Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.12.2001

OLG Düsseldorf: grundstück, anbau, stadt, einbau, miteigentum, alleineigentum, gebäude, ermessen, miteigentümer, form

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-21 U 86/01
27.12.2001
Oberlandesgericht Düsseldorf
21. Zivilsenat
Urteil
I-21 U 86/01
Landgericht Kleve, 3 O 458/00
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des
Landge-richts Kleve vom 27.03.2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Auf die schriftliche Niederlegung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO
verzichtet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit im wesentlichen zutreffender Begründung hat das Landgericht den
Beklagten für verpflichtet erachtet, die Benutzung der Wegeparzelle im geltend gemachten
Umfang zu dulden und der Eintragung einer entsprechenden Baulast zuzustimmen. Die
hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Einwendungen führen zu keiner anderen
Beurteilung der Sach- und Rechtslage und geben lediglich zu folgenden, ergänzenden
Anmerkungen Anlass:
Die Parteien sind Miteigentümer der in Rede stehenden Wegeparzelle und als solche
verpflichtet, einander den Gebrauch des gemeinschaftlichen Grundbesitzes nach billigem
Ermessen zu gewähren und entsprechende Verwaltungsentscheidungen zu treffen - §§
743 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB. Das führt im Streitfall dazu, daß der Beklagte die vom Kläger
begehrte Nutzung des Wegegrundstückes dulden und der Eintragung einer
entsprechenden Baulast zustimmen muss.
1.
Der Beklagte selbst ist für eine zweckentsprechende Nutzung seines Grundstückes darauf
angewiesen, die in Rede stehende Wegeparzelle in dem vom Kläger mit seinem
Duldungsantrag geltend gemachten Umfang nutzen zu können. Daß dieser grundsätzlich
ein berechtigtes Interesse daran hat, sein Grundstück ebenfalls bebauen zu können, stellt
der Beklagte nicht in Abrede. Soweit eine solche Bebauung von der Benutzung des o.g.
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Weges abhängt, ist er deshalb im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des
gemeinsamen Grundstückes verpflichtet, diese zu dulden.
2.
Im Ergebnis nichts anderes gilt für die erstrebte Zustimmung zur Eintragung einer Baulast,
die der Beklagte nach billigem Ermessen ebenfalls erteilen muss. Völlig zu Recht hat das
Landgericht seiner dahingehenden Entscheidung unter Bezugnahme auf BGH WM 1991,
821ff. die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für die Erteilung einer Baulast
bei Bestehen einer deckungsgleichen Grunddienstbarkeit zugrunde gelegt. Die hiergegen
mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen gehen fehl. Denn die Baulastübernahme
betrifft hier ebenso wie in dem vom BGH entschiedenen Fall die Gemeinschaftsfläche und
nicht, wie der Beklagte meint, sein individuelles Eigentumsrecht am Flurstück ..... . Die
demnach gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen hat das Landgericht
ebenfalls beanstandungsfrei vorgenommen. Maßgebend sind folgende Erwägungen:
Der Beklagte wäre durch die Übernahme einer Baulast in der Ausübung seiner
Miteigentumsrechte am insoweit betroffenen Wegegrundstück nicht erkennbar
beeinträchtigt. Die allenfalls mittelbaren Auswirkungen der Baulastbestellung auf die
Beschaffenheit des in seinem Alleineigentum stehenden Hausgrundstückes berechtigen
ihn nicht, die erstrebte Zustimmung zur Eintragung der Baulast zu verweigern.
Die Stadt M..... hat die dem Kläger mit Schreiben vom 11.09.2000 in Aussicht gestellte
Erteilung einer Baugenehmigung ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß alle
Miteigentümer des Wegegrundstückes einer Erschließungs- und Abstandflächenbaulast
schriftlich zustimmen. Weil die Erschließung seines Grundstückes ohne die
Baulastübernahme nicht gesichert wäre (§ 4 BauO NW), der Kläger überhaupt nicht bauen
könnte und die o.g. Duldungsverpflichtung des Beklagten dann für ihn nutzlos wäre, hat der
Kläger ein berechtigtes, starkes Interesse an der allein noch ausstehenden
Baulastübernahme durch den Beklagten. Dem stehen im gleichen Maß schützenswerte
Interessen des Beklagten nicht gegenüber.
Ohne Erfolg macht dieser mit der Berufung geltend, sich auf die Zustimmung zur
Eintragung einer Baulast schon deshalb nicht einlassen zu müssen, weil er seinerzeit
darauf habe vertrauen dürfen, ein freistehendes Einfamilienhaus erworben zu haben,
welches durch den auf dem Grundstück des Klägers geplanten Anbau nun zu einer
Doppelhaushälfte umgestaltet werden solle. Das trifft schon im Ausgangspunkt nicht zu.
Denn abgesehen davon, daß das aufstehende Gebäude im notariellen Kaufvertrag vom
08.09.1993 (Bl. 9ff. GA) unter § 1 ausdrücklich als "Doppelhaushälfte" bezeichnet ist,
konnte der Beklagte jedenfalls mit Rücksicht auf den Inhalt der ihm nach § 15 des
Notarvertrages zur Kenntnis gebrachten schriftlichen Baulastübernahme der
Rechtsvorgänger des Klägers (Anlage 4a zur Klageschrift, Bl. 14 f. GA) ungeachtet
etwaiger anderslautender Erklärungen seines Vertragspartners keinen Zweifel daran
haben, die eine Hälfte eines im übrigen noch nicht errichteten Doppelhauses erworben zu
haben. Nichts anderes geht aus der seinem Rechtsvorgänger erteilten Baugenehmigung
Nr. ..... vom 17.02.1978 (Anlagenhefter zu Bl. 144 der BeiA) hervor. Gegenstand dieser
Genehmigung ist u.a. der Lageplan vom 15.11.1997, in den nicht nur die zuvor erwähnte
Baulast, sondern auch der vom Beklagten beanstandete Anbau (mit gestrichelten Linien)
eingetragen ist. Dieser Anbau findet schließlich auch im ebenfalls auf den 15.11.1977
datierten Bauantrag (Anlagenhefter BeiA) ausdrückliche Erwähnung. Denn die
Rechtsvorgänger des Klägers haben ihr Einverständnis zum Einbau der Fenster "im
Ostgiebel" auf Seite 2 R des Bauantrages nur für die Zeit bis zur Verwirklichung des auf
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ihrem Grundstück geplanten Bauvorhabens "gemäß Lageplan v. 15.11.77" erteilt. Das vom
Kläger nun beabsichtigte Bauvorhaben entspricht den Vorgaben jenes Lageplans und ist
laut Auskunft der Stadt M..... vom 11.09.2000 (Bl. 19 GA) vorbehaltlich der streitigen
Baulastübernahme grundsätzlich genehmigungsfähig.
Aus alledem folgt, daß der Beklagte im Verhältnis zum Kläger aus der derzeitigen
Beschaffenheit seines Grundstückes nebst aufstehendem Gebäude keinen Bestandsschutz
ableiten kann, den er dem Bauvorhaben des Klägers mit Erfolg entgegensetzen könnte. Er
muss sich vielmehr entgegenhalten lassen, eine Doppelhaushälfte erworben zu haben, die
in dieser Form überhaupt nur deshalb errichtet werden konnte, weil die Rechtsvorgänger
des Klägers sich bereit erklärt haben, den fehlenden Bauwich durch eine Baulast zu
übernehmen und den Einbau von Fenstern in der ihrem Grundstück zugewandten
Giebelwand zeitlich befristet bis zur Realisierung des schon damals geplanten Anbaus
hinzunehmen. Dann aber ist es nur gerecht und billig, daß der Beklagte auch mehr als 8
Jahre nach dem Erwerb des Grundstücks nun seinerseits die Verwirklichung des schon
1977 in Aussicht genommenen Bauvorhabens auf dem Grundstück des Klägers ermöglicht,
indem er der erforderlichen Eintragung einer Baulast zustimmt.
Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, daß es für die Verpflichtung des
Beklagten zur Bestellung einer Baulast an dem in seinem Miteigentum stehenden
Wegegrundstück nicht darauf ankommen kann, ob das durch die Baulast begünstigte
Bauvorhaben letztlich genehmigt werden wird. Das mögen die Parteien gegebenenfalls in
einem Verwaltungsgerichtsverfahren klären. Entscheidend ist vielmehr, daß der Kläger
nach derzeitigem Sach- und Streitstand allein mit der beantragten Baulast eine
Baugenehmigung erreichen kann (vgl.: BGH NJW 1992, S. 2885ff., 2886), wie das
zuständige Bauordnungsamt der Stadt M..... unter dem 11.09.2000 ausdrücklich mitgeteilt
hat.
3.
Die Berufung hat schließlich auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Offenbar geht der
Beklagte irrtümlich davon aus, daß ihm die Zustimmung zur Eintragung einer Baulast
abverlangt werde, mit der Abstandsflächen für das in seinem Alleineigentum stehende
Hausgrundstück festgeschrieben werden sollen. Das ist nicht der Fall. Tatsächlich betrifft
die vom Kläger begehrte Übernahme einer Abstandsbaulast ausschließlich die im
Miteigentum der Anlieger stehende Wegeparzelle, und das auch nur in dem Umfang, in
dem der Beklagte selbst in den Genuss einer durch Grunddienstbarkeiten besicherten
Abstandsregelung gekommen ist. Daß er bei dieser Sachlage auch die zur Verwirklichung
des Bauvorhabens auf dem Grundstück des Klägers erforderliche Abstandsflächenbaulast
bewilligen muss, bedarf mit Rücksicht auf die obigen Erwägungen keiner weiteren
Begründung.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst - § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den Beklagten: 20.000,00
DM