Urteil des OLG Düsseldorf vom 04.10.2005

OLG Düsseldorf: juristische person, website, abwerbung von arbeitnehmern, begriff, betroffene person, vergleichende werbung, kommunikation, adresse, einwilligung, dienstleistung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 64/05
Datum:
04.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 64/05
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Han-
delssachen des Landgerichts Kleve vom 04. März 2005 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 105 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Hilfsantrag abgewiesen
worden ist.
G r ü n d e :
1
Der Beklagte bietet auf seiner Website ein Online-Fußballspiel an. Er übersandte dem
FC T. e.V., der unter der Domain. www.fc-t..de eine Website mit Informationen unterhält,
unter der dort angegebene E-Mail-Adresse am 14. November 2003 eine E-Mail
folgenden Inhalts:
2
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3
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Der klagende Verein hält dies unter Hinweis auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 11. März 2004 (GRUR 2004, 517 - E-Mail-Werbung) und die
jetzige Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG für wettbewerbswidrig und verlangt
Unterlassung sowie Zahlung der durch die Abmahnung entstandenen Kosten. Der
Beklagte hat demgegenüber eingewandt, der Unterlassungsantrag sei hinsichtlich des
Wortes "Werbung" zu unbestimmt, es handele sich zudem nicht um Werbung, weil er ein
Vertragsangebot übersandt habe, welches nicht auf den Absatz von Waren oder
Dienstleistungen, sondern auf deren Bezug gerichtet sei.
6
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt,
7
1. es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes E-Mails mit werbendem
Inhalt über das Internet zu versenden und/oder versenden zu lassen; es sei denn,
dass der Empfänger sein Einverständnis ausdrücklich erklärt hat und/oder
besondere Umstände, wie insbesondere eine bereits bestehende
Geschäftsbeziehung, vorliegen, aufgrund derer sein Einverständnis zu vermuten
ist,
2. an ihn 277,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit
dem 19. August 2004 zu zahlen.
8
9
Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der fraglichen E-Mail habe es sich um Werbung
im Sinne der Rechtsprechung gehandelt.
10
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Unter Ergänzung und
Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er weiterhin geltend, der Begriff
"Werbung" im Tenor sei zu unbestimmt. Im Übrigen habe es sich bei seiner E-Mail nicht
um Werbung gehandelt, er habe vielmehr lediglich ein Vertragsangebot auf Bezug einer
Dienstleistung von dem Empfänger abgegeben. Er beantragt daher,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
12
Der Kläger beantragt,
13
die Berufung zurückzuweisen,
14
hilfsweise
15
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
des Wettbewerbs folgende E-Mail zu versenden (es folgt die zuvor wiedergegebene E-
Mail).
16
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vorbringens. Er ist der Auffassung als "Werbung" im Sinne der Rechtsprechung zur
unzulässigen E-Mail-Werbung sowie des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG sei auch die
Nachfragerwerbung anzusehen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils
sowie die Schriftsätze der Parteien in der Berufungsinstanz verwiesen.
18
I.
19
Der Hauptantrag ist, wie im Termin vom 13. September 2005 erörtert worden ist, nicht
hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Durch die gewählte Fassung würde
nämlich die Entscheidung letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen, was nicht
zulässig ist (zu den Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit zuletzt BGH NJW
2005, 2550 - "statt”-Preis).
20
Der Antrag benutzt nämlich den Begriff "werbenden Inhalts”. Ob Inhalt der
beanstandeten E-Mail "Werbung” im Rechtssinne war oder nicht, ist jedoch gerade
zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte meint, es handele sich nicht um Werbung,
weil zum einen er ein konkretes Vertragsangebot gemacht habe und zum anderen
Gegenstand der E-Mail nicht der Absatz von Waren oder die Erbringung von
Dienstleistungen durch ihn - den Beklagten - gewesen sei.
21
Zwar hat der Bundesgerichtshof (GRUR 2000, 439, 441 - Gesetzeswiederholende
Unterlassungsanträge) den Begriff "werben" im Allgemeinen als hinreichend bestimmt
angesehen, weil in aller Regel nicht zweifelhaft sei, ob eine Maßnahme als Werbung
anzusehen sei oder nicht. Das gilt aber gerade in diesem Fall, in dem die Parteien über
die Auslegung des Begriffs und seine Anwendung auf den konkreten Verletzungsfall
streiten, nicht. Dieser Streit steht vielmehr einer hinreichenden Bestimmtheit entgegen
(vgl. Köhler, in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 12 UWG Rdnrn.
2.38/39). Die getroffene Wertung entspricht der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu einer ähnlichen Fallgestaltung (GRUR 1993, 565 - Faltenglätter),
in der er die Formulierung "Beiträge, die inhaltlich Werbung sind" als zu unbestimmt
angesehen hat, weil der Streit darüber den Kern des Rechtsstreits bildete.
22
II.
23
Der auf das Verbot der konkreten Verletzungsform gerichtete Hilfsantrag ist zwar
hinreichend bestimmt, aber nicht begründet.
24
1.
25
Die klagegegenständlichen Unterlassungsansprüche sind in die Zukunft gerichtet. Sie
bestehen daher nur dann, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten des
Beklagten zur Zeit seiner Begehung solche Unterlassungsansprüche begründet hat und
diese Ansprüche auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch
gegeben sind (vgl. BGH NJW 2005, 2458 unter II.1. - Fördermittelberatung).
26
2.
27
Die Klagebefugnis des Klägers steht infolge der Mitgliedschaft der Industrie- und
28
Handelskammern außer Streit (s. § 8 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 UWG, vgl. Köhler, a.a.O., § 8
UWG Rdnr. 3.43).
3.
29
Die fragliche E-Mail unterfällt entgegen der Auffassung des Klägers, der das
Landgericht gefolgt ist, nicht der früheren Rechtsprechung über die Unzulässigkeit von
E-Mail-Werbung (vgl. Köhler, a.a.O., § 7 UWG Rdnr. 68) und der sie teils bestätigenden,
teils verschärfenden (vgl. Köhler, a.a.O., § 7 UWG Rdnr. 69), jetzt geltenden Regelung
des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Die E-Mail enthält nämlich keine "Werbung” im Sinne dieser
Vorschrift. Der Begriff "Werbung" kann nicht mit dem Begriff der "Wettbewerbshandlung”
im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG gleichgesetzt werden, wie dies das Landgericht der
Sache nach getan hat, sondern ist enger auszulegen.
30
a) Dabei ist allerdings sehr fraglich, ob eine "Werbung” bereits dann ausscheidet, wenn
der Sendende mit der E-Mail ein konkretes verbindliches Vertragsangebot übersendet
(so LG Kiel, NJW-RR 2001, 412; s. aber Ubber, in Harte/Henning, UWG § 7 Rdnr. 168;
Härting, MDR 2000, 1332, 1333; Schmittmann, CR 2000, 851; Wolber/Eckhardt, DB
20002, 2582, 2584 f.; Weidert EWiR 2001, 135, 136). Einer näheren Diskussion bedarf
dieser Punkt aber deshalb nicht, weil der Inhalt der E-Mail nicht als verbindliches
Vertragsangebot, sondern allenfalls eine Aufforderung zur Abgabe eines
Vertragsangebots (invitatio ad offerendum) anzusehen war. Der Beklagte hatte dem
Empfänger der E-Mail zwar die von diesem zu erbringenden Leistungen allgemein
beschrieben und die Gegenleistung bezeichnet, bei Interesse den Empfänger aber
lediglich dazu aufgefordert, sich mit ihm - dem Beklagten - in Verbindung zu setzen (vgl.
allgemein Heinrichs, in Palandt, BGB, § 312b Rdnr. 4).
31
b) Es handelt sich jedoch deswegen nicht um "Werbung” im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 2
UWG, weil der Sendende damit gegenüber dem Empfänger nicht Waren oder
Dienstleistungen - auch nicht mittelbar über eine Anpreisung seines Unternehmens -
abzusetzen versuchte, sondern um Dienstleistungen des Empfängers "warb”, für die er -
der sendende Unternehmer - ein Entgelt zu entrichten bereit war.
32
aa) Der Beklagte hat sein Leistungsangebot zwar dem FC T. in der angegriffenen E-Mail
vorgestellt. Dies erfolgte jedoch nicht mit dem Ziel, seine Leistungen bei dem Verein
abzusetzen. Vielmehr sollte letzterer auf seiner Website www.fc-t..de dem Beklagten
"Platz" für Bannerwerbung zur Verfügung stellen, wofür der Beklagte ein Entgelt zu
zahlen bereit war. Es handelte sich mithin nicht um Werbung um Absatz von Waren oder
Dienstleistungen (zukünftig Absatzwerbung genannt), sondern Werbung um
Dienstleistungen der Gegenseite (zukünftig Nachfragerwerbung genannt).
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aa) Der Begriff "Werbung” ist in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom
10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung als "jede Äußerung
bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem
Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, ... zu fördern”
definiert. Damit ist allein die Absatzwerbung, nicht aber die Werbung um
Dienstleistungen der Gegenseite gemeint (vgl. Köhler, a.a.O., § 2 UWG Rdnr. 49;
Bornkamm, in Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 5 UWG Rdnr. 2.16).
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Allerdings wird der Begriff "Werbung” vielfach auch auf die Nachfragerwerbung
ausgeweitet. Dies wird jedoch nur im Hinblick auf den Begriff in §§ 5, 6 UWG näher
35
diskutiert (Bornkamm, a.a.O., s. auch § 6 UWG Rdnr. 30); bei diesen Vorschriften ist in
der Tat ohne Weiteres einsichtig, dass das Verbot irreführender oder unrichtiger
vergleichender Werbung auch für die Nachfragerwerbung gelten muss. Wie noch näher
auszuführen ist, bestehen aber im Falle des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG zwischen einer
Absatz- und einer Nachfragerwerbung erhebliche Unterschiede.
cc) Die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli
2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre
in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für die elektronische
Kommunikation), die mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG umgesetzt werden sollte (vgl. Köhler,
a.a.O., § 7 Rdnr. 69), benutzt in Art. 13 Abs. 1 den Begriff "Direktwerbung”. Dieser Begriff
wird in der Richtlinie zwar nicht definiert. Wie aber aus den Erwägungsgründen (40 ff.)
hervorgeht, ist damit nur die Absatzwerbung gemeint, die auch nur Gegenstand der
höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit unerbetener Anrufe etc. war. Allein
diese war wegen ihrer Auswüchse Gegenstand der Erörterungen.
36
Das lässt sich auch aus Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie herleiten, wo von einem "Verkauf
eines Produkts oder einer Dienstleistung” sowie von "Direktwerbung für eigene ähnliche
Produkte oder Dienstleistung” die Rede ist.
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Des Weiteren ergibt sich dies aus den sehr eingeschränkten Regelungen, unter
welchen Voraussetzungen E-Mail-Werbung doch zulässig sein soll. Nach Art. 13 Abs. 1
der Richtlinie ist dies nur "bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer” möglich; unter
einer derartigen Einwilligung ist nach Art. 2 lit. f) unter Verweis auf Art. 2 lit. h) der
Richtlinie 95/46/EG "jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall
und in Kenntnis der Sachlage erfolgt, und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass
personenbezogen Daten, die sie betreffen, verarbeitet werden” zu verstehen (vgl.
Köhler, a.a.O., § 7 UWG Rdnr. 72). Der nationale Gesetzgeber hat diese Norm - insoweit
über den Richtlinientext (vgl. Köhler, a.a.O., § 7 UWG Rdnr. 69) und die frühere
Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2004, 1655) hinausgehend - auch auf Nichtverbraucher
ausgedehnt. Wendete man diese Vorschrift auch auf die Nachfragerwerbung an, käme
man zu abstrusen Ergebnissen. Dann wären nämlich gewerbliche E-Mail-Anfragen an
Gewerbetreibende, mit denen um Auskunft über deren Waren- oder
Dienstleistungsangebot oder um die Abgabe eines Angebots gebeten wird oder
sonstige Erklärungen (Mahnungen, Nachfragen) abgegeben werden, vielfach
unzulässig; denn in der Veröffentlichung der e-Mail-Adresse auf einer Website wird man
ohne Überdehnung des Begriffs noch keine Einwilligung in oben genanntem Sinne
erblicken können (vgl. Köhler, a.a.O., § 7 Rdnr. 73, wonach die Einwilligung für den
konkreten Fall erteilt sein muss; an ihr Vorliegen sind strenge Anforderungen zu stellen).
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cc) Eine derartige Auslegung stünde für den Fall, dass - wie hier - die E-Mail-Adresse
der Website eines Diensteanbieters entstammt, in einem Spannungsverhältnis zu Art. 5
Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der
Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im
Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr), die durch § 10 Abs.
2 Nr. 2 des Mediendienste-Staatsvertrages und § 6 S. 1 Nr. 2 Teledienstgesetz
umgesetzt worden sind. Danach müssen Diensteanbieter auf ihrer Website u.a.
Angaben einstellen, "die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare
Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen
Post”. Damit soll gerade eine E-Mail-Kommunikation mit dem Website-Inhaber
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ermöglicht werden.
Damit steht in Einklang, dass sich die in der gleichen Richtlinie angesprochenen
Probleme "nicht angeforderter kommerzieller Kommunikation” (vgl. Erwägungsgrund
(30) und Art. 7), hinsichtlich derer die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen können
und sollen, nicht die Versendung von E-Mails an den Diensteanbieter betreffen. Nach
Art. 2 lit. f) der Richtlinie ist nämlich unter kommerzieller Kommunikation - neben der
reinen Imagewerbung - nur die Kommunikation zu verstehen, die der Förderung des
Absatzes von Waren und Dienstleistungen dient (vgl. Köhler, a.a.O., § 2 UWG Rdnr. 50).
Sie betrifft mithin nicht Anfragen des Internet-Nutzers an den Diensteanbieter, soweit es
um dessen Waren- und Dienstleistungsangebot geht.
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dd) Dass das EU-Recht nur die Absatzwerbung im Blick hat, ergibt sich auch aus
weiteren Rechtsquellen. Selbst wenn der FC T. als Verbraucher zu betrachten wäre
(was er als juristische Person nicht ist), unterfiele er nicht dem Fernabsatzrecht (dessen
Anwendung setzt voraus, dass der Unternehmer Waren oder Dienstleistungen liefert)
noch der - noch nicht in Kraft getretenen -Richtlinie 2005/29/EG des Europäische
Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen
Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern ... (weil als
"Geschäftspraktiken” nur Handlungen erfasst werden, die "unmittelbar mit der
Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher”
zusammenhängen).
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ee) Das nationale Recht ist in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, was den Begriff der "Werbung"
angeht, nicht über die Definition der Europäischen Union hinausgegangen.
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Zwar wird in Deutschland der Begriff "Werbung" traditionell an sich weit verstanden (vgl.
BGH GRUR 2003, 540 - Stellenanzeige). Dennoch greifen die Kommentatoren mangels
einer eigenen gesetzlichen Definition auf die EU-rechtliche Definition zurück (vgl.
Köhler, a.a.O., § 2 UWG Rdnr. 49; Bornkamm, a.a.O.). Nicht jede Wettbewerbshandlung
ist als "Werbung" anzusehen. Mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG sollte lediglich Art. 13 der
Richtlinie 2002/58/EG umgesetzt werden, der - wie bereits ausgeführt (vgl. bb)) lediglich
die Absatzwerbung betrifft. Die Gesetzgebungsmaterialien befassen sich lediglich mit
der Frage, inwieweit der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit des Art. 13 Abs. 5
der Richtlinie (juristische Personen als Adressaten der E-Mail-Werbung) Gebrauch
machen sollte (vgl. BT-Dr. 15/1487 S. 21 zu § 7 Abs. 2 Nr. 3; ebenso bereits die
Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz zu § 4 Nr. 3).
Die Frage, wie die Nachfragerwerbung zu behandeln ist, sowie die bei einem Verbot
auftretenden Folgen werden nicht angeschnitten. Unter diesen Umständen kann nur
davon ausgegangen werden, dass der nationale Gesetzgeber insoweit lediglich seinen
Verpflichtungen zur Umsetzung der Richtlinie nachkommen und nicht darüber
hinausgehen wollte.
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ff) Auch der Bundesgerichtshof hat nicht jede "Werbung” unter die Regelung des § 7
Abs. 2 UWG bzw. die einschlägige Vorgängerrechtsprechung subsumiert. In seiner
Entscheidung Direktansprache am Arbeitsplatz (NJW 2004, 2080) hat er, obwohl er an
sich einen weiten Werbebegriff vertritt, die Versuche telefonischer Abwerbung von
Arbeitnehmern beim Wettbewerber nicht an den Regeln über unangeforderte
Telefonwerbung gemessen, ja diese Fallgruppe nicht einmal erwähnt, sondern davon
losgelöst unter dem Gesichtspunkt der Belästigung geprüft.
44
gg) Schließlich bestehen auch in der Sache Unterschiede. Der Bundesgerichtshof (NJW
2004, 1655 - E-Mail-Werbung) hat die Wettbewerbswidrigkeit der unverlangten
Zusendung von E-Mails allein mit der großen Nachahmungsgefahr begründet, die zu
einer "Überflutung” des E-Mail-Postfaches führe. Derartige Gefahren sind bei einer
Nachfragerwerbung, bei deren Erfolg der sendende Unternehmer seinerseits
Vergütungen zu entrichten hätte, nicht zu erwarten. Auch im Termin vom 13. September
2005 hat der Kläger derartige Gefahren nicht vorbringen können. Die von ihm
genannten Beispiele (Gewinnspiele, bei denen Waren oder "Punkte" gewonnen werden
können) betreffen die Absatzwerbung.
45
Sollten dennoch Belästigungen auftreten, kann ihnen angemessener mit der Regelung
des § 7 Abs. 1 UWG (dazu sogleich unter 3.) begegnet werden.
46
3.
47
Das beanstandete Verhalten ist auch nicht nach der allgemeinen Vorschrift des § 7 Abs.
1 UWG wettbewerbswidrig.
48
Ob eine unzumutbare Belästigung eintritt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu
entscheiden, wobei dies allerdings der Bildung von Fallgruppen nicht von vornherein
entgegen steht (vgl. BGH NJW 2004, 2080 - Direktansprache am Arbeitsplatz).
49
Gegen eine unzumutbare Belästigung spricht, dass der FC T. Betreiber einer Website
ist, auf der er sich der Öffentlichkeit präsentiert, und auf dieser Website seine E-Mail-
Adresse angibt. Er muss dann damit rechnen, dass ihn unter dieser E-Mail-Adresse
Anfragen erreichen, die jedenfalls das typische Angebot eines Sportvereins betreffen
(vgl. für Kaufleute die Wertung des § 362 HGB; s. auch die Ausführungen unter 2.b)cc)).
Das betrifft nicht nur Anfragen zum Spiel-angebot oder für Kartenverkäufe, sondern unter
den heutigen Umständen auch Anfragen zur Bannerwerbung. Bereits früher war die
Bandenwerbung üblich; da Sportvereine auf Einnahmen angewiesen sind, konnten
Unternehmen davon ausgehen, dass Anfragen in dieser Richtung willkommen waren.
Unterhält ein Sportverein - wie hier - eine Website, verhält es sich bei Bannerwerbung
ebenso. Das gilt umso mehr, als der FC T. auf seiner Website tatsächlich
Bannerwerbung betreibt, wie der Beklagte im Termin vom 13. September 2005 - vom
Kläger unwidersprochen - behauptet hat (und was bei Aufruf der fraglichen Website im
Übrigen auch ersichtlich ist).
50
Zeit, Mühe und Kosten, die E-Mail des Beklagten zu identifizieren und gegebenenfalls
ohne nähere Befassung zu löschen, sind gering.
51
Dem steht nicht entgegen, dass auf der Website des FC T. - angeblich - sinngemäß
darauf hingewiesen wird, dass Werbemails unerwünscht sind. Dieser Hinweis, dessen
Wortlaut nicht mitgeteilt wird und der im Übrigen bei Aufruf der fraglichen Website jetzt
auch nicht auffindbar ist, betrifft mangels besonderer - nicht vorgetragener - Umstände
nur die Absatzwerbung, nicht die Nachfrage nach entgeltpflichtigen Dienstleistungen
des Sportvereins.
52
Schließlich handelte es sich bei dem FC T. nicht um einen besonders schützenswerten
Verbraucher, sondern um eine juristische Person.
53
Für die Gefahr, dass derartige Anfragen massenhaft ausgesandt werden, ist nichts
54
ersichtlich. Es ist nichts dafür vorgetragen, dass der Beklagte in einem Massenverfahren
"auf gut Glück” mehr oder minder unpassende Anfragen nach Bannerwerbung
ausgesandt hat. Aus der Antwort des Beklagten auf den Protest des Sportvereins (Bl. 9
GA), auf den sich der Kläger im Termin vom 13. September 2005 bezogen hat, ergibt
sich, dass er gezielt Fußballvereine mit der Anfrage nach Bannerwerbung, die ihrerseits
fußballbezogen ist, ausgesucht hat. Daraus folgt gerade nicht, dass der Beklagte
massenhaft E-Mails mit Nachfragerwerbung aussendet oder dass die Gefahr besteht,
dass auch Wettbewerber des Beklagten zu diesem Verfahren übergehen könnten.
Unter diesen Umständen ist die Mühe, einzelne E-Mails herauszusuchen, als
vernachlässigenswert anzusehen (vgl. BGH NJW 2004, 1655 - E-Mail-Werbung).
55
III.
56
Mangels einer Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens scheidet auch ein
Anspruch des Klägers auf Ersatz der Abmahnkosten aus. Die Rechtslage war zum
Zeitpunkt der Abmahnung nicht anders zu beurteilen als zum jetzigen Zeitpunkt. Die
vom Kläger aufgegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2004, 1655 - E-
Mail-Werbung) bezieht sich allein auf die Absatzwerbung.
57
IV.
58
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
59
Die Zurückweisung des Hauptantrages mangels hinreichender Bestimmtheit wirft keine
Fragen auf, deren Klärung die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO)
bedarf. Anderes gilt demgegenüber für den Hilfsantrag; insoweit existiert keine höchst-
oder auch nur obergerichtliche Rechtsprechung.
60
Berufungsstreitwert: 10.277,00 Euro
61
B. S. H.
62