Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.10.2007

OLG Düsseldorf: nichtigkeit, materielles recht, adoption, streichung, gerichtsbarkeit, aufsichtsbehörde, fehlerhaftigkeit, kindesannahme, anfechtbarkeit, rechtsverletzung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 179/07
Datum:
11.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 179/07
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 25 T 72/07
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
I.
1
Die Beteiligte zu 3. stellte mit notarieller Urkunde vom 24.01.2005 den Antrag auf
Annahme der volljährigen Beteiligten zu 1. als Kind. Zugleich erklärte ihr Ehemann, der
Beteiligte zu 2., ebenfalls notariell beurkundet die Einwilligung in die Annahme des
Kindes durch seine Ehefrau.
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Mit Beschluss vom 23.09.2005 hat das Amtsgericht Gummersbach die Kindesannahme
durch die Beteiligte zu 3. wie beantragt ausgesprochen.
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Mit Schreiben vom 14.12.2005 hat das Standesamt X das Amtsgericht Gummersbach
darauf hingewiesen, dass der Adoptionsbeschluss gegen § 1741 Abs. 2 BGB verstoße.
Das Amtsgericht Gummersbach hat daraufhin mitgeteilt, der Adoptionsbeschluss könne
fehlerhaft sein, wenn die notariell beurkundete Zustimmung des Beteiligten zu 2. nicht
als ausreichend angesehen werde, eine Fehlerhaftigkeit führe aber nicht zur Nichtigkeit
des Beschlusses, und auch eine Aufhebung dürfte nicht in Betracht kommen.
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Auf der Grundlage dieses Schreibens hat der zuständige Standesbeamte in X den
Geburtseintrag der Beteiligten zu 1. am 05.01.2006 mit einem Randvermerk versehen,
der besagt, dass sie von den Eheleuten, den Beteiligten zu 2 und 3, gemeinschaftlich
angenommen worden sei.
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Gegen die entsprechende Eintragung in der Geburtsurkunde der Beteiligten zu 1. hat
der Beteiligte zu 2. Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, dass sein Name aus dem
Randvermerk gestrichen werde, da allein die Beteiligte zu 3. das Kind angenommen
habe.
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Der als Aufsichtsbehörde beigetretene Landrat des Rhein-Kreises X, der der Auffassung
ist, der Randvermerk sei ersatzlos zu streichen, weil der Beschluss des Amtsgerichts
Gummersbach vom 23.09.2005 wegen des Verstoßes gegen § 1741 Abs. 2 BGB nichtig
sei, hat die Sache gemäß § 45 PStG dem Amtsgericht Düsseldorf vorgelegt und
beantragt,
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den Standesbeamten des Standesamtes X anzuweisen, den dem
Geburtseintrag Nr. 15/1979 beigeschriebenen Randvermerk über die
Adoption zu streichen,
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hilfsweise,
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den Randvermerk dahingehend abzuändern, dass das Kind von Frau K. allein
angenommen worden ist.
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Das Amtsgericht Düsseldorf hat daraufhin am 14.11.2006 entschieden, dass der
Standesbeamte den dem Geburtseintrag beigeschriebenen Randvermerk über die
Adoption dahingehend abzuändern habe, dass die Beteiligte zu 1. von der Beteiligten
zu 3. alleine angenommen sei.
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Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beigetretenen ist vom Landgericht
zurückgewiesen worden.
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Der Beigetretene hat sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, der
Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach sei im Hinblick auf § 1741 Abs. 2 BGB so
gravierend mangelhaft, dass er den Standesbeamten nicht binden könne. Deshalb
müsse der eingetragene Randvermerk ersatzlos gestrichen werden. Der
Adoptionsbeschluss sei nichtig und daher nicht eintragungsfähig.
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II.
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Das Rechtsmittel ist zulässig gemäß §§ 49 PStG, 27 FGG. Zwar ist der
Adoptionsbeschluss gemäß § 56 e Satz 3 FGG mit seinem Erlass unanfechtbar und für
das Gericht unabänderbar geworden. Das schließt allerdings das Recht des
Standesbeamten bzw. – wie hier – der Aufsichtsbehörde, die stets antragsberechtigt ist
(Hepting/Gaaz PStG § 47 R. 22) nicht aus, gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 PStG eine
gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (BayObLG FamRZ 96, 1034 m.w.N.) oder
gemäß § 47 PStG die Berichtigung eines abgeschlossenen Eintrags zu beantragen.
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Hier liegt ein durch die Unterschrift des Standesbeamten abgeschlossener Eintrag vor.
Um die Wirkungen einer vom Standesbeamten vorgenommenen, abgeschlossenen
Eintragung zu beseitigen, steht nur das Berichtigungsverfahren nach § 47 PStG zur
Verfügung (Hepting/Gaaz § 45 R. 14). Da der Beigetretene mit seinem Hauptantrag, den
er noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz weiter verfolgt, die Streichung des
Randvermerks bezweckt, ist sein Antrag in einen Berichtigungsantrag gemäß § 47 PStG
umzudeuten. Der Begriff der Berichtigung umfasst nicht nur die Richtigstellung von
etwas Falschem, sondern auch das Beseitigen von etwas Überflüssigem (Hepting/Gaaz
vor § 46 a R. 1).
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Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von § 27 FGG.
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Die Kammer hat im Verfahren nach § 45 Abs. 2 PStG zur Begründung ihres
Beschlusses ausgeführt:
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Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei nicht, ob der Adoptionsbeschluss rechtlich
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fehlerfrei sei, sondern nur die Frage, ob er derart schwerwiegende Mängel aufweise,
das er ausnahmsweise als nichtig angesehen werden müsse und damit auch keine
wirksame Grundlage für die Eintragung des streitgegenständlichen Randvermerks sein
könne. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung beurteile sich die Nichtigkeit
eines Adoptionsbeschlusses nach den Allgemeinen Grundsätzen über die Nichtigkeit
gerichtlicher Entscheidungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Nichtig sei
danach eine gerichtliche Handlung, wenn es an jeder gesetzlichen Grundlage für die
Entscheidung fehle oder wenn sie eine der Rechtsordnung unbekannte Rechtsfolge
ausspreche. Ein solcher Fall sei hier jedoch nicht gegeben. Denn die Nichtigkeit ergebe
sich vorliegend weder aus dem materiellen Recht selbst, noch sei der Beschluss vom
23.09.2005 auf eine der Rechtsordnung schlechthin unbekannte Rechtsfolge gerichtet.
Zwar sehe § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich nur die gemeinschaftliche
Kindesannahme durch Ehegatten vor. Gleichzeitig seien jedoch insbesondere in Satz 4
der genannten Vorschrift auch Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. So
könne etwa ein Ehegatte ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere
Ehegatte das Kind nicht annehmen könne, weil er geschäftsunfähig sei oder das 21.
Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Wenn aber die hier maßgebliche gesetzliche
Regelung selbst Ausnahmen vom Grundsatz der ausschließlich gemeinschaftlichen
Adoption durch Ehegatten vorsehe, so könne eine – wenn auch gesetzlich ausdrücklich
nicht vorgesehene – Abweichung von diesem Grundsatz nicht zur Nichtigkeit des
Annahmebeschlusses, sondern allenfalls zu dessen Anfechtbarkeit oder Aufhebung
führen. Da jedoch der Beschluss des Amtsgerichts vom 23.09.2005 nach wie vor
Bestand habe, sei für die Streichung des dem Geburtseintrag beigeschriebenen
Randvermerks kein Raum, sondern, wie vom Amtsgericht am 14.11.2006
ausgesprochen, der Standesbeamte anzuhalten, den Randvermerk entsprechend dem
Inhalt des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts abzuändern.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
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Der Hauptantrag des Beigetretenen, den Standesbeamten zur Streichung des
Randvermerks anzuweisen, konnte keinen Erfolg haben, weil der Adoptionsbeschluss
des Amtsgerichts Gummersbach vom 23.09.2005 nicht nichtig ist. Zwar ist die hier
durchgeführte Adoption durch einen Ehepartner allein unzulässig und der
Adoptionsbeschluss damit fehlerhaft. Dies gilt ungeachtet der Zustimmung des anderen
Ehegatten (OLG Hamm FamRZ 2000, 257). Es liegt ein Verstoß gegen § 1741 Abs. 2
Satz 2 BGB vor. Die gesetzlich geregelten Ausnahmefälle nach § 1741 Abs. 2 Satz 3
und 4 sind nicht gegeben.
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Die bloße Fehlerhaftigkeit des Adoptionsbeschlusses hat nicht ohne weiteres seine
Nichtigkeit zur Folge. Zu der Frage, ob ein Annahmebeschluss ausnahmsweise als
nichtig angesehen werden kann, besteht Rechtsunsicherheit, da der Gesetzgeber davon
abgesehen hat, "die seltenen Fälle der Nichtigkeit einer Annahme" im einzelnen zu
benennen (BT-Drucks. 7/3061 S. 46). Die Frage der Nichtigkeit eines
Adoptionsbeschlusses ist ausgehend von den allgemeinen Grundsätzen über die
Nichtigkeit gerichtlicher Entscheidungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu
beantworten. Hierbei ist im Hinblick auf die grundsätzliche Unanfechtbarkeit und
Unabänderbarkeit des Adoptionsbeschlusses (§ 56 e Satz 3 FGG) unter
Berücksichtigung der Bedeutung des Aufhebungsverfahrens (vgl. §§ 1760 ff., 1771,
1772 Abs. 2 BGB) ein sehr strenger Maßstab anzulegen. Denn durch die
Gesamtregelung soll erreicht werden, dass den von der Annahme berührten
Statusverhältnissen vor allem im Interesse des Kindes und seiner neuen Eltern der
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notwendige Bestandsschutz zuteil wird (BayObLG a.a.O. m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund und aus den vom Landgericht dargestellten Erwägungen sowie
unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Gesetzgeber, wie die in § 1760
normierten Aufhebungsgründe zeigen, selbst an schwerste Verstöße gegen materielles
Recht nicht die Sanktion der Nichtigkeit, sondern nur die der Aufhebbarkeit des
Annahmeverhältnisses knüpft (Staudinger/Frank § 1759 Rn. 5), ist die angefochtene
Entscheidung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden.
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