Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.12.2010

OLG Düsseldorf (rechtsfrage von grundsätzlicher bedeutung, computerspiel, abweisung der klage, www, download, link, webseite, internet, daten, sperrung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 59/10
Datum:
21.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 59/10
Tenor:
Das am 24.03.2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu
vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte selbst vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
vollstreckten Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe:
1
I.
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Die Klägerin vertreibt als eine der weltweit führenden Unternehmen Computer- und
Videospiele, darunter das Computerspiel "A.i.t.d.". Die Beklagte ist eine in S. ansässige
Aktiengesellschaft, welche unter dem Internetdienst www.rapidshare.com Nutzern
Speicherplatz im Internet zur Verfügung stellt. Die Klägerin sieht in diesem Dienst eine
Urheberrechtsverletzung und nimmt die Beklagte als Störerin für den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch in Anspruch. Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540
ZPO Bezug genommen wird, hat dem Unterlassungsbegehren stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte sich nicht auf das Haftungsprivileg
aus § 10 Satz 1 TMG berufen könne. Sie könne auch unter Berücksichtigung der nur
eingeschränkten Haftung eines Störers in Anspruch genommen werden, da sie ihre
Prüfungspflichten verletzt habe.
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Mit der Berufung begehrt die Beklagte Abweisung der Klage. Sie meint, ihre
Sorgfaltspflichten nicht verletzt zu haben. Sie könne nicht sämtliche Dateien löschen
oder zumindest manuell überprüfen, in deren Dateinamen bestimmte Schlüsselbegriffe
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oder zumindest manuell überprüfen, in deren Dateinamen bestimmte Schlüsselbegriffe
vorkommen. Sie sei daher nicht verpflichtet, fremde Inhalte auf Rechtsverletzungen zu
überprüfen, sie zu durchsuchen oder auf sonstige Weise präventiv gegen ihr bekannt
gegebene Rechtsverletzungen Dritter vorzugehen. Mit den von ihr vorgenommenen
Maßnahmen, nämlich der Löschung der Datei, ihrer Aufnahme in den MD5-Filter und
der Sichtung von einschlägigen "Warez-Seiten" habe sie alles Zumutbare
unternommen, um weitere Rechtsverletzungen nach Möglichkeit zu verhindern.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagten untersagt wird,
das Computerspiel "A.i.t.d." im Internet, insbesondere über von der Beklagten
betriebene Server für das Internetangebot www.rapidshare.com oder auf sonstige
Art und Weise vervielfältigen zu lassen oder öffentlich zugänglich zu machen oder
diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen, jedoch nur
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a) soweit das Computerspiel mit einem Dateinamen, welcher den Titel "A. i.t.d."
enthält, auf den Servern gespeichert ist, oder
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b) soweit Hyperlinks auf Dateien, die das Computerspiel "A.i.t.d." enthalten, mit der
URL rapidshare.com/files in den Linksammlungen www.raidrush.org,
rapidlibrary.com, rapidsharesearcher.com, alivedown- load.com, taringa.net,
freshwap.net, hotfilms.org, rapidfind.org und/oder rapidsharedownload.net
verzeichnet sind.
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Im Übrigen hat sie die Klage zurückgenommen.
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Die Klägerin erwidert, die Beklagte habe weitergehende Prüfungspflichten als die
Löschung der konkreten Datei und die Verhinderung ihrer erneuten Speicherung. Im
Rahmen der vom Bundesgerichtshof verlangten besonderen Prüfungspflichten hätte die
Beklagte einen Wortfilter anwenden bzw. einschlägige Linksammlungen durchsuchen
und anhand der ausgefilterten bzw. aufgefundenen Treffer diejenigen Dateien
eliminieren müssen, welche das Computerspiel beinhalten. Die Beklagte treffe auch die
Darlegungslast, warum ihr solche Prüfungspflichten unzumutbar sein sollten. Die
Beklagte habe noch nicht einmal annähernd aufgezeigt, welche Maßnahmen sie
ergriffen habe, um ihren Prüfungs- und Sorgfaltspflichten aufgrund ihrer
Störereigenschaft gerecht zu werden.
12
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die erst- und zweitinstanzlichen
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
13
II.
14
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend
gemachten Unterlassungsansprüche in dem zweitinstanzlich geltend gemachten
Umfang weder aus § 97 Abs. 1, §§ 16, 19a, 94 Abs. 1 UrhG noch aus § 8 Abs. 1, §§ 3
Nr. 11 UWG zu. Insofern sei auf die bisherigen Urteile des Senats zu den
Prüfungspflichten der Beklagten verwiesen (Urteil vom 6. Juli 2010 – I-20 U 8/10; Urteil
15
vom 27. April 2010 – I-20 U 166/09).
1.
16
Zwar liegt eine Rechtsverletzung im Sinne des § 97 UrhG vor, denn unstreitig werden
über den Internetdienst der Beklagten illegale Kopien des streitgegenständlichen
Computerspiels zum Download angeboten. Hieran war die Beklagte durch das
Bereitstellen der technischen Voraussetzungen zum Kopieren auch beteiligt. Eine
Verantwortlichkeit der Beklagten kommt nicht als Täterin oder Teilnehmerin, sondern
allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung zum Tragen. Hierzu hat der Senat
bereits mit dem oben erwähnten Urteil vom 27. April 2010 ausgeführt:
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"Wie schon das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 21.09.2007 – 6 U 86/07, GRUR-RR
2008, 35 = MMR 2007, 786) ausgearbeitet hat, ist die Antragsgegnerin nicht als Täterin
oder Teilnehmerin der in Rede stehenden Urheberrechtsverletzungen anzusehen
(anders Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 2. Juli 2008 – 5 U 73/07, NJOZ 2008,
4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009 – 5 U 111/08, MMR 2010, 51). Indem
sie die Nutzung ihres Dienstspeicherplatzes zum Hochladen beliebiger Dateien zur
Verfügung stellt und den Hochladern durch Mitteilung des Download-Links die
Möglichkeit gibt, auch anderen Nutzern Zugriff auf die gespeicherten Daten zu
verschaffen, nimmt sie selbst keine Veröffentlichungen des Inhaltes vor, so dass ein
täterschaftlicher Urheberrechtsverstoß ausscheidet. Über die Bekanntgabe des
Download-Links und damit über das öffentliche Zugänglichmachen der Datei und ihres
Inhaltes entscheidet nicht die Antragsgegnerin, sondern der Nutzer selbst. Etwas
anderes könnte nur dann gelten, wenn die Antragsgegnerin selbst ein Verzeichnis mit
Download-Links zu den auf ihren Servern gespeicherten Daten bereithalten würde.
Auch eine Haftung als Teilnehmerin an Urheberrechtsverletzungen der Nutzer kommt
nicht in Betracht. Die Teilnehmerhaftung setzt zumindest einen bedingten Vorsatz in
Bezug auf die jeweils konkrete Haupttat voraus, der das Bewusstsein der
Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGHZ 148, 13, 17 = GRUR 2001, 1038 –
Ambiente.de). Von einem solchen Vorsatz kann im vorliegenden Fall nicht
ausgegangen werden. Es ist dem Geschäftskonzept der Antragsgegnerin inhärent, dass
sie von dem Inhalt der gespeicherten Daten weder vorher noch zu einem späteren
Zeitpunkt bis zu der vom Nutzer veranlassten Bekanntgabe der Download-Links an
Dritte Kenntnis hat. Die Hinweise, dass die Antragsgegnerin es darauf anlege, die
Raubkopierszene zur Nutzung ihres Dienstes einzuladen, entspricht einem
Generalverdacht gegen Sharehoster-Dienste und ihre Nutzer, der so nicht zu
rechtfertigen ist. Solange daher die illegalen Nutzungszwecke nicht überwiegen oder
von der Antragsgegnerin beworben werden und sich besonders das Inkaufnehmen
durch die Antragsgegnerin, wie hier, nicht nachweisen lässt, ist ein Gehilfenvorsatz nicht
anzunehmen.
18
Wie das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 21.09.2007 – 6 U 86/07) zu Recht feststellt,
sind legale Nutzungsmöglichkeiten des Dienstes, für die ein beträchtliches technisches
und wirtschaftliches Bedürfnis besteht, in großer Zahl vorhanden und üblich (anderer
Ansicht ohne nähere Begründung Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 2. Juli 2008 –
5 U 73/07, NJOZ 2008, 4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009 –
5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155 mit der Redeweise von dem "von der
Rechtsordnung nicht gebilligtem Geschäftsmodell", da ihm die Gefahr innewohne, für
eine (massenhafte) Begehung von Urheberrechtsverletzungen genutzt zu werden). In
der Literatur wird daher nahezu einhellig betont, dass die Dienste der Antragsgegnerin
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in weiten Teilen legal sind und es sich insofern um ein von der Rechtsordnung durchaus
gebilligtes Geschäftsmodell handelt (so etwa Rössel, ITRB 2008, 6, 7; Raitz von
Frentz/Masch, ZUM 2007, 930, 931; Klinger, jurisPR-ITR 312008 Anm. 4; Breyer, MMR
2009, 14). Denn hierbei kommt der Schutz eines für sich betrachtet neutralen Angebots
zum Tragen. Auch wenn die Weitergabe von Informationen zwangsläufig die abstrakte
Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen enthält, so ist nicht festgestellt, zu welchem
konkreten Anteil die Nutzung von Speicherdiensten illegal erfolgt. Es ist davon
auszugehen, dass die weit überwiegende Zahl von Nutzern die Speicherdienste zu
legalen Zwecken einsetzen und die Zahl der missbräuchlichen Nutzer in der absoluten
Minderheit ist. Soweit das Angebot daher legal genutzt werden kann, genügt es nicht,
dass der Anbieter mögliche Urheberrechtsverletzungen mit der Eröffnung seines
Angebots allgemein in Kauf nimmt.
Ebenso wenig wird durch den Begriff "Rapidshare" die Rechtswidrigkeit des Dienstes
indiziert, wie das Landgericht meint. Der Wortbestandteil "Share" verweist darauf, dass
"Rapidshare" zu den sog. Sharehostern zählt. Mit diesem technischen Begriff werden
Dienste bezeichnet, die zur Übertragung größerer Dateien an bestimmte Personen
genutzt werden können. Auf diese Weise können vielfältige legale Funktionalitäten
eingeführt werden, wie die Verbreitung von Softwareupdates an Kunden oder der Zugriff
auf umfangreiche Kanzleidaten innerhalb einer Anwaltssozietät."
20
2.
21
Zu einer eventuellen Störerhaftung der Antragsgegnerin hat der Senat auch in den
weiteren Ausführungen im Urteil vom 27. April 2010 ausgeführt:
22
"Der Bundesgerichtshof bejaht eine Störerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen für
diejenigen, die ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein in irgendeiner Weise
willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Gutes beitragen (BGHZ
148, 13, 17 – Ambiente.de; BGH WRP 2002, 532 = GRUR 2002, 618, 619 – Meißner
Dekor). Ist das Verhalten des vermeintlichen Störers in irgendeiner Weise mitursächlich
für die Rechtsverletzung geworden, richtet sich die Beurteilung der Adäquanz danach,
ob der Verursachungsbeitrag allgemein und nicht nur unter besonders eigenartigen,
unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu
lassenden Umstände geeignet ist, den konkreten Erfolg herbeizuführen. Werden im
Internet fremde, die Rechte Dritter verletzende Inhalte durch einzelne Anbieter auf
vorhandenen Internetplattformen verbreitet oder zugänglich gemacht, so kann in der
Zurverfügungstellung von Speicherplatz und eines bestimmten Rahmens, in dem die
Inhalte präsentiert werden, ein adäquatkausaler Beitrag des Betreibers dieser
Internetplattform gesehen werden. Eine Störerhaftung ist dann grundsätzlich in Betracht
zu ziehen (Ensthaler, WRP 2010, 309). Hinsichtlich der Einstufung der Antragsgegnerin
als Mitstörerin ist seit der Entscheidung "Internetversteigerung I" und der Entscheidung
"Internetversteigerung II" des Bundesgerichtshofs (BGHZ 158, 236 = GRUR 2004, 860 =
CR 2004, 763 m. Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 m. Anm. Hoeren; BGHZ 172, 119 =
GRUR 2007, 708) davon auszugehen, dass die Haftungsprivilegierungen der §§ 7-10
TMG nicht auf den allgemeinen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch
anzuwenden sind. Vielmehr gilt für den Unterlassungsanspruch die allgemeine
Störerhaftung (§§ 823, 1004 BGB analog).
23
Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen, setzt eine solche
Verantwortlichkeit die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich
24
nach allgemeinen Zumutbarkeitsüberlegungen richtet. Eine erhöhte Prüfungspflicht
besteht insbesondere dann, wenn der Störer vom Recht der Inhaber auf eine klare
Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall muss er nicht nur den
Zugang zu den konkreten Daten unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus
zumutbare Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen
Rechtsverletzungen kommt (siehe BGHZ 158, 26236, 251 f. – Internetversteigerung I,
BGH GRUR 2007, 708, 712 – Internetversteigerung II).
Allerdings hat die Antragstellerin im Streitfall die Anspruchsvoraussetzungen der
allgemeinen Störerhaftung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Haftung der
Antragsgegnerin hängt entscheidend davon ab, ob sie nach Kenntnis der
Rechtsverletzungen das ihr Zumutbare zur Vermeidung ähnlich gelagerter
Rechtsverletzungen vorgenommen hat. Dies setzt eine umfangreiche Prüfung der
technischen Möglichkeiten zur Sperrung ähnlicher Fälle voraus. Insbesondere ist zu
fragen, inwieweit tatsächlich effektive Möglichkeiten der Vorbeugung, Verhinderung und
nachträglichen Beseitigung inklusive Verhinderung einer Wiederholung der Verbreitung
von urheberrechtlich geschütztem Material bei "Rapidshare" bestehen. Soweit das
Geschäftsmodell selbst nicht auf der Nutzung der Rechtswidrigkeit eingestellter Inhalte
beruht, ist dem Provider nicht zuzumuten, auf Grund der Prüfpflichten sein gesamtes
Geschäftsmodell in Frage zu stellen (Willmer, NJW 2008, 1845).
25
(…)"
26
"Im übrigen soll es – nach dem Unterlassungsantrag – verboten sein, Filmdateien mit
einem Dateinamen, welcher den Titel des Films enthält, auf den Servern der
Antragsgegnerin zu speichern. Der Kernvorwurf bei den hier streitgegenständlichen
Urheberrechtsverletzungen liegt aber nicht darin, dass Filmtitel als solche gespeichert
werden. Der Titel des Films ist als solcher kein Gegenstand des Urheberrechts und
damit auch als Name einer Datei rechtmäßig speicherbar. Ein Wortfilter funktioniert im
übrigen nur bei Dateien, bei denen schon im Dateinamen Hinweise auf einen
urheberrechtlich geschützten Inhalt existieren." …
27
"Gerade geschütztes Material wird ferner oft unter »falschem« Namen eingestellt, um die
Wortfilter zu umgehen (so ausführlich Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 2. Juli
2008 – 5 U 73/07, NJOZ 2008, 4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009 –
5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155). Dazu kommt, dass ein Textfilter auch mit
ausreichend vielen Schlüsselwörtern versehen sein muss, damit möglichst viele
geschützte Werke erkannt werden können. Eine fehlerhafte Erkennung kann übrigens
auch dann stattfinden, wenn eine nichturheberrechtlich geschützte Datei ein oder
mehrere Schlüsselworte des Filters enthält. Beispielsweise könnte die Datei
"Mein_Office_2007_Erfahrungsbericht.txt" aufgrund der Schlüsselwörter "Office" und
"2007" als geschütztes Material erkannt und gelöscht werden, obwohl nur ein
persönlicher Erfahrungsbericht vorläge (Breyer, MMR 2009, 14). Daher schränkt die
Sperrung ganzer Begriffe auch die Meinungsfreiheit unangemessen ein. Der Text-Filter
für Dateinamen ist also für einen effektiven Ausschluss von geschütztem Material
ungeeignet.
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Eine Sperrung bestimmter Dateinamen erscheint ungeeignet. Denn Dateinamen sind
jederzeit veränderbar. Aus diesem Grund scheidet auch eine Sperrung aller
Dateinamen, die bestimmte Begriffe enthalten, aus. Im Übrigen sind die Nutzer selbst
nicht auf den Dateinamen zum Auffinden der gesuchten Datei angewiesen, da sie die
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Datei über einen externen Link abrufen, welcher auf einer anderen Internetseite mit dem
entsprechenden Begriff versehen und dadurch auffindbar ist.
Die Forderung nach einer menschlichen, gezielten Überprüfung von Inhalten, bei denen
eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit für Rechteverletzungen besteht, lässt sich wegen
des damit verbundenen Personalaufwands in der Praxis regelmäßig nicht realisieren.
Sie führt lediglich dazu, dass die zu prüfenden Dateien oder Nutzerkonten ohne
menschliche Überprüfung automatisiert gelöscht werden. Als Anknüpfungspunkt dienen
nur bestimmte Schlüsselwörter im Dateinamen. Angesichts der Vielzahl der Dateien und
der Mehrdeutigkeit der einzelnen Begriffe, sowie der leichten Umgehbarkeit steht eine
manuelle Überprüfung nicht im Verhältnis zum Erfolg.
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Eine Anknüpfung an IP-Adressen ist abzulehnen, da eine IP-Adresse regelmäßig von
so vielen verschiedenen Personen genutzt wird, dass die Wahrscheinlichkeit, eine
weitere Rechtsverletzung festzustellen, unverhältnismäßig gering ist. Aus diesem Grund
ist auch eine Sperrung von IP-Adressen nicht wirkungsvoll.
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Zu beachten ist, dass man im Internet einer Filmdatei nicht ansehen kann, dass sie eine
Filmdatei ist. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat erläutert, dass für ihn die Verwendung einer Endkennung
".rar" ein wichtiges Indiz für eine Filmdatei sei. Dies ist unzutreffend. RAR ist ein
allgemeines Dateiformat zur Datenkompression, um den Speicherbedarf von Dateien für
die Archivierung und Übertragung zu verringern. Mit Filmdateien hat das unmittelbar
nichts zu tun.
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Wie Gerhard Schneider aus technischer Sicht beschrieben hat (Schneider: Sperren und
Filtern im Internet, MMR 2004, 18 ff.), kann selbst der Betreiber eines Rechners (z.B. ein
Content-Provider) nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, welche Information sich
hinter einer Bitfolge verbirgt, die ein Benutzer auf diesem Rechner abgelegt hat. Dies gilt
selbst dann, wenn man filmspezifische Suffixe verwendet (wie z.B. .mov, .avi, .mpeg,
.divx). So kann in Microsoft-Betriebssystemen problemlos durch den Benutzer
eingestellt werden, dass .jpg-Dateien mit dem ASCII-Editor, .txt-Dateien jedoch mit einer
Bildbetrachtungssoftware zu öffnen sind. Es besteht für den Nutzer folglich kein Zwang,
überhaupt ein Suffix zu benutzen, oder sich an diese Bequemlichkeitsstandards zu
halten.
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Ferner ist auch eine inhaltliche Kontrolle der auf den Servern der Antragsgegnerin
gespeicherten Daten in der Regel ausgeschlossen. Urheberrechtlich geschützte Inhalte
werden von Nutzern vor dem Upload meist verschlüsselt, so dass der Inhalt für den
Serverbetreiber ohne den Schlüssel nicht mehr erkennbar ist. Wie in der Literatur
beschrieben, sind Daten, die mit modernen Verschlüsselungsprogrammen verschlüsselt
wurden, mit heutigen Entschlüsselungstechniken nicht zu "knacken" (Gercke: Die
Bekämpfung der Internetkriminalität als Herausforderung für die
Strafverfolgungsbehörden, MMR 2008, 291 ff.).
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Über die Einschränkung des Antragsteils b) verliert der Unterlassungsantrag weiter an
Zumutbarkeit. Auch die Variante b) des Unterlassungsantrags ist zu unbestimmt.
Hiernach soll unterbunden werden, dass die Antragsgegnerin eine Suchanfrage in
verschiedenen Linksammlungen ermögliche. Diese Linksammlungen haben aber nichts
mit der Antragsgegnerin zu tun, sondern sind externe, auch sachlich selbständig
organisierte Dienstleistungen. Insofern ist es der Antragsgegnerin unmöglich, die
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externen Linksammlungen und deren Konfiguration zu beeinflussen. Pflichten eines
Sharehosters, fremde Inhalte auf Rechtsverletzungen zu überprüfen, Inhalte zu
durchsuchen oder sonst vorsätzliche Rechtsverletzungen Dritter, von denen der
Anbieter keine positive Kenntnis hat, scheiden aus (Breyer, MMR 2009, 14, 19). Die
Links zu den von der Antragstellerin genannten Filmdateien auf den Servern der
Antragsgegnerin werden in der Regel über sogenannte Linksammlungen oder Link-
Resourcen verbreitet. Ohne eine Geschäftsbeziehung zwischen Sharehoster und den
Linkservern, bei denen der Sharehoster an den Erfolgen Letzterer beteiligt ist, kann eine
manuelle Suche nicht verlangt werden (Willmer, NJW 2008, 1845). Das
Oberlandesgericht Köln stellte aber bereits fest (Urteil vom 21.09.2007 – MMR 2007,
786), dass die regelmäßige Kontrolle einer dreistelligen Zahl von Link-Ressourcen im
Internet die einem Dienstanbieter zumutbaren Überprüfungsmöglichkeiten übersteigt.
Lediglich für eine kleine Anzahl einschlägiger Link-Ressourcen sei es zumutbar, eine
Überprüfung bezüglich genannter Werke durchzuführen."
Auch an dieser Würdigung hält der Senat fest.
36
3.
37
Das vorliegende Verfahren bietet insofern nur noch Anlass zu folgenden ergänzenden
Ausführungen. Anders als in dem Verfahren I-20 U 8/10 kann der Klageantrag in Bezug
auf die Vervielfältigung des Computerspiels auf dem Server www.rapidshare nicht
bereits deshalb abgelehnt werden, weil insofern die Privatkopierfreiheit nach § 53 Abs.
1 UrhG tangiert ist. Denn für den Bereich der Computerspiele gilt der Grundsatz der
Privatkopierfreiheit nicht.
38
a)
39
Die begehrte Unterlassung geht viel zu weit, da sie allein schon die Speicherung von
Dateien mit dem Dateinamen "A.i.t.d." verbietet. Die Klägerin möchte eine Unterlassung
diesbezüglich, dass "das Computerspiel mit einem Dateinamen, welche den Titel 'A.i.
t.d.' enthält, auf den Servern gespeichert ist". Wie bereits im Urteil I-20 U 8/10
ausgeführt, sieht man einer Datei aber nicht an, ob sie das streitgegenständliche
Computerspiel beinhaltet. Es wäre bei den Millionen Dateien, die (zum großen Teil auch
legal) im RapidShare-System vorhanden sind, unzumutbar, eine Überprüfung der
einzelnen Dateien im Hinblick darauf vorzunehmen, ob sich darunter wirklich das
streitgegenständliche Computerspiel befindet. Sollte sich der Antrag darauf beziehen,
dass jedwede Datei, die den Titel "A.i.t.d." enthält, zu löschen ist, wäre dies zu
weitgehend, da es sich hierbei um Begriffe aus der englischen Sprache handelt, die
auch für andere Zwecke verwendet werden können, z.B. für selbstgeschriebene
Gedichte u.a.. Während es für die Klägerin ohne weiteres möglich ist, sämtliche Dateien
mit einem Dateinamen, welcher den Titel "A.i.t.d." enthält zu finden, ist es jedoch
regelmäßig unmöglich zu bestimmen, ob es sich bei den gefundenen Dateien um das
besagte Computerspiel (oder einem Teil davon) handelt. Wird in einer Linksammlung
ein Link gefunden, in dessen Beschreibung ausdrücklich beschrieben wird, dass es sich
hierbei um das entsprechende Spiel handelt, kann trotzdem nicht davon ausgegangen
werden, dass dem wirklich so ist. Es kann sich beispielsweise auch um die Urlaubsfotos
eines Dritten handeln, welcher den Downloadlink leichtfertig veröffentlicht hat. Dieser
könnte nun absichtlich mit urheberrechtlich geschützten Inhalten in Verbindung gebracht
werden, um eine Löschung zu provozieren. Das bedeutet jedoch, dass die Beklagte vor
dem Löschen jede Datei zusätzlich entpacken und überprüfen müsste, ob es sich nun
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wirklich um das Spiel handelt.
b)
41
Die genannten Probleme verstärken sich, wenn man sich die von der Beklagten
beantragte Sperrung des Zugangs zu Linksammlungen ansieht. Die meisten der
genannten Linksammlungen sind von ihrer Konzeption gar nicht dazu geeignet,
rechtsverletzende Inhalte zu finden und entsprechende Links zu sperren.
42
Die Webseite Raidrush.org bietet einen Suchmaschinendienst an, dessen Fokus auf der
Durchsuchung von Dateien auf verschiedenen Filehostern und Speicheranbietern liegt.
Zusätzlich wird auf der Startseite auf aktuelle News im Forum http://board.raidrush.ws
verlinkt. Über ein Eingabefeld im oberen Teil der Webseite kann nach Begriffen in der
Linksammlung des Seitenbetreibers gesucht werden. Dabei wird dem Nutzer zusätzlich
die Möglichkeit geboten, die Suche auf Links zu beschränken, welche entweder auf
Rapidshare.com, Uploaded.to oder Netload.in verweisen. Als Suchergebnis werden
Nutzern der Webseite keine direkten Downloadlinks offenbart. Die bereitgestellte
Funktionalität "Links anzeigen" liefert dementsprechend nur zensierte Links, welche
nicht dafür verwendet werden können, Dateien auf den Servern der Beklagten
aufzufinden. Die eigentlichen Downloadlinks sind in DownloadLinkContainer-Dateien
(DLC) verschlüsselt und somit vom Nutzer nicht direkt einsehbar. Zur Entschlüsselung
dieser DLC-Dateien wird ein Client-Server Model verwendet. Download-Clients, wie
beispielsweise das Programm "JDownloader", werden benötigt, um einen
Schlüsselaustausch mit dem entsprechenden Server vorzunehmen und den direkten
Downloadlink zu erhalten. Dieser erschwerte Zugriff auf die direkten Downloadlinks,
schützt vor dem automatisierten Auslesen der Links und verhindert somit auch im
speziellem eine automatisierte Entfernung von urheberrechtlich geschützten Inhalten auf
den Servern der Beklagten. Eine manuelle Entfernung der entsprechenden verlinkten
Dateien wird ebenfalls deutlich erschwert, da die Links erst entschlüsselt werden
müssen.
43
Die Hauptdienstleistung der Webseite www.rapidlibrary.com besteht aus einer
Suchmaschine, welche Webseiten und Foren nach Downloadlinks von
Speicheranbietern wie Rapidshare, Magaupload und Hotfile, sowie nach MP3s
Dokumenten und Liedtexten durchsucht. Zusätzlich können die Suchergebnisse nach
Dateigröße und Filehoster gefiltert werden. Die Suchfunktion liefert zum einen die
direkten Downloadlinks. Diesen Links werden aber zunächst keine weiteren
Informationen beigefügt, sodass nicht sicher gesagt werden kann, ob es sich bei den
verwiesenen Dateien um das gesuchte Computerspiel handelt. Zusätzliche
Informationen über die Downloadlinks können jeweils auf der Seite, auf der die
Suchmaschine die Links gefunden hat, erhalten werden. Die Tatsache, dass es sich bei
den Quellen um unzählig viele verschiedene Foren, Linksammlungen oder Ergebnisse
anderer Suchmaschinen handelt, verhindert jedoch ein standardisiertes Vorgehen und
erschwert somit die Suche nach betroffenen Links. Die Betreiber der Suchmaschine
fordern ihre Nutzer auf Links auf urheberrechtlich geschützte Inhalte zu melden, welche
dann innerhalb von drei bis fünf Werktagen entfernt werden.
44
Rapidsharesearcher.com ist ein Suchmaschinendienst, welcher Links zu Dateien auf
den Servern von verschiedenen Filehostern und Speicheranbietern liefert. Eine
erweiterte Suchfunktion erlaubt das Filtern der Suchergebnisse nach Dateiformat (avi,
Mp3, Mpeg, Mpg, Wma, WMv, Rar, Zip) und Speicheranbieter (Rapidshare,
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MegaUpload, MegaShares, Badongo, FileFront, SaveFile). Als Suchergebnisse werden
nicht die direkten Downloadlinks geliefert. Es wird zunächst nur ein interner Link
angeboten, über welchen der Nutzer nach einer gewissen Wartezeit zum eigentlichen
Downloadlink weitergeleitet wird. Dadurch werden sowohl eine automatisierte als auch
manuelle Überprüfung der Links (und die Entfernung der entsprechenden Datei)
erheblich erschwert, da die Beschaffung der gesuchten Downloadlinks deutlich mehr
Zeit benötigt.
Die Downloadportale alivedownload.com, www.freshwap.net, www.rapidshare-
download.net und www.hotfilms.org bietet Nutzern die Möglichkeit Beiträge zu erstellen,
in denen die Downloadlinks veröffentlicht werden. Diese Beiträge können zusätzlich
kategorisiert, sowie mit Bildern (Screenshots/DVD-Cover usw.) und Beschreibungen
versehen werden. Über eine Stichwortsuche kann gezielt nach bestimmten Beiträgen
gesucht werden. In Bezug zum Antrag der Klägerin ergeben sich in diesem Fall zwei
Probleme. Zum einen bietet die erweiterte Suchfunktion keine Möglichkeit, die
Ergebnisse im Hinblick auf den jeweils verwendeten Sharehoster zu filtern. Zum
anderen liefert die Stichwortsuche regelmäßig viele Ergebnisse, in denen nur Teile des
Suchbegriffes vorkommen (Beispiel: Suche "A.i.t.d." liefert u.a. auch das E-Book "N.P.:
F.y.w. i.t.d."). Dies führt zu einer verhältnismäßig hohen Anzahl an Suchergebnissen,
von denen das betreffende Computerspiel auf den Servern der Beklagten nur einen
kleinen Teil ausmacht. Der Aufwand für die Identifizierung der Downloadlinks und der
Entfernung der entsprechenden Dateien wird dadurch deutlich erhöht.
46
Unter der Webadresse rapidfind.org ist eine automatische Weiterleitung zu der Webseite
bolt.org eingerichtet. Bolt.org ist ein typisches Onlineforum welches in thematisch
abgegrenzte Unterforen unterteilt ist. In diesen Unterforen können von Nutzern
sogenannte Threads erstellt werden, unter welchen mehrere Beiträge zu einem Thema
zusammengefasst werden. Diese Threads werden im Falle von bolt.org in der Regel
dazu benutzt, Downloadlinks zu veröffentlichen. Für jedes Programm, Computerspiel,
Filmtitel oder ähnlichem wird ein Thread erstellt, in welchem die Downloadlinks (meist
für verschiedene Speicheranbieter) veröffentlicht werden. Wurden die Dateien
(beispielsweise wegen Urheberrechtsverletzungen) auf den Servern der
Speicheranbieter entfernt, reagieren die Nutzer von bolt.org darauf meist damit, dass
neue Beiträge am Ende des Threads veröffentlicht werden, welche wiederum aktuelle
Downloadlinks enthalten, deren Zieldateien noch nicht gelöscht wurden. Um Beiträge
mit Downloadlinks des betreffenden Computerspiels auf den Servern der Beklagten zu
finden, kann die Suchfunktion des Forums verwendet werden. Diese ist jedoch sehr
ungenau und liefert auch viele Ergebnisse in denen die Wörter "A.", "i.", "t." und "D."
alleinstehend vorkommen. So finden sich dort bei der Eingabe des Suchbegriffs
"A.I.T.D." nur sehr wenige Downloadlinks zu dem gesuchten Computerspiel. Dies
erschwert die Suche nach neu erstellten Threads bezüglich des Computerspiels
erheblich. Zusätzlich müssten sämtliche alten Threads regelmäßig auf neu eingestellte
Beiträge überprüft werden, um effektiv die Verbreitung des betroffenen Computerspiels
über diese Webseite zu verhindern.
47
4.
48
Soweit die Klägerin einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch geltend macht, hat sie
bereits ihre Aktivlegitimation nicht dargetan. Sie hat nicht dargelegt, dass zwischen ihr
und der Beklagten ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, sie also nach § 8 Abs.
3 Nr. 1 UWG klagebefugter Mitbewerber ist, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Klägerin
49
vermarktet Computerspiele, die Beklagte hingegen bietet Speicherplatz zur Nutzung an.
Damit sind die angebotenen Leistungen nicht substituierbar. Ein konkretes
Wettbewerbsverhältnis fehlt damit. Im Übrigen dürften die vorstehend angestellten
Erwägungen aber auch für eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung gelten.
Der Senat hat nach § 543 ZPO die Revision zugelassen, weil die Frage, wie ein
Sharehosting-Unternehmen seinen Prüfungspflichten nachkommen soll, um nicht als
Störer in Anspruch genommen zu werden, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung ist, die bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.
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Die Klägerin trägt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich auf § 708 Nr. 10, § 711
ZPO.
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