Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.06.2004

OLG Düsseldorf: gemeinsamer wohnsitz, geburt, erwerbstätigkeit, versorgung, kinderhort, belastung, anpassung, lebensstandard, vollstreckung, gleichbehandlung

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-3 UF 195/03
Datum:
25.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
II-3 UF 195/03
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das ihr für den Zeitraum ab November
2003 Unterhalt versagende Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts –
Geldern vom 23. September 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 1.650 €
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen zur Entscheidung der
Verfassungsmäßigkeit der zeitlichen Regelbegrenzung des Unterhalts
im Rahmen des Betreuungs- unterhaltsanspruchs nach § 1615 l Absatz
2 BGB.
I.
1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten im Rahmen der Berufung nur noch
Unterhaltsansprüche aus § 1615l BGB für die Zeit nach Ablauf der 3-Jahresfrist nach
Geburt ihrer gemeinsamen Kinder geltend.
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Die Parteien, nicht miteinander verheiratet, sind die Eltern der am 25.10.2000
geborenen Zwillinge Jan und Laura L. Ihre Beziehung, die zur Geburt der beiden Kinder
geführt hat, ist seit Jahresende 2002 beendet.
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Erstinstanzlich ist der Beklagte – von den Parteien unangefochten – u.a. zur Zahlung
monatlichen Kindesunterhalts ab November 2003 in Höhe von 200% des Regelbetrags
der Regelbetragsverordnung abzüglich des Kindergeldanteils gemäß § 1612b Abs. 5
BGB an jedes der beiden Kinder verurteilt.
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Der in Düsseldorf, 62 Km von seinem Wohnsitz entfernt, tätige Beklagte hat ein
jährliches Arbeitseinkommen von 55.868 € brutto (im Jahre 2002).
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Die Klägerin ist jedenfalls seit November 2003 bei ihrem früheren Arbeitgeber, bei
welchem sie bis zum Beginn der Mutterschutzfrist eine Teilzeittätigkeit im Umfang von
täglich 5 Stunden im Schichtdienst mit einem durchschnittlichen monatlichen
Nettoeinkommen von 871,76 € ausübte, werktäglich von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr mit
einem monatlichen Nettoeinkommen ab Januar 2004 von rd. 698 € erwerbstätig. Vor
Beginn ihrer Arbeitszeit bringt sie die Zwillinge zur Kindertagesstätte und holt sie dort
nach Beendigung ihrer Arbeitszeit ab. Die Tagesstätte bietet auch eine Betreuung bis
16.00 Uhr an.
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Neben ihrem Erwerbseinkommen bezieht die Klägerin eine Witwenrente; diese hat sich
nach der Geburt der Kinder von zuvor monatlich rd. 139 € auf monatlich rd. 436 € (ab
Juli 2003) erhöht.
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Die Klägerin hat – u.a. - beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie für den Zeitraum ab Januar 2003 einen monatlichen
Unterhalt von 871,76 € zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Amtsgericht hat dem Anspruch der Klägerin für den Zeitraum bis Oktober 2003
entsprochen und den Beklagten zur Zahlung von monatlich 871,76 € für Januar bis
Oktober 2003 abzüglich bis Juli 2003 bereits gezahlter monatlicher 481 € verurteilt.
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Den Anspruch auf Unterhaltszahlungen auch ab November 2003 hat das Amtsgericht
abgewiesen.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie geltend macht, die
Fristbegrenzung in § 1615l Abs. 2 BGB sei verfassungswidrig, zumindest sei es unter
Berücksichtigung der Belange der Zwillinge grob unbillig, den Unterhaltsanspruch nach
Ablauf der 3-Jahres-Frist zu versagen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an
die Klägerin ab November 2003 einen monatlichen Unterhalt von 871,76 € zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
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Zu Recht hat das Amtsgericht – Familiengericht – den weitergehenden
Unterhaltsanspruch der Klägerin zurückgewiesen. Der mit dem Rechtsmittel geltend
gemachte Anspruch auf Zahlung von laufenden monatlichen Unterhaltsbeiträgen in
Höhe von 871,76 € auch nach Oktober 2003, d.h. nach Ablauf einer Frist von drei
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Jahren ab der Geburt der Zwillinge der nicht miteinander verheirateten oder verheiratet
gewesenen Parteien, ist nicht begründet.
1.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte mit Blick auf seine titulierte
Unterhaltsverpflichtung gegenüber den beiden gemeinsamen Kindern von monatlich
200 % des Regelbetrags der Regelbetragsverordnung - abzüglich Kindergeldanteil –
bei seinen – von ihm behaupteten verringerten - Einkünften unter Wahrung des ihm zu
belassenden angemessenen Selbstbehalts wirtschaftlich in der Lage ist, auch der
Klägerin Unterhalt zu leisten.
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Denn der Beklagte schuldet der Klägerin laufende Beiträge zum Lebensunterhalt nicht
mehr.
24
2.
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Soweit die Klägerin sich gegen die Versagung des geltend gemachten Anspruchs mit
der Begründung wendet, dadurch werde die verfassungsrechtlich gebotene
unterhaltsrechtliche Gleichbehandlung der Mutter eines außerhalb einer Ehe geborenen
Kindes mit der Mutter eines in ehelicher Gemeinschaft geborenen Kindes in
unzulässiger Weise nicht beachtet, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
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a. Die vom Gesetzgeber unterhaltsrechtlich andersartig an- und eingeordnete Stellung
der Ehefrau des Unterhaltspflichtigen – sofern vorhanden – im Verhältnis zur
grundsätzlich unterhaltsberechtigten Mutter seines minderjährigen Kindes aus
nichteheleicher Verbindung mag zwar dem derzeitigen gesellschaftspolitischen und
sozialen Entwicklungsstand nicht mehr vollends entsprechen. Eine Anpassung und
rechtliche Änderung obliegt jedoch dem Gesetzgeber und nicht der Rechtsprechung.
Denn die in Höhe und Dauer unterschiedliche Ausgestaltung in den den
Betreuungsunterhalt regelnden Vorschriften des § 1615 l BGB und des § 1570 BGB,
welche beide zwar Ausdruck der Elternverantwortung sind und dazu dienen, die
persönliche Betreuung von Kindern durch ihren erziehungsberechtigten Elternteil zu
ermöglichen, verstößt nicht gegen das aus Art. 6 Abs. 5 GG folgende Gebot der
Gleichbehandlung von unehelichen und ehelichen Kindern und stellt auch keinen
anderweitigen Verfassungsverstoß dar.
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Dem Gesetzgeber ist im Rahmen der wiederholten Novellierung der Vorschrift des §
1615 l BGB – zuletzt durch das Kindschaftsreformgesetz vom 16.12.1997
(Bundesgesetzblatt I S. 2942) sowie durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 06.04.1998
(Bundesgesetzblatt I S. 666) , mit denen er in Kenntnis und in Ausführung der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem verfassungsrechtlichen Auftrag
aus Art. 3 GG nachgekommen ist - die unterschiedliche Behandlung der
verschiedenartigen Mütter nicht entgangen. Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht
(BVG FamRZ 2001, 343), das die von der Klägerin angesprochene unstreitige
Benachteiligung nichtehelicher Mütter ausdrücklich erkannt und auf das Stigma der
ledigen Mutter und ihre deutlich höhere psychische Belastung gegenüber verheirateten
Müttern sowie auf den auch heute noch nur eingeschränkten Unterhaltsanspruch
gegenüber dem Vater ihres nichtehelichen Kindes, der trotz gesetzlicher zeitlicher
Ausweitung auf drei Jahre nicht vergleichbar mit der unterhaltsrechtlichen Absicherung
verheirateter Frauen ist, die den ehelichen Kindern zugute kommt, verwiesen hat, hat
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der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Sachlage keine grundgesetzliche Notwendigkeit zu
einer weiteren Änderung bzw. Anpassung der Vorschrift des § 1615 l BGB gesehen,
weil "der Staat aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG ebenso wie aufgrund von Art. 3 GG nicht
gehalten ist, jegliche die Familien betreffende Belastung auszugleichen" (BVG NJW
1998, 2043; NJW 1990, 2869).
b. Die Unterhaltsansprüche der Ehefrau und der nichtehelichen Mutter beruhen auf
unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und sind in ihren Voraussetzungen daher nicht
gleichartig. Dies gilt auch dann, wenn der Unterhaltsanspruch darauf gestützt wird, dass
von der Ehefrau / der nichtehelichen Mutter wegen der Pflege und der Erziehung eines
Kindes die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.
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Die Befristung des Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter in der Regel auf drei
Jahre ab Geburt des Kindes bedeutet indessen keine verfassungswidrige
Schlechterstellung des nichtehelich geborenen Kindes gegenüber ehelich geborenen
Kindern. Denn dadurch ist weder der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes
noch dessen Betreuungsanspruch betroffen. Es geht vielmehr allein um die
Ausgestaltung der Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau und des
Vaters des nichtehelichen Kindes gegenüber dessen Mutter.
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(1) Die Klägerin verkennt, dass eine Ungleichbehandlung von Müttern in finanzieller,
unterhaltsrechtlicher Hinsicht nicht zwingend die Ungleichbehandlung ihrer Kinder zur
Folge haben muß. Der Fehler in der kausalen Schlussfolgerung der Klägerin liegt darin
begründet, dass nicht erkannt wird, dass eine geringere Alimentierung der Mutter eines
nichtehelichen Kindes nur dann zu einem Betreuungsdefizit und einer Benachteiligung
dieses Kindes führt, wenn seine Mutter zur Aufrechterhaltung ihres eigenen
angemessenen Lebensstandards nicht auf eine zeitlich umfangreichere entgeltliche
Beschäftigung verzichten will. Die Klägerin beachtet nicht, dass der Mutter eines
nichtehelichen Kindes vor dem Hintergrund des Fehlens einer der Ehe gleichstehenden
Rechtsbeziehung zu dem Vater des Kindes ein größeres Maß an Einschränkung ihrer
eigenen Bedürfnisse zugemutet wird. Dies bedeutet nicht, dass das nicht ehelich
geborene Kind gegenüber dem ehelich geborenen Kind – insbesondere in
verfassungswidriger Weise – benachteiligt wird, weil das Betreuungsbedürfnis des nicht
ehelichen Kindes geringer eingeschätzt wird als dasjenige des ehelich geborenen
Kindes. Nur wenn die Mutter des nicht ehelichen Kindes nicht bereit ist, notfalls zu
Lasten ihres eigenen Unterhaltsbedarfs und Lebensstandards die Betreuung des
Kindes sicher zu stellen, wird dem Betreuungsbedürfnis dieses Kindes nicht (im
gebotenen Umfang) entsprochen. Diese negative Folge liegt jedoch in der Sphäre der
Mutter des nichtehelichen Kindes, ist von dieser allein gegenüber dem Kind zu
verantworten und kann nicht auf den Kindesvater abgewälzt werden.
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(2) Dass der Unterhaltsanspruch der Ehefrau und der Unterhaltsanspruch der Mutter
eines nicht ehelichen Kindes den Voraussetzungen und dem Inhalt nach voneinander
abweichen, ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mit Blick auf die
nicht vergleichbare Ausgangsbasis gerechtfertigt.
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Die Ehe begründet für beide Ehegatten ein besonderes Maß an Solidarität und
Beistandspflicht, aus der sich für die Ehefrau das Recht ableitet, ohne nachteilige
Folgen für ihren eigenen Unterhaltsanspruch auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit
zu verzichten, um sich ganz der Betreuung des gemeinsamen Kindes widmen zu
können, und zwar bei einem Einzelkind in der Regel solange, bis das Kind die zweite
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Klasse der Grundschule beendet hat (vgl. BGH NJW 1984,1537; BGH NJW 1995,1148).
Allerdings ist auch dann die Bejahung einer Erwerbsobliegenheit auf seiten der Ehefrau
nicht völlig ausgeschlossen, weil es auf die persönlichen Verhältnisse und Umstände
des Einzelfalls ankommt (vgl. BGH NJW 1990,3274).
Was demgegenüber den Unterhaltsanspruch der nicht ehelichen Mutter gegenüber dem
Vater des Kindes angeht, fehlt es an den durch das Eheband begründeten
wechselseitigen, auf dem verfassungsrechtlich besonders geschützten Verhältnis der
Ehe gegründeten Beziehungen, Solidaritäts- und Beistandspflichten, aber auch an den
daraus resultierenden besonderen Berechtigungen. Dies rechtfertigt den Unterschied in
den Anspruchsvoraussetzungen, in der Bemessung und auch die – von der Klägerin als
verfassungswidrig gerügte - zeitliche Begrenzung des Anspruchs. Es kann nicht
unbeachtlich bleiben, dass eine Ehefrau – entgegen der nicht ehelichen Mutter – durch
Führung des gemeinsamen Haushalts, durch Einsatz ihrer Arbeit und/oder ihres
Vermögens, durch Unterstützung des Ehemanns und Vaters ihres Kindes zu dem
Lebensstandard beigetragen hat, nach welchem sich nun ihr Unterhaltsanspruch
bemisst. Diese Faktoren können bei dem Unterhaltsanspruch der nicht ehelichen Mutter
nicht zum Zuge gelangen. Deshalb erfolgt eine Bemessung ihres Unterhalts der Höhe
nach – ohne jegliche Relation zum Einkommen des Vaters ihres Kindes – allein nach
ihrem eigenen Bedarf, was allerdings für sie durchaus wirtschaftliche Vorteile haben
kann, und eine Bemessung ihres Unterhalts in zeitlicher Hinsicht bis zum regelmäßigen
Beginn des Besuchs des Kindergarten oder Kinderhorts, d.h. bis zum vollendeten dritten
Lebensjahr, wobei im Einzelfall unter besonderen Voraussetzungen Abweichungen
möglich sind.
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(3) Auch bei der Betreuung und Versorgung von Zwillingen gilt sowohl dem Grunde
nach als auch im konkreten Fall nichts anderes.
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Denn die Klägerin vermag durch ihre effektiven Erwerbseinkünfte aus der
Teilzeitbeschäftigung von monatlich knapp 700 € sowie durch die erhöhten
Rentenleistungen in Höhe von monatlich rd. 436 € nicht nur ihren notwendigen, sondern
auch ihren angemessenen Lebensstandard zu sichern, wie er durch ihre
wirtschaftlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vor der Geburt ihrer Kinder
durch Erwerbseinkünfte und Renten von monatlich insgesamt rd. 1.011 € geprägt war.
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Durch die vormittägliche Beschäftigung der Klägerin zwischen 8.00 Uhr und 12.00 Uhr,
d.h. während eines Zeitraums, in dem beide Kinder sich regelmäßig nicht im Haushalt
der Klägerin, sondern im Kinderhort befinden, wird weder der Betreuungsumfang noch
die Betreuungsintensität zum Nachteil der Kinder tangiert. Im Gegenteil erlaubt die auf
Antrag mögliche zeitliche Ausweitung der Betreuung im Kinderhort bis 16.00 Uhr der
Klägerin sogar, ihre tägliche Arbeitszeit (zeitweilig) auszudehnen oder in diesem
Zeitraum ihren eigenen Interessen ungestört nachgehen zu können.
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3.
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Ein ausnahmsweise zeitlich über die 3-Jahresfrist hinaus reichender
Unterhaltsanspruch der Klägerin als Mutter von nicht ehelichen Kinder kann auch aus
der Bestimmung des § 1615 l BGB nicht hergeleitet werden. Die erforderliche
Voraussetzung für diesen Ausnahmefall , dass unter Berücksichtigung der Belange der
Kinder es grob unbillig wäre, einen zeitlich weitergehenden Unterhalt zu versagen, liegt
auch mit Blick auf die Betreuungsobliegenheit der Klägerin gegenüber den beiden
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Zwillingskindern nicht vor.
a. Besonderheiten, die den Anspruch der Kindesmutter auf Unterhalt über das dritte
Lebensjahr des Kindes hinaus rechtfertigen können, sind nach der Vorstellung des
Gesetzgebers zunächst in kindbezogenen Gründen zu suchen. Als solche sind
dauerhafte Erkrankung, erhebliche Behinderung oder schwere Entwicklungsstörungen
anerkannt, die eine weitergehende Betreuung des Kindes durch die Mutter bedingen,
oder auch die mangelnde tatsächliche Möglichkeit der Fremdbetreuung des Kindes
während der berufsbedingten Abwesenheit der Mutter (vgl. Wever/Schilling, FamRZ
2002,581/582 m.w.N.).
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Solche kindbezogenen Gründe liegen nicht vor. Die Betreuung und Versorgung von
zwei statt eines Kindes bedingt nicht, dass die Mutter während des Aufenthalts von
Zwillingen im Kinderhort nicht einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Gelegentlich
erhöhten, außerordentlichen Betreuungsbedarf – z.B. bei Erkrankung des Kindes, bei
plötzlichem Wegfall der Möglichkeit der Hortbetreuung u.ä. - mit der Folge der
beruflichen Einengung der Kindesmutter hat der Gesetzgeber im Regelfall (bei einem
Kind) in Kauf genommen ; er begründet auch bei Zwillingen keine Berechtigung zur
Unterlassung einer geringen Erwerbstätigkeit während der regelmäßigen anderweitigen
Unterbringung der Kinder. Allein durch die erhöhte Möglichkeit des Eintritts eines
zeitweiligen Betreuungssonderbedarfs wird die Erwerbstätigkeit der Klägerin von täglich
4 Stunden nicht unzumutbar und mit Blick auf das Betreungsbedürfnis der Kinder nicht
grob unbillig, zumal der aufgrund der Erklärungen der Parteien gemäß § 1626a Abs. 1
Ziffer 1 BGB vom 7.11.2000 mit-sorgeberechtigte Beklagte, der in der Nähe der Klägerin
wohnhaft ist, bereit ist, diese in ihrer Betreuungsarbeit zu entlasten, zumindest zu
unterstützen.
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b. Elternbezogene Gründe, an welche für die Feststellung der groben Unbilligkeit
strengere Maßstäbe zu setzen sind als an die vom Gesetzgeber ausdrücklich
hervorgehobenen kindbezogenen Gründe, liegen in erheblicher Form ebenfalls nicht
vor.
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Dass der Beklagte durch ein längerfristiges Zusammenleben mit der Klägerin oder
aufgrund des von ihm geäußerten Wunsches nach gemeinsamen Kindern gegenüber
der Klägerin einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, der eine erweiterte
Unterhaltspflicht eröffnet, ist von diesem bestritten, von der Klägerin nicht belegt. Zwar
spricht die Vereinbarung und Ausübung der gemeinsamen Sorge für die Existenz einer
entsprechenden Planung. Andererseits steht dieser Schlussfolgerung entgegen, dass
trotz der zwei gemeinsamen Kindern und trotz längerfristiger
Gemeinschaft/Gemeinsamkeit über mindestens zwei Jahre ein einvernehmliches
Zusammenleben der Parteien mit Außenwirkung, dazu gehört ein formeller, amtlich
angemeldeter gemeinsamer Wohnsitz, oder sogar eine gesellschaftliche Festigung
ihres Verhältnisses als Paar nicht erfolgt ist. Jedenfalls hat die Klägerin ihre
diesbezüglich anderweitige Darstellung nicht belegt. Letzteres läßt im Rahmen der zu
treffenden umfassenden Billigkeitsabwägung nicht den Schluss zu, dass die Planung
der Parteien - wie in einer Ehe - auf jegliche , zumindest auf eine langfristige finanzielle
Versorgung der Kindesmutter durch den Kindesvater angelegt war.
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Dass die Klägerin nicht nur ein Kind, sondern Zwillinge zu versorgen und zu betreuen
hat, rechtfertigt nicht die Abänderung der regelmäßigen Unterhaltsbegrenzung. Denn
eine zeitliche Verlängerung würde an den gegebenen Verhältnissen – abgesehen von
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der wirtschaftlichen Besserstellung der Klägerin – nichts ändern. Wirtschaftliche
Gesichtspunkte können aber vorliegend eine grobe Unbilligkeit mit der Folge der
zeitlichen Unterhaltsverlängerung nicht begründen, weil die Klägerin zur Deckung ihres
eigenen Bedarfs nicht geringere finanzielle Mittel als vor der Geburt der Kinder zur
Verfügung hat
III.
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Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO,
diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Wegen der streitigen, höchstrichterlich noch im Entscheidungsprozess befindlichen
Rechtsfrage zur Verfassungsmäßigkeit der zeitlichen Unterhaltsbegrenzung im Rahmen
des Betreuungsunterhalts gemäß § 1615l BGB wird insoweit die Revision zugelassen.
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Wert des Berufungsverfahrens: 10.461,12 €
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