Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.08.2006

OLG Düsseldorf: gerät, drucker, daten, stand der technik, erfindung, klageerweiterung, starten, eigentum, besitz, quelle

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 31/05
Datum:
24.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 31/05
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Februar 2005
verkündete
Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückgewie-
sen.
2. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Beklagten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 52.000,-- Euro ab-
zuwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leisten.
4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 1 Million Euro.
G r ü n d e :
1
I
2
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland und in deutscher Verfahrenssprache erteilten europäischen Patentes 0 239
xxx (Klagepatent, Anlage II – K 1) betreffend eine Anordnung zur Ansteuerung mehrerer
im Tandembetrieb arbeitender nichtmechanischer Druckgeräte; nach ihrem Vorbringen
hat sie das Klagepatent von der ursprünglich als Inhaberin eingetragenen S AG
erworben; am 20. Januar 1997 ist der deutsche Anteil beim Deutschen Patentamt auf
die Klägerin umgeschrieben worden (vgl. Anlage II – K 3). Die Klägerin nimmt die
Beklagten aus diesem Schutzrecht auf Unterlassung, Rechnungslegung und
Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz und die Beklagte zu 1. darüber
3
hinaus auf Vernichtung in ihrem Besitz oder Eigentum befindlicher angegriffener
Erzeugnisse in Anspruch.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung ist am 11. März 1987 unter
Inanspruchnahme einer deutschen Unionspriorität vom 14. März 1986 eingereicht und
am 7. Oktober 1987 im Patentblatt veröffentlicht worden; der Hinweis auf die
Patenterteilung ist am 10. Oktober 1990 im Patentblatt bekannt gemacht worden.
4
Anspruch 1 des Klagepatentes lautet folgendermaßen:
5
Anordnung zur Ansteuerung von mehreren im Tandembetrieb arbeitenden
nichtmechanischen Druckgeräten (DR1, DR2) bei denen der zunächst von einem
Erstgerät (DR1) bedruckte bandförmige Aufzeichnungsträger (E) weiteren
Folgegeräten (DR2) zugeführt wird,
dadurch gekennzeichnet
(DR1, DR2) eine eigene, unabhängig arbeitende mit einer externen Datenquelle
(HOST) gekoppelte Steuerungsanordnung aufweist, die in einer
Datensteuerungsebene (DSE) und einer Gerätesteuerungsebene (DC) organisiert
ist und dass zur Synchronisation eine Koppelung der Geräte (DR1, DR2) auf der
Gerätesteuerungsebene (DC) erfolgt.
6
Die nachstehend wiedergegebenen Figurendarstellungen erläutern die Erfindung
anhand eines Ausführungsbeispiels; Figur 5 zeigt die Papierführung zweier im
Tandembetrieb arbeitender Drucker, Figur 1 ein Blockschaltbild einer Anordnung zur
Ansteuerung zweier im Tandembetrieb arbeitender Druckgeräte, Figur 2 ein
Blockschaltbild der Steuerungsanordnung eines Druckers und Figur 3 ein
Blockschaltbild einer Koordinationssteuereinheit.
7
Die seit dem 15. Oktober 1996 bestehende Beklagte zu 1. ist die deutsche
Tochtergesellschaft der im April 2002 gegründeten und in Frankreich ansässigen
Beklagten zu 2. Sie vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "N" von der
Beklagten zu 2. hergestellte Druckgeräte; von dieser Baureihe sind die
Ausführungsformen 400 XY, 600 XY, 800 XY und 940 XY für den Tandembetrieb
geeignet, wobei eines der Geräte als Master- und das andere als Slave-Gerät arbeitet.
Master- und Slave-Drucker können jeweils auch einzeln betrieben werden. Beworben
werden diese Geräte in Prospekten der Beklagten zu 2 (englische Fassung Anlage II –
K 6; deutsche Fassung Anlage B II - K 6 a). Die Beklagte zu 2. bietet die von ihr
hergestellten Drucker auch im Internet an (vgl. Anlage II - K 15). Seit Mai 2004 vertreibt
die Beklagte zu 1. in Deutschland eine weitere Druckervorrichtung unter der
Bezeichnung "V" und stellte sie im Jahre 2004 auf der Messe "DRUPA" in Düsseldorf
aus.
8
Die Klägerin ist der Auffassung, der Vertrieb dieser Geräte verletze das Klagepatent. Sie
hat vor dem Landgericht mit Bezug auf die genannten Unterkonfigurationen der
Baureihe N vorgetragen, die von diesen Geräten im Tandem-Betrieb verwirklichte
Master-Slave-Konfiguration entspreche dem Wortsinn des Klagepatentanspruches 1.
Die Masterfunktion entspreche der in der Patentbeschreibung erörterten einer der
beiden Koordinationssteuereinheiten zugewiesenen Leitfunktion. Gleichwohl
übernehme auch die Steuerung des Slave-Gerätes untergeordnete Funktionen; so
bereite sie etwa vom Mastergerät erhaltene Daten vor dem Ausdrucken auf. Mit der
externen Datenquelle H sei das Mastergerät unmittelbar und das Slave-Gerät mittelbar
über das Mastergerät verbunden. Dass beide Geräte auch auf der
9
Datensteuerungsebene gekoppelt seien, stehe der Verwirklichung der
erfindungsgemäßen Lehre nicht entgegen, solange die auf der Datensteuerungsebene
verwirklichte Koppelung nicht der Synchronisation diene.
Die Beklagten haben vor dem Landgericht eingewandt, die von der Klägerin
vorgelegten Unterlagen seien zum Nachweis des Klagepatenterwerbs ungeeignet. Die
Beklagte zu 2. biete die von ihr hergestellten Drucker in Deutschland weder an noch
bringe sie sie in den Verkehr noch gebrauche und besitze noch führe sie sie ein. Die
Beklagte zu 1. kaufe vielmehr die Geräte bei der Beklagten zu 2. in Frankreich, hole sie
dort ab und verkaufe sie in Deutschland auf eigene Rechnung.
10
Abgesehen davon verletzten die angegriffenen Geräte das Klageschutzrecht nicht. Im
Tandembetrieb habe das Slave-Gerät keine eigene unabhängig arbeitende
Steuereinrichtung, sondern es arbeite abhängig vom Mastergerät und sei nur mit diesem
und nicht mit einer externen Datenquelle verbunden. Das Mastergerät übe keine
Leitungsfunktion zweier grundsätzlich unabhängig voneinander tätiger Geräte aus,
sondern steuere auch den Slave-Drucker und verarbeite sämtliche aus der externen
Quelle empfangenen Daten allein; eine Weiterverarbeitung im Slave finde nicht statt.
Eine solche zentrale Steuerung für beide Geräte werde erfindungsgemäß gerade
abgelehnt. Erfindungsgemäß seien beide Drucker nur auf der Gerätesteuerungsebene
gekoppelt, während bei der angegriffenen Ausführungsform die Datensteuerung des
Master-Gerätes mit derjenigen des Slave-Gerätes und die Gerätesteuerung des
Mastergerätes mit derjenigen des Slave-Gerätes korrespondierten. Im Einzelbetrieb
werde das Slave-Gerät an eine externe Datenquelle gekoppelt und über eine separate
nicht in den Tandembetrieb eingebundene Anordnung gesteuert.
11
Durch Urteil vom 10. Februar 2005 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die angegriffene Vorrichtung entspreche nicht der unter
Schutz gestellten technischen Lehre. Zwar verfüge auch deren Slave-Gerät über eine
eigene unabhängig arbeitende und mit einer externen Datenquelle gekoppelte
Steuereinrichtung, um insbesondere bei Ausfall des Master-Gerätes auch im
Einzelbetrieb arbeiten zu können, den Darlegungen der Klägerin sei aber nicht zu
entnehmen, dass im Tandembetrieb die Synchronisation der Drucker über diejenige
Steuerungsanordnung des Slave-Gerätes erfolge, die im Einzelbetrieb unabhängig
arbeite. Die Klägerin habe nur pauschal behauptet, die von dem Beklagten behauptete
Trennung der Steuerungsanordnung des Slave-Gerätes bestehe nicht, ohne darzutun,
ob und wie sie sich hierüber vergewissert habe. Auch nach entsprechendem
richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung habe sie nicht vorgetragen,
welche konkreten Steuerungsfunktionen das Slave-Gerät der angegriffenen
Ausführungsform im Tandembetrieb wahrnehme.
12
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts
Bezug genommen.
13
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr
erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Begehren unter gleichzeitiger Erweiterung der
Klage auf die Ausführungsform "V" weiter. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches
Vorbringen und führt ergänzend aus: Jedes Slave-Gerät sei genauso aufgebaut wie der
Masterdrucker und wie dieser mit einem kompletten Bedienpult ausgerüstet; es erhalte
die von ihm zu druckenden Daten auf der Datensteuerungsebene vom Mastergerät und
erzeuge daraus die Dateninformation. Ohne eine Synchronisation beider Geräte auf der
14
Gerätesteuerungsebene sei kein korrekter Druck im Tandembetrieb möglich. Auch als
Einzelplatzgerät könne jeder der beiden Drucker an die externe Datenquelle und ein
nachfolgendes Endverarbeitungsgerät (etwa zum Kuvertieren) angeschlossen und mit
seiner Druckgeschwindigkeit entsprechend angepasst werden. Das erfolge über die
Gerätesteuerungsebene und gelte ebenso für die Synchronisation im Tandembetrieb.
Die Koppelung der angegriffenen Ausführungsform bestehe darin, dass zwischen der
Gerätesteuerung des ersten Druckers und derjenigen des zweiten Druckers eine
Datenleitung vorhanden sei, über die die Synchronisationsdaten übertragen würden.
Eine Vorverarbeitung und Vorsortierung von Daten auf der Gerätesteuerungsebene sei
erfindungsgemäß nicht ausgeschlossen. Ohne eine derartige Synchronisation auf der
Gerätesteuerungsebene könnten die beiden Drucker der angegriffenen
Ausführungsform im Tandembetrieb nicht ordnungsgemäß zusammenarbeiten und
insbesondere bandförmige Aufzeichnungsträger nicht vorder- und rückseitig bedrucken.
Dass das Mastergerät der angegriffenen Ausführungsform im Tandembetrieb als
Zentralsteuerung für alle beteiligten Geräte arbeite, sei schon deshalb ausgeschlossen,
weil die angegriffene Ausführungsform nach den Angaben der als Anlage II-K 6 a
vorgelegten Werbeschrift 800 bis 1000 Blatt pro Minute verarbeite und eine
Zentralsteuereinheit die anfallenden großen Datenmengen in der gebotenen kurzen
Zeitspanne nicht bewältigen könne. Da das Slave-Gerät der angegriffenen
Ausführungsform unstreitig eine eigene Steuereinheit habe, sei nach den Regeln über
den Beweis des ersten Anscheins davon auszugehen, dass diese nicht nur im Einzel-,
sondern auch im Tandembetrieb benutzt werde. In gleicher Weise wie die
Ausführungsform "N" sei auch die neue Gerätegeneration "V" der Beklagten in den hier
interessierenden Einzelheiten aufgebaut.
Die Klägerin beantragt,
15
I. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen,
16
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im
Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft im
Hinblick auf die Beklagte zu 1 an deren jeweiligem Geschäftsführer zu
vollstrecken ist, zu unterlassen,
17
18
im deutschen territorialen Geltungsbereich des europäischen Patents 0 239 xxx
19
im Tandembetrieb arbeitende nichtmechanische Druckgeräte mit einer
Anordnung zur Ansteuerung von mehreren im Tandembetrieb arbeitenden
nichtmechanischen Druckgeräten, bei denen der zunächst von einem Erstgerät
bedruckte bandförmige Aufzeichnungsträger weiteren Folgegeräten zugeführt
wird,
20
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten
21
Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen jedes Gerät eine eigene, unabhängig arbeitende mit einer externen
Datenquelle gekoppelte Steuerungsanordnung aufweist, die in einer
Datensteuerungsebene und einer Gerätesteuerungsebene organisiert ist und zur
Synchronisation eine Koppelung der Geräte auf der Gerätesteuerungsebene
erfolgt;
22
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die
zu I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 1. April 1996 begangen haben, und
zwar unter Angabe
23
a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –
preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und
Anschriften der Abnehmer,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –
preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und
Anschriften der Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
des erzielten Gewinns, unter Ausschluss solcher Gemeinkosten, die nicht
ausschließlich den Erzeugnissen gemäß Ziffer I 1 zuzuordnen sind,
24
25
26
wobei den Beklagten gestattet werden könne, die Namen und Anschriften der
nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin
einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit
verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten
dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf
konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder
Angebotsempfänger oder eine bestimmte Lieferung in der Aufstellung
enthalten ist;
27
3. (nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in
ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I 1 beschriebenen
Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der
Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten
28
der Beklagten herauszugeben;
29
II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I 1 bezeichneten,
seit dem 1. April 1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen
wird.
30
Die Beklagten beantragen,
31
die Berufung zurückzuweisen.
32
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und führen unter Wiederholung und Vertiefung
ihres erstinstanzlichen Sachvortrages ergänzend aus: Die Klageanträge seien zu
unbestimmt, außerdem sei die Klageerweiterung auf den Drucker V in der
Berufungsinstanz verspätet und nicht sachdienlich. Im Ergebnis zutreffend habe das
Landgericht auch die Übereinstimmung der angegriffenen Vorrichtung mit der
patentierten technischen Lehre verneint. Zuzustimmen sei dem Urteil, soweit es
zwischen Master- und Slave-Gerät das Vorliegen einer Koppelung auf der
Gerätesteuerungsebene zur Synchronisation verneint habe. Nicht zu folgen sei jedoch
der Ansicht des Landgerichts, jedes der beiden Geräte weise eine eigene unabhängig
arbeitende mit einer externen Datenquelle gekoppelte Steuerungsanordnung auf. Eine
solche Anordnung sei im Tandem-Betrieb nicht vorhanden, weil bei dieser Betriebsart
die Steuerungseinrichtung des Slave-Gerätes, die dieses zur Funktionsfähigkeit im
Einzelbetrieb benötige, nicht zum Einsatz komme. Die bei den angegriffenen Geräten
realisierte Master-Slave-Konfiguration zentralisiere die Steuerung beider Druckgeräte im
Mastergerät. Diese Zentralisierung schließe das Klagepatent ausdrücklich aus.
33
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
34
II.
35
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht
die Klage abgewiesen, weil die angegriffene Vorrichtung nicht der im Klagepatent unter
Schutz gestellten technischen Lehre entspricht und der Klägerin die geltend gemachten
Ansprüche nicht zustehen.
36
1. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Erweiterung der Klage auf die
Ausführungsform "V" ist allerdings entgegen der Meinung der Beklagten sachdienlich im
Sinne der §§ 263, 533 ZPO. Die neue Ausführungsform ist in den hier interessierenden
Funktionen ebenso ausgestaltet wie die bisher streitgegenständliche Vorrichtung "N"
und unterscheidet sich nach dem unwiderlegten Vorbringen (Bl. 302 d.A. unter Hinweis
auf Anlage BK 5) der Klägerin nur darin von der Vorgängerversion, dass neue
Schreibköpfe, leistungsfähigere Drucktrommeln und neue Toner verwendet werden.
Dass die Abweichungen auch die Mittel betreffen, mit denen die angegriffene
Ausführungsform nach Auffassung der Klägerin die unter Schutz gestellte technische
Lehre verwirklicht, haben die Beklagten nicht behauptet.
37
Da die neue Ausführungsform "V" in den hier interessierenden Teilen mit dem bisher
angegriffenen Gegenstand "N" baugleich ist, sind in technischer Hinsicht dieselben
Fragen zu erörtern wie in Bezug auf die Ausführungsform "N", so dass der bisherige
Prozessstoff auch zur Entscheidung über die neue Ausführungsform verwertet werden
kann. Dass die Beklagten im Hinblick auf die neue Ausführungsform eine
Tatsacheninstanz verlieren, steht der Sachdienlichkeit nicht entgegen. Entscheidend ist
der Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit; dieser gebietet hier eine Einbeziehung
auch der neuen Baureihe "V". Die Zulassung der Klageerweiterung vermeidet einen
weiteren Prozess zwischen den Parteien, in dem bezogen auf die Ausführungsform "V"
dieselben Streitfragen noch einmal erörtert und entschieden werden müssten, die bisher
schon Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits waren.
38
Unter diesen Umständen können die Beklagten auch nicht mit Erfolg geltend machen,
die in der Berufungsinstanz vorgenommene Ausdehnung des Klageangriffs auf die
Ausführungsform "V" sei nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
39
2. Die angegriffenen Vorrichtungen der Beklagen machen von der in Anspruch 1 des
Klagepatentes umschriebenen technischen Lehre keinen Gebrauch.
40
a)
41
Das Klagepatent betrifft eine Anordnung zum Ansteuern mehrerer im Tandem-Betrieb
arbeitender nichtmechanischer Druckgeräte; hierzu gehören Laserdrucker,
Kopiergeräte, elektrofotografische oder magnetografische Druckvorrichtungen. Im
Tandem-Betrieb sind mehrere Druckgeräte hintereinander geschaltet, die der
Aufzeichnungsträger – nach der Lehre des Klagepatentes (vgl. Merkmal 2 der
nachstehenden Merkmalsgliederung) ist er bandförmig und in der Regel als vorgefaltete
und nach dem Bedrucken in Einzelblätter teilbare Endlospapierbahn ausgebildet –
nacheinander durchlaufen muss, bevor er mit einem vollständigen Druckbild versehen
ist. Jedes der beteiligten Geräte bringt den ihm zugewiesenen Teil des Druckbildes auf
die Papierbahn, etwa das erste Gerät die Vorder- und das zweite die Rückseite
und/oder die verschiedenen Geräte verschiedene Farben eines Mehrfarbdruckes.
42
Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt (Spalte 1, Zeile 7 bis 22), ist aus der
europäischen Patentanmeldung 0 154 xxx, deren Figur 3 nachstehend wiedergegeben
ist, ein aus mehreren hintereinander angeordneten und gleichzeitig betriebenen Geräten
(30, 31; Bezugszeichen entsprechen der nachstehend wiedergegebenen Abbildung)
bestehendes Laserdrucksystem für Mehrfarben- und Rückseitendruck bekannt, wobei
der aus dem Papieraustrittsbereich (32) des vorhergehenden Gerätes (30) kommende
Aufzeichnungsträger (15) dem Papiereintrittsbereich (29) des nachfolgenden Gerätes
(31) zugeführt wird. Zwischen beiden Geräten befindet sich eine umschaltbare
Umlenkeinrichtung (35) für die Papierbahn. Die einzelnen Geräte können modulartig
aus einzelnen untereinander kombinierbaren Fixiermodulen (57, vgl. Figuren 8 – 10)
und Druckwerkmodulen (58) aufgebaut sein, wobei nach mehreren Druckwerkmodulen
mindestens ein Fixiermodul folgt.
43
Nach den weiteren Ausführungen der Klagepatentbeschreibung (Spalte 1, Zeilen 23 –
33) ist aus der deutschen Offenlegungsschrift 33 24 996 (Anlage BK 2) ein
elektrofotografisch arbeitendes und für den Vor- und Rückseitendruck von Einzelblättern
geeignetes Druckgerät bekannt, das aus zwei miteinander gekoppelten Einzelgeräten
(1, 2; Bezugszeichen entsprechen der nachstehenden Abbildung Fig. 1 und 4) besteht,
44
zwischen denen eine Blattumwendeeinrichtung (3) angeordnet ist; das Blatt wird
zunächst mit dem ersten Gerät auf seiner Vorderseite bedruckt, dann mit Hilfe der
Wendeeinrichtung gedreht und mit dem Folgegerät auf der Rückseite bedruckt.
Wie die Klagepatentschrift ausführt (Spalte 1, Zeilen 34 ff.), war es im Prioritätszeitpunkt
problematisch, derartige im Tandembetrieb arbeitende Geräte synchron anzusteuern.
Eine synchrone Ansteuerung ist erforderlich, um sicherzustellen, dass die auf der
Vorder- und Rückseite abgedruckten Informationen zusammenpassen und etwa ein auf
der Vorderseite begonnenes Schreiben sich nach der Teilung der Endlospapierbahn auf
der Rückseite des selben Blattes fortsetzt und beide Textseiten zueinander passend
plaziert sind. In der bereits erwähnten deutschen Offenlegungsschrift 33 24 xxx wird zur
Ansteuerung derartiger Geräte eine in der Umwendevorrichtung (3) untergebrachte
zentrale gemeinsame Steuereinheit (3´) für beide Geräte vorgeschlagen (vgl. Anl. BK 2
S. 16 Zeilen 2 – 7; S. 18, Zeilen 23 – 28; S. 20, Zeilen 21 – 24), wobei für jedes einzelne
Gerät Seitenspeicher (90, 91) vorgesehen sind, in denen jeweils die zu druckende
Bildinformation gespeichert wird. Eine Umsteuerschaltung sorgt für die entsprechende
Zuordnung der Bildinformation zu den einzelnen Geräten (vgl. Anl. BK 2, S. 16, Zeilen 8
ff. – S. 19, Zeile 20). An einer derartigen zentralen Ansteuereinheit für alle Geräte wird in
der Klagepatentschrift bemängelt (Spalte 1, Zeilen 45 – 54), sie sei relativ kompliziert
aufgebaut; insbesondere, wenn sie für Hochgeschwindigkeitsdruckgeräte verwendet
werde, sei sie aufgrund der hohen Datenmengen, der Komplexität der
Seitenaufbereitung und der notwendigen Ausgabe in "Real Time" bei weiteren zu
steuernden Druckern auch im Hinblick auf die benötigte Verarbeitungsgeschwindigkeit
eine äußerst komplexe und aufwändige Lösung.
45
Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung wird in der Klagepatentschrift
angegeben, eine Anordnung der eingangs genannten Art bereitzustellen, die einfach
aufgebaut ist und ein einfaches Umschalten zwischen dem Betrieb mit nur einem Gerät
und den Betrieb mit mehreren Geräten ermöglicht (Spalte 1, Zeilen 55 – 59). Diese
einfache Umschaltbarkeit ist nach den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift
deshalb besonders wichtig (vgl. Spalte 2, Zeilen 9 – 12), weil in vielen
Anwendungsfällen ein Mischbetrieb zwischen Mehrfarben-, Rückseiten- und normalem
Druck und auch ein Mischbetrieb aus Tandem- und Einzelbetriebsphasen vorkommt. So
muss nach dem Starten das erste Gerät, solange die Papierbahn nur durch dieses
hindurchgeführt wird, zunächst im Einzelbetrieb arbeiten und wird erst auf
Tandembetrieb umgestellt, wenn der Aufzeichnungsträger die Umdruckstation des
Folgegerätes erreicht hat oder es kann bei Ausfall eines Gerätes erforderlich sein, das
weiterhin funktionsfähige Gerät im Einzelbetrieb weiter laufen zu lassen (Spalte 2,
Zeilen 13 – 16).
46
Die zur Lösung dieser Problemstellung in Anspruch 1 des Klagepatentes
vorgeschlagene Vorrichtung kombiniert folgende Merkmale miteinander:
47
1. Anordnung zur Ansteuerung mehrerer im Tandembetrieb arbeitender
nichtmechanischer Druckgeräte (DR1, DR2).
2. Der zunächst von einem Erstgerät (DR1) bedruckte bandförmige
Aufzeichnungsträger (E) wird weiteren Folgegeräten (DR2) zugeführt.
3. Jedes Gerät (DR1, DR2) weist eine eigene, unabhängig arbeitende mit einer
48
externen Datenquelle (HOST) gekoppelte Steuerungsanordnung auf.
4. Die Steuerungsanordnung ist in einer Datensteuerungsebene (DSE) und einer
Gerätesteuerungsebene (DC) organisiert.
5. Zur Synchronisation erfolgt eine Koppelung der Geräte (DR1, DR2) auf der
Gerätesteuerungsebene (DC).
49
Die in diesen Merkmalen beschriebene technische Lehre ersetzt die vorbekannte und
als zu kompliziert bemängelte zentrale Steuereinheit für alle hintereinander
geschalteten Geräte durch eine dezentralisierte Steuerung. Jedes Gerät ist nunmehr
gemäß Merkmal 3 mit einer eigenen unabhängig arbeitenden Steuerungsanordnung
ausgerüstet, die mit einer externen Datenquelle HOST gekoppelt und nach Merkmal 4 in
einer Daten- und einer Gerätesteuerungsebene organisiert ist (Klagepatentschrift Spalte
3, Zeilen 28 bis 32). Jedes Gerät kommuniziert selbst mit der externen Datenquelle
HOST und erhält von dieser die entsprechenden Daten unmittelbar und ohne
Beteiligung anderer Druckgeräte (vgl. Spalte 3, Zeilen 14 bis 27; Spalte 5, Zeilen 49 bis
51; Spalte 6, Zeilen 60 bis 63 und Spalte 8, Zeilen 58 bis 60 der Klagepatentschrift); die
Datenquelle HOST ist insoweit die Zentraleinheit, die dafür sorgt, dass die zu
druckenden Daten in der richtigen Reihenfolge an die einzelnen Drucker ausgegeben
werden (Spalte 6, Zeilen 60 bis 63). Die Vorgabe "unabhängig arbeitend" in Merkmal 3
bezieht sich aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmannes nicht nur auf
die Tauglichkeit jedes Gerätes für den Einzelbetrieb, sondern sie bezieht sich auch auf
den Tandembetrieb und verlangt für diese Betriebsart, dass jedes Gerät sich die von ihm
abzuarbeitenden Druckinformationen selbst besorgt, sie entsprechend aufbereitet und
abarbeitet, wenn der Druckbefehl kommt. Dementsprechend muss auch die Verbindung
bzw. Koppelung der Steuerungsanordnung mit der externen Datenquelle HOST so
beschaffen sein, dass jedes Gerät sich unabhängig davon, ob die anderen Geräte in
Betrieb sind oder nicht und unabhängig von deren Arbeitsstadien selbst mit den
benötigen Daten versorgen kann. Die Vorgabe einer eigenen unabhängig arbeitenden
Steuerungsanordnung schließt es auch aus, zwischen der externen Datenquelle HOST
und dem einzelnen Gerät eine Art Durchgangsstation vorzusehen, die auf der
Daten
Datenquelle HOST empfangene Daten vor der Weiterleitung selbst aufbereitet. Das
wäre auch mit Merkmal 5 unvereinbar, das eine Koppelung von Geräten zum Zwecke
der Synchronisation nur auf der Geräte- und nicht auf der Datensteuerungsebene
vorsieht. Die Steuerungsanordnung, die in jedem Gerät vorhanden sein muss, ist
demnach zu unterscheiden von der externen Datenquelle HOST. Diese externe
Datenquelle darf nicht gleichzeitig auch die Steuerungsanordnung der beteiligten
Drucker sein. Damit entstünde wieder eine zentrale Ansteuereinheit für alle Geräte, wie
sie das Klagepatent gerade ablehnt.
50
Nach Merkmal 5 sind die einzelnen Druckgeräte auf der Gerätesteuerungsebene
miteinander verbunden, damit die notwendige Synchronisierung möglich ist. Die
Synchronisation sorgt dafür, dass jedes Druckgerät die ihm von der Datenquelle HOST
übermittelten Daten im richtigen Augenblick auf den Aufzeichnungsträger druckt, dann
nämlich, wenn die Papierbahn mit dem für den jeweiligen Druck bestimmten
Flächenausschnitt die Druckstation des betreffenden Druckgerätes erreicht hat, sie
gleicht ferner mögliche Papierbahnlängenunterschiede aus, die dadurch entstehen
können, dass die hintereinander geschalteten Geräte mit unterschiedlichen
51
Vorschubgeschwindigkeiten arbeiten, sie bewirkt die Umschaltung vom Einzelbetrieb
auf den Synchronbetrieb, wenn die Papierbahn nach dem Durchlaufen des ersten
Gerätes an dem zweiten Gerät angekommen ist bzw. sie entkoppelt die Geräte und
schaltet sie auf Einzelbetrieb um (vgl. Klagepatentschrift, Spalte 8, Zeilen 15 und 16),
und sie schaltet, sobald Störungen bei einem Gerät auftreten, sämtliche hintereinander
geschalteten Drucker ab. Die Koordinationsaufgaben, die im Rahmen der
Synchronisation vorkommen können, werden in der Klagepatentschrift (ab Spalte 5,
Zeile 11) im einzelnen beschrieben, wobei Anspruch 1 nicht erfordert, sämtliche dieser
Probleme zu lösen und sich auch nicht auf bestimmte Lösungswege festlegt; konkrete
Mittel sind erst Gegenstand in Unteransprüchen beschriebener bevorzugter
Ausführungsformen (vgl. insbesondere die Unteransprüche 4, 5, 6 und 7 und Spalte 6,
Zeile 15 – Spalte 8, Zeile 2). Dass erfindungsgemäß die Geräte zur Synchronisation nur
auf der Gerätesteuerungsebene gekoppelt sein dürfen, schließt es nicht aus, dass von
der Gerätesteuerungsebene auch Informationen an die Zentraleinheit HOST gelangen;
im Rahmen des bevorzugten Ausführungsbeispiels erläutert die Klagepatentschrift, dass
ein von der Koordinationssteuereinheit auf der Gerätesteuerungsebene eingeleiteter
Stillstand dazu führt, dass die in den Seitenspeichern gespeicherten Daten in allen
gekoppelten Druckern gelöscht werden und eine Fehlermeldung an die Zentraleinheit
HOST erfolgt (vgl. Spalte 10, Zeile 62 bis Spalte 11 Zeile 16), damit bei einem
Wiederbeginn des Betriebes nach der notwendigen Neusynchronisation der Drucker die
Zusammengehörigkeit der auf einem Blatt befindlichen Druckdaten sichergestellt bleibt.
Außerhalb der Erfindung liegt es jedoch in jedem Fall, dass im Tandembetrieb eines der
beteiligten Geräte zentral alle Steuerungsfunktionen für sämtliche Geräte übernimmt und
die übrigen Geräte keine eigenen Steuerungsaufgaben mehr behalten. Eine solche
Verlagerung sämtlicher Steuerungsfunktionen auf ein einziges Gerät entspricht
entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der im Unteranspruch 2 und in der
Beschreibung (Spalte 3, Zeilen 33 ff.) angesprochenen Leitfunktion, einer
Koordinationssteuereinheit. Soweit in der Patentbeschreibung einzelne zur Leitfunktion
gehörende Aufgaben erwähnt werden (vgl. Spalte 6, Zeilen 33 bis 51: Festlegung der
Reihenfolge, in der die beiden Drucker starten, wenn Papierlängenunterschiede
ausgeglichen werden müssen; Spalte 7, Zeilen 31 ff.: Umschalten der gekoppelten
Geräte auf Synchronbetrieb, wenn die Papierbahn das nachfolgende Gerät erreicht hat)
sind das zwar nur bevorzugte Ausführungsbeispiele, denen nicht der Charakter einer
abschließenden Aufzählung zukommt, wesentlich ist aber auch diesen
Ausführungsbeispielen, dass die nicht mit der Leitfunktion ausgerüstete
Koordinationssteuereinheit auch im Tandembetrieb noch Aufgaben behält, etwa
entsprechend Unteranspruch 4 Papiervorschubimpulse zählt und diese an die
Koordinationssteuereinheit mit Leitfunktion meldet (vgl. Spalte 6, Zeilen 35 bis 46), den
Druckvorgang ihres Gerätes selbst startet oder den Synchronlauf überwacht (vgl. Spalte
7, Zeilen 38 ff.).
52
Dass jedes der miteinander gekoppelten Geräte sich – gegebenenfalls nach den
Vorgaben der leitenden Koordinationssteuereinheit – selbst steuert, ist nicht nur für den
Einzelbetrieb von Bedeutung, in dem das Gerät von allen anderen abgekoppelt ist und
sich selbst "versorgen" muss, sondern hat auch und gerade Bedeutung für den
Tandembetrieb, in dem der Aufbau des Systems gegenüber dem Stand der Technik
vereinfacht und die Kommunikation der Geräte untereinander auf das zur
Synchronisation Notwendige beschränkt wird, während die druckerinternen
Synchronisationsvorgänge zwischen Gerätesteuerung und Datenkontrolleinrichtung
davon nicht berührt werden (vgl. Spalte 5, Zeilen 52 bis 58).
53
b)
54
Dieser technischen Lehre entspricht die angegriffene Ausführungsform nicht. Sie erfüllt
nicht das Merkmal 3, weil im Tandembetrieb nicht jedes Gerät eine eigene und
unabhängig arbeitende Steuerungsanordnung aufweist. Bei dieser Betriebsart
verwirklicht die angegriffene Vorrichtung statt dessen eine Master/Slave-Schaltung, bei
der das Master-Gerät alle notwendigen Steuerungsaufgaben wahrnimmt, während die
für das Slave-Gerät vorgesehene Steuerungsanordnung nach dem unwiderlegten
Vorbringen der Beklagten nur im Einzelbetrieb tätig wird und im Tandem-Betrieb außer
Funktion gesetzt wird. Das Slave-Gerät besorgt sich entgegen Merkmal 3 die seine
Arbeit betreffenden Druck- bzw. Bildinformationen auch nicht selbst von der externen
Datenquelle HOST, sondern empfängt sie über das Master-Gerät, das sie seinerseits
von der Quelle HOST empfangen und für das Slave-Gerät vor der Weiterleitung
aufbereitet hat.
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Gegenteiliges lässt sich auch aus dem Berufungsvorbringen der Klägerin nicht
entnehmen. Dass beide Geräte jeweils eine eigene Steuerungsanordnung aufweisen
und jeder Drucker komplett mit Bedienungspulten ausgestattet ist, besagt entgegen der
Auffassung der Klägerin (vgl. Bl. 287 d.A.) nichts darüber, ob die Steuerungsanordnung
des Slave-Gerätes auch im Tandem-Betrieb und nicht nur im Einzelbetrieb in Funktion
tritt. Ihr Vorbringen in der Berufungsbegründung (Bl. 294 bis 302 d.A.) beschränkt sich
im Kern darauf, aus dem gleichen Aufbau des Master- und des Slave-Gerätes zu
schließen, dass die im Einzelbetrieb tätige Steuerungseinrichtung des Slave-Gerätes
auch im Tandem-Betrieb arbeitet, ohne dass dargelegt wird, ob sich die Klägerin selbst
von dieser Funktionsweise der angegriffenen Vorrichtung überzeugt hat. Auch ihre
Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zeigen, dass die Klägerin
davon abgesehen hat, sich über die Funktionsweise des angegriffenen Gegenstandes
Gewissheit zu verschaffen. Sie hat den Standpunkt vertreten, angesichts eines
Anschaffungspreises von etwa 500.000,-- Euro sei der Erwerb einer Vorrichtung der hier
in Rede stehenden Art zur Ermittlung ihrer Funktionsweise unzumutbar, und es
entspreche der Prozessförderungspflicht der Beklagten, zur Arbeitsweise der
angegriffenen Geräte substantiiert vorzutragen. Mit diesem Vorbringen wird die Klägerin
der sie für den Tatbestand einer Patentverletzung treffenden Darlegungslast nicht
gerecht. Ein gleicher Aufbau beider Geräte und die Ausrüstung eines jeden von ihnen
mit einer eigenen Steuerung schließen aber nicht aus, dass die Steuerungsfunktionen
des Slave-Gerätes im Tandem-Betrieb ausschließlich von der Steuerungseinrichtung
des Master-Gerätes ausgeführt werden. Da die Klägerin eine Verletzung des
Klagepatentes behauptet und Ansprüche gegen die Beklagten erhebt, muss sie auch
die Einzelheiten darlegen, aus denen sich die Verwirklichung der für sie geschützten
technischen Lehre nachvollziehbar ergibt. Dass ihr das nicht möglich war, ergibt ihr
Vorbringen nicht, denn sie hat sich nicht dazu geäußert, ob die Betreiber der
angegriffenen Vorrichtung ihr deren Besichtigung verweigert haben.
56
Auch dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Argument der
Klägerin, da das Slave-Gerät im Einzelbetrieb von einer unabhängig arbeitenden
Steuereinheit gesteuert werde, sei nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises
davon auszugehen, dass es mit dieser Steuereinheit auch im Tandembetrieb verbunden
sei und diese Steuereinheit in der letztgenannten Betriebsart ebenfalls unabhängig
arbeite, vermag der Senat nicht zuzustimmen. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises
finden nur Anwendung, wenn ein typischer Geschehensablauf bzw. Sachverhalt
57
feststeht, aus dessen Vorliegen nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer
bestimmten Folge oder die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen
werden kann. Bloße Wahrscheinlichkeiten genügen hier nicht; der behauptete Vorgang
muss vielmehr zu denjenigen gehören, die schon auf den ersten Blick nach einem durch
Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen (vgl.
BGH NJW 1991, 230, 231; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., vor § 284 Rdnr. 29). Im Streitfall
wären die Grundsätze des Anscheinsbeweises nur anwendbar, wenn nach der
Lebenserfahrung davon ausgegangen werden könnte, dass zwei Druckgeräte, die im
Einzelbetrieb mit einer unabhängig arbeitenden Steuereinheit betrieben werden, diese
Betriebsweise auch nach einer Zusammenschaltung im Tandembetrieb fortsetzen und
dass alle Geräte im Tandembetrieb mit der selben Steuereinheit verbunden bleiben, mit
der sie einzeln zusammen arbeiten. Dass es einen derartigen Erfahrungssatz gibt, lässt
sich nicht feststellen. Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, aus denen ein solcher
Erfahrungssatz gewonnen werden könnte, der das Vorbringen der Beklagten zu
widerlegen geeignet wäre, die Geräte der angegriffenen Ausführungsformen seien im
Tandembetrieb über eine Master-Slave-Schaltung miteinander verbunden, bei der das
Mastergerät alle Steuerungsvorgänge zentral auch für die angeschlossenen Slave-
Geräte übernehme. Vergeblich macht die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend,
eine zentrale Steuereinheit sei nicht in der Lage die bei der hohen
Verarbeitungsgeschwindigkeit der angegriffenen Geräte anfallenden Datenmengen in
der zur Verfügung stehenden kurzen Zeitspanne zu bewältigen. Zwar finden sich in der
Klagepatentbeschreibung im Zusammenhang mit der bereits im vorstehenden Abschnitt
II.2.a) erörterten Kritik an der Verwendung einer zentralen Ansteuereinheit für alle
Geräte (Spalte 1, Zeilen 45 – 54) entsprechende Hinweise, indem dort ausgeführt ist, bei
Einsatz einer zentralen Ansteuereinheit für Hochgeschwindigkeitsgeräte entstünde nicht
zuletzt aufgrund der hohen Datenraten und der Verarbeitungsgeschwindigkeit eine
äußerst komplexe und aufwendige Lösung, in diesem Zusammenhang darf jedoch nicht
übersehen werden, dass die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung im
Frühjahr 1987 eingereicht worden ist und hierfür eine Priorität vom 14. März 1986
beansprucht wird. Angesichts der inzwischen stattgefundenen technischen
Weiterentwicklung lässt sich aus diesen Ausführungen in der Klagepatentschrift jedoch
nicht schlussfolgern, dass eine zentrale Ansteuereinheit auch zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch immer derartigen Kapazitätsproblemen unterliegt. Dafür, dass dies heute
noch der Fall ist, hat die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen.
III.
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Da die Berufung der Klägerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 ZPO auch
die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
59
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10,
711, 108 ZPO.
60
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Als reine
Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche
Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
61
R1 R4 Dr. R3
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