Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.05.2010

OLG Düsseldorf (eintragung, grundstück, dienstbarkeit, grundbuch, bezug, inhalt, bewilligung, betrieb, heizung, errichtung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 241/09
Datum:
06.05.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 241/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Remscheid
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
G r ü n d e:
1
I.
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Im Grundbuch von Remscheid Blatt .. des Amtsgerichts Remscheid ist die Beteiligte zu
1 als Alleineigentümerin des Grundstücks Gemarkung Remscheid Flur 169 Flurstück
250, eingetragen.
3
Die Beteiligte zu 1 bewilligte der Beteiligten zu 2 mit notariellem Vertrag vom 27. März
2008 (UR-Nr. 550/2008, Notar Dr. H., Düsseldorf) die Eintragung einer u. A. wie folgt
bezeichneten beschränkt persönlichen Dienstbarkeit:
4
"…
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1. Die E. ist berechtigt, auf dem Grundstück Wärmeerzeugungsanlagen in dem dafür
in der anliegenden Zeichnung dargestellten Heizraum zu errichten, zu unterhalten
und zu betreiben. Die Wärmeerzeugungsanlagen dürfen auch zur gleichzeitigen
Stromerzeugung benutzt werden (Kraft-Wärme-Kopplung).
2. Die E. ist berechtigt, das Grundstück und die darauf errichteten Gebäude jederzeit
zu betreten, um die Wärmeerzeugungsanlagen zu errichten, in oder außer Betrieb
zu setzen, zu warten, zu überwachen oder sonstige Arbeiten an ihnen
vorzunehmen.
3. Der jeweilige Eigentümer des dienenden Grundstücks verpflichtet sich, es zu
unterlassen, auf dem dienenden Grundstück Anlagen zur Erzeugung von Wärme
für Heizung (und ggf. Warmwasser) zu errichten, zu unterhalten oder zu betreiben
oder durch Dritte errichten, unterhalten oder betreiben zu lassen oder deren
Errichtung, Unterhaltung oder Betrieb zu dulden oder zur Versorgung des
Grundstücks von Dritten Wärme für Heizung (und ggf. Warmwasser) zu beziehen.
…"
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Die Beteiligten haben unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Urkunden
beantragt, "die Dienstbarkeit in das Grundbuch einzutragen".
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Das Grundbuchamt hat die Eintragung im Grundbuch von Remscheid Abteilung II Blatt
…unter lfd. Nr. 5 wie folgt vorgenommen:
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"Beschränkte persönliche Dienstbarkeit
(Wärmeerzeugungsanlagerecht
verbunden mit einer Betretungsbefugnis)
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Bezug: Bewilligung vom 27.03.2008 (UR-Nr. 550/2008, Notar Dr. H., Düsseldorf).
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Eingetragen am 18.04.2008."
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Die Beteiligte zu 2 hat beantragt, die Eintragungen wie folgt zu ändern:
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"Beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Recht zur Errichtung und Betrieb einer
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Wärme- und Stromerzeugungsanlage; Wärmeerzeugungs- und -bezugsverbot)
zugunsten der E. GmbH & Co KG, Düsseldorf.
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Bezug: Bewilligung vom …"
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Sie hat geltend gemacht, die zur Umschreibung der Dienstbarkeit gewählte
Formulierung sei zu unbestimmt, da sich hieraus insbesondere das Verbot des
Grundstückseigentümers, zur Versorgung seines Grundstück Wärme von Dritten zu
beziehen, nicht hinreichend deutlich ergebe.
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Das Grundbuchamt (Rechtspflegerin) hat – nach Hinweis - am 12. November 2009 den
Antrag zurückgewiesen, weil es bei Alleinvertriebsrechten teils positiven teils negativen
Inhalts ausreiche, die Dienstbarkeit als Benutzungsrecht zu umschreiben und
hinsichtlich des Verbotsinhalts auf die Eintragungsbewilligung Bezug zu nehmen.
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Hiergegen beschwert sich die Beteiligte zu 2 und macht geltend, die Kurzbezeichnung
"Wärmeerzeugungsanlagenrecht" lasse das exklusive Versorgungsrecht gemäß Ziffer 3
der Bewilligungsurkunde nicht aus dem Grundbuch selbst erkennen. Bei den zur
Eintragung begehrten Unterlassungsverpflichtungen ("Wärmeerzeugungs- und –
bezugsverbot") handele es sich nicht bloß um "unselbständige Anhänge" des
Anlagenrechts.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25. November 2009 der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
22
1.
23
Insbesondere steht § 71 Ab. 2 Satz 1 GBO, wonach die Beschwerde gegen eine
Eintragung unzulässig ist, nicht entgegen. Die unbeschränkte Beschwerde gegen eine
Eintragung ist statthaft, und zwar wenn sie auf eine Berichtigung der Fassung abzielt
(OLG Zweibrücken, FG-Prax 2007, 161; BayObLG Rpfleger 2002, 303; LG München II
Beck RS 2008 04930; Demharter GBO 27. Auflage 2010 § 71 Rdz. 46) ebenso, wie
wenn mit ihr die Ergänzung einer unvollständigen Eintragung in der Weise verlangt
wird, dass eine fortgelassene Bestimmung zum Gegenstand einer neuen selbständigen
Eintragung gemacht wird (Demharter a.a.O. Rdz. 48).
2.
24
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
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Das Grundbuchamt hat zu Unrecht das auf Ergänzung der Eintragung bzw. ihrer
Fassung gerichtete Gesuch der Beteiligten zu 2 abgelehnt.
26
a)
27
Hinsichtlich der Fassung der Eintragung ist zu beachten, dass nach § 874 BGB eine
Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung nur hinsichtlich der näheren Bezeichnung
des Rechtsinhalts möglich ist. Der wesentliche Inhalt des Rechts, also die allgemeine
Rechtsnatur und die besondere Art des Rechts müssen daher im Eintragungsvermerk
gekennzeichnet sein, weshalb die Eintragung im Grundbuch den Inhalt der
Grunddienstbarkeit seinem Wesenskern nach schlagwortartig angeben muss (BGH
NJW 1961, 2157; OLG München Rpfleger 2008, 480; Staudinger-Mayer, BGB 2009 §
1018 Rdz. 26). Hinsichtlich der näheren inhaltlichen Ausgestaltung des Rechts kann
dann auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Da Dienstbarkeiten
einen verschiedenartigen Inhalt haben können, muss bei einem Recht zur Benützung
des Grundstückes (§§ 1090, 1018 1 Alt. BGB) in der Eintragung selbst das Recht näher
gekennzeichnet werden; dasselbe gilt, wenn der Inhalt der Dienstbarkeit das Verbot
gewisser Handlungen (§§ 1090, 1018 2. Alt. BGB) oder der Ausschluss der Ausübung
eines Rechts (§§ 1090, 1018 3. Alt. BGB) ist (vgl. zuletzt OLG München .a.a.O. m. N.;
auch BGH NJW 1961, 2157, 2158). Fehlt es an der erforderlichen schlagwortartigen
Bezeichnung, so liegt eine inhaltlich unzulässige Eintragung vor (Staudinger-Mayer,
a.a.O.). Hinsichtlich der demnach gebotenen Kurzbezeichnung ist der Normzweck des §
874 zu beachten, der es gebietet, das Grundbuch nicht mit allzu umfangreichen
Eintragungen zu belasten, um seine Übersichtlichkeit zu wahren (BGHZ 35, 378, 382).
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Probleme in Bezug auf die schlagwortartige Bezeichnung können sich daraus ergeben,
dass die Dienstbarkeit eine Kombination verschiedener Befugnisse enthält. Hier muss
der Eintragungsvermerk diese in einer entsprechenden Kurzbezeichnung wenigstens
andeutungsweise für den Grundbuchbenutzer erkennbar machen. Die Eintragung ist so
zu fassen, dass ein Erwerber vor einer möglichen weit reichenden Belastung gewarnt
wird und sich veranlasst sieht, die Bewilligung selbst einzusehen und zu prüfen.
Andererseits liegt die Funktion des Grundbuch nicht darin, umfangreiche
Dienstbarkeitsvereinbarungen unter Inkaufnahme der Unübersichtlichkeit des
Grundbuchs stets unmittelbar selbst durch den Eintragungsvermerk zu verlautbaren
(Staudinger-Mayer, a.a.O. Rdz. 31).
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Mit Blick auf die Warnfunktion darf der Eintragungsvermerk Inhaltskomponenten von
eigenständiger Bedeutung nicht verschweigen. Wird das Recht eingeräumt, das
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Grundstück in mehrfachen völlig verschiedenen Beziehungen zu nutzen (z.B. als Fahrt
und Garagenrecht; Keller- und Wasserleitungsanschlussrecht), so muss der
verschiedenartige Dienstbarkeitsinhalt im Grundbuch ebenso schlagwortartig verlautbart
werden (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Auflage 2008 Rdz. 1147) wie bei völlig
verschieden ausgestalteten, zu unterlassenden Handlungen
(Gebäudenutzungsbeschränkung/Baubeschränkung - Staudinger-Mayer, a.a.O.; BGH
NJW 1965, 2398).
Weder die Warn- noch die Entlastungsfunktion gebieten es jedoch, solche
Inhaltsmodalitäten in den Eintragungstext selbst aufzunehmen, die lediglich
unterstützende oder verstärkende Begleitfunktion haben, sich vielmehr im Hinblick auf
den Hauptinhalt des Rechts als unselbständiges Annexrecht darstellen. So kommt in
dem verlautbarten Recht zum alleinigen Betrieb einer Tankstelle zugleich der
Verbotsinhalt zum Ausdruck, dass keine Tankstelle eines Konkurrenzunternehmens
betrieben werden darf, weshalb das Wettbewerbsverbot selbst nicht im
Eintragungsvermerk genannt werden muss (BGH NJW 1961, 2157; Staudinger-Mayer,
a.a.O. Rdz. 32).
31
b)
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Dies vorausgeschickt, ist die Eintragung im beanstandeten Sinne nicht lediglich vom
Wortlaut her unklar gefasst, sondern inhaltlich unvollständig ausgeführt. Denn sie
schöpft den auf die Bewilligung in der notariellen Urkunde vom 27. März 2008 (UR-Nr.
550/2008, Notar Dr. H., Düsseldorf) Bezug nehmenden Eintragungsantrag nicht aus.
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Aus der Eintragung ["Beschränkte persönliche Dienstbarkeit
(Wärmeerzeugungsanlagerecht verbunden mit einer Betretungsbefugnis) für die E. …"]
ergibt sich, dass die Beteiligte zu 2 in Bezug auf eine auf dem Grundstück der
Beteiligten zu 1 bestehende oder zu errichtende Wärmeerzeugungsanlage berechtigt
sein soll und das Grundstück in diesem Zusammenhang soll betreten dürfen. Dies
deutet zwar darauf hin, dass die Beteiligte zu 2 eine Wärmeerzeugungsanlage errichten
bzw. eine bestehenden Anlage soll betreiben dürfen. Die Inhaltskomponenten von
erheblicher Bedeutung dahin, dass der jeweilige Eigentümer des dienenden
Grundstücks darüber hinaus auch verpflichtet sein soll, es zu unterlassen, auf dem
dienenden Grundstück Anlagen zur Erzeugung von Wärme für Heizung (und ggf.
Warmwasser) zu errichten, zu unterhalten oder zu betreiben oder durch Dritte errichten,
unterhalten oder betreiben zu lassen oder deren Errichtung, Unterhaltung oder Betrieb
zu dulden oder zur Versorgung des Grundstücks von Dritten Wärme für Heizung (und
ggf. Warmwasser) zu beziehen, also das Exklusivrecht der Beteiligten zu 2 zum
Betreiben der Anlage auf dem dienenden Grundstück nebst Drittbezugsverbot, kommt
hierin allerdings – anders als in dem vom BGH (NJW 1961, 2157) entschiedenen
Tankstellenfall (dort: …"hat das alleinige Recht, …") - auch nicht andeutungsweise zum
Ausdruck (vgl. hierzu auch OLG Nürnberg NJW-RR 2000, 1257). Insbesondere gilt dies
für das Wärmebezugsverbot von Dritten. Denn ein solches müsste nicht zwangsläufig
über eine Wärmeerzeugungsanlage auf dem Grundstück geschehen, sondern könnte z.
B. auch durch Fernwärme erfolgen.
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Hiernach ist dem Erfordernis, dass die Eintragung im Grundbuch den Inhalt der
Grunddienstbarkeit seinem Wesenskern nach schlagwortartig angeben muss, auch
nicht im Sinne einer Andeutung Genüge getan.
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Insbesondere ist die Eintragung nicht so ausgeführt, dass ein Erwerber vor einer
möglichen weit reichenden Belastung in Gestalt einer Bindung des Wärmebezugs
schlechthin allein an die Dienstbarkeitsberechtigte gewarnt wird und sich veranlasst
sieht, die von der Eintragung in Bezug genommene Bewilligung selbst einzusehen und
im Einzelnen daraufhin zu prüfen.
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Hierin liegt aber nicht bloß ein korrekturbedürftiges Fassungsdefizit des Wortlauts der
Eintragung. Letztere erweist sich vielmehr hinsichtlich der Verpflichtung des jeweiligen
Eigentümers des dienenden Grundstücks, es zu unterlassen, auf dem dienenden
Grundstück Anlagen zur Erzeugung von Wärme für Heizung (und ggf. Warmwasser) zu
errichten, zu unterhalten oder zu betreiben oder durch Dritte errichten, unterhalten oder
betreiben zu lassen oder deren Errichtung, Unterhaltung oder Betrieb zu dulden sowie
des Verbots, Wärme von Dritten zu beziehen, als unvollständig.
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Hinsichtlich dieser eigenständigen (verschwiegenen) Teilbereiche des Rechtsinhalts
der Dienstbarkeit ist die bisherige Eintragung unwirksam (BGH NJW 1965, 2398;
Staudinger/Mayer, BGB 2009 § 874 Rdz. 35); dieser Inhalt wird auch nicht durch die –
insoweit unzulässige - Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung zum
Grundbuchinhalt; die restliche Eintragung berührt dies allerdings nicht
(Staudinger/Mayer, a.a.O. Rdz. 34).
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Hiernach steht die Bearbeitung des Eintragungsgesuchs hinsichtlich des
Wärmeerzeugungs- und Wärmebezugsverbots noch aus.
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c)
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Dass die Wärmerzeugungsanlagen auch zur gleichzeitigen Stromerzeugung sollen
benutzt werden dürfen (Kraft-Wärme-Kopplung), also von einer im Belieben des
Betreibers stehenden gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeit soll Gebrauch gemacht
werden dürfen, belastet den Dienstbarkeitsverpflichteten nicht zusätzlich, stellt sich
vielmehr im Hinblick auf den Hauptinhalt des Rechts lediglich als unselbständiges
Annexrecht dar, das über die Bezugnahme auf die Bewilligung hinreichend (mittelbar)
verlautbart ist (vgl. BGH a.a.O.; s. auch LG München II – 1 O 5456/05 vom 05.05.2006
bei IBR-online).
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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