Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.11.2008

OLG Düsseldorf: lege artis, beweis des gegenteils, vernehmung von zeugen, behandlungsfehler, pflege, zahnärztliche behandlung, schmerzensgeld, rückzahlung, nachbehandlung, kontrolle

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 7/08
Datum:
05.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Senat für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 7/08
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der weiterge-
henden Berufung das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom
30.08.2007 - 3 O 606/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu ge-
fasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.811,79 € nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
06.01.2005 sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,- € zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr als
Folge der behandlungsfehlerhaft überkonturierten Kronen der Zähne 33-
43 und in Folge unzureichender Aufklärung durch den Beklagten über
die Notwendigkeit regelmäßiger Pflege und regelmäßiger zahnärztlicher
Kontrollen des Zahnersatzes im Rahmen der durch den Beklagten in der
Zeit vom 17.02.1997 bis zum 28.01.2000 durchgeführten zahnärztlichen
Behandlung künftig noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht
auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind
oder noch übergehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 1/4 und
dem Beklagten zu 3/4 auferlegt.
Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/5 und der
Beklagte zu 4/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleis-
tung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
I.
1
Die Klägerin nimmt im vorliegenden Rechtsstreit den Beklagten auf Schadensersatz
und Schmerzensgeld auf Grund einer zahnärztlichen Behandlung in dem Zeitraum von
Februar 1997 bis Januar 2000 in Anspruch, die nach der Behauptung der Klägerin in
mehrfacher Hinsicht fehlerhaft war. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der
Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil vom
30.08.2007 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch das angefochtene Urteil festgestellt,
dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen
Schäden zu ersetzen, die ihr als Folge der behandlungsfehlerhaft überkonturierten
Kronen der Zähne 33-43 künftig noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Im Übrigen hat das
Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
der Klägerin stehe gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch in Höhe von
25.811,79 € wegen Verletzung der Pflichten aus dem Behandlungsvertrag oder aus §
823 BGB zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kammer der
Überzeugung, dass dem Beklagten lediglich im Zusammenhang mit der Versorgung der
Frontzähne des Unterkiefers (Kronen 33-43) ein vorwerfbarer Behandlungsfehler
unterlaufen sei; hierzu habe der sachverständige Zeuge Dr. R. nachvollziehbar
ausgeführt, dass die Kronen 33-43 im apikalen Bereich so überkonturiert gewesen
seien, dass eine zufrieden stellende Reinigung der Interdentalräume nicht habe
stattfinden können. Im Hinblick auf die übrigen Leistungen des Beklagten betreffend den
Kronenblock 22-26 habe ein Behandlungsfehler nicht bewiesen werden können. Der
Sachverständige Dr. Dr. B. habe festgestellt, dass die Versorgung des Oberkiefers lege
artis erfolgt sei (Ersetzung der Zähne 25 und 26 durch ein Freiendbrückenglied;
Einbeziehung des Zahns 24 in die Planung des Freiendbrückengliedes; Möglichkeit, im
Oberkiefer jeden Zahn interdental zu reinigen; gute Verarbeitungsqualität der
eingesetzten Kronen; in der Regio 15 und 16 eingefügte Implantate lege artis eingesetzt;
nicht zu beanstandende Materialqualität der eingesetzten Prothetik). Der Vorwurf der
Klägerin, der Beklagte habe sie nicht über die Notwendigkeit regelmäßiger
professioneller Kontrollen aufgeklärt, habe sich im Rahmen der Beweisaufnahme durch
die Vernehmung der Zeugen Dr. R., M. und R. nicht bestätigt, so dass die Klägerin
insoweit beweisfällig geblieben sei.
3
Das Landgericht hat weiter ausgeführt, trotz des dem Beklagten vorwerfbaren
Behandlungsfehlers im Zusammenhang mit den überkonturierten Kronen 33-43 habe
der Klägerin der begehrte Schadensersatz in Höhe von 25.811,79 € gemäß dem Heil-
und Kostenplan des Dr. A. vom 30.07.2004 nicht zugesprochen werden können, weil im
Bereich von Personenschäden grundsätzlich kein Anspruch gemäß § 249 Satz 2 BGB
auf Ersatz fiktiver Behandlungskosten bestehe und eine Absicht der Klägerin, die
Behandlung auch tatsächlich durchführen zu lassen, nicht feststellbar sei; vielmehr habe
die Klägerin auf Nachfrage der Kammer mitgeteilt, dass eine Versorgung gemäß dem
Heil- und Kostenplan des Dr. A. nicht erfolgt sei.
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Der Klägerin, so das Landgericht weiter, stehe auch kein Anspruch auf Rückzahlung der
an den Beklagten gezahlten Vergütung in Höhe von 4.876,96 € wegen positiver
Verletzung des Behandungsvertrags zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei
die Kammer nicht der Überzeugung, dass dem Beklagten nicht einmal eine zumindest
teilweise Rückzahlung des Behandlungshonorars rechtfertigende Schlechtleistung
vorzuwerfen sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Dr. Burchhardt
seien die Leistungen des Beklagten im Hinblick auf den Kronenblock 22-26 nicht als
behandlungsfehlerhaft anzusehen, so dass es insoweit bereits an einer
Schlechtleistung des Beklagten fehle. Hinsichtlich der Überkonturierung der Kronen der
Zähne 33-43 sei dem Beklagten zwar ein Behandlungsfehler vorzuwerfen, es sei jedoch
nicht ersichtlich, dass die im Unterkiefer eingesetzten Kronen völlig unbrauchbar und
wertlos gewesen seien, da sie durch entsprechende zahntechnische Maßnahmen hätte
nachgebessert werden können. Außerdem liege der entscheidende Grund für die
Lockerung und den späteren Verlust der Unterkieferkonstruktion darin, dass die Klägerin
die Prothetik über 2 ½ Jahre nicht zahnärztlich habe kontrollieren und reinigen lassen.
Darüber hinaus seien die Arbeiten im Ober- und Unterkiefer nur provisorisch eingesetzt
gewesen, so dass eine zeitnahe Korrektur hätte erfolgen können, wozu die Klägerin
dem Beklagten jedoch keine Möglichkeit gegeben habe.
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Weiterhin, so das Landgericht, stehe der Klägerin gegen den Beklagten auch kein
Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß den §§ 823, 847 BGB zu, da
auf Seiten der Klägerin deren erhebliches, als grob fahrlässig anzusehendes
Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB an der Entstehung des immateriellen
Schadens, den Schmerzen in Folge des bei der Klägerin aufgetretenen Sekundärkaries,
zu berücksichtigen sei, das im Ergebnis dazu führe, dass der Klägerin das begehrte
Schmerzensgeld zu versagen sei. Die Schmerzen hätten nämlich durch eine zeitnahe
und regelmäßige Kontrolle der Arbeit des Beklagten durch einen Zahnarzt verhindert
werden können, wie sowohl der Sachverständige Dr. Dr. B. als auch der
sachverständige Zeuge Dr. R. ausgeführt hätten, so dass der Klägerin im Vergleich zu
der einfachen Fahrlässigkeit des Beklagten der überwiegende Verursachungsanteil zur
Last falle.
6
Gegen dieses Urteil, soweit durch dieses die Klage abgewiesen wurde, richtet sich die
Berufung der Klägerin.
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Die Klägerin ist der Auffassung, bei der von dem Beklagten im Oberkiefer eingesetzten
Verbundbrücke habe es sich um eine hochrisikobehaftete Konstruktion gehandelt, die
sich in einer nur provisorischen Befestigung in ihrem Mund befunden habe. Dem
Beklagten hätte deshalb bei Abschluss der Behandlung im Februar 2000 klar sein
müssen, dass ein Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten
würde, wenn nicht spätestens binnen drei bis sechs Monaten eine eingehende
Nachsorge bzw. eine endgültige Einsetzung des Zahnersatzes erfolgen würde. Daher
sei seitens des Beklagten eine detaillierte, sie, die Klägerin, umfassend zur Pflege und
Kontrolle sensibilisierende und befähigende Aufklärung über die Notwendigkeit des
endgültigen Einsatzes des Zahnersatzes, einer ständigen, zeitnahen Kontrolle und über
die Einzelheiten der Intensität der täglichen Mundpflege geboten gewesen. Entgegen
der Auffassung des Landgerichts habe der Beklagte gegen diese nachdrückliche
Aufklärungsverpflichtung massiv verstoßen; die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe
nicht ergeben, dass der Beklagte dem Umfang der erforderlichen Aufklärung auch nur
im Mindesten gerecht geworden sei und insbesondere sie, die Klägerin, darauf
hingewiesen habe, dass sie sich spätestens binnen drei bis sechs Monaten zu
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Kontrollzwecken bei dem Beklagten melden müsse und sie nach Verstreichen dieses
Zeitraums daran erinnert habe. Zudem gebe es, wie auch der Sachverständige Dr. B.
bemängelt habe, in den Patientenunterlagen keine nachvollziehbare Dokumentation der
vom Beklagten als stattgefunden behaupteten Aufklärung. Dies indiziere, dass die
Aufklärung auch tatsächlich nicht erfolgt sei. Die Eintragung vom 09.02.2000 über den
angeblich weiteren Termin für den endgültigen Einsatz des Zahnersatzes sei erst im
Nachhinein aus Opportunitätsgründen geschehen; sie, die Klägerin, sei auch zu keinem
Zeitpunkt daran erinnert worden, dass der endgültige Einsatz des Zahnersatzes noch
ausstehe. Der dem Beklagten damit anzulastende Aufklärungsmangel sei als ärztliches
Versäumnis in Form eines Behandlungsfehlers anzusehen, was das Landgericht
verkannt habe. Daraus folge, dass ihr, der Klägerin, auch keine fehlende Mitwirkung
oder gar ein überwiegendes Verschulden an der durch die fehlende Nachsorge
eingetretenen Entwicklung angelastet werden könne, wie dies das Landgericht
fälschlich annehme. Sie habe auch nicht erkennen können, dass die bei ihr
aufgetretenen Beschwerden, insbesondere erhebliche Spannungskopfschmerzen von
dem von dem Beklagten eingesetzten Zahnersatz herrührten.
Die Klägerin meint weiter, da die Leistungen des Beklagten wegen ihrer Fehlerhaftigkeit
und im Hinblick auf den entstandenen Sekundärkaries wertlos und unbrauchbar seien,
ständen ihr die geltend gemachte Ansprüche auf teilweise Rückzahlung des
Behandlungshonorars in Höhe von 4.876,96 € sowie auf Ersatz der erforderlichen
Nachbehandlungskosten zur Wiederherstellung der schadensbedingt erforderlichen
Versorgung gemäß dem Heil- und Kostenplan des Dr. A. in Höhe von 25.811,79 € zu.
Zu Unrecht habe das Landgericht ihre Absicht, die Behandlung auch tatsächlich
durchführen zu lassen, verneint, und zwar mit der unhaltbaren Begründung, dass die
Nachbehandlung noch nicht begonnen habe; damit habe das Landgericht Absicht und
Ausführung verwechselt. Tatsächlich sei es so, dass sich die Nachbehandlung wegen
des Erfordernisses des ordnungsgemäßen Knochenaufbaus verzögere. Angesichts der
Tatsache, dass sie während 2 ½ Jahren unter ständigen, täglich anhaltenden
Kopfschmerzen gelitten habe und sie nunmehr seit mehreren Jahren als Folge der
Gebissschäden keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen könne, sei ein
Schmerzensgeld in der angeregten Höhe von 10.000,- € angemessen.
9
Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
11
1.
12
den Beklagten zu verurteilen, an sie 30.688,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.01.2005 zu zahlen;
13
2.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld wegen
ihrer nicht den medizinischen Standards entsprechenden Behandlung in der Zeit
vom 17.02.1997 bis 28.01.2000 zu zahlen;
15
3.
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr – über den
17
Feststellungsausspruch in dem angefochtenen Urteil hinaus – sämtliche materiellen
und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr als Folge der nicht den
zahnmedizinischen Standards entsprechenden zahnärztlichen Behandlung durch
den Beklagten in der Zeit vom 17.02.1997 bis 28.01.2000 künftig noch entstehen,
soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind.
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung im Einzelnen unter
Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
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Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
und die von den Parteien zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
21
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und die Parteien
persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung
wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 10.09.2008 (Bl. 410 ff. GA) verwiesen.
22
II.
23
Die zulässige Berufung der Klägerin, die insbesondere form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden ist, hat auch in der Sache selbst zum überwiegenden Teil Erfolg.
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Das Landgericht hat mit Ausnahme der festgestellten teilweisen Schadensersatzpflicht
in Bezug auf künftige materielle und immaterielle Schäden als Folge der
behandlungsfehlerhaft überkonturierten Kronen der Zähne 33 bis 43 die weitergehende
Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen.
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Der Klägerin steht gegen den Beklagten der mit dem Berufungsantrag zu 1) geltend
gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe der in dem Heil- und Kostenplan des
Zahnarztes A. vom 30.07.2004 aufgeführten Nachbehandlungskosten von 25.811,79 €
wegen Verletzung der Pflichten aus dem Behandlungsvertrag zu; soweit die Klägerin
darüber hinaus in Höhe eines weiteren Betrages von 4.876,96 € teilweise Rückzahlung
an den Beklagten gezahlter Behandlungskosten begehrt, bleibt der Berufungsantrag zu
1) dagegen ohne Erfolg. Da die zahnärztliche Behandlung der Beklagten im Januar
2000 geendet hat, richtet sich die Beurteilung der Rechtslage nach dem Rechtszustand,
wie er vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am
01.01.2002 bestanden hat (Art. 229 EGBGB § 5).
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Der zuerkannte Schadensersatzanspruch in Höhe von 25.811,79 € ist ausschließlich
wegen einer Verletzung der ärztlichen Pflicht des Beklagten zu therapeutischer
Aufklärung der Klägerin in Bezug auf die Notwendigkeit regelmäßiger Pflege und
regelmäßiger Kontrollen des Zahnersatzes begründet.
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Dagegen hat das Landgericht in Bezug auf die Ausführung der zahnprothetischen
Behandlung des Oberkiefers durch den Beklagten im Hinblick auf die Ausführungen des
Sachverständigen Dr. Dr. B. einen Behandlungsfehler zu Recht verneint. Diese
Feststellung greift die Klägerin mit der Berufungsbegründung auch nicht an. Bezüglich
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der Ausführung der zahnprothetischen Behandlung des Unterkiefers hat das
Landgericht zwar zu Recht unter Berufung auf die Ausführungen des sachverständigen
Zeugen Dr. R. einen Behandlungsfehler der Gestalt festgestellt, dass die Kronen 33-43
im apikalen Bereich, d.h. in Richtung Zahnwurzelspitze, so überkonturiert gewesen
seien, dass eine zufrieden stellende Reinigung der Interdentalräume nicht habe
stattfinden können; wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend gesehen hat, rechtfertigt
dieser Behandlungsfehler gleichwohl keinen auf Zahlung von Nachbehandlungskosten
gemäß dem Heil- und Kostenplan des Zahnarztes A. vom 30.07.2004 gerichteten
Schadensersatzanspruch, weil allein die Überkonturierung der Kronen 33-43 die in dem
Heil- und Kostenplan vorgesehenen Maßnahmen, die auch für den Unterkiefer eine
vollständige Erneuerung des Zahnersatzes vorsehen, nicht erforderlich machte, wie der
Sachverständige Dr. Dr. B. unter Punkt 18 seines Gutachtens vom 28.12.2005 dargelegt
hat. Vielmehr wäre es, wie das Landgericht in anderem Zusammenhang zutreffend
dargelegt hat, ohne Weiteres möglich gewesen, die apikale Überkonturierung der
Kronen im Unterkiefer im Wege der Nachbesserung durch entsprechende
zahntechnische Maßnahmen zu beseitigen. Dies hat der Sachverständige Dr. Dr. B.
unter Punkt 5 seines Gutachtens vom 28.12.2005 bestätigt, wo er ausgeführt hat, die
Überkonturierung der Kronen und der dadurch bedingte unzureichende interdentale
Zwischenraum mit unzureichender Freiheit für Zahnpflege (Zahnseide) und
Speichelfluss sei ein einfach zu korrigierendes zahntechnisches Problem. Der Ersatz
der Kosten für eine Nachbesserung der Kronen im Unterkiefer, die wie der Senat auch
ohne besondere Sachkunde feststellen kann, wesentlich geringer gewesen wären als
die von der Klägerin beanspruchten Kosten einer vollständigen zahnprothetischen
Neuversorgung des Unterkiefers, sind indessen nicht Gegenstand des
Schadensersatzbegehrens der Klägerin. Der Grund für die Lockerung und den Verlust
der vom Beklagten eingesetzten Unterkieferkonstruktion und damit das jetzt bestehende
Erfordernis einer völligen Neuversorgung des Unterkiefers liegt vielmehr allein darin,
dass die Klägerin die Prothetik über 2 ½ Jahre nicht zahnärztlich kontrollieren und
reinigen ließ, wie das Landgericht im Anschluss an die gutachtlichen Feststellungen
des Sachverständigen Dr. Dr. B. (Gutachten vom 28.12.2005, zu Punkten 9, 11, 13 und
18 und mündliche Anhörung in der Sitzung vom 13.11.2006) zu Recht festgestellt hat.
Ein auf Ersatz der Kosten der vollständigen zahnprothetischen Neuversorgung des
Unterkiefers und auch des Oberkiefers gerichteter Schadensersatzanspruch ist jedoch,
wie eingangs bereits ausgeführt, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer positiven
Vertragsverletzung begründet, weil der Beklagte die ihm als behandelndem Zahnarzt
obliegende Pflicht zu therapeutischer Aufklärung in Bezug auf die Notwendigkeit
regelmäßiger Pflege und regelmäßiger Kontrollen des Zahnersatzes verletzt und
dadurch die Notwendigkeit einer solchen Nachbehandlung verursacht hat.
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Bei der sog. Sicherheitsaufklärung oder therapeutischen Aufklärung handelt es sich um
die gebotene ärztliche Beratung über ein therapierichtiges Verhalten zur Sicherstellung
des Behandlungserfolgs und zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdungen des
Patienten (BGH NJW 2004, 3703, 3704). Danach war der Beklagte vorliegend gehalten,
die Klägerin über die Notwendigkeit einer sorgfältigen Zahnreinigung, vor allem auch
interdental zwischen den Kronen, ggfs. mit Hilfe von Zahnseide oder kleinen Bürsten,
aufzuklären sowie darauf hinzuweisen, dass alle drei bis sechs Monate ein
Zahnarztbesuch zum Zwecke der Kontrolle des - zunächst nur provisorischen bzw.
semipermanenten - Zahnersatzes sowie zur Durchführung einer professionellen
Reinigung des Zahnersatzes erforderlich war, weil bei Nichteinhaltung dieser
Maßnahmen ein Kariesbefall drohte, der, wie vorliegend auch tatsächlich geschehen,
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zum vollständigen Verlust des Zahnersatzes und der Notwendigkeit einer
Neuversorgung führen konnte.
Da ärztliche Versäumnisse im Bereich der therapeutischen Aufklärung als
Behandlungsfehler anzusehen sind, folgen sie den dazu entwickelten Regeln und muss
daher der Patient, vorliegend also die Klägerin, beweisen, dass die gebotene
Aufklärung unterblieben ist oder unzureichend war (BGH NJW 2004, 3703, 3704). Dabei
können dem Patienten jedoch Beweiserleichterungen bis zur Beweislastumkehr zu
Gute kommen, wenn aus medizinischer Sicht erforderliche Aufzeichnungen fehlen; nach
der Rechtsprechung wird dann, wenn die gebotene ärztliche Dokumentation
unzulänglich ist, bis zum Beweis des Gegenteils durch die Behandlungsseite vermutet,
dass die aufzeichnungspflichtige erforderliche ärztliche Maßnahme unterblieben ist
(BGH NJW 1999, 863, 864; Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 3. Aufl., § 111 Rdnrn. 4 und 8).
An den dem Arzt dann obliegenden Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung des
Patienten dürfen aber keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt
werden. Vielmehr hat der Tatrichter die besondere Situation, in der sich der Arzt
während der Behandlung des Patienten befindet, ebenso zu berücksichtigen wie die
Gefahr, die sich aus dem Missbrauch seiner Beweislast durch den Patienten zu
haftungsrechtlichen Zwecken ergeben kann. Dabei bedarf es einer verständnisvollen
und sorgfältigen Abwägung der tatsächlichen Umstände, für die der Tatrichter einen
erheblichen Freiraum hat (BGH NJW 1985, 1399; OLG Köln NJW 1994,3016).
Dokumentationsmängel sind daher stets im Zusammenhang einer umfassenden
Beweiswürdigung zu bewerten (Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 3. Aufl., § 111 Rdnr. 12).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen war die erforderliche Sicherheitsaufklärung der
Klägerin dokumentationspflichtig. Da die therapeutische Aufklärung und Unterweisung
eines Patienten Teil der Behandlung ist, trifft den Arzt grundsätzlich auch hier eine
Dokumentationspflicht, die verlangt, dass die wesentlichen Hinweise im Rahmen der
therapeutischen Aufklärung dokumentiert werden (Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 3. Aufl.,
§ 62 Rdnr. 17, § 111 Rdnr. 3). Dieser Bereich ist abzugrenzen von nicht
dokumentationspflichtigen Routinemaßnahmen, wobei es Aufgabe der Medizin ist,
Standards zur Dokumentation auszubilden und fortzuentwickeln, weshalb es zu ihrer
Bestimmung der Hilfe eines medizinischen Sachverständigen bedarf (Laufs/Uhlenbruck,
Arztrecht, 3. Aufl., § 59 Rdnr. 12, § 111 Rdnr. 3). Vorliegend hat der Sachverständige Dr.
Dr. B. auf Seite 5 seines Ergänzungsgutachtens vom 12.06.2006 die Auffassung
vertreten, dass die Aufklärung der Klägerin über die vorzunehmende, vor allem auch
interdentale Zahnreinigung und die Notwendigkeit zeitnaher zahnärztlicher Kontrollen
des Zahnersatzes dokumentationspflichtig waren. Bis auf den Hinweis, dass die
Klägerin nach dem Einsetzen des semipermanenten Zahnersatzes am 28.01.2000 für
den 09.02.2000 zu einem weiteren Termin bestellt war, zu dem sie nicht erschienen ist,
finden sich in den Patientenunterlagen des Beklagten über die Klägerin keine
Eintragungen über Maßnahmen zur Sicherstellung der zahnärztlichen Kontrolle des
Zahnersatzes oder eine sonstige Sicherheitsaufklärung der Klägerin.
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Nach der dargelegten Beweislastverteilung muss damit der Beklagte den Beweis
führen, dass die aufzeichnungspflichtige erforderliche therapeutische Aufklärung der
Klägerin gleichwohl erfolgt ist. Das Landgericht hat daher zu Recht gemäß den
Beweisbeschlüssen vom 22.11.2006 und vom 25.01.2007 die Zeugen R. , Dr. R. und M.
zu der Behauptung des Beklagten vernommen, die Klägerin immer wieder auf die
Unabdingbarkeit regelmäßiger Implantatskontrollen und unablässiger
Implantatshygiene aufmerksam gemacht zu haben. Das Landgericht ist dabei allerdings
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von einer anderen Beweislastverteilung ausgegangen und hat sich deshalb als
Ergebnis der Würdigung der Zeugenaussagen auf die Feststellung beschränkt, die
Klägerin sei beweisfällig für eine unterbliebene therapeutische Aufklärung geblieben.
Wegen der sich nach dem Inhalt der erstinstanzlichen Zeugenaussagen ergebenden
Zweifel, ob diese über die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung hinaus
positiv beweiskräftig für eine in ausreichendem Umfang erfolgte therapeutische
Aufklärung der Klägerin sind, hat der Senat die Beweisaufnahme in zweiter Instanz
wiederholt und auch die Parteien persönlich angehört. Nach dem Ergebnis dieser
Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung sieht es der Senat nicht als bewiesen
an, dass der Beklagte seine ihm als behandelndem Zahnarzt obliegende Pflicht zu
therapeutischer Aufklärung der Klägerin in Bezug auf die Notwendigkeit regelmäßiger
Pflege und regelmäßiger Kontrollen des Zahnersatzes in ausreichendem Umfang
nachgekommen ist.
Der Zeuge Dr. R. hat hierzu bekundet, er habe anlässlich eines Behandlungstermins
durch die offene Tür des Behandlungszimmers gehört, dass der Beklagte zu der
Klägerin wörtlich gesagt habe, so müsse man die Zwischenräume sauber machen. Er
sei dann in das Behandlungszimmer gegangen und habe dort auf dem
Behandlungstisch Zahnseide liegen gesehen. Anlass für den Beklagten, bei der
Klägerin Zahnseide einzusetzen, sei gewesen, dass Reste von Zement von der
eingesetzten Arbeit hätten entfernt werden sollen. Dagegen, so der Zeuge Dr. R. weiter,
könne er sich aber nicht mehr daran erinnern, dass der Beklagte auch erklärt habe, die
Klägerin müsse die Implantate nunmehr regelmäßig kontrollieren lassen. Diese
Aussage bestätigt schon von ihrem Inhalt her nicht hinreichend, dass der Beklagte die
Klägerin in der erforderlichen doppelten Hinsicht aufgeklärt hat, nämlich zum einen über
die Notwendigkeit regelmäßiger Pflege und deren Art und Weise, und zum anderen
über die Notwendigkeit regelmäßiger zahnärztlicher Kontrollen des eingesetzten
Zahnersatzes. Letzteres konnte der Zeuge Dr. R. bei seiner Aussage vor dem Senat
nämlich gerade nicht bestätigen. Abgesehen davon bestehen aber auch nicht
auszuräumende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Dr. R., die in
einem wesentlichen Punkt von seiner Aussage vor dem Landgericht abweicht. Dort hat
der Zeuge Dr. R. nämlich bekundet, durch die offene Tür des Behandlungszimmers
gehört zu haben, der Beklagte habe zu der Klägerin wörtlich gesagt, sie müsse ihr
Implantat jetzt regelmäßig kontrollieren; davon, dass der Beklagte der Klägerin
anlässlich des Einsatzes von Zahnseide erklärt hat, so müsse sie Zwischenräume
zwischen den Zähnen reinigen, war dagegen bei der erstinstanzlichen Aussage des
Zeugen Dr. R. nicht die Rede. Dieser Widerspruch zwischen beiden Aussagen, der
umso weniger erklärlich ist, weil der Zeuge in beiden Fällen über angebliche
wortwörtliche Aussagen des Beklagten zu berichten wusste und diese ihm folglich, wie
anzunehmen ist, zuverlässig im Gedächtnis hätten sein müssen, lässt es nicht
ausgeschlossen erscheinen, dass der Zeuge Dr. R. sich bei seinen Aussagen in einem
gewissen Umfang von einem kollegialen Interesse hat leiten lassen und sich an das
fragliche Geschehen tatsächlich nicht so genau erinnern konnte wie er es dargestellt
und vielleicht sogar selbst angenommen hat. Darauf deutet auch das Aussageverhalten
des Zeugen hin, der im Verlauf seiner Vernehmung vor dem Senat insbesondere bei
Nachfragen der Prozessbeteiligten zunehmend ungehaltener wurde und mit sich
steigernder Emotionalität reagierte.
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Auch mit Hilfe der Aussagen der Zeuginnen M. und R. kann der Beklagte den Beweis
einer hinreichenden therapeutischen Aufklärung der Klägerin nicht führen. Beide
Zeuginnen haben zwar bekundet, dass der Beklagte bei anderen Patienten diese
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jeweils gegen Ende der Behandlung auf die Art und Weise der durchzuführenden
Mundhygiene und die Erforderlichkeit von Nachkontrollen hingewiesen habe. Dass dies
konkret auch bei der Klägerin der Fall war, konnten die Zeuginnen dagegen nicht
bestätigen, zumal die Zeugin M. ohnehin nur bis Oktober 1997 für den Beklagten tätig
war. Aber auch die Zeugin R. hat ausdrücklich klar gestellt, während ihrer Assistenz sei
zwischen den Parteien nicht darüber gesprochen worden, wie die Klägerin als
Implantatpatientin ihre Mundhygiene regeln solle und dass bzw. wie häufig sie zu
zahnärztlichen Nachkontrollen kommen müsse. Darüber hinaus hat die Zeugin bei ihrer
Vernehmung vor dem Senat bekundet, es sei üblicherweise in den Karteiunterlagen
dokumentiert worden, wenn die Patienten am Ende einer umfangreichen
Implantatbehandlung die Methode der professionellen Zahnreinigung und die
individuellen Zeitabstände hierfür gezeigt und erklärt bekommen hätten. Dass im Fall
der Klägerin eine solche Dokumentation nicht vorhanden ist, deutet daher darauf hin,
dass eine derartige therapeutische Aufklärung bei ihr auch nicht erfolgt ist.
Den hierfür erforderlichen Nachweis hat der Beklagte schließlich auch im Rahmen der
persönlichen Anhörung der Parteien in dem Beweisaufnahme- und Verhandlungstermin
vor dem Senat vom 10.09.2008 nicht erbracht. Seine - überdies von der Klägerin in
Abrede gestellte - Erklärung, schon während der Behandlungszeit, als noch mit
semipermanentem Zement gearbeitet worden sei, habe er die Zahnzwischenräume der
Klägerin mit Zahnseide von Zementrückständen gereinigt und ihr dazu gesagt, so
müsse sie ihre Zähne auch später pflegen, reicht dafür schon inhaltlich in keiner Weise
aus,
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wobei insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden
Ausführungen zu der Aussage des Zeugen Dr. R. verwiesen werden kann. Der Beklagte
hat auch nicht dargelegt, dass er eine weitergehende therapeutische Aufklärung der
Klägerin erst in dem seiner Behauptung nach für den 09.02.2000 vereinbarten
Folgetermin, zu dem die Klägerin unstreitig nicht erschienen ist, vornehmen wollte.
Dieser Termin sollte der Behauptung des Beklagten zu Folge ausschließlich der
Überprüfung des eingesetzten semipermanenten Zementes dienen, wobei er, der
Beklagte, bei positivem Ergebnis die Arbeit mit definitivem Zement hätte befestigen
können.
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Ist somit davon auszugehen, dass der Beklagte die ihm als behandelndem Zahnarzt
obliegende Pflicht zu therapeutischer Aufklärung in Bezug auf die Notwendigkeit
regelmäßiger Pflege und regelmäßiger Kontrollen des Zahnersatzes verletzt und
dadurch die Notwendigkeit einer umfassenden Nachbehandlung des Gebisses der
Klägerin schuldhaft verursacht hat, ist der daraus resultierende
Schadensersatzanspruch der Klägerin folglich auf Ersatz der Kosten der vollständigen
zahnprothetischen Neuversorgung des Unter- und Oberkiefers gerichtet. Diese Kosten
belaufen sich ausweislich des von der Klägerin als Anlage zur Klageschrift vorgelegten
Heil- und Kostenplans des Zahnarztes A. vom 30.07.2004 einschließlich
Praxislaborkosten voraussichtlich auf insgesamt 25.811,79 €. Erhebliche
Einwendungen gegen die Richtigkeit und Angemessenheit dieses Heil- und
Kostenplans hat der Beklagte nicht erhoben.
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Es ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin tatsächlich den Willen hat, eine
vollständige prothetische Neuversorgung ihres Gebisses durchführen zu lassen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist ihrer auf die gerichtliche Anfrage vom
02.03.2007 hin erfolgten Stellungnahme vom 30.03.2007 keineswegs ein fehlender
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Wille, eine umfassende Nachbehandlung vornehmen lassen zu wollen, zu entnehmen,
zumal die Klägerin in ihrer Stellungnahme bereits teilweise erfolgte
Nachbehandlungsmaßnahmen und konkret vorgesehene weitere
Behandlungsmaßnahmen erwähnt. Irgendwelche Anhaltspunkte zu Zweifeln an der
Richtigkeit dieser Darstellung sind nicht ersichtlich. Darauf, dass die von der Klägerin
erwähnten Nachbehandlungsmaßnahmen in Einzelheiten von dem Heil- und
Kostenplan vom 30.07.2004 abweichen mögen, wie der Sachverständige Dr. Dr. B. in
seinem Gutachten vom 28.12.2005 am Ende seiner Ausführungen zu Punkt 18
ausgeführt hat, kommt es dabei nicht an.
Der zusätzlich zu dem Schadensersatzanspruch zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§
291, 288 Abs. 1 BGB.
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Dagegen steht der Klägerin gegen den Beklagten der ebenfalls mit dem
Berufungsantrag zu 1) geltend gemachte Anspruch auf teilweise Rückzahlung
zahnärztlicher Behandlungskosten in Höhe von 4.876,96 € nicht zu. Eine Minderung
des für die zahnprothetische Behandlung gezahlten Honorars nach Werkvertragsrecht
gemäß §§ 634, 472 BGB a.F. kommt nicht in Betracht, weil das Vertragsverhältnis der
Parteien nach Dienstvertragsrecht zu beurteilen ist. Der Vertrag eines Zahnarztes mit
dem Patienten ist ein Dienstvertrag, was auch für die zahnprothetische Behandlung gilt.
Nur soweit es um die technische Anfertigung einer Prothese geht, richtet sich die
Gewährleistung nach Werkvertragsrecht; dagegen stellt das Anpassen und Eingliedern
von Zahnprothesen in den Mund eine dienstvertragliche Leistung dar (BGH NJW 1975,
305, 306 f.; MünchKomm/Müller-Gloge, BGB, 4. Aufl., § 611 Rdnr. 81). Danach gelten
auch für die Fertigung und das Einpassen von Zahnkronen, die anders als bei einer
herausnehmbaren Prothese fest und nicht herausnehmbar in den Mund des Patienten
eingefügt werden, die Vorschriften des Dienstvertrages, da es sich hierbei um eine
spezifisch zahnärztliche Verrichtung handelt (BGH NJW 1975, 305, 306). Da der
Umstand, dass die Klägerin nach dem 28.01.2000 nicht mehr bei dem Beklagten
erschienen ist, als Kündigung des Behandlungsvertrages aufzufassen ist, ist für einen
Rückforderungsanspruch nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB entscheidend, ob der Beklagte
die Klägerin durch vertragswidriges Verhalten zur Kündigung veranlasst hat und ob
seine bisherigen Leistungen für die Klägerin aus diesem Grund kein Interesse haben.
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Dies ist zu verneinen. Es wurde bereits in anderem Zusammenhang dargelegt, dass die
zahnärztlichen Leistungen des Beklagten nur insoweit mangelhaft waren, als im
Unterkiefer der Klägerin die Kronen 33-43 im apikalen Bereich so überkonturiert
gewesen sind, dass eine zufrieden stellende Reinigung der Interdentalräume nicht
möglich war. Dieser Mangel führte jedoch nicht zum Interessewegfall an der Leistung im
Sinne des § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB. Wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde, machte
nämlich allein die Überkonturierung der Kronen 33-43 keine vollständige Erneuerung
des Zahnersatzes im Unterkiefer erforderlich, weil es ohne Weiteres möglich gewesen
wäre, die apikale Überkonturierung der Kronen im Unterkiefer im Wege der
Nachbesserung durch entsprechende zahntechnische Maßnahmen zu beseitigen;
hierbei handelte es sich um ein einfach zu korrigierendes zahntechnisches Problem,
das keineswegs dazu führte, dass die Leistungen des Beklagten für die Klägerin
irreparabel fehlerhaft und deshalb unbrauchbar und wertlos waren. Aus dem selben
Grund scheidet auch ein vom Landgericht geprüfter, auf Rückzahlung des
Behandlungshonorars gerichteter Schadensersatzanspruch wegen positiver
Vertragsveletzung des Behandlungsvertrages aus.
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Der mit dem Berufungsantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch der Klägerin gegen den
Beklagten auf Schmerzensgeld ist aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 847 BGB
a.F. begründet, allerdings nur in dem zuerkannten Umfang von 5.000,- €. Der dem
Beklagten anzulastende Behandlungsfehler in Gestalt einer unterlassenen
sachgerechten therapeutischen Aufklärung der Klägerin, der zum Auftreten von
Sekundärkaries und damit einher gehender Schmerzen sowie letztlich zu der
Notwendigkeit einer vollständigen zahnprothetischen Neuversorgung des Unter- und
Oberkiefers geführt hat, stellt zugleich eine fahrlässige Gesundheitsbeschädigung im
Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar. Diese Gesundheitsbeschädigung hat bei der Klägerin
zu immateriellen Schäden in Gestalt von Schmerzen geführt, die die Klägerin in Folge
des einige Zeit nach Beendigung der zahnärztlichen Behandlung bei dem Beklagten
entstandenen Sekundärkaries erlitten hat sowie im Zusammenhang mit Maßnahmen der
zahnprothetischen Neuversorgung des Unter- und Oberkiefers, soweit diese bislang
durchgeführt wurden. Hinzu kommen immaterielle Beeinträchtigungen durch eine
weitgehende Beeinträchtigung der Kaufähigkeit des Gebisses bei der Einnahme von
Speisen. Diese immateriellen Schäden lassen nach Auffassung des Senats die
Zubilligung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,- € angemessen erscheinen.
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Soweit dagegen die Klägerin in der Klageschrift darüber hinaus gehend ein
Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 10.000,- € für angemessen erachtet hat,
ist dieses Begehren nicht gerechtfertigt, weil es auch den Zeitraum der zahnärztlichen
Behandlung durch den Beklagten von Februar 1997 bis Januar 2000 mit einbezieht.
Wie sich schon aus den vorstehenden Ausführungen zum Berufungsantrag zu 1) ergibt,
ist bezogen auf diesen Zeitraum die Zuerkennung eines Schmerzensgeldanspruchs
wegen eines Fehlers bei der Ausführung der zahnprothetischen Behandlung der
Klägerin nicht gerechtfertigt, weil in Bezug auf die Behandlung des Oberkiefers kein
Behandlungsfehler feststellbar ist und die fehlerhafte Überkonturierung der Kronen im
Unterkiefer nicht schon als solche zu Schmerzen geführt hat, sondern diese erst durch
Sekundärkaries hervorgerufen worden sind, dessen Entstehung durch die wegen der
Nichteinhaltung des erforderlichen Abstandes zwischen den Kronen eingeschränkten
Reinigungsmöglichkeiten begünstigt wurde. Dies hat sich aber erst nach dem
Abschluss der Behandlung ausgewirkt.
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Dem entsprechend war auch die auf den Berufungsantrag zu 3) - in Erweiterung des
landgerichtlichen Feststellungsausspruchs - gebotene Feststellung der Ersatzpflicht des
Beklagten auf diejenigen künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu
begrenzen, die der Klägerin als Folge unzureichender Aufklärung durch den Beklagten
über die Notwendigkeit regelmäßiger Pflege und regelmäßiger zahnärztlicher Kontrollen
des Zahnersatzes künftig noch entstehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO sind nicht erfüllt.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: insgesamt 45.688,75 €; davon entfallen auf den
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Berufungsantrag zu 1): 30.688,75 €
49
Berufungsantrag zu 2): 10.000,- €
Berufungsantrag zu 3): 5.000,- €.
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