Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.03.2010

OLG Düsseldorf (zpo, rechtliches gehör, zustellung, bestätigung, beschwerde, verordnung, schuldner, vollstreckungstitel, forderung, rechtsmittelbelehrung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 W 17/10
Datum:
17.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 W 17/10
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 17 O 352/08
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 17.
Zivil-kammer des Landgerichts Wuppertal - Rechtspflegerin - vom 14.
Januar 2010, wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 2.066,80 EUR
Gründe
1
I.
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Die Gläubigerin erwirkte auf Grund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des
Landgerichts Wuppertal – Einzelrichter - vom 12. Januar 2009 einen
Kostenfestsetzungsbeschluss über den Betrag von 2.066,80 EUR. Dieser war erlassen
worden auf den Antrag vom 13. Januar 2009, der dem bereits im Erkenntnisverfahren
legitimierten Prozessbevollmächtigten des Schuldners zusammen mit dem am 21.
Januar 2009 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss gegen Empfangsbekenntnis am
29. Januar 2009 zugestellt wurde. Der Beschluss blieb unangefochten.
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Am 30. Juli 2009 beantragte die Gläubigerin die Bestätigung des Versäumnisurteils und
des Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäische Vollstreckungstitel. Dem Antrag
wurde bezüglich des Versäumnisurteils am 15. Oktober 2009 entsprochen.
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Durch den angefochtenen Beschluss lehnte das Landgericht – Rechtspflegerin – die
Bestätigung für den Kostenfestsetzungsbeschluss ab, und zwar mit der Begründung, die
Mindestvoraussetzungen für die Bestätigung seien nicht erfüllt und insoweit sei auch
keine Heilung eingetreten. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige
Beschwerde der Gläubigerin. Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen
und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
5
II.
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Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gemäß §§ 1080 Abs.2, 567 ZPO, 20 Nr.
11, 11 Abs. 1 RPflG zulässig. Da es in § 1080 ZPO um die Nichterteilung der
Bestätigung geht, ist dessen Abs. 2 so auslegen, dass der Rechtsbehelf nach den
genannten Vorschriften gegeben ist, nicht jedoch die Klauselerinnerung nach § 732
ZPO (so zutreffend Musielak/Lackmann, ZPO 7. Aufl., § 1080 Rn. 3).
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Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Die Rechtspflegerin hat mit zutreffender Begründung die Bestätigung des
Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäischen Vollstreckungstitel abgelehnt, weil
die Mindestvorschriften der Art. 12 ff der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen
Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO) nicht eingehalten worden
sind.
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1.
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Zwar erstreckt sich die EG-Verordnung (EuVTVO) gemäß deren Art. 3 Abs. 1 auf
Entscheidungen über unbestrittene Geldforderungen. Was unter "Entscheidung" bzw.
"Forderung im Sinn dieser Verordnung zu verstehen ist, ergibt sich aus deren Art. 4 Nr.
1, der angelehnt ist an Art. 32 EG-VO Zivil- und Handelssachen (= EuGVVO) und Nr. 2.
Unter den Begriff der "Entscheidung" fällt danach auch ein
Kostenfestsetzungsbeschluss, der eine Forderung auf Zahlung einer bestimmten
Geldsumme tituliert (so zutreffend OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 1583; offen gelassen
von OLG Nürnberg Beschluss vom 10.08.2009 - 3 W 483/09 BeckRS 2009, 286 =
RPfleger 2010, 92 = OLGReport München 2009, 873).
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2.
12
Darüber hinaus müssen aber gewisse "Mindeststandards" der Art. 12 ff EuVTVO erfüllt
sein. Das zu dem zu vollstreckenden Titel führende Verfahren muss den
verfahrensrechtlichen Erfordernissen des 3. Kapitels der Verordnung genügen,
insbesondere muss sichergestellt sein, dass dem Schuldner rechtliches Gehör gewährt
worden ist (vgl. OLG Stuttgart aaO.; Wagner NJW 2005, 1157). Das war hier nicht der
Fall.
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a) Der Kostenfestsetzungsantrag wurde als verfahrenseinleitendes Schriftstück des
Kostenfestsetzungsverfahrens nicht unter Beachtung der Art. 13 bis 17 EuVTVO dem
Schuldner vor Erlass des Beschlusses vom 21. Januar 2009 zugestellt. Vielmehr wurde
er seinen Prozessbevollmächtigten erst mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss gegen
Empfangsbekenntnis zugestellt.
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b) Eine Heilung der Verletzung dieser Mindestvorschriften ist nicht gemäß Art. 18
EuVTVO eingetreten, wie die Rechtspflegerin zutreffend ausgeführt hat.
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Zwar ermöglicht Art. 18 Abs. 1 EuVTVO eine Heilung sämtlicher Verfahrensmängel im
Hinblick auf Zustellung und Unterrichtung (Art. 13 bis 17 EuVTVO). Voraussetzung
hierfür wäre aber nicht nur die – hier erfolgte - Zustellung der Entscheidung (Art. 18 Abs.
1 a EuVTVO), sondern auch eine Rechtsmittelbelehrung (Art. 18 Abs. 1 b EuVTVO) und
die Versäumung der Rechtsmitteleinlegung (Art. 18 Abs. 1 c EuVTVO).
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Da in der Zivilprozessordnung eine Rechtsmittelbelehrung nach § 338 ZPO nur bei
Erlass eines Versäumnisurteils vorgesehen ist und dementsprechend dem
Kostenfestsetzungsbeschluss nicht beigefügt war, käme hier allenfalls eine Heilung
nach Art. 18 Abs. 2 EuVTVO in Betracht (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 2009, 934
Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Art. 18 EuVTVO Rdnr. 2; Musielak/ Lackmann
aaO., Art. 18 EuVTVO Rn. 1 und 2). Danach können allerdings nur Zustellungsmängel
nach Art. 13 und 14 EuVTVO geheilt werden, nicht aber Unterrichtungsmängel nach Art.
16 und 17 EuVTVO.
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Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zwar zusammen mit den
verfahrenseinleitenden Anträgen ordnungsgemäß gemäß § 81 ZPO am 29. Januar 2009
den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zugestellt gegen Empfangsbekenntnis
und damit durch persönliche Zustellung. Die Vertreter des Schuldners haben
entsprechend Art. 13 Abs.1 a und 15 EuVTVO die Empfangsbestätigung unter Angabe
des Empfangsdatums unterzeichnet (GA 69). Diese Schriftstücke enthalten auch die
erforderlichen Angaben nach Art. 16 EuVTVO, nicht aber die in Art. 17 EuVTVO
vorgeschriebene Unterrichtung. Eine Heilung von Unterrichtungsmängeln ist jedoch in
Art. 18 Abs. 2 EuVTVO nicht vorgesehen (Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl., Anh. II Kap. E
Art. 18 Rn. 4).
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Von der Einhaltung der Unterrichtungsvorschriften konnte auch nicht deshalb
abgesehen werden, weil der Schuldner anwaltlich vertreten ist. Auf Art. 15 EuVTVO wird
in Art. 18 EuVTVO nicht Bezug genommen, sondern lediglich auf die Art. 13 und 14
EuVTVO, wenn es um die Zustellung der Entscheidung geht. Ließe man aber auch
nach Art !8 die Zustellung an den Vertreter (oder Bevollmächtigten) des Schuldners in
der Form der Art. 13 oder 14 EuVTVO genügen, ergäbe sich nichts anderes. Denn die
Zulässigkeit der Zustellung für das Bestätigungsverfahren beurteilt sich allein nach der
EuVTVO. Ein Rückgriff auf nationales Recht ist nach Art. 15 EuVTVO nicht zugelassen
(OLG Stuttgart aaO. m.w.N.). Ebenso ist in Art. 18 EuVTVO nicht die Möglichkeit einer
Abstandnahme von den Unterrichtungsvorschriften der Art. 16 und 17 EuVTVO im
Hinblick auf die nationalen Rechtskenntnisse des Bevollmächtigten vorgesehen.
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Im übrigen verlangt die Heilungsnorm des Art. 18 Abs. 2 EuVTVO ein "Verhalten des
Schuldners im gerichtlichen Verfahren", reine Passivität - wie hier - ist nicht ausreichend
(so zutreffend OLG Stuttgart aaO. m.w.N.).
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Damit hat die Rechtspflegerin zu Recht die Bestätigung des
Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 21. Januar 2009 als Europäischen
Vollstreckungstitel abgelehnt. Einen "Justizfehler", der nicht "im Einflussbereich" der
Gläubigerin liege, wirft sie hiernach dem Landgericht zu Unrecht vor. Die Gläubigerin
hat es sich selbst zuzuschreiben, dass sie bei Einleitung des
Kostenfestsetzungsverfahrens nicht auf ihre Absicht, den Kostenfestsetzungsbeschluss
außerhalb Deutschlands in der Europäischen Union vollstrecken zu lassen,
hingewiesen hat.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und Nr. 1523 GKG-KV.
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Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der Hauptforderung des
Vollstreckungstitels - hier des Kostenfestsetzungsbeschlusses -, weil es hier um deren
Vollstreckbarkeit geht. (OLG Nürnberg aaO; vgl. auch Zöller/Herget ZPO, 28. Aufl., § 3
Rn. 16 "Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schuldtitels" mit
Rechtsprechungsnachweisen, die auf den vorliegenden Fall entsprechend zutreffen).
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