komplementärgesellschaft, Herr L..., hat auf Befragen des Senats eingeräumt, dass es
sich bei "p... r..." um einen mainstream-Sender handelt. Er hat die Vermarktung der
97
Hörfunkwerbezeit dieses Senders ausdrücklich mit dem Argument gerechtfertigt, "p...
r..." füge sich in die Vermarktung der mainstream-Schiene gut ein. "P... r..." ist mit einer
Hörerreichweite von 37.000 aufgenommen worden und verfügt derzeit über eine
Reichweite von 61.000. Die Beteiligte vermarktet "p... r..." (u.a.) in der "R... W... K..." und
in der "R... S... K..." (vgl. Seite 28 der Beschwerdebegründung, GA 135). Dass mit der
Aufnahme dieses Senders eine Lücke im bisherigen Vermarktungsgebiet der Beteiligten
geschlossen worden ist, hat der Geschäftsführer L... auf Nachfrage des Senats nicht
bestätigen können.
(c) Die A... Sender haben die von der Beteiligten angegebenen - und in der
Vergangenheit auch praktizierten - Voraussetzungen für eine Direktvermarktung ihrer
Hörfunkwerbezeit an nationale Werbekunden gleichfalls erfüllt.
98
Das Hörerreichweitenpotential erreicht 40.000. Nach den MA-Zahlen - welche die
Beteiligte sowohl im Verwaltungsverfahren (vgl. Seite 17 des Schriftsatzes vom 11. Mai
2000, Band II Bl. 287 der Amtsakten) als auch in dem Entwurf des
Vermarktungsvertrages mit den A... Sendern (vgl. Anlage Bf 5, dort Abschnitt II § 6
Ziffer (1)) selbst ausdrücklich als allein maßgebliche Größe bezeichnet hat - betrug die
Hörerreichweite im Jahre 2002 mehr als 40.000. In der MA 2002 /I aus März 2002 ist für
die A... Sender eine Hörerreichweite von 43.000 und in der darauf folgenden MA 2002/II
eine solche von 59.000 ausgewiesen (vgl. Anlage 8, dort Seite 2, GA 313). Es ist
unschädlich, dass bei Erlass der angefochtenen Verfügung noch keine MA-Zahlen für
die A... Sender vorlagen. Zum einen reicht - wie vorstehend dargestellt - für die
Vermarktung der Hörfunkwerbezeit an nationale Werbekunden nach den Kriterien der
Beteiligten bereits die Prognose einer MA-Zahl von dauerhaft mindestens 40.000 Hörer.
Zum anderen hat die Beteiligte für den Sender "r... w..." eine Vermarktung ebenfalls
ohne bereits vorliegende MA-Zahlen aufgenommen; hierauf können sich die A... Sender
im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB berufen und Gleichbehandlung beanspruchen. Ohne
Belang ist ebenso, dass für die A... Sender in der "E... NRW 2002" eine Hörerreichweite
von lediglich 27.000 Hörern ausgewiesen wird. Nach den Zugangskriterien, welche die
Beteiligte aufgestellt und praktiziert hat und an die sie aus Gründen der
Gleichbehandlung aller Nachfrager ihrer Vermarktungsdienste gebunden ist, kommt es
ausschließlich auf die MA-Zahlen an. Das gilt um so mehr, als die Beteiligte selbst
einräumt, dass die E...-Zahlen in der werbungtreibenden Wirtschaft nicht als "Währung"
anerkannt werden. Ihnen darf die Beteiligte dann aber bei der Feststellung derjenigen
Hörerreichweite, die ein Interesse der werbetreibenden Wirtschaft an der
Inanspruchnahme von Hörfunkwerbezeit indiziert, auch nicht den Vorrang vor den MA-
Zahlen geben. Ebensowenig ist entscheidend, ob die technische Reichweite der A...
Sender diejenigen der Sender "R... w...", "O... F.M." und "p... r..." erreicht. Nach dem von
der Beteiligten dargestellten Kriterienkatalog kommt es für die Auswahl der
Hörfunksender, denen Vermarktungsdienste erbracht werden, auf das Merkmal der
technischen Reichweite nämlich überhaupt nicht an.
99
Die A... Sender haben mit ihrem Ausstrahlungsgebiet "A... und Umgebung" auch eine
Lücke im bisherigen Vermarktungsgebiet der Beteiligten geschlossen. Ohne Erfolg
wendet die Beschwerde ein, es handele sich nicht um einen Ballungsraum im
eigentlichen Sinne. Das gilt schon deshalb, weil nach den von der Beteiligten im
Verwaltungsverfahren mitgeteilten Auswahlkriterien für eine Direktvermarktung der
Werbezeit von Hörfunksendern lediglich die Schließung einer Lücke im bisherigen
Vermarktungsgebiet ist. Dass eine Lücke in einem Ballungsraum geschlossen werden
muss, hat die Beteiligte selbst nicht vorgetragen. Es kommt hinzu, dass die Beteiligte
100
ihre Vermarktungsdienste dem Sender "p... r..." erbringt, obwohl dieser eine Lücke im
Vermarktungsgebiet der Beteiligte nicht schließt. Das schließt es für die Beteiligte erst
recht aus, sich den A... Sendern gegenüber darauf zu berufen, mit ihrem Sendegebiet
werde keine Vermarktungslücke in einem Ballungsraum geschlossen.
Dass die A... Sender schließlich bereit gewesen wären, sich der Kontrolle von A.C. N...
zu unterstellen, zieht die Beschwerde selbst nicht in Zweifel. Dafür fehlt auch sonst
jedweder Anhaltspunkt.
101
(d) Haben die A... Sender nach alledem die von der Beteiligten aufgestellten und
praktizierten Kriterien für eine Vermarktung ihrer Hörfunkwerbezeit an nationale
Werbekunden erfüllt, stellt die gleichwohl erklärte Weigerung der Beteiligten, die
Werbezeit der A... Sender an nationale Werbekunden zu vermarkten, eine
kartellrechtswidrige Diskriminierung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB dar. Der Beteiligten
standen schutzwürdige Interessen, die es ausnahmsweise rechtfertigen konnten, die
A… Sender trotz der erfüllten Belieferungskriterien von ihren Vermarktungsdiensten
auszuschließen, nicht zur Seite.
102
(aa) Die Beteiligte führt zur Rechtfertigung ihrer Weigerungshaltung an: Bei der
Zusammensetzung der Kombinationen müsse darauf geachtet werden, dass die
erreichbare Zuhörergruppe dem Anforderungsprofil einer möglichst großen Anzahl von
Kunden entspreche. Dabei seien die demografischen Eigenschaften der erreichbaren
Zuhörergruppen, die Marktdurchdringung und die Flächenabdeckung miteinander
abzuwägen und unerwünschte Streuverluste zu vermeiden, welche die Bereitschaft der
Werbekunden mindere, den geforderten TKP zu zahlen. Ihre Geschäftspolitik orientiere
sich deshalb zum einen daran, dass die nationalen Werbekunden zwar im Prinzip an
einer flächendeckenden Ausstrahlung interessiert seien, dabei aber vor allem Wert auf
die Abdeckung von Ballungszentren und nicht von ländlichen Regionen legen. Maßstab
bei der Bildung von Kombinationen sei überdies die Erfahrung, dass in den attraktivsten
Ballungsräumen eine Marktdurchdringung von 70 % anzustreben sei. Denn nur wenige
Kunden seien bereit, eine höhere Marktdurchdringung mit einem unveränderten TKP zu
honorieren, weshalb eine Reichweitenerhöhung über 70 % zu einer Verwässerung der
Einnahmen führe. Schließlich sei darauf zu achten, dass die Kombinationen eine
Zuhörergruppe abdeckten, die in ihrer demografischen Zusammensetzung für die
werbungtreibende Wirtschaft interessant sei. Insoweit müsse vor allem die Altersgruppe
der 15-49jährigen Zuhörer ausreichend repräsentiert sein. Die A... Sender könnten zu
diesem "Rezept" nichts beitragen; aus ihrer (der Beteiligten) Sicht verwässerten sie nur
das bereits bestehende Angebot.
103
Damit sind schutzwürdige Interessen der Beteiligten, die A... Sender von den
Vermarktungsdienstleistungen auszuschließen, nicht nachvollziehbar dargelegt.
104
Es steht außer Streit, dass die A... Sender mit ihrem Sendegebiet eine Lücke im
Vermarktungsbereich der Beteiligten schließen und damit zu einer höheren
Flächenabdeckung beitragen konnten. Das hätte auch der Beteiligten genützt. Denn sie
räumt ein, dass die werbungtreibende Wirtschaft an einer möglichst flächendeckenden
Ausstrahlung ihrer Werbespots interessiert ist. Zwar richtet sich - wie die Beschwerde
geltend macht - dieses Interesse vor allem auf Ballungsräume und weniger auf ländliche
Regionen. Daraus lässt sich für den Streitfall indes kein Argument gewinnen, um die A...
Sender von der Vermarktung auszuschließen. A... ist in der Region die mit Abstand
größte Stadt. Als Mittelzentrum ist sie von daher eher einem Ballungsraum als einem
105
ländlichen Gebiet zuzuordnen. Dass die nationalen Werbekunden gleichwohl kein
Interesse an einer Abdeckung des A... Raums haben, ist dem Vorbringen der Beteiligten
nicht nachvollziehbar zu entnehmen; dazu ist auch sonst nichts Konkretes ersichtlich.
Soweit die Beteiligte in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass die zur Aufnahme
der A... Sender neu gebildete "R... W... K... P..." nur auf ein geringes Kundeninteresse
stoße - nämlich von Februar bis August 2002 diese Kombination nur von drei Kunden
mit einem Gesamtumsatz von … Mio. € gebucht worden sei, während die Kombination
"R... W... K..." in demselben Zeitraum von sechzehn Kunden mit einem Gesamtumsatz
von … Mio. € belegt worden sei -, ist dieser Hinweis nicht stichhaltig. Es bestehen schon
Zweifel, ob die mitgeteilten Umsatzzahlen das Kundeninteresse zutreffend
widerspiegeln. Die Beteiligte hat eingeräumt, ihre Werbekunden über das
Vermarktungsgebiet der "R... K... W..." mit der Aussage "Die R... W... K... ist das Angebot
zur vollständigen Abdeckung Westdeutschlands der R..." nicht zutreffend informiert und
den unzutreffenden Eindruck erweckt zu haben, bereits der Tarif "R... W... K..." - und
nicht, wie es tatsächlich der Fall ist, nur der Tarif "R... W... K... P..." - erreiche eine
lückenlose Abdeckung des westdeutschen Gebiets. Es liegt bei lebensnaher Würdigung
nahe, dass sich diese Fehlinformation nachteilig auf die Buchung der Kombination "R...
W... K... P..." ausgewirkt hat. Das gilt tendenziell auch für die Folgezeit. Zwar hat die
Beteiligte ihre ursprünglichen Angaben im Laufe des Jahres 2002 korrigiert. Die
Internetpräsentation enthält zur "R… W… K…" nunmehr die Angabe "Die R... W... K...ist
ein Angebot zur Abdeckung Westdeutschlands" (vgl. Anlage Bf 17, GA 263) und zur
"R... W... K... P..." die Angabe "Die R... W... K... P... ist das Angebot zur vollständigen
Abdeckung Westdeutschlands" (vgl. Anlage Bf 17, GA 264). Auch mit diesen Aussagen
ist indes eine klare und eindeutige Information der Werbekunden über das
Ausstrahlungsgebiet der beiden Kombinationen nicht gewährleistet. Die Differenzierung
zwischen einer "Abdeckung Westdeutschlands" und der "vollständigen Abdeckung
Westdeutschlands" bringt den bestehenden Unterschied im Vermarktungsgebiet der
beiden Kombinationen - nämlich das Fehlen oder Hinzutreten des A... Gebiets - nicht
deutlich zum Ausdruck. Letztlich kann die Frage, inwieweit die Informationen der
Beteiligten eine Buchung der Kombination "R... W... K... P..." behindert hat, allerdings
auf sich beruhen. Denn schon mit Blick auf die mitgeteilten Buchungs- und
Umsatzzahlen der "R... W... K... P..." kann von einem mangelnden Interesse der
werbungtreibenden Wirtschaft an dem Sendegebiet der A... Sender keine Rede sein.
Immerhin macht der Umsatz in der "R... W... K... P..." rund .. % des Umsatzes der "R...
W... K..." aus. Vor dem Hintergrund dieser beträchtlichen Umsatzzahlen erledigt sich im
übrigen auch der weitere Einwand der Beschwerde, die A... Sender könnten qualitativ
nichts zur Attraktivität der "R... W... K...I" beitragen und sie deckten keinen für die
nationalen Werbekunden hinreichend relevanten Ballungsraum ab.
Unergiebig ist ebenso der Hinweis auf die optimale Marktdurchdringung von 70 %.
Abgesehen davon, dass sich diese Zielvorgabe nach der Darstellung der Beschwerde
ausschließlich auf die attraktivsten Ballungsräume bezieht, und die Beteiligte den A...
Raum gerade nicht hierzu zählt, fehlt jedweder Sachvortrag, dass und gegebenenfalls in
welchem Umfang die 70 %-Marke bei einer Aufnahme der A... Sender in die
Vermarktung überschritten würde. Folglich lässt sich auch nicht feststellen, dass die
Vermarktung der Hörfunkwerbezeit der A... Sender die Beteiligte in ihren Interessen
spürbar und in einem Maße beeinträchtigt hätte, dass sie mit Recht von einer
"Belieferung" der A... Sender Abstand nehmen durfte.
106
Ohne hinreichende Aussagekraft ist schließlich der Hinweis auf die vorrangig
abzudeckende Altersgruppe der 15-49jährigen Zuhörer. Dass die A... Sender, die sich
107
als mainstream-Sender mit ihrem Programm an alle Zuhörer und Altersgruppen wenden,
nicht auch den Bereich der 15-49jährigen Zuhörer ausreichend abdecken, ist nicht
ersichtlich. Dazu trägt auch die Beteiligte konkret nichts vor.
Bei dieser Sachlage erweist sich die Schlussfolgerung der Beschwerde, die A... Sender
würden das bereits bestehende Angebot der Beteiligten verwässern, als eine pauschale
und nicht schlüssig begründete Behauptung. Als solche vermag sie die Weigerung der
Beteiligten, die Hörfunkwerbezeit der A... Sender zu vermarkten, nicht zu tragen.
108
(bb) Die Beteiligte macht überdies drohende finanzielle Verluste bei einer Aufnahme der
A... Sender in die Vermarktung geltend. Es bestehe - so reklamiert sie - die Gefahr, dass
zahlreiche Werbekunden nicht bereit seien, die Abdeckung des A... Raums durch ein
entsprechend - d.h. um die Zuhörerzahl der A... Sender erhöhten - Preis zu honorieren.
Folglich könne sich die Notwendigkeit ergeben, den geltenden TKP zu reduzieren; dies
wiederum schmälere die Einnahmen der bisher in der Vermarktung befindlichen Sender
und mindere mittelbar auch die Attraktivität ihres eigenen Vermarktungsangebots.
109
Auch damit ist eine Beeinträchtigung der Interessen der Beteiligten nicht
nachvollziehbar dargelegt. Die Beteiligte hat im Verwaltungsverfahren eingeräumt, dass
die Vermarktung der Hörfunkwerbezeit der A... Sender an nationale Kunden als solche
für sie nicht mit spürbaren Nachteilen verbunden ist, weil die zu erwartenden
geringfügigen Kostensteigerungen durch den von den A... Sendern zu zahlenden
Sockelbetrag und die Umsatzprovision kompensiert werden (vgl. Seite 15 des
Schriftsatzes vom 19. September 2000, Band II Bl. 466 der Amtsakten). Von daher kann
sich ein finanzieller Nachteil nur daraus ergeben, dass die Aufnahme der A... Sender in
die Vermarktung die Beteiligte zu einer Reduzierung ihres TKP zwingt. Dies lässt sich
indes nicht feststellen. Obschon die Beteiligte aufgrund der angefochtenen Verfügung
die Werbezeit der A... Sender seit Dezember 2001 - mithin seit etwa einem Jahr -
vermarktet, macht sie selbst nicht geltend, den von ihr befürchteten wirtschaftlichen
Schaden tatsächlich erlitten zu haben, d.h. zu einer Herabsetzung ihres TKP
gezwungen gewesen zu sein. Dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.
110
Dass - wie die Beschwerde geltend macht - die A... Sender bei einer Vermarktung ihrer
Hörfunkwerbezeit über die "r... NRW" weitaus höhere Einnahmen erzielen könnten, ist
kein Gesichtspunkt, auf den die Beteiligte ihre Weigerung stützen kann. Denn insoweit
geht es schon im Ansatz nicht um ihre eigenen schutzwürdigen Interessen, sondern
ausschließlich um die wirtschaftlichen Belange der A... Sender.
111
(cc) Ohne Erfolg verweist die Beteiligte schließlich auf die Gefahr eines
"Dominoeffekts". Es sei - so meint sie - zu befürchten, dass auch andere Lokalsender
die Verträge mit ihrem bisherigen Vermarktern ("r... NRW", "R... R...?, "H... B...
Lokalradio-Werbung") beenden und die Vermarktung ihrer Hörfunkwerbezeit an
nationale Werbekunden durch sie (die Beteiligte) beanspruchen werden. Dies werde
eine dramatische Kostensteigerung zur Folge haben.
112
Auch mit dieser Erwägung lässt sich die Weigerung der Beteiligten, die Werbezeit der
A... Sender zu vermarkten, nicht rechtfertigen. Mit Recht weist das Bundeskartellamt auf
den Einzelfallcharakter der zur Überprüfung stehenden Untersagungsverfügung hin. Ob
die Beteiligte das Vermarktungsverlangen eines Hörfunksenders zurückweisen darf
oder nicht, beurteilt sich stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Es hat
eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen und Belange stattzufinden.
113
Von daher kann das (erfolgreiche) Begehren der A... Sender auf Vermarktung ihrer
Werbezeit an nationale Werbekunden berechtigterweise allenfalls die
Vermarktungsersuchen solcher Hörfunksendern nach sich ziehen, bei denen sich eine
vergleichbare beiderseitige Interessenlage ergibt. Wieviele Sender insoweit als
potentielle Anspruchsteller überhaupt in Betracht kommen und welche nachteiligen
Auswirkungen eine Vermarktung ihrer Werbezeit für die Beteiligte mit sich bringen kann,
ist offen. Dazu trägt die Beteiligte nichts vor und dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.
Unter diesen Umständen lässt sich mit dem befürchteten "Dominoeffekt" die Weigerung
der Beteiligten, die Werbezeit der A... Sender zu vermarkten, nicht rechtfertigen.
5. Die angefochtene Verfügung begegnet letztlich auch im Hinblick auf § 32 GWB
keinen Bedenken.
114
a) Die Beschwerde wendet gegen die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung ein,
dass sie zu einer "Belieferung" der A... Sender verpflichte und ihr damit
unzulässigerweise die Möglichkeit abschneide, die Diskriminierung dadurch zu
beenden, dass die Vermarktung der Werbezeit für die Vergleichssender eingestellt
werde.
115
Der Einwand bleibt erfolglos. Zwar trifft es im Ansatz zu, dass dem Adressaten einer
Untersagungsverfügung überlassen bleiben muss, auf welche Weise er die festgestellte
Diskriminierung beseitigt. Insbesondere muss es in seinem Belieben gestellt bleiben, ob
er die Belieferung des diskriminierten Unternehmens aufnimmt oder die Belieferung der
bislang bevorzugten Unternehmen einstellt. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn
tatsächlich oder rechtlich die letztgenannte Alternative zur Beseitigung der
Diskriminierung nicht ernsthaft in Betracht kommt (vgl. nur: Karsten Schmidt, a.a.O. § 32
Rdz. 18 m.w.N.). In einem solchen Fall kann die Kartellbehörde die Verpflichtung zur
Belieferung aussprechen. Das gilt auch im Streitfall. Das Bundeskartellamt hat
unwidersprochen geltend gemacht, dass für die Beteiligte aus ökonomischen Gründen
eine Beendigung ihrer Vermarktungsdienste für die Vergleichssender nicht in Betracht
kommt.
116
b) Unberechtigt ist ebenso der weitere Einwand, das Bundeskartellamt habe in
unzulässiger Weise die Rahmenbedingungen vorgegeben, unter denen die Beteiligte
die Hörfunkwerbezeit der A... Sender zu vermarkten habe.
117
Der Tenor der Verfügung enthält keinerlei Vermarktungsvorgaben; er nimmt auch nicht
irgendwelche Ausführungen des Bundeskartellamts aus der Beschlussbegründung in
Bezug. Das Bundeskartellamt hat lediglich in Abschnitt IV. des angefochtenen
Beschlusses beispielhaft ("kann R... insbesondere") Fallgestaltungen dargestellt, bei
denen nach seiner Ansicht die Vermarktungsdienste diskriminierungsfrei an die A...
Sender erbracht werden können. Die Ausführungen schreiben der Beteiligten nicht das
dort beschriebene Verhalten rechtsverbindlich vor, sondern sollen lediglich der
Orientierung der Beteiligten dienen, unter welchen Lieferbedingungen das
Bundeskartellamt jedenfalls eine diskriminierungsfreie Leistungserbringung
gewährleistet sieht. Sie lassen der Beschwerdeführerin (selbstverständlich) die Wahl,
auch auf andere Weise eine diskriminierungsfreie Vermarktung für die A... Sender
aufzunehmen.
118
Am Entscheidungsausspruch nehmen ebensowenig die Ausführungen des
Bundeskartellamts teil, dass die Beteiligte die Werbezeit der beiden A... Sender in einer
119
Kombination zu vermarkten habe und die jährliche Dienstleistungspauschale nur einmal
beanspruchen dürfe. Auch insoweit handelt es sich lediglich um die Mitteilung einer
Rechtsansicht, um die Beteiligte vorsorglich darauf hinzuweisen, dass nach dem
Rechtsstandpunkt des Bundeskartellamts eine diskriminierungsfreie Belieferung der A...
Sender nur unter diesen Bedingungen gewährleistet ist, und dass bei einer
abweichenden Verfahrensweise mit dem Erlass einer darauf gerichteten
Untersagungsverfügung gerechnet werden muss.
III.
120
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB. Die Beteiligte hat als unterlegene Partei
die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und hat überdies dem Antragsgegner
die ihm in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten (§
78 Satz 2 GWB; zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift vgl. Senat, WuW/E DE-R 523, 527
f.). Weder die zunächst beigeladenen A... Sender noch ihr Insolvenzverwalter, der im
weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens in die Position des Beigeladenen
eingetreten ist, haben durch Sachvortrag das Verfahren wesentlich gefördert. Ihr
Vorbringen hat sich im wesentlichen auf die Darstellung des Stands des
Insolvenzverfahrens beschränkt. Es entspricht nicht der Billigkeit (§ 78 Satz 1 GWB), die
Beteiligte auch mit deren außergerichtlichen Kosten zu belasten.
121
IV.
122
Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Der Streitfall wirft keine
Rechtsfragen grundsätzlichen Bedeutung (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB) auf. Eine
Entscheidung ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherstellung einer
einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 GWB). Der Senat hat den
Entscheidungsfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Judikatur zum
Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB gelöst.
123
Rechtsmittelbelehrung:
124
Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann durch Nichtzulassungsbeschwerde
angefochten werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem
Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit
der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist
schriftlich zu begründen, und die Begründung ist bei dem Rechtsbeschwerdegericht,
dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, einzureichen. Die Frist für die Einreichung der
Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der
Nichtzulassungsbeschwerde und kann auf Antrag vom Vorsitzenden des
Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und
ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die
Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und die – begründung müssen durch einen bei
einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
125