Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.05.2008

OLG Düsseldorf: operation, eingriff, lege artis, komplikationen, sterilisation, kontrolle, gespräch, versäumnis, einwilligung, anhörung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-8 U 38/07
Datum:
08.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-8 U 38/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 8. Februar 2007 verkündete Ur-
teil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch
Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Be-trages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung in glei-cher Höhe Sicherheit leistet.
G r ü n d e
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A.
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Der Kläger macht aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau L. P.
Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten, einen niedergelassenen Gynäkologen,
geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die 1957 geborene, polnisch stämmige Patientin, die nur eingeschränkt Deutsch spricht,
suchte am 14.09.2000 den Beklagten mit dem Wunsch auf, sich nach einem erfüllten
Kinderwunsch – die Eheleute hatten bereits drei Kinder - sterilisieren zu lassen. In dem
in polnischer Sprache geführten Gespräch erläuterte ihr der Beklagte das operative
Vorgehen. Ob er dabei auch auf die mit dem Eingriff verbundenen Risiken hinwies,
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ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte übergab der Patientin eine in deutscher
Sprache verfasste sog. "Basisinformation zum Aufklärungsgespräch über die
Sterilisation der Frau" (vgl. Hülle GA 63) mit dem Hinweis, sie solle sich das Dokument
zu Hause durchlesen und hinsichtlich einzelner dort formulierter Fragen ausfüllen. Nach
einer – gemäß den Einträgen in der Behandlungskartei am 15.09.2000 erfolgten -
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präoperativen Diagnostik führte der Beklagte am 25.09.2000 die für diesen Termin
geplante Operation in seiner Tagesklinik durch. Im Rahmen des Eingriffes erfolgte
neben der mittels Tubenligatur vorgenommenen Sterilisation eine Hysteroskopie, eine
Abrasio, eine Adhäsiolyse und eine linksseitige Zystenentfernung.
Bei dem endoskopisch durchgeführten Eingriff war es, von dem Beklagten nicht erkannt,
zu einer etwa 1,5 cm langen Darmläsion gekommen. Die Patientin wurde nach der
Operation gegen 13.00 Uhr von ihrem Sohn abgeholt und nach Hause gebracht. Wegen
einer sich einstellenden starken Schmerzsymptomatik rief der Kläger am späten
Nachmittag den Beklagten an, wobei der Inhalt des Gesprächs streitig ist. Wegen des
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sich danach weiter verschlechternden Zustandes seiner Ehefrau rief der Kläger um
23.00 Uhr den Notarzt, der die Patientin in das St. J. Krankenhaus in H. einwies, wo am
Morgen des 26.09.2000 die Darmläsion festgestellt und operativ versorgt wurde.
Postoperativ entwickelte sich ein septisches Bild, weshalb die Patientin am 30.09.2000
in das St. J. Hospital D. verlegt und dort zur Versorgung eines
Mesenterialwurzelabszesses erneut operiert und im Anschluss intensiv gepflegt wurde.
Die Patientin konnte am 20.10.2000 aus der stationären Behandlung entlassen werden.
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Der Kläger, dem seine Ehefrau gegen den Beklagten bestehende Ansprüche abgetreten
hat, macht diesen für die Darmverletzung und deren Folgen verantwortlich. Er hat
behauptet, der Beklagte habe seine Ehefrau vor dem Eingriff nicht über die mit ihm
verbundenen Risiken aufgeklärt, so dass die Operation ohne wirksame Einwilligung
erfolgt sei. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der von der Patientin veranlassten
Begutachtung durch die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler hat er
ferner geltend gemacht, die neben der Sterilisation vorgenommenen operativen
Maßnahmen seien ohne Indikation und ohne vorherige Absprache mit seiner Ehefrau
erfolgt. Vorzuwerfen sei dem Beklagten im Übrigen, dass er die intraoperativ
verursachte Darmverletzung nicht erkannt und sogleich versorgt habe. Ein weiterer
Fehler sei darin zu sehen, dass er nach dem am frühen Abend des Operationstages
geführten Telefonat lediglich
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eine Erhöhung der Schmerzmedikation empfohlen habe, ohne den aktuellen Befund
selbst zu kontrollieren.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Schäden hat der Kläger vorgetragen, seine Ehefrau
habe erst ab Dezember 2000 in geringfügigem Umfang im Haushalt helfen und ab dem
28. Januar 2001 wieder vollschichtig arbeiten können. Verblieben sei eine unschöne
Narbe und eine – andauernde – Verdauungsproblematik, die zu einer erheblichen
Gewichtszunahme und zu einer Störung des Sexuallebens geführt habe.
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Der Kläger hat neben der Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 20.000 €
die Zahlung von 14.794,35 € an materiellem Schadenersatz verlangt sowie die
Feststellung begehrt, dass der Beklagte sämtliche weiteren materiellen und
immateriellen Schäden zu erstatten hat.
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Der Beklagte ist den Vorwürfen entgegengetreten. Er hat sich darauf berufen, dass er
die Patientin in dem mit ihr persönlich in polnischer Sprache geführten Gespräch
umfassend über den Umfang der Operation und deren Risiken aufgeklärt habe. Das
intraoperative Vorgehen sei insgesamt indiziert gewesen und lege artis erfolgt. Dass es
dabei – offenbar bei der Einführung des Trokars – zu einer Darmläsion gekommen war,
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sei schicksalhaft und von ihm nicht zu erkennen gewesen. In dem am Nachmittag mit
dem Kläger geführten Telefonat habe er wegen der Schmerzsituation zunächst die
Einnahme einer Schmerztablette empfohlen und erklärt, die Ehefrau solle sich in
spätestens einer Stunde erneut bei ihm melden. Weil ein Rückruf nicht erfolgte, sei er
davon ausgegangen, dass sich die Situation beruhigt gehabt habe.
Das Landgericht hat ein gynäkologisches Sachverständigengutachten des Direktors der
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Essen Prof. Dr. K.
eingeholt, das der Sachverständige schriftlich ergänzt hat. Ferner hat es die Ehefrau des
Klägers als Zeugin vernommen und den Beklagten informatorisch angehört. Durch das
am 08.02.2007 verkündete Urteil hat die Kammer die Klage abgewiesen.
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Gegen die Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er beruft sich
weiterhin auf einen Mangel der Patientenaufklärung und macht geltend, das Landgericht
habe bei seiner Entscheidung die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast verkannt.
Im Übrigen wiederholt er seine Darstellung zu den intraoperativen und postoperativen
Versäumnissen des Beklagten und verweist auf Widersprüche in den Ausführungen des
Gerichtsgutachters gegenüber der Bewertung durch die Gutachterkommission.
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Der Kläger beantragt,
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abändernd
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1.
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld im
Hinblick auf die bei seiner Ehefrau L. P., E. am 25.09.2000 vom Beklagten
durchgeführten Operation zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des
Senates gestellt wird und das mit Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem
Basiszinssatz seit dem 14.08.2003 zu verzinsen ist;
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2.
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den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 14.794,35 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2003 zu zahlen
sowie
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3.
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Schäden, die
aus Anlass der Operation seine Ehefrau L. P. dieser entstanden sind, zu
erstatten, soweit diese Ansprüche nicht im Wege des gesetzlichen
Forderungsübergangs auf Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Urteil des Landgerichts.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen Nadine Krug und L.
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P., durch Vernehmung des Beklagten als Partei und durch Einholung eines mündlichen
Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. K.. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 17. März 2008
(GA 267-292) verwiesen.
B.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger stehen die aus
abgetretenem Recht seiner Ehefrau geltend gemachten Ansprüche wegen der Folgen
des am 25. September 2000 durchgeführten operativen Eingriffs weder aus dem
Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F.) noch nach
den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu.
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Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Kläger im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses
zu beweisen, dass dem in Anspruch genommenen Arzt zumindest ein fahrlässiges
Versäumnis bei der medizinischen Versorgung zur Last zu legen ist, das eine bestimmte
gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen hat (BGH NJW 1995, 1618, ständige
Rechtsprechung). Diesen Beweis hat der Kläger auch aufgrund der vor dem Senat
ergänzend erfolgten Beweisaufnahme nicht zu führen vermocht:
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I.
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Es lässt sich weder feststellen, dass die bei dem Sterilisationseingriff erfolgte Verletzung
des Dünndarms auf ein Fehlverhalten des Beklagten zurückzuführen ist, noch kann
davon ausgegangen werden, dass der Beklagte die Darmläsion vorwerfbar nicht
erkannt und versorgt hat.
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1.
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Die Herbeiführung der Verletzung durch ein unsachgemäßes intraoperatives Vorgehen
haben sowohl Prof. Dr. K. als auch Prof. Dr. H. in seinem für die Gutachterkommission
für ärztliche Behandlungsfehler erstatteten Gutachten übereinstimmend für den Fall
verneint, dass die Läsion im Zuge der Einführung des Optik-Trokars zur Durchführung
der Laparoskopie erfolgt war. Wie die weitergehende Erörterung des medizinischen
Sachverhaltes ergeben hat, lässt sich ein entsprechender Ursachenzusammenhang
nicht ausschließen; er ist – wie Prof. Dr. K. bei seiner Anhörung überzeugend erläutert
hat – vielmehr als sehr wahrscheinlich ("am wahrscheinlichsten") anzusehen: Dafür
spricht – so der Sachverständige – bereits die Art der Darmverletzung, die erkennbar
durch einen Schnitt oder einen Stich herbeigeführt worden ist, wie er typischerweise
durch den Trokar erfolgen kann. Auch der Ort der Verletzung – ca. 20 cm vor der
ileocoecalen Einmündung – ist nachvollziehbar mit dem Einstich des Trokars zu
vereinbaren. Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen der weiteren operativen
Maßnahmen des Beklagten, insbesondere der durchgeführten Adhäsiolyse der rechten
Adnexe und der Zystenfensterung zu der Verletzung gekommen war, ergeben sich
weder
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aus der Beschreibung in dem Operationsbericht, noch aufgrund der eingriffsspezifischen
Risiken. Mangels entsprechender Hinweise darauf, dass es insbesondere bei der
Lösung von Verwachsungen zu Darmkontakten gekommen war, sieht Prof. Dr. K. es als
eher unwahrscheinlich an, dass es im Rahmen der Operation selbst zu einer Verletzung
gekommen war.
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2.
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Dem Beklagten ist nicht vorzuwerfen, die Darmverletzung intraoperativ nicht erkannt zu
haben. Allerdings hat Prof. Dr. H. – und ihm folgend die Gutachterkommission - in
seinem Gutachten ausgeführt, dass der Operateur nach dem Einstich in die Bauchdecke
und der Einführung des Trokars mit der Laparoskopie-Optik durch einen Rundumblick
auszuschließen habe, dass es zu einer solchen Verletzung gekommen ist. Sollte – so
Prof. Dr. H. – die Verletzung des Dünndarms bei dem Einstich des Nabeltrokars erfolgt
sein, wäre das intraoperative Nichtbemerken als Behandlungsfehler zu bewerten.
Dieser Beurteilung kann aufgrund ihrer allgemein gehaltenen Sichtweise nicht gefolgt
werden. Der Senat hat die Frage nach den von dem Operateur bei einem solchen
Eingriff zu beachtenden Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen eingehend mit
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dem Sachverständigen Prof. Dr. K. erörtert. Prof. Dr. K. hat dabei überzeugend deutlich
gemacht, dass sich diesbezügliche Versäumnisse des Beklagten nicht feststellen
lassen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass er die Darmläsion aufgrund der
unübersichtlichen intraoperativen Verhältnisse auch bei der Anwendung der von ihm zu
fordernden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Prof. Dr. K. hat dabei bestätigt, dass der
Beklagte sowohl zu Beginn des Eingriffs – nach der Einführung des Trokars – als auch
bei dessen Beendigung das Operationsfeld zu überprüfen und damit sicherzustellen
hatte, dass es zu keiner Verletzung gekommen war. Anhaltspunkte dafür, dass der
Beklagte dieser Obliegenheit nicht nachgekommen war, bestehen nicht. Im Gegenteil
spricht für die Durchführung einer entsprechenden Nachschau der am Ende des
Operationsbericht enthaltene Hinweis auf eine "Bluttrockenheit", der nur dann Sinn
macht, wenn eine Inspektion des Operationsgebietes einen unauffälligen Befund
ergeben hat. Dies hat Prof. Dr. K. unter Hinweis auf die zur Dokumentation einer
abschließenden Kontrolle verwendeten Formulierungen aus ärztlicher Sicht bestätigt.
Auch der Umstand, dass der Beklagte die eingetretene Darmverletzung bei der
Kontrolle nicht erkannte, ist nicht geeignet, etwaige Nachlässigkeiten zu belegen. Prof.
Dr. K. hat nachvollziehbar und überzeugend erläutert, dass entgegen der Darstellung
von Prof. Dr. H. die Darmverletzung für den Beklagten durchaus nicht erkennbar sein
musste: Es ist nämlich davon auszugehen, dass sich die Darmläsion im Bereich
zahlreicher Darmschlingen ereignet hatte, in die sich der verletzte Teil unbemerkt
zurückziehen kann. Wenn in einer solchen Situation aus der verletzten Stelle nicht
bereits Sekret ausgetreten war, wofür es hier keine Anhaltspunkte gibt, dann ist es – so
der Sachverständige – angesichts eines äußerlich unauffälligen Erscheinungsbildes
extrem schwierig, eine entsprechende Verletzung zu erkennen. Das Übersehen einer
solchen Darmläsion kann – so der Sachverständige - dem Operateur unter diesen
Umständen daher nicht als Fehler angelastet werden. Prof. Dr. K. hat im übrigen
deutlich gemacht, dass der Beklagte auch nicht etwa gehalten war, den gesamten
Darmabschnitt im Hinblick auf eventuelle Verletzungen einzelner Darmschlingen zu
inspizieren. Eine solch aufwändige Kontrolle erfolgt standardgemäß nur dann, wenn
konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer entsprechenden Verletzung, zum
Beispiel nach der Lösung von Verwachsungen mit unmittelbarer Darmbeteiligung,
vorliegen, wovon hier – so der Sachverständige – nicht auszugehen ist.
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II.
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Auf die Frage, ob dem Beklagten vorzuwerfen ist, dass er im Rahmen des
Sterilisationseingriffes ohne ausreichende Indikation und ohne entsprechende
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Einwilligung der Patientin eine Hysteroskopie, eine Abrasio, eine Adhäsiolyse der
rechten Adnexe und eine Zystenfensterung vorgenommen hatte, kommt es für die
Entscheidung im Ergebnis nicht an. Sowohl Prof. Dr. K. als auch Prof. Dr. H. haben
deutlich gemacht, dass sich hierdurch keinerlei negative und im Rahmen des
Schadensersatzes auszugleichende Auswirkungen für die Patientin ergeben haben.
III.
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Dahinstehen kann auch, ob es dem Beklagten als Fehlverhalten vorzuwerfen ist, dass
er nach dem am Nachmittag des Operationstages erfolgten Anruf des Ehemannes der
Patientin – ein von dem Kläger im Beweisaufnahmetermin behaupteter zweiter Anruf ist
nicht bewiesen – und der Schilderung von heftigen Schmerzen seiner Ehefrau nicht
unverzüglich für die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung oder für die
Überweisung in ein Krankenhaus gesorgt hat. Die Ausführungen von Prof. Dr. K. bei
seiner Anhörung legen die Annahme eines entsprechendes Versäumnisses nahe: Weil
nämlich – so der Sachverständige – aufgrund des Telefonats nicht entschieden werden
konnte, ob die Patientin ein ernstes Problem hatte oder ob es nur um ihre
Schmerzempfindung ging, hätte ohne weiteres Zuwarten für eine ärztliche Abklärung
Sorge getragen werden müssen. Andererseits hat der Sachverständige in seinem
schriftlichen Gutachten die Auffassung vertreten, dass die notwendige Kontrolle dann
gewährleistet war, wenn der Beklagte darauf hingewiesen hatte, die Patientin solle sich
bei einer Fortdauer der Beschwerden trotz entsprechender Schmerzmedikation erneut
bei ihm melden. Auch hat er bei seiner Anhörung deutlich gemacht, dass die seinerzeit
von der Patientin geäußerten heftigen Schmerzen durchaus den Beschwerden nach
einem solchen Eingriff entsprachen, die in den meisten Fällen einen harmlosen
Hintergrund haben und dass deshalb der Hinweis, die Patientin solle sich nach der
Einnahme eines Schmerzmittels später noch einmal zu melden, im Ergebnis häufig
richtig sein wird.
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Selbst wenn man indes von einem entsprechenden Versäumnis des Beklagten ausgeht,
lässt sich nicht feststellen, dass es sich auf die weitere Entwicklung ausgewirkt hat. Die
Patientin war am späten Abend des 25. September 2000 stationär aufgenommen und
am nächsten Morgen operiert worden. Prof. Dr. K. hat darauf hingewiesen, dass bei
entsprechenden Darmverletzungen im Grundsatz zwar eine zeitlich frühe Operation
wünschenswert ist, dass allerdings der Zeitverlust, der dadurch eingetreten war, dass
der Beklagte nach dem Telefonat mit dem Kläger nicht sogleich eine Untersuchung der
Patientin veranlasst hatte, unerheblich war. Denn obwohl die Patientin von dem um
23.00 Uhr gerufenen Notarzt sofort ins Krankenhaus eingewiesen wurde, erfolgte die
Revisionsoperation dort erst um 11.00 Uhr des nächsten Tages. Dass der Eingriff
zeitlich früher erfolgt wäre, wenn sich der Beklagte nach dem Telefonat des Klägers
inten-
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siver um die Patientin gekümmert hätte und dass die Auswirkungen der Darmverletzung
weniger gravierend gewesen wären, lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit
feststellen. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht gerechtfertigt, dem Kläger
Erleichterungen zum Nachweis des Kausalitätsverlaufes zuzubilligen. Ein grobes
Versäumnis des Beklagten – wenn nicht ein Fehler überhaupt - ist zu verneinen. Prof.
Dr. K. hat aus medizinischer Sicht deutlich gemacht, dass der Beklagte mit dem
Hinweis, der Kläger solle sich erneut melden, wenn sich die Beschwerdesymptomatik
seiner Ehefrau nicht bessere, die Beschwerden nicht als harmlos angesehen und auch
eine gewisse Vorsorge getroffen hatte. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen
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geht der Senat unter diesen Umständen davon aus, dass sich sein Verhalten – soweit
es überhaupt als fehlerhaft zu bewerten ist – jedenfalls nicht als völlig unverständlich im
Sinne eines groben Versäumnisses darstellt.
IV.
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Der Kläger kann die geltend gemachten Ansprüche auch nicht mit Erfolg auf ein
Versäumnis bei der Patientenaufklärung stützen. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme geht der Senat davon aus, dass die Zeugin P. vor dem Eingriff
hinreichend über die mit ihm verbundenen Risiken aufgeklärt worden ist mit der Folge,
dass ihre Einwilligung in die Operation rechtswirksam war.
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Die Zeugin P. hat selbst eingeräumt, in der am 14. September 2000 mit dem Beklagten
geführten Unterredung über den geplanten Eingriff gesprochen zu haben. Der Beklagte
habe ihr dabei in polnischer Sprache u.a. die Einzelheiten des Eingriffs erläutert.
Allerdings habe er von einem Routinefall gesprochen, bei dem es – bis auf ein paar
Bauchschmerzen – keine Komplikationen geben werde. Dagegen spricht allerdings,
dass der Beklagte ihr auch erklärt haben soll, sie solle ihn anrufen, falls sich mehr
entwickele. Dieser Hinweis macht nur Sinn, wenn sich die Zeugin auch über die
Möglichkeit ernsterer Komplikationen bewusst war. Im Übrigen hatte die Patientin von
dem Beklagten die schriftliche "Basisinformation zum Aufklärungsgespräch über die
Sterilisation der Frau" ausgehändigt erhalten bekommen, die sie trotz ihrer damaligen
Sprachschwierigkeiten
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mit der Hilfe von Verwandten in den wesentlichen Punkten verstanden haben will. Auch
hat sie die in dem Formular enthaltene Einwilligungserklärung unterzeichnet, in der es
u.a. heißt:
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"Über die geplante Operation sowie evtl. erforderliche
Erweiterungsmaßnahmen wurde ich in einem Aufklärungsgespräch mit Herrn
Dr. K. ausführlich informiert. Dabei konnte ich mir alle wichtig erscheinenden
Fragen über Art und Bedeutung der Operation, über spezielle Risiken und
mögliche Komplikationen, über Neben- und Folgeingriffe ... stellen.
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Ich habe keine weiteren Fragen, fühle mich ausreichend aufgeklärt und willige
hiermit nach ausreichender Bedenkzeit in die Sterilisation durch eine
Bauchspiegelung ein."
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Unter diesen Umständen sprechen – auch wenn die von dem Beklagten benannte
Zeugin Krug keine Angaben zu dem Aufklärungsgespräch machen konnte – gewichtige
Gesichtspunkte für die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten zu der von ihm
geschilderten ausführlichen Belehrung der Patientin über die mit dem Eingriff
verbundenen Risiken. Der Senat hat den Beklagten deshalb gemäß § 448 ZPO als
Partei vernommen. Der Beklagte hat dabei bestätigt, der Patientin entsprechend dem in
seiner Praxis für solche Fälle üblichen Standard zunächst die Operation selbst und
dann die mit ihr verbundenen möglichen Komplikationen geschildert zu haben. Er habe
zwar erklärt, dass es sich um eine Routineoperation handele, bei der Komplikationen
äußerst selten
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seien; dass es in seltenen Fällen allerdings zu Blutungen, Entzündungen oder
Organverletzungen kommen könne. Der Senat sieht die Darstellung des Beklagten
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gerade angesichts der Tatsache, dass er der Patientin einen Aufklärungsbogen, aus
dem sich entsprechende Risiken unzweifelhaft ergeben, zum häuslichen Studium
mitgegeben hatte, als glaubhaft an. Unter diesen Umständen ist es nicht nur
nachvollziehbar, sondern auch naheliegend, dass er auch in dem die Operation
betreffenden persönlichen Gespräch mit der Patientin auf das – wenngleich geringe -
Risiko entsprechender Komplikationen eingegangen war. Eine Vernehmung der von
dem Kläger erstinstanzlich zu dem Aufklärungsgespräch benannten Zeugen bedurfte es
nicht, weil die Zeugin P. bei ihrer Vernehmung erklärt hat, das Gespräch mit dem
Beklagten sei unter vier Augen und in Abwesenheit anderer Personen geführt worden.
C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Die Beschwer des Klägers liegt über 20.000 €.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf (bis zu) 40.000 € festgesetzt.
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G. S. T.
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