Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.02.2010

OLG Düsseldorf (antragsteller, einkommen, nettoeinkommen, abzug, trennung, einkünfte, beschwerde, scheidung, tätigkeit, berechnung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-8 WF 224/09
Datum:
24.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-8 WF 224/09
Leitsätze:
§ 1578 BGB
1.
Der Halbteilungsgrundsatz ist auch bei krankheitsbedingt erhöhtem
Unterhaltsbedarf des Berechtigten zu beachten.
2.
Zur Bewertung von Leistungen aus der Pflegeversicherung als
unterhaltsrelevantes Einkommen mit Lohnersatzfunktion.
Tenor:
wird die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 30.09.2009
zurückgewiesen.
I.
1
Der 1965 geborene Antragsteller und die 1958 geborene Antragsgegnerin haben am
03.03.1995 geheiratet. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Trennung
der Parteien erfolgte im Februar 2007.
2
Am 10.02.2007 unternahm die Antragsgegnerin einen Suizidversuch und liegt seitdem
im Wachkoma. Ihr monatlicher Unterhalts- und Pflegebedarf beläuft sich auf 5.500 € bis
6.000 €. Die Antragsgegnerin erhält eine Erwerbsminderungsrente von 1.046 € und ein
Pflegegeld von 1.279 €; im Übrigen bezieht sie Leistungen nach dem SGB XII .
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Der Antragsteller verfügt – unstreitig - über ein um berufsbedingte Aufwendungen
bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.955 €; er macht zudem den
einkommensmindernden Abzug von Kreditverbindlichkeiten geltend.
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Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin im vorliegenden Verbundverfahren
Prozesskostenhilfe in der Folgesache Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 1.237 €
bewilligt. Den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung weiterer Prozesskostenhilfe
bis zu einem Betrag von 2.955 € hat das Amtsgericht mit dem nunmehr angefochtenen
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Beschluss zurückgewiesen.
II.
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Die – zulässige - Beschwerde ist nicht begründet.
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Der Antragsgegnerin steht ein über monatlich 1.237 € - insoweit hat das Amtsgericht
Prozesskostenhilfe bewilligt – hinausgehender Unterhaltsanspruch nicht zu. Bei einer
höheren Unterhaltszahlung wäre der für die Bedarfsbestimmung geltende
Halbteilungsgrundsatz verletzt, wonach dem Unterhaltsverpflichteten jedenfalls die
Hälfte des eheprägenden Einkommens verbleiben muss (BGH in FamRZ 2001, 986,
991; 2006, 683, 686). Dies folgt aus dem Gebot, dass beide Ehegatten in gleicher Weise
auch nach Trennung und Scheidung an den ehelichen Lebensverhältnissen teilhaben.
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Die ehelichen Lebensverhältnisse wurden durch die beiderseitigen Erwerbseinkünfte
der Parteien aus vollschichtiger Tätigkeit bestimmt. Auf Seiten der Antragsgegnerin ist
an die Stelle ihrer Erwerbseinkünfte jedenfalls die Erwerbsminderungsrente getreten.
Ob auch die Leistungen aus der Pflegeversicherung als Einkommen mit
Lohnersatzfunktion zu bewerten sind, ist, soweit erkennbar, bisher ober- oder
höchstgerichtlich nicht entschieden worden, kann jedoch im vorliegenden Fall
dahinstehen, wie sich aus der nachfolgenden Berechnung ergibt.
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Die der Bedarfsbemessung zugrunde zu legenden Einkünfte der Parteien belaufen sich
auf maximal 4.436 €, wovon dem Antragsteller nach dem Halbteilungsgrundsatz
jedenfalls 2.218 € verbleiben müssen. Der Antragsteller verfügt über ein monatliches
bereinigtes Nettoeinkommen von 3.955 €. Ob der Abzug von – streitigen –
Kreditverpflichtungen unterhaltsrechtlich geboten ist, mag im Hauptsacheverfahren
geklärt werden und ist für die Entscheidung des Beschwerdeverfahrens ohne
Bedeutung. Vom bereinigten Nettoeinkommen des Antragstellers ist jedoch jedenfalls
der Erwerbstätigen-bonus (1/7) in Abzug zu bringen (BGH in FamRZ 2006, 387, 392), so
dass (3.955 € - 565 € =) 3.390 € verbleiben. Auf Seiten der Antragsgegnerin ist -
jedenfalls – die Erwerbsminderungsrente von 1.046 € zu berücksichtigen.
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Dem Antragsteller ist von seinem Einkommen von (maximal) 3.955 € zunächst der
Erwerbstätigenbonus von 565 € zu belassen, so dass 3.390 € verbleiben. Zahlt er
sodann einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 1.237 €, wofür das
Amtsgericht bereits auch Prozesskostenhilfe bewilligt hat, so verbleiben ihm 2.153 €,
mithin weniger, als ihm nach dem Halbteilungsgrundsatz mit 2.218 € zu verbleiben hat.
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Würde auch das Pflegegeld als Einkommen mit Lohnersatzfunktion bewertet, beliefen
sich die eheprägenden Einkünfte der Parteien auf insgesamt (3.390 € + 1.046 € + 1.279
€ =) 5.715 €, so dass dem Antragsteller nach dem Halbteilungsgrundsatz 2.858 €
verbleiben müssten, mithin noch mehr als ohne eine solche Zurechnung.
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Danach steht der Antragsgegnerin jedenfalls kein über monatlich 1.237 €
hinausgehender Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt zu.
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