Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.02.2001

OLG Düsseldorf: treu und glauben, aufsichtsrat, rechtskräftiges urteil, kostendeckungsprinzip, juristische person, privatwirtschaftliche tätigkeit, allgemeine geschäftsbedingungen, inbetriebnahme

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 38/98
Datum:
07.02.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 38/98
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung ihres weiter-
gehenden Rechtsmittels - das am 22. Dezember 1997 verkündete Urteil
der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve teilweise ab-
geändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1.202.338,73 DM zu zahlen nebst
9,29 % Zinsen aus 597.698,88 DM vom 01.06.1993 bis
31.12.1993,
6,88 % Zinsen aus 597.698,88 DM vom 01.01.1994 bis
31.12.1994,
6,71 % Zinsen aus 597.698,88 DM vom 01.01.1995 bis
31.12.1995 und
aus weiteren 283.033,61 DM vom 01.07.1995 bis
31.12.1995,
4,63 % Zinsen aus 880.732,49 DM vom 01.01.1996 bis
31.12.1996 und
aus weiteren 321.606,26 DM vom 01.07.1996 bis
31.12.1996 und
4,79 % Zinsen aus 1.202.338,75 DM seit dem 01.01.1997.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 32 % der Klägerin und zu 68 %
der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleis-
tung oder Hinterlegung von 2.005.000 DM abwenden, wenn nicht die
Klä-gerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Alle Sicherheiten können auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland
geschäftsansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
1
Die Beklagte ist die Hauptnutzerin des von der Klägerin in XY betriebenen
Schlachthofes. Grundlage der vertraglichen Beziehungen der Parteien sind
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- der Grundvertrag (Anlage K 5, GA 107 f.),
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- der Nutzungsvertrag (Anlage K 6, GA 111 f.),
4
- die Sondervereinbarung zu § 4 des Nutzungsvertrages (Anlage K 7, GA 113 f.),
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- die Vereinbarung über die Schlachtentgelte (Anlage K 8, GA 115) und
6
- der Schiedsvertrag (Anlage K 9, GA 116),
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die alle unter dem Datum des 12.08.1986 abgeschlossen wurden.
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Die Klägerin berechnete den Schlachthofnutzern, nachdem die Vereinbarung über die
Schlachtentgelte vom 12.08.1986 für die Zeit unmittelbar nach der Inbetriebnahme des
neuen Schlachthofes (Anlage K 8, GA 115) nicht mehr angewandt wurde, die
Schlachtentgelte aufgrund von Entgeltordnungen, die von ihrem Aufsichtsrat
beschlossen wurden (vgl. die Anlagen K 12 f., GA 132 f.).
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Die Beklagte nahm unter anderem in der Zeit vom 01.01.1993 bis 31.10.1993
Kürzungen der Rechnungen vor, welche die Klägerin aufgrund ihrer Entgeltordnung
erstellt hatte. Daraufhin wurde sie durch Schiedsurteil vom 13.01.1995 (Anlage K 2, GA
32 bis 80) verurteilt, an die Klägerin 574.409,76 DM nebst Zinsen zu zahlen. Der
Schiedsspruch wurde durch Urteil des Landgerichts Kleve vom 14.06.1995 (Anlage K 3,
GA 81 bis 89) für vollstreckbar erklärt und auf die Berufung der Beklagten durch
rechtskräftiges Urteil des Senats vom 23.10.1996 (Anlage K 4, GA 92 bis 106)
aufgehoben. Die Beklagte hatte vor dem Beginn des Schiedsverfahrens gegen die
Entgeltordnung für das Jahr 1993 nach § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der
Klägerin (Anlage K 10, GA 117 bis 129) Widerspruch eingelegt, den der Aufsichtsrat
zurückwies. Von der in § 8 Abs. 4 für diesen Fall vorgesehenen Möglichkeit, die
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Einsetzung eines Schiedsgerichts zur Verbindlichkeit der Entgeltordnung zu verlangen,
hatte die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Widerspruch wurde auch gegen die
weiteren Entgeltordnungen der Klägerin eingelegt, und zwar auch noch zu einer Zeit,
als der Geschäftsführer der Beklagten nicht mehr Vertreter der Großschlächter im
Aufsichtsrat der Klägerin war. Ein Schiedsgericht wurde wegen des Streites über die
Entgeltordnungen jedoch zu keiner Zeit angerufen.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Betrages von 574.409,76 DM
gemäß dem Schiedsspruch vom 13.01.1995 und die Bezahlung weiterer von der
Beklagten in der Zeit von Januar 1995 bis Ende Dezember 1996 vorgenommener
Rechnungskürzungen von 1.140.567,70 DM, insgesamt also 1.714.973,46 DM sowie
die Erstattung weiterer Zinsen in Höhe von 61.825,43 DM für die Zeit vom 01.01.1993
bis 18.10.1994.
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Die Klägerin hat geltend gemacht: Die Entgeltordnungen seien unter Berücksichtigung
der Sondervereinbarung zu § 4 des Nutzungsvertrages erstellt worden. Aus ihren
Betriebsabrechnungen für die Jahre 1993, 1995 und 1996 (Anlagen K 33 bis K 35, GA
359 bis 361) ergebe sich, dass Verluste durch Minderschlachtungen Dritter der
Beklagten nicht angelastet worden seien. Die Berechnung der Schlachtentgelte sei im
Rahmen des Wirtschaftsplanes für das gesamte Unternehmen, den der Aufsichtsrat
festsetze, erfolgt. Im Rahmen des Wirtschaftsplanes würden sämtliche anfallenden
Kosten in Ansatz gebracht. Zum Zwecke der Entgeltermittlung würden die auf den
Schlachtbereich entfallenden Kosten aber gesondert ermittelt und dargestellt.
Kostenbestandteile für Nebenbetriebe würden nicht in die Entgeltabrechnungen für den
Schlachtbetrieb eingehen. Die verbleibenden Fixkosten würden entsprechend im
Verhältnis 125.000 zu 90.000 verteilt, wobei zwischen Fixkosten und variablen Kosten
getrennt werde. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Rechtmäßigkeit der
Entgeltordnungen 1993, 1995 und 1996 seien nicht gerechtfertigt. Die Entgeltordnungen
seien jeweils entsprechend den Festlegungen in Ziff. I.1 der Sondervereinbarung zu § 4
des Nutzungsvertrages vom 12.08.1986 aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung
nach Maßgabe des Kostendeckungsprinzips zustande gekommen. Vor jeder
Aufstellung einer erneuten Entgeltordnung sei der bei der Klägerin bestehende Beirat
(vgl. § 19 des Gesellschaftsvertrages) mit den Entgeltanpassungen befasst gewesen.
Diesem habe gemäß § 19 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ein Vertreter der den
Schlachthof benutzenden Großschlächterbetriebe angehört. Der Beirat sei stets zu einer
Entschließung im Sinne der ihm vorgelegten Entgeltordnungen gelangt. Gegen die
Beschlussfassung des Aufsichtsrates über die Entgeltordnungen hätte der
Aufsichtsratsvertreter der Großschlächter nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 des
Gesellschaftsvertrages nach erfolglosem Widerspruch mit dem Verlangen auf
Einsetzung eines Schiedsgerichts vorgehen können, dessen Entscheidung dann
endgültig gewesen wäre. Da die Beklagte zu keiner Zeit gegen die Beschlüsse des
Aufsichtsrats zu den Entgeltordnungen die Einsetzung eines Schiedsgerichts gefordert
habe, seien ihr Einwendungen gegen die aufgrund dieser Entgeltordnungen erteilten
Rechnungen abgeschnitten. Die Regelung in § 1 Abs. 3 des Schiedsvertrages, der
zufolge die Entscheidung des Schiedsgerichts bei Widerspruch des zuständigen
Vertreters der Großschlächter im Aufsichtsrat bei Entgeltfestsetzungen, § 5 des
Nutzungsvertrages, endgültig und abschließend sei, werde von dem Urteil des Senats
vom 23.10.1996 über die Nichtigkeit des § 1 Abs. 1 und 2 des Schiedsvertrages nicht
erfasst.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie zu zahlen 1.776.797,84 DM nebst 6,5 % Zinsen
aus
14
574,409,76 DM vom 19.10.1994 bis 16.02.1995,
15
nebst
16
624.181,45 DM vom 17.02.1995 bis 20.03.1995
17
670.075,81 DM vom 21.03.1995 bis 18.04.1995
18
717.464,44 DM vom 19.04.1995 bis 09.05.1995
19
762.786,95 DM vom 10.05.1995 bis 20.06.1995
20
813.497,49 DM vom 21.06.1995 bis 12.07.1995
21
862.211,08 DM vom 13.07.1995 bis 10.08.1995
22
907.176,39 DM vom 11.08.1995 bis 04.09.1995
23
nebst 9,5 % Zinsen aus
24
907.176,39 DM vom 05.09.1995 bis 14.09.1995
25
953.701,50 DM vom 15.09.1995 bis 15.10.1995
26
1.001.642,65 DM vom 16.10.1995 bis 21.11.1995
27
1.049.948,66 DM vom 22.11.1995 bis 14.12.1995
28
1.096.252,08 DM vom 15.12.1995 bis 29.12.1995
29
nebst 9 % Zinsen aus
30
1.096.252,08 DM vom 30.12.1995 bis 11.01.1996
31
1.153.030,60 DM vom 12.01.1996 bis 17.01.1996
32
nebst 5 % Zinsen aus
33
1.153.030,60 DM vom 18.01.1996 bis 25.02.1996
34
1.204.107,11 DM vom 26.02.1996 bis 13.03.1996
35
1.250.576,08 DM vom 14.03.1996 bis 09.04.1996
36
1.296.504,83 DM vom 10.04.1996 bis 12.05.1996
37
1.374.140,60 Dm vom 13.05.1996 bis 14.06.1996
38
1.395.480,22 DM vom 15.06.1996 bis 09.07.1996
39
1.432.392,99 DM vom 10.07.1996 bis 14.08.1996
40
1.474.750,54 DM vom 16.08.1996 bis 10.09.1996
41
1.517.746,35 DM vom 11.09.1996 bis 14.10.1996
42
1.565.165,58 DM vom 15.10.1996 bis 14.11.1996
43
1.615.912,96 DM vom 15.11.1996 bis 12.12.1996
44
1.665.242,22 DM vom 13.12.1996 bis 16.01.1997
45
1.714.973,41 DM seit dem 17.01.1997.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
48
Die Beklagte hat vorgetragen: Nach Ziff. I.1. der Sondervereinbarung zu § 4 des
Nutzungsvertrages habe die Entgeltfestsetzung aufgrund einer
Wirtschaftlichkeitsberechnung nach Maßgabe des Kostendeckungsprinzips erfolgen
müssen, wofür die tatsächlich angefallenen Kosten und die vorgegebenen
Schlachteinheiten zu berücksichtigen seien. Nach Ziff. II der Sondervereinbarung habe
sie keine Verpflichtung zum Ausgleich von Verlusten gehabt, die durch Schlachtungen
oder ausgefallene Schlachtungen anderer Nutzer entstünden. Sie treffe ferner auch
keine Verlustausgleichspflicht, wenn die Schlachtungen anderer Nutzer 90.000
Einheiten unterschritten. Hieraus folge, dass die drei genannten Verlustarten aus den
Entgeltfestsetzungen für ihre Schlachtentgelte herauszulassen seien. Um dies sicher zu
stellen, müssten getrennte Wirtschaftlichkeitsberechnungen für das Kosten-
/Nutzungsver-hältnis der Leistungen an sie auf der einen und der an die sonstigen
Nutzer auf der anderen Seite aufgestellt werden. Der Anteil der sonstigen Nutzer dürfe
hierbei jeweils nicht entgelterhöhend zu ihren Lasten eingesetzt werden. Eine
Entgeltfestsetzung, die diese Vorgaben nicht enthalte, sei vertragswidrig. Die
Kostenverteilung, das heißt die Kostenstruktur der Entgeltkalkulation der Klägerin, sei
nicht nachvollziehbar. Die streitgegenständlichen Entgeltordnungen seien auch durch
Mehrheitsbeschluss im Aufsichtsrat und Zurückweisung des Widerspruchsrechts nicht
wirksam geworden. Insoweit komme auch dem Schiedsspruch vom 13.01.1995 nicht die
Bedeutung eines Schiedsgutachtens zu.
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Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben mit der Begründung: Nach
der Sondervereinbarung zu § 4 des Nutzungsvertrages habe die Klägerin das
vertragliche Bestimmungsrecht bezüglich der Höhe der Schlachthofentgelte. Insoweit
stehe ihr ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB zu. Die
Entgeltordnungen der Klägerin seien für die Beklagte bindend. Denn sie habe nicht von
ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Entscheidung des Schiedsgerichts herbeizuführen.
Die Entgeltordnungen seien aber auch dann für die Beklagte verpflichtend, wenn von
der Nichtigkeit der einschlägigen Bestimmung des § 1 Abs. 3 des Schiedsvertrages
ausgegangen werde. Die Beklagte habe nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin
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die Stellung eines Aufsichtsratsmitglieds gehabt. Bei unterstellter Unwirksamkeit des
Schiedsvertrages müsse die dann bestehende Regelungslücke im Gesamtvertragswerk
der Parteien durch Heranziehung der Bestimmungen des dispositiven Rechts
geschlossen werden. Ein solcher Rückgriff führe dazu, dass sich die Beklagte an den
Entgeltordnungen jedenfalls deshalb festhalten lassen müsse, weil sie diese nicht
angefochten habe. Die Beklagte hätte als Aufsichtsratsmitglied sowohl die
Anfechtbarkeit wie die Nichtigkeit der Beschlussfassungen des Aufsichtsrats der
Klägerin zu den Entgeltordnungen gerichtlich feststellen lassen können und müssen.
Auf der Grundlage der somit verbindlichen Entgeltordnungen habe die Klägerin ihre
Forderungen rechnerisch richtig errechnet, so dass die Beklagte sowohl zur Zahlung
von 1.714.973,41 DM wie auch des Zinsbetrages von 61.825,43 DM verpflichtet sei.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr
Klageabweisungsbegehren unter Bezugnahme und Ergänzung ihres erstinstanzlichen
Klageabweisungsbegehrens weiter verfolgt. Sie trägt insbesondere vor: Die
Schiedsvereinbarung sei unwirksam. Wenn sie aber mangels eines wirksamen
Schiedsvertrages keine Möglichkeit gehabt habe, die von der Klägerin eigenmächtig
vorgenommenen Entgeltfestsetzungen in einem schiedsgerichtlichen Verfahren
überprüfen zu lassen, so habe sie ihr Recht, gegen die Entgeltfestsetzungen
vorzugehen, auch nicht durch Untätigkeit verwirkt. Sie sei weder Gesellschafterin der
Klägerin noch Mitglied des Aufsichtsrates. Die Gruppe der Großschlächter, der sie
angehöre, stelle lediglich ein einziges Mitglied im Aufsichtsrat. Diese
Minderheitsbeteiligung gewährleiste keinerlei Rechtsdurchsetzung.
Leistungsbestimmungen nach § 315 BGB seien unbefristet gerichtlich überprüfbar.
Vorliegend sei die Entgeltfestsetzung durch die Klägerin einer richterlichen
Billigkeitskontrolle zu unterwerfen. Ihre Beanstandungen habe sie bereits erstinstanzlich
ausführlich dargelegt. Sie habe in der Vergangenheit bis heute ihre
Schlachtverpflichtungen immer übererfüllt. Demgegenüber sei die von der Klägerin
übernommene Vorgabe, dem Schlachthof andere Schlächter mit jährlich mindestens
90.000 Schlachtungen zuzuführen, nie erfüllt worden, weshalb der Schlachthof zu
keinem Zeitpunkt mit Gewinn gearbeitet habe. Ihre - der Beklagten - Verpflichtungen
seien in dem Grundvertrag abschließend beschrieben. Danach schulde sie für die von
ihr durchgeführten Schlachtungen ein gesondert festzulegendes Entgelt. - Zu dessen
Höhe macht die Beklagte unter anderem auf den Seiten 7 f. ihres Schriftsatzes vom
14.08.1998 (GA 529 f.) weitere Ausführungen.
52
Die Beklagte beantragt,
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die Klage insgesamt abzuweisen
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und stellt hilfsweise Anträge zum Vollstreckungsschutz.
55
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Die Klägerin meint: Das Landgericht habe auch unter Berücksichtigung der
Berufungsangriffe im Ergebnis und Begründung zutreffend entschieden. Die Kritik an
der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung sei verfehlt. Die streitgegenständlichen
Entgeltfestsetzungen unterlägen nicht der gerichtlichen Überprüfung im Rahmen des §
58
315 BGB. Die Billigkeit der unter intensiver Mitwirkung der Beklagten bzw. der
Interessenvertreter der Großschlächter erfolgten Entgeltfestsetzungen werde nach ihren
Gesellschaftsvertrag und nach dem Vertragswerk der Parteien dadurch sichergestellt,
dass dem Interessenvertreter der Großschlächter in ihrem Aufsichtsrat ein
Widerspruchsrecht gegen einschlägige Beschlüsse des Aufsichtsrats und das Recht der
Überprüfung der einschlägigen Beschlüsse des Aufsichtsrats durch die Einleitung eines
Schiedsgerichtsverfahrens eingeräumt sei. Nur vorsorglich sei deshalb darauf
hinzuweisen, dass die jeweils beschlossenen Entgeltordnungen auch einer
Überprüfung nach Billigkeitsgesichtspunkten standhielten. - Dazu trägt die Klägerin
Einzelheiten vor unter anderem unter Nr. II. der Berufungserwiderung (GA 496 f.) und in
ihrem Schriftsatz vom 25.09.1998 (GA 535 f.). -
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 02.12.1998 (GA 576)
mit der Ergänzung gemäß dem Beschluss vom 15.06.1999 (GA 622) mit dem aus dem
Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G. vom 16.05.2000, dem
Ergänzungsgutachten vom 05.01.2001 und der Sitzungsniederschrift über die Anhörung
des Sachverständigen am 13.12.2000 (im Ergänzungs-Gutachten) ersichtlichen
Ergebnis. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Unterlagen, auf die
Sitzungsniederschriften sowie den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache zu einem Teil Erfolg.
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Die Gerichte dürfen zur Entscheidung des Streits der Parteien in vollem Umfang tätig
werden, § 1026 BGB. Denn die Schiedsvertrag-Vereinbarung der Parteien ist auch für
die in § 1 Abs. 3 des Schiedsvertrages vom 12.08.1986 geregelten Streitfälle
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- erfolgloser Widerspruch des zuständigen Vertreters der Gruppe der Großschlächter im
Aufsichtsrat der Klägerin bei Entgeltfestsetzungen - unwirksam. - Dass der
Schiedsvertrag im Regelungsbereich des § 1 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2
unwirksam ist, hat der Senat bereits in seinem rechtskräftigen Urteil vom 23.10.1996 (15
U 187/85 = 4 O 7/95 LG Kleve) entschieden. -
63
Der Schiedsvertrag vom 12.08.1996 stellt sich nicht als ein einziger einheitlicher
Schiedsvertrag dar. In Übereinstimmung mit der von der Klägerin in ihrer
Berufungserwiderung vertretenen Auffassung sind in der Urkunde vom 12.08.1986
vielmehr zwei Schiedsverträge enthalten. Der erste Teil der Urkunde betrifft mit § 1 Abs.
1 Streitigkeiten zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits aus dem Grundvertrag und
aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit der Sondervereinbarung zu § 4 des
Nutzungsvertrages. § 1 Abs. 3 spricht dagegen die Entscheidung des Aufsichtsrates der
Klägerin nach dem Widerspruch eines Aufsichtsratsmitglieds - nämlich des Vertreters
der Großschlächter - an. Dieses Aufsichtsratsmitglied kann der Geschäftsführer der
Beklagten sein, muss es aber nicht sein und war es in den letzten Jahren auch nicht
mehr. Jedenfalls soll hier einem schiedsrichterlichen Verfahren zugewiesen werden der
Streit eines Aufsichtsratsmitglieds des Aufsichtsrats der Klägerin gegen die übrigen
Aufsichtsratsmitglieder im Zusammenhang mit der Festsetzung der Höhe der
Schlachtentgelte. Dieser Gesichtspunkt zeigt, dass die Parteien dieses Rechtsstreits
diesen Streitfall nicht einer Schiedsgerichtsvereinbarung unterwerfen konnten, weil sie
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über den Gegenstand des Streites - nämlich zwischen einem Aufsichtsratsmitglied der
Klägerin und den anderen Aufsichtsratsmitgliedern - keinen Vergleich schließen
konnten (§ 1025 Abs. 1 ZPO alter Fassung). Demgemäss ist auch die Unterwerfung des
Streites zwischen dem Aufsichtsratsvertreter der Großschlächter und den übrigen
Aufsichtsratsmitgliedern über Entgeltordnungen unter ein Schiedsgericht in § 8 Abs. 4
des Gesellschaftsvertrages der Klägerin geregelt. Somit enthält bei sachgerechter
Auslegung der Abs. 3 des § 1 des Schiedsvertrages der Parteien nur einen Hinweis auf
jene Regelung in § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin, welcher die
Beklagte mittelbar zur Wahrung ihrer Interessen (mit ungewisser Erfolgsaussicht) hätte
nutzen können, und das auch nur während der Zeitspanne, in welcher der
Geschäftsführer der Beklagten Aufsichtsratsvertreter der Großschlächter war. Nach
alledem liegt im Verhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits zueinander über den hier
zu beurteilenden Streitgegenstand, nämlich ob die Entgeltordnungen der Klägerin den
vertraglichen Vorgaben der Parteien entsprechen, kein gültiger und rechtswirksamer
Schiedsvertrag vor.
Die Beklagte hat dadurch, dass sie nicht versucht hat, über die Regelung in § 5 des
Nutzungsvertrages zwischen den Parteien auf das Aufsichtsratsmitglied im Aufsichtsrat
der Klägerin, welches die Interessen der Großschlächter vertrat, dahin einzuwirken,
dass dieses nach einem begründeten Widerspruch die Einsetzung eines
Schiedsgerichts verlangte, und es auf diese Weise unterlassen hat, mittelbar eine
mögliche (weitere) Klärung der Streitfrage über die Höhe der Schlachtentgelte
herbeizuführen, etwaige Rechte zur Überprüfung der Entgeltordnung nicht verwirkt, §
242 BGB. Denn entgegen der Meinung des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil
hatte und hat die Beklagte als GmbH nicht die Stellung eines Aufsichtsratsmitglieds der
Klägerin inne. § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin bindet daher nicht
unmittelbar die Beklagte als im Verhältnis zur Klägerin selbständige
Rechtspersönlichkeit. Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie nicht versucht hat,
über die Regelung in § 8 des mit der Klägerin abgeschlossenen Grundvertrages mit
ihrer Ausgestaltung in § 5 des Nutzungsvertrages mittelbar eine - gewisse - Klärung von
Streitfragen zur Entgeltordnung in einem Schiedsverfahren - an dem sie nicht beteiligt
gewesen wäre, weil Parteien nur die zwei Gruppen der Aufsichtsratsmitglieder sind - zu
erreichen, auf eine Überprüfung der Schlachtentgelte verzichtet. Wie die bisherigen
Ausführungen deutlich gemacht haben, besteht zwischen den Parteien dieses
Rechtsstreits keine Schiedsvertragsvereinbarung. Die Beklagte wusste aufgrund
jedenfalls der Beratungen im Beirat der Klägerin, an denen sie teilnehmen konnte und
teilgenommen hat, um die sehr begrenzten Möglichkeiten, eine Abänderung der
Schlachtentgelte zu ihren - der Beklagten - Gunsten zu erreichen. Die Klägerin wollte
ihre Vorstellungen verwirklichen und auf die der Beklagten - jedenfalls aus deren Sicht -
nicht eingehen, was auch dieser Rechtsstreit verdeutlicht. An einem eventuellen
Schiedsgerichtsverfahren zwischen den verschiedenen Gruppen der
Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin wäre die Beklagte als juristische Person nicht
beteiligt gewesen mit der Folge, dass sie ihre Ansichten nicht hinreichend einbringen
konnte. Die Beklagte hat sich andererseits gegen die Höhe der ihr aufgrund der
Entgeltordnungen in Rechnung gestellten Entgelte mehrfach gewandt, wenn auch - wie
heute feststeht - in dazu nicht verbindlichen "Schiedsverfahren". Unter diesen
Umständen liegt weder ein Verzicht noch eine Verwirkung (zum Begriff der Verwirkung
vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Rdn. 87 zu § 242 BGB) vor. Die Beklagte hat
weder ein ihr zustehendes Recht längere Zeit nicht geltend gemacht. Denn sie hatte ein
Recht auf Einsetzung eines Schiedsgerichts nach § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages
der Klägerin nicht, noch konnte die Klägerin angesichts der Entgeltkürzungen der
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Beklagten mit Berechtigung darauf vertrauen, dass diese mit der Höhe des von ihr
festgesetzten Entgeltens einverstanden war oder diese zumindest hinzunehmen bereit
war. Im übrigen wollten die Parteien nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 des Schiedsvertrages
für Streitigkeiten zwischen ihnen - trotz der nichtigen Vereinbarung eines
Schiedsgerichts - das Beschreiten des ordentlichen Rechtsweges für Streitigkeiten
wegen der Höhe der Schlachtentgelte nicht ausschließen, sondern ausdrücklich offen
halten. Somit wollte die Beklagte auf eine gerichtliche Überprüfung etwaiger Ansprüche
der Klägerin keinesfalls verzichten und damit auch nicht auf eine gerichtliche Klärung
der Grundlagen dieses Streites, nämlich ob die Festsetzung der Entgelte nach den
Entgeltordnungen billigem Ermessen entspricht.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte, worauf diese in diesem Rechtsstreits zutreffend
hingewiesen hat, - nur - Ansprüche auf das Entgelt, das die Parteien in § 3 des
Grundvertrages, der für das zu zahlende Entgelt auf den gesonderten Nutzungsvertrag
verweist, und in § 4 des Nutzungsvertrages, der wiederum auf die Sondervereinbarung
Bezug nimmt, und in der Sondervereinbarung zu § 4 des Nutzungsvertrages vereinbart
haben. Die von der Klägerin angeführten Beschlüsse ihres Aufsichtsrates und Beirates
zu den Entgeltordnungen entfalten lediglich Wirkungen innerhalb der Klägerin. Sie
binden als Geschäftsführungsmaßnahme die Mitglieder der Geschäftsführung der
Klägerin, jedoch nicht unmittelbar die Beklagte als Vertragspartnerin der Klägerin. Diese
hat sich nicht dazu verpflichtet, die Leistungen der Klägerin in Anspruch zu nehmen
gegen ein Entgelt gemäß den Entgeltordnungen der Klägerin, sondern zu einem
Entgelt, das den zuvor angesprochenen zwischen den Parteien zustande gekommenen
Verträge entspricht.
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Somit schuldet die Beklagte Schlachthofentgelte aufgrund einer
Wirtschaftlichkeitsberechnung, die nach Maßgabe des Kostendeckungsprinzips erfolgt.
Die Vereinbarung vom 12.08.1986 zwischen der Beklagten und anderen Schlächtern
einerseits sowie der Klägerin andererseits (Anlage K 8, GA 115) ist für die hier in Rede
stehende Zeit bedeutungslos. Sie galt nur "für die Zeit unmittelbar nach der
Inbetriebnahme des neuen Schlachthofes". Es bedarf, weil es
entscheidungsunerheblich ist, keiner Entscheidung, wie lange genau diese Zeit
anzusetzen ist. Denn die Zeit ab Januar 1993, also etwa 3,5 Jahre nach der
Inbetriebnahme des Schlachthofes, der bereits im Jahre 1989 etwa die Hälfte seines
späteren Umsatzes erzielte, ist eindeutig nicht mehr eine Zeit unmittelbar nach der
Inbetriebnahme des neuen Schlachthofes. Auch die Absichtserklärung, Gewinne der
Klägerin dazu zu verwenden, den Abstand zwischen den Schlachtpreisen der
Beklagten und der übrigen Schlächtern abzusenken, ist im Ergebnis bedeutungslos,
weil die Klägerin in der hier streitgegenständlichen Zeit niemals Gewinne erwirtschaftet
hat.
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Die Vereinbarung über von der Beklagten geschuldete Entgelte in Höhe der Kosten
aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nach Maßgabe des
Kostendeckungsprinzips stellt sich im Ansatz als eine Absprache über die Bestimmung
der Gegenleistung der Beklagten für die Leistungen der Klägerin gemäß § 315 BGB dar.
Das Kostendeckungsprinzip besagt nur, dass die Klägerin ihre Kosten gedeckt
bekommt, jedoch nichts darüber, ob die entstandenen Kosten als solche notwendig oder
vermeidbar waren. Nach dem Kostendeckungsprinzip hat die Klägerin Anspruch auf
Begleichung ihrer Kosten, unabhängig davon, ob sie sparsam und wirtschaftlich
gewirtschaftet oder vermeidbare Kosten hat entstehen lassen. Mit dem Hinweis auf das
Kostendeckungsprinzip ist, was auch bei einer Regelung gemäß § 315 BGB notwendig
68
ist, die Leistung bestimmbar. In den streitgegenständlichen Vereinbarungen zwischen
den Parteien ist der Inhalt der Leistung rahmenmäßig festgelegt (vgl. zu diesem
Erfordernis Gottwald in MüKo BGB, 3. Aufl., Rdn. 7 zu § 315 BGB; Palandt/Heinrichs,
a.a.O. Rdn. 1 zu § 315 BGB, jeweils m.w.N.; BGHZ 55, 248 f., 250; OLG Düsseldorf
NJW-RR 1997, 271).
Im Gegensatz zu der Regelung unter Nr. I. der Sondervereinbarung zu § 4 des
Nutzungsvertrages enthält diese Vereinbarung unter Nr. II. "Verlustabdeckungen" eine
Absprache, die für verschiedene der Gesichtspunkte, welche für die Bestimmung der
Höhe der Leistung nach dem Kostendeckungsprinzip maßgebend sind, objektive
Beurteilungsmaßstäbe festlegt. Insoweit greift § 315 BGB nicht ein (vgl. Palandt-
Heinrichs, a.a.O. Rdn. 6 zu § 315 BGB). Dabei wird unter Nr. II.2 - keine Verpflichtung
der Beklagten zum Ausgleich von Verlusten, die durch Unterschreiten der Anzahl von
90.000 Schlachteinheiten durch andere Schlachthofbenutzer entstehen - eine Regelung
getroffen, welche die Höhe des von der Beklagten geschuldeten Entgelts wesentlich zu
beeinflussen geeignet ist und hinsichtlich deren der Klägerin kein Ermessensspielraum
gemäß § 315 Abs. 1 BGB zusteht. Da die Beklagte konkret vorgetragen hat, dass die
Klägerin bei ihrer Entgeltfestsetzung die Absprache unter Nr. II.2 der
Sondervereinbarung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb ein zu hohes Entgelt
festgesetzt hat und da es der Klägerin obliegt, darzulegen und zu beweisen, dass das
von ihr festgelegte Entgelt billigem Ermessen entspricht (vgl. BGH NJW 1992, 171 f.,
174 und NJW 1998, 3.188 f., 3.191), kann insgesamt die Höhe des Entgeltanspruchs der
Klägerin nur durch ein Sachverständigen-Gutachten festgestellt werden.
69
Der Sachverständige Prof. Dr. G. hat in seinen Gutachten den Anspruch der Klägerin in
der aus dem Tenor dieser Entscheidung ersichtlichen Höhe zutreffend errechnet.
70
Der Senat folgt dem Ansatz des Sachverständigen (unter 3.2.1 des Gutachtens vom
16.05.2000), dass die Parteien mit den hier in Rede stehenden Absprachen nicht einen
Preis vereinbart haben, sondern im Ergebnis nur die Erstattung der "tatsächlich"
angefallenen Kosten mit den daraus von dem Sachverständigen abgeleiteten
Folgerungen. Anders lässt sich die Vereinbarung über die Verpflichtung zur Zahlung
von Entgelten aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nach Maßgabe des
Kostendeckungsprinzips nicht auslegen. Bei der Festlegung der Höhe dieser Kosten
sollen die unter Nr. II. der Sondervereinbarung zu § 4 des Nutzungsvertrages
angesprochenen Verluste nicht als Kosten auf die Beklagte überbürdet werden. Diese
zwei Bestandteile der Entgeltvereinbarung der Parteien - Bemessung der Höhe des
Entgelts nach den angefallenen Kosten einerseits, jedoch andererseits unter
Ausklammerung bestimmter Verluste durch Schlachtungen und zu geringe Anzahl von
Schlachtungen anderer Schlachthofbenutzer - erfordert zwangsläufig, dass die Parteien
bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1986 von einer bestimmten Auslastung des
Schlachthofes, einer bestimmten Anzahl von Schlachtungen im Jahr (=
Grundauslastung) ausgegangen sind. Denn andernfalls, das heißt ohne die Festlegung
einer bestimmten Anzahl von Schlachtungen im Jahr, lassen sich die Kosten, welche
die Beklagte als Entgelt entrichten soll, nicht bestimmen, wie die verschiedenen
Berechnungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 05.01.2001
nach Ansatz unterschiedlicher Grundauslastungen (Kapazitäten) zwischen 300.000
Schlachteinheiten und 215.000 Schlachteinheiten verdeutlichen. Im übrigen verweist
der Senat auf die einleuchtenden und damit überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen Prof. Dr. G. unter 3.2.3 seines Gutachtens vom 16.05.2000.
71
Über die Anzahl der Schlachtungen je Jahr (= Grundausstattung) haben die Parteien in
den Verträgen aus dem Jahre 1986 keine eindeutig feststellbare Vereinbarung getroffen.
Als Grundauslastung kann nicht eine Anzahl von 215.000 Schlachtungen angenommen
werden, wie sie sich rechnerisch ergibt aus § 1 des Grundvertrages mit der
Verpflichtung der Beklagten zur Vornahme von mindestens 125.000 Schlachtungen
jährlich und der Annahme von 90.000 Schlachtungen durch andere
Schlachthofbenutzer unter Nr. II.2 der Sondervereinbarung zu § 4 des
Nutzungsvertrages. Denn beide Zahlen stellen nur Mindestzahlen dar. Das ist
hinsichtlich der Anzahl von 125.000 Schlachtungen der Beklagten in § 1 des
Grundvertrages ausdrücklich angesprochen mit der Regelung, dass sich die Klägerin
verpflichtet, der Beklagten über die Zahl von 125.000 jährlichen Schlachtungen hinaus
weitere Schlachtungen zu ermöglichen. Aber auch die Regelung, dass die Beklagte
nicht für Verluste der Klägerin aufkommen muss, die dadurch entstehen, dass die
Schlachtungen anderer Schlachthofbenutzer 90.000 Schlachtungen unterschreiten,
indiziert, dass mit 90.000 Schlachtungen nur die Mindestzahl der Schlachtungen
anderer Schlächter angesprochen ist.
72
Die Obergrenze der Grundauslastung bildet andererseits die beantragte und
genehmigte Kapazität von rund 300.000 Einheiten je Jahr. Zwischen diesen beiden
Kapazitätszahlen ist die Zahl zu ermitteln, welche die Parteien als Grundauslastung zur
Ermittlung der von der Beklagten zu tragenden "Kostenentgelte" festgelegt hätten, wenn
sie an die Festlegung dieser notwendigen Betriebsgröße im Jahre 1986 gedacht hätten.
Bei der Ermittlung dieses hypothetischen Parteiwillens ist darauf abzustellen, was die
Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben
als redlicher Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall
bedacht hätten (vgl. Palandt-Heinrichs a.a.O. Rdn. 7 zu § 197 BGB m.w.N.).
73
Für die Meinung der Klägerin, nach den soeben aufgezeigten Grundsätzen sei der
Ermittlung der Höhe der Restforderungen eine Schlachthofkapazität von 215.000
Schlachteinheiten zugrunde zu legen, der nach der Auffassung des Senats schon die
soeben angesprochenen Vertragsbestimmungen entgegen stehen, spricht auch nicht,
wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16.01.2001 (unter I. 2) ausführt, die
Vereinbarung kostendeckender Preise, die nur erzielt werden können, wenn auf die
Anzahl der tatsächlich durchgeführten Schlachtungen abgestellt werde. Denn die
Beklagte wollte nicht uneingeschränkt alle bei der Klägerin angefallenen Kosten durch
ihre Entgelte abdecken, sondern, wie die Regelung unter II. der Sondervereinbarung zu
§ 4 des Nutzungsvertrages zeigt, Entgelte nur in Höhe der Kosten bezahlen, die sich
ergaben bei einer "wirtschaftlichen Auslastung" des Schlachthofes durch die
Schlachtungen anderer Schlachthofbenutzer zu kostendeckenden Preisen.
74
Auf der anderen Seite hat die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass der Ermittlung der
von ihr geschuldeten Entgelte nach dem Kostendeckungsprinzip deshalb eine Kapazität
von 300.000 Schlachteinheiten zugrunde gelegt wird, weil der Schlachthof eine
behördliche Genehmigung für etwas mehr als 300.000 jährliche Schlachtungen besitzt.
Die Beklagte weist in anderem Zusammenhang in ihrem Schriftsatz vom 16.01.2001
(unter 1 a) auf die "merkwürdigen" vertraglichen Vereinbarungen der Parteien hin, mit
denen sich die Stadt XY erstmals von ihrer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit entfernte und
die privatwirtschaftliche Tätigkeit und Rechtsform für den Schlachthofbetrieb wählte.
Dabei habe die Stadt XY, wie die Beklagte weiter vorträgt, auf altbekannte Formulare
zurückgegriffen, die ihren Ursprung hatten in den alten Entgeltordnungen, in denen für
die Nutzung der kommunalen Einrichtungen noch Gebühren im Sinne der Terminologie
75
des Abgabenrechts genommen wurden. Das Kostendeckungsprinzip, dessen
Maßgeblichkeit sich somit in keinem privatwirtschaftlichen Vertrag unter
Gleichberechtigten finde, weil es dem Kunden die Mitverantwortung für eine
unwirtschaftliche Betriebsführung seines Vertragspartners aufbürden würde, sei nur
deswegen in den Vertrag übernommen worden, weil dieser Grundsatz für die Stadt XY
aus den Zeiten öffentlich-rechtlicher Tätigkeiten geläufig war. Diese Überlegungen der
Beklagten zu den Beweggründen, aus denen der Vertrag zwischen den Parteien - so,
wie geschehen - zustande gekommen ist, mögen durchaus zutreffend sein. Richtig ist
aber auch, dass die Beklagte, die der Klägerin seinerzeit als gleichberechtigte Partnerin
gegenüberstand, - sie war nicht gezwungen, ihren Fleischzerlegebetrieb gemäß § 5 des
Grundvertrages nach XY zu verlagern, - den vorliegenden Vereinbarungen aufgrund
eigenen Willensentschlusses in rechtlich verbindlicher Weise zugestimmt hat. Damit hat
sie - jedenfalls im Ansatz - akzeptiert, dass, wie sie selber zutreffend erkannt hat, eine
unwirtschaftliche Betriebsführung, was die Höhe der von ihr nach dem
Kostendeckungsprinzip geschuldeten Entgelte anbelangt, zu ihren Lasten geht. Die
Meinung der Beklagten, dass eine Vertragspartei, die eine solch ungewöhnliche
Kostendeckungsklausel in ein Vertragswerk einführt, selbstverständlich, weil der
Vertragspartner - die Beklagte - auf die Kostengestaltung keinen Einfluss hat, zur
kaufmännischen optimalen Gestaltung und Ausnutzung gehalten ist, teilt der Senat
nicht, jedenfalls nicht uneingeschränkt. Denn mit diesem Postulat würde das
Vertragswerk mit Entgelten nach dem Kostendeckungsprinzip, auf das sich die Beklagte
freiwillig eingelassen hat, in seinem wesentlichen Kern zu Gunsten der Beklagten und
zum Nachteil der Klägerin verändert, indem die Beklagte beanspruchen könnte,
Entgelte nur auf der Basis geringstmöglicher Kosten zu zahlen. Es mag sein, dass nach
dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, Kosten, die durch wirtschaftlich grob
unsinnige Maßnahmen der Klägerin entstanden wären, nicht auf die Beklagte
überbürdet werden dürften. Diese Fallgestaltung liegt jedoch nicht vor, wenn die
Klägerin nicht die oberste, optimale Auslastung ihres Schlachthofes erreicht hat.
Nach alledem ist der Sachverständige Prof. Dr. G. bei seiner Kosten- und
Entgeltermittlung zutreffend von 260.000 Schlachteinheiten (300.000 Schlachteinheiten
- 15 %; vergl. u.a. S. 5 des Gutachtens vom 16.05.2000 und seine mündlichen
Ausführungen während des Senatstermins am 13.12.2000) ausgegangen. Die Beklagte
hatte nach den soeben dargestellten Grundsätzen keinen Anspruch darauf, dass die
Klägerin ihren Schlachthof so organisierte, wie sie - die Beklagte - das u.a. in ihrem
Schriftsatz vom 16.01.2001 (unter Nr. 2) dargestellt hat, um mit einer hohen
Schlachtkapazität von 300.000 Einheiten, für die zudem in dieser extremen Höhe keine
Nachfrage vorhanden war, die von der Beklagten geschuldeten Kostenentgelte auf den
niedrigst möglichen Stand zu bringen.
76
Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht, wie die Beklagte meint, aus der
Unzulässigkeit der Entgeltklausel nach § 9 AGBG. Die Beklagte war unstreitig die
Hauptnutzerin des Schlachthofes der Klägerin. Mit ihr wurde ein umfangreiches
Vertragswerk ausgehandelt, das in mehreren Einzelvereinbarungen schriftlich
niedergelegt wurde. Bei einem solchen auf die besonderen Interessen beider
Vertragspartner abgestimmten Vertragswerk handelt es sich nicht um Allgemeine
Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG, und zwar auch nicht insoweit, als
einzelne Vertragsbestimmungen von der Klägerin mit anderen Schlachthofbenutzern
ebenfalls vereinbart wurden.
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Die einzelnen Einwendungen der Beklagten gegen die Ermittlung der von ihr auf der
78
Grundlage einer Schlachthofkapazität von 260.000 Einheiten geschuldeten Entgelte hält
der Senat nicht für gerechtfertigt.
Die Kosten für die Blutgewinnungsanlage hat der Sachverständige zu Recht nicht in
Ansatz gebracht. Wie zuvor begründet wurde, muss die Beklagte im Ansatz als Entgelt
die der Klägerin tatsächlich entstandenen Kosten - wobei in diesem Zusammenhang die
Regelung unter Nr. II der Sondervereinbarung zu § 4 des Nutzungsvertrages
unberücksichtigt bleiben kann - bezahlen und hat keinen Anspruch darauf, dass die
Klägerin den Schlachthof "kaufmännisch optimal gestaltet und ausnutzt", um die
geringst möglichen Kosten entstehen zu lassen. Dass die Errichtung der
Blutgewinnungsanlage wirtschaftlich so unsinnig war, dass diese Maßnahme einen
groben Treueverstoß darstellt, ist nicht ersichtlich.
79
Die Beklagte hat weiterhin kein ihr vertraglich zustehendes Recht zu verlangen, dass
die der Klägerin unstreitig entstandenen Konfiskatkosten auf sie lediglich entsprechend
der Staffel in der Entgeltordnung des Tierkörperbeseitigungsbetriebes Fa. H., die eine
Kostenreduzierung bei höherer Tieranzahl beinhaltet, umgelegt wird. Denn für eine
solche Gewichtung einzelner Kosten findet sich in der Sondervereinbarung zu § 4 des
Nutzungsvertrages kein hinreichender Anhaltspunkt. Das von der Beklagten
geschuldete Entgelt bemisst sich vielmehr nach Maßgabe des Kostendeckungsprinzips
nach den insgesamt der Klägerin entstandenen Kosten. - Die Ausnahmeregelung unter
Nr. II der Sondervereinbarung ist hier nicht einschlägig. -
80
Schließlich führt entgegen der Ansicht der Beklagten (vergl. dazu ihren Vortrag unter Nr.
3 ihres Schriftsatzes vom 16.01.2001 mit der Bezugnahme auf frühere Schriftsätze) die
fehlende Berücksichtigung der zwischen den Parteien am 12.08.1986 vereinbarten
Entgeltstaffel, welche die Beklagte als größten Schlachtbetrieb pro Schlachteinheit
begünstigte, nicht zur Unverwertbarkeit der Gutachten von Prof. Dr. G.. Die damalige
Vereinbarung galt, worauf der Senat bereits an früherer Stelle dieser
Entscheidungsgründe hingewiesen hat, nach ihrem Wortlaut nur für die Zeit unmittelbar
nach der Inbetriebnahme des neuen Schlachthofs auf der Grundlage einer vorläufigen
Aufwandsermittlung. Diese Zeitspanne für ihre Rechtsgültigkeit war jedenfalls für die
Monate ab Januar 1993 abgelaufen. § 3 des Grundvertrages, § 4 des Nutzungsvertrages
und die Sondervereinbarung zu § 4 des Nutzungsvertrages, welche unter Nr. 1.1 die
Vereinbarung aller Schlachthofbenutzer mit der Klägerin (Anl. K 8, GA 115) in Bezug auf
die Beklagte teilweise anspricht, an dieser Stelle jedoch begrenzt auf die ersten sechs
Monate nach der Inbetriebnahme des neuen Schlachthofs, enthält keine verbindliche
Festlegung eines (prozentualen) Abstandes zwischen den Entgelten, welche die
Beklagte und die anderen Schlachthofbenutzer schulden. Unter Nr. 1.2 der
Sondervereinbarung ist vielmehr allgemein ohne Besonderheiten der von der Beklagten
behaupteten Art vereinbart, dass für die nachfolgenden Zeiträume die Entgelte nach
tatsächlicher Kostenentwicklung und vorgegebenen Schlachteinheiten festgesetzt
werden. Die Einholung des von der Beklagten in diesem Zusammenhang beantragten
Obergutachtens ist daher nicht erforderlich.
81
Der Sachverständige Prof. Dr. G. hat somit die Forderungen der Klägerin nach
zutreffenden Kriterien berechnet. Wegen der Einzelheiten des Anspruchs der Klägerin
von 1.202.338,73 DM wird auf die Seiten 5 und 10 des Ergänzungsgutachtens vom
05.01.2001 verwiesen.
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Hinsichtlich der der Klägerin nach den §§ 284 Abs. 1, 286 BGB zustehenden Zinsen
83
wird auf S. 11 des vorgenannten Ergänzungsgutachtens nebst der dort in Bezug
genommenen Anlage hingewiesen. Der von der Klägerin erstinstanzlich gesondert
geltend gemachte Zinsbetrag ist in das Gesamtrechenwerk des Sachverständigen Prof.
Dr. G. eingeflossen.
Soweit die Beklagte in ihrem - insoweit nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom
16.01.2001 unter Nr. 4 eine Rechnung an die Klägerin vom 09.03.1993 über 98.521,65
DM für nicht genutzte Kühlung in der Zeit vom 01.03.1989 bis 31.12.1992 erstmals
anspricht und meint, die Klägerin habe das hierauf zu Unrecht vereinnahmte Entgelt
zurückzuerstatten, liegt nach der Ansicht des Senats eine Aufrechnung nach § 530 Abs.
2 ZPO vor, die der Senat nicht zulässt, weil dadurch die Erledigung des Rechtsstreits
verzögert würde. Deshalb besteht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
keine Veranlassung. Die Berechtigung dieses Rückzahlungsanspruchs, dessen sich die
Beklagte berühmt, müssen die Parteien außerhalb dieses Rechtsstreits klären.
84
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
85
Wert der Beschwer: Für die Klägerin 574.459,11 DM und für die Beklagte 1.202.338,73
DM.
86