Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.12.2008

OLG Düsseldorf: stand der technik, begriff, asphalt, baustoff, aufschiebende wirkung, technische regel, unternehmen, wiederverwertung, merkblatt, gesamtpreis

Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 51/08
Datum:
10.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 51/08
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der
Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 7. August 2008 (VK
VOB 12/2008) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tra-
gen.
Der Gegenstandswert wird auf 350.788,04 Euro festgesetzt.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
1
I.
2
Der Antragsgegner schrieb im Februar 2008 den Neubau der Osttangente K 34
zwischen der K 30 und der B 264 in Würselen im offenen Verfahren europaweit aus.
3
Nach Ziffern 4.3 der Bewerbungsbedingungen waren Nebenangebote, die in
technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung abwichen, auch ohne Abgabe
eines Hauptangebots, andere (kaufmännische) Nebenangebote oder
Änderungsvorschläge waren nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen.
Ziffern 4.4 besagten, dass Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, soweit sie
Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern,
ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und
Einzelpreisen aufzugliedern sind (auch bei Vergütung durch Pauschalsummen).
Weitere Mindestanforderungen an die Nebenangebote waren unter Ziffern 5.3 der
Aufforderung zur Angebotsabgabe und unter Ziffern 6.0 der Baubeschreibung festgelegt.
4
Nach der Bekanntmachung war der niedrigste Preis das einzige Zuschlagskriterium.
5
Die Antragstellerin gab ein Hauptangebot und zusätzlich acht Sondervorschläge
(Nebenangebote) ab. Die Beigeladene reichte ein Hauptangebot und insgesamt
achtzehn Nebenangebote ein, die sich auf einzelne Ordnungsziffern des Hauptangebots
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bezogen. Unter Berücksichtigung eingeräumter Nachlässe lag das Hauptangebot der
Antragstellerin bei Berücksichtigung der Sondervorschläge eins und acht preislich vor
dem Hauptangebot der Beigeladenen, abzüglich der durch die Nebenangebote vier bis
fünfzehn generierten Ersparnisse.
Im Anschluss an ein mit dem Antragsgegner geführtes Gespräch wies die Beigeladene
mit Schreiben vom 21. April 2008 darauf hin, dass es sich bei den in den
Nebenangeboten vier bis fünfzehn beschriebenen Rohren um wandverstärkte Rohre
nach DIN V-1201:2004-08 handele. Diese DIN dürfe ab November 2004 nur noch
Anwendung finden.
7
Mit am 19. Mai 2008 zugegangenem Schreiben vom 16. Mai 2008 informierte der
Antragsgegner die Antragstellerin darüber, dass der Zuschlag nicht auf ihr Angebot
erteilt werden könne. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Hauptangebot der
Beigeladenen unter Berücksichtigung der Nebenangebote vier bis fünfzehn zu erteilen.
Von den acht Nebenangeboten der Antragstellerin habe nur das erste Nebenangebot
mit einem Preisnachlass von 45.458,00 Euro (brutto) berücksichtigt werden können. Die
Nebenangebote zwei, drei, fünf und sechs sähen den Einbau von teerhaltigem Material
vor. Das Nebenangebot vier schlage als Bindemittel Bitumen vor, das zwar nach der
ZSTV-Asphalt–STB 01 zugelassen sei, aber nicht dem ausgeschriebenen Bindemittel
Pmb 45 A entspreche. Das Nebenangebot sieben biete bei einer vorgezogenen
Beauftragung bis zum 1. Mai 2008 einen Nachlass von 1% der Auftragssumme an. Das
Nebenangebot acht, das die Positionen 1.3.1.111 (Frostschutzschicht) und 1.3.1.143
(Schottertragschicht) erfasse, sehe den Einbau von Fräsasphalt vor. Der Regelaufbau
fordere nach der Leistungsbeschreibung den Einbau eines natürlichen Mineralgemischs
und nicht eines Recyclingmaterials.
8
Mit Schreiben vom 21. Mai 2008 rügte die Antragstellerin unter anderem: Das
Hauptangebot der Beigeladenen sei wegen einer Änderung an den
Verdingungsunterlagen auszuschließen. Die Beigeladene habe ein drei- bis viermal
teueres Schalungsrohr an Stelle des im Leistungsverzeichnis geforderten Rüttel-Press-
Betonrohrs angeboten. Als reines Straßenbauunternehmen verstoße sie zudem gegen
das Gebot der Selbstausführung, denn sie könne nur 44 % der ausgeschriebenen
Arbeiten selbst ausführen. Die Bedarfsposition 1.3.1.112 sei mit 11,00 Euro pro
Kubikmeter Kiesmaterial unauskömmlich kalkuliert. Zumindest liege eine unvollständige
Preisangabe vor, denn die Hauptposition 1.3.1.111 sei mit einem auffallend hohen Preis
von 30,00 Euro pro Kubikmeter Natursteinschotter angesetzt. Hilfsweise beanstandete
die Antragstellerin, dass ihre eigenen Sondervorschläge zu Unrecht ausgeschlossen
worden seien. Insbesondere der Sondervorschlag eins sei mit einer zusätzlichen
Ersparnis von 80.220,00 Euro (netto) zu werten. Soweit sie mit den Sondervorschlägen
zwei, drei, fünf und sechs teerhaltiges Material angeboten habe, handele es sich um in
einer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zugelassenen Aufbereitungsanlage
wiederaufbereitetes Material (Fräsasphalt), das ein neues Baumaterial und kein
Recyclingmaterial sei. Der Antragsgegner half den Rügen nicht ab.
9
Die Antragstellerin hat daraufhin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer
eingereicht, mit dem sie eine Wiederholung der Angebotswertung erstrebt hat. Mit dem
Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin über die bereits erhobenen Rügen hinaus
beanstandet, die Nebenangebote der Beigeladenen seien nicht zu werten, weil die
Mindestanforderungen für die Nebenangebote unter Ziffer 5.3 der Aufforderung der
Abgabe eines Angebots nicht hinreichend konkret ausgestaltet worden seien.
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Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin aus folgenden
Erwägungen teils als unzulässig und teils als unbegründet zurückgewiesen: Unzulässig
sei der Nachprüfungsantrag, soweit die Antragstellerin erst mit dem Nachprüfungsantrag
gerügt habe, der Antragsgegner habe inhaltlich unbestimmte oder unklare
Mindestanforderungen für Nebenangebote festgelegt. Mit dieser Rüge sei die
Antragstellerin ausgeschlossen. Sie habe bei Durcharbeiten der Verdingungsunterlagen
erkennen können, ob und welche Mindestanforderungen an die Nebenangebote der
Antragsgegner festgelegt habe, und hätte als fachkundiges Unternehmen unbestimmte
Mindestanforderungen unverzüglich rügen müssen. Zudem sei der Nachprüfungsantrag
insoweit auch unzulässig, denn die verspätete Rüge sei treuwidrig. Die Antragstellerin
habe acht Änderungsvorschläge eingereicht. Dabei habe sie sich in keiner Weise dahin
geäußert, die aufgestellten Anforderungen seien unzureichend.
11
Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen unbegründet. Die Nebenangebote zwei bis acht
der Antragstellerin seien nicht wertungsfähig, denn sie entsprächen überwiegend nicht
den an die Nebenangebote gestellten Mindestanforderungen.
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Das Hauptangebot und die Nebenangebote vier bis acht (tatsächlich bis fünfzehn) der
Beigeladenen seien demgegenüber wertungsfähig. Das Hauptangebot der
Beigeladenen ändere die Positionen 1.2.6.129 bis 1.2.6.134 des
Leistungsverzeichnisses nicht. Streichungen oder Hinzufügungen am
Leistungsverzeichnis habe die Beigeladene nicht vorgenommen. Das Hauptangebot
ändere die Verdingungsunterlagen auch nicht in inhaltlicher Hinsicht. Aus dem Inhalt
der Nebenangebote könne nicht darauf geschlossen werden, die Beigeladene habe mit
dem Hauptangebot höherwertige und teurere Schalungsrohre angeboten. Es handele
sich insoweit um Vermutungen der Antragstellerin, die nicht durch Tatsachen belegt
seien. Zudem sei nicht anzunehmen, dass ein Bieter seine Zuschlagschancen
gewissermaßen mutwillig verschlechtere, indem er unnötigerweise ein höherwertigeres
und teureres Produkt als das ausgeschriebene anbiete. Damit riskiere er den
Ausschluss seines Angebotes wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen.
Sollte die Beigeladene identische Produkte mit dem Hauptangebot und den
Nebenangeboten angeboten haben, so führe dies nicht zum Ausschluss des
Hauptangebots, sondern die Nebenangebote seien als Preisnachlässe ohne
Bedingungen zu werten. Diese Preisnachlässe habe die Beigeladene § 21 Nr. 4 VOB/A
zuwider aber nicht an der vorgesehenen Stelle aufgeführt.
13
Auf schriftliche Anfrage im Anschluss an die mündliche Verhandlung habe die
Beigeladene mit Schreiben vom 1. August 2008 im Übrigen erklärt, Gegenstände der
Nebenangebote vier bis acht seien "FBS-Betonrohre B-KF-GM in HS-Zement"
(Hochsulfadurzement).
14
Die Beigeladene, die nur 44 % der Gesamtleistung selbst ausführen könne, verstoße
nicht gegen ein Gebot der Selbstausführung. Ein solches enthalte die VOB/A nicht.
Vielmehr sei es einem Bieter im Rahmen der Eignungsprüfung gemäß § 8 a Nr. 10
VOB/A gestattet, sich auf die Fähigkeiten anderer Unternehmen zu berufen. Erst recht
müsse dies auch für die Phase der Vertragsausführung gelten.
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Das Hauptangebot der Beigeladenen sei schließlich nicht wegen einer unvollständigen
Preisangabe unter den Positionen 1.3.1.111 und 1.3.1.112 von der Wertung
auszuschließen. Es handele sich dabei um Alternativpositionen, weshalb von einem
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unzulässigen Auf- und Abpreisen nicht die Rede sein könne. Die Beigeladene habe
erklärt, für beide Positionen die von ihr tatsächlich geforderten Entgelte angegeben zu
haben.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt und
gleichzeitig einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Der
Senat hat mit Beschluss vom 4. September 2008 die aufschiebende Wirkung der
sofortigen Beschwerde einstweilen verlängert und der Antragstellerin das Schreiben der
Beigeladenen vom 1. August 2008 übersandt.
17
Die Antragstellerin macht nunmehr geltend: Das Hauptangebot der Beigeladenen
ändere die Verdingungsunterlagen in inhaltlicher Hinsicht und sei deshalb
auszuschließen. Die Beigeladene habe mit ihren Nebenangeboten die im
Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen "Rüttel-Pressrohre" bzw. "Maschinenrohre"
und mit dem Hauptangebot sogenannte "Schalungsrohre", die drei- bis viermal teurer
als ein Maschinenrohr seien, angeboten. Die inhaltliche Änderung des
Leistungsverzeichnisses durch das Hauptangebot sei aus dem Inhalt der
Nebenangebote vier bis fünfzehn abzuleiten. Die Beigeladene habe zwar mit ihren
Nebenangeboten ein vom Hauptangebot technisch abweichendes Rohr anbieten
wollen. Der Formulierung "wie Pos. 126129, jedoch Maschinenrohre" sei der Wille der
Beigeladenen zu entnehmen, mit ihrem Nebenangebot einen technisch anderen
Gegenstand als im Hauptangebot anzubieten. Der Begriff "Maschinenrohr" sei ein
Synonym für die im Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen "Rüttel-Press-Rohre". Da
die angeführte Abkürzung "B-KF–GM DN 300" im Nebenangebot sich in technischer
Hinsicht mit der Produktbeschreibung im Hauptangebot "DN 300 KFW-M" decke, könne
die technische Abweichung des Nebenangebots vom Hauptangebot nur in der
Begrifflichkeit "Maschinenrohr" liegen.
18
Die technische Abweichung des Gegenstandes der Nebenangebote gegenüber dem
Hauptangebot liege nicht in der Länge der anzubietenden Rohre. Im
Leistungsverzeichnis seien zwar Rohrlängen von zwei Metern gefordert gewesen.
Diese Längenvorgabe entspreche der außer Kraft getretenen DIN-Norm 4032 und sei
nach dem aktuellen Stand der Technik und der neuen DIN-Norm V-1201 nicht mehr
vorgesehen. Die Nebenangebote der Beigeladenen enthielten keine, erst recht keine
hiervon abweichenden Längenangaben. Deshalb sei davon auszugehen, dass die
Länge der in den Nebenangeboten ausgewiesenen Rohre der Länge der
ausgeschriebenen Rohre entspreche. Die Beigeladene sei nicht gehindert gewesen, die
fehlende Aktualität der Verdingungsunterlagen zu beanstanden. Hierzu sei sie sogar
verpflichtet gewesen, da die Antragsgegnerin in den Verdingungsunterlagen bestimmt
habe, dass die Leistungen nach dem neusten Stand der Technik und den aktuellen
Anforderungen der geltenden DIN-Normen auszuführen seien.
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Die Sondervorschläge eins bis acht seien wertungsfähig. Der Sondervorschlag eins
müsse in voller Höhe der eintretenden Ersparnisse gewertet werden, denn der
Antragsgegner habe positiv gewusst, dass und in welcher Höhe sich weitere
Ersparnisse durch Wegfall von Massen bei der Abtragsposition 1.2.310. ergäben.
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Die Nebenangebote zwei, drei, fünf, sechs und acht erfüllten die Mindestanforderungen.
Das "Merkblatt über die Wiederverwertung von mineralischen Baustoffen im Straßenbau
unter Verwendung von Bitumenemulsionen" sei nicht einschlägig, denn es befasse sich
nur mit pechhaltigen Fräsasphalten, nicht aber mit den angebotenen teerhaltigen
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Fräsasphalten. Zu Unrecht habe der Antragsgegner das Nebenangebot acht nicht
gewertet. Auch der Landestraßenbaubetrieb Nordrhein-Westfalen lasse
Nebenangebote, die eine (Mit-)Verwendung von Asphaltgranulat in
Frostschutzschichten aus natürlichen gebrochenen Gesteinkörnungen vorsehen, zu,
obgleich nach dem Leistungsverzeichnis des Antragsgegners Recycling-Baustoffe
ausgeschlossen sein sollen (Position 2.2.0006: Baustoffgemisch ohne RC-Baustoffe
und industriell hergestellten Gesteinskörnungen). Daraus folge auch, dass es sich bei
teerhaltigem Fräsasphalt nicht um einen Recycling-Baustoff handele.
Die Antragstellerin beantragt,
22
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner zu
verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats eine
Neubewertung der Angebote vorzunehmen.
23
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
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die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
25
Im Wege der Anschlussbeschwerde beantragt die Beigeladene hilfsweise,
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dem Antragsgegner aufzugeben, das Angebot der Antragstellerin wegen
Änderungen an den Verdingungsunterlagen von der Wertung auszuschließen.
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Der Antragsgegner trägt vor: Die Annahme der Antragstellerin, die Beigeladene habe
mit ihrem Hauptangebot ein drei- bis vier Mal teureres Schalungsrohr anbieten wollen,
sei unwahrscheinlich, da die Beigeladene damit den Ausschluss ihres Angebots in Kauf
genommen hätte.
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Recycling-Baustoffe und Recycling-Baustoffgemische seien nach dem Verständnis
eines Bieters im Straßenbau eingesetzte Materialien, die bereits eingebaut gewesen
seien.
29
Die Beigeladene macht geltend: Sie habe mit dem Hauptangebot – wie im
Leistungsverzeichnis gefordert - Rüttel-Press-Rohre mit einer Sonderlänge von 2,00
Metern angeboten und mit ihren Nebenangeboten vier bis fünfzehn Rüttel-Press-Rohre
mit einer Standardlänge von 2,50 Metern. Der Begriff "Maschinenrohr" bezeichne ein
Betonrohr mit einer Standardlänge von 2,50 Metern, nicht aber eine bestimmte
Herstellungsart.
30
Mit der Hilfsanschlussbeschwerde macht die Beigeladene geltend: Das Angebot der
Antragstellerin sei wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen auszuschliessen,
weil diese offenbar mit ihrem Hauptangebot den aktuellen Stand der Technik nach der
neuen DIN-Norm, nämlich Betonrohre mit einer Baulänge von 2,50 m, angeboten habe.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst
Anlagen, die Vergabeakten und die Verfahrensakten der Vergabekammer verwiesen.
32
II.
33
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen
34
Erfolg.
Die Beschwerde ist nicht wegen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht
unzulässig. Die Beschwerdebegründung muss nach § 117 Abs. 2 GWB die Erklärung
enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine
abweichende Entscheidung beantragt wird. Zudem müssen die Tatsachen und
Beweismittel angegeben werden, auf die sich die Beschwerde stützt. An die
Begründungspflicht sind aber keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es gelten die
Grundsätze entsprechend, die auch bei der Begründung der Berufung Anwendung
finden (§ 520 ZPO analog). Danach sind pauschale Bezugnahmen auf den
erstinstanzlichen Vortrag unzulässig (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 26. Aufl., §
520 Rdnr. 40). Der Verweis der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift (S. 30) auf die
Begründung des Nachprüfungsantrags stellt keine solche pauschale Bezugnahme dar.
Er ist nur zur Ergänzung der hilfsweise erfolgten Darlegungen zur Preisgünstigkeit ihrer
Haupt- und Nebengebote auf Seite vier der Beschwerdeschrift erfolgt und daher
zulässig.
35
1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
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37
a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ein
Hauptangebot und acht Nebenangebote eingereicht und damit ihr Interesse an der
Erteilung des Auftrags bekundet. Eine Rechtsverletzung infolge von
Vergaberechtsverstößen hat die Antragstellerin schlüssig dargelegt. Die Angebote
haben auch Aussicht auf Erteilung des Zuschlags. Das Hauptangebot der
Antragstellerin wäre schon bei Berücksichtigung der Sondervorschläge eins und acht
preislich günstiger als das Haupt- und die Nebenangebote vier bis fünfzehn der
Beigeladenen einschließlich des Nachlasses von 2%. Erst recht gälte dies, wenn alle
Sondervorschläge zu berücksichtigen wären. Bei einer Wertungsfähigkeit der Angebote
der Antragstellerin könnte dahinstehen, ob die Angebote der Beigeladenen
wertungsfähig sind. Mithin droht der Antragstellerin bei einer Zuschlagserteilung auf das
Hauptangebot und die Nebenangebote vier bis fünfzehn der Beigeladenen ein Schaden
zu entstehen.
38
b) Die Antragstellerin hat das von ihr beanstandete Zuschlagsvorhaben auf die
Bieterinformation vom 16. Mai 2008 hin unverzüglich unter dem 21. Mai 2008 gerügt.
Die Bieterinformation ist ihr unwiderlegt erst am 19. Mai 2008 zugegangen. Ferner ist zu
berücksichtigen, dass dem Antragsteller im Rahmen der Rügeobliegenheit eine
Überlegungsfrist (vgl. Senat NJW 2000, 145, 147) zuzugestehen ist. Unter dem Gebot,
dass dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigten sind, hat dies
zumal dann zu gelten, wenn, wie im Streitfall, die Antragstellerin bei Abfassung des
Rügeschreibens vom 21. Mai 2008 anwaltlich nicht vertreten war und zahlreiche, nicht
einfache Rechtsfragen zu prüfen waren.
39
c) Die erst mit dem Nachprüfungsantrag erhobene Beanstandung, die
Mindestanforderungen an die Nebenangebote seien inhaltlich unbestimmt, ist nicht
40
präkludiert, § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin unterlag insoweit keiner zu
einem früheren Zeitpunkt anzunehmenden Rügeobliegenheit, insbesondere keiner
Rügeobliegenheit, nachdem sie die Verdingungsunterlagen durchgearbeitet hatte.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Frage, ob nach Maßgabe der insoweit
ergangenen Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urt. v. 16.10.2003, RS. C-241/01, VergabeR
2004, 50 zu Art. 19 Abs. 2 BKR – "Traunfellner"; BayObLG VergabeR 2004, 654, 656;
OLG München, Beschl. v. 11.8.2005 - Verg 12/05; OLG Rostock, Beschl. v. 24.11.2004 –
17 Verg 6/04; Senat, Beschl. v. 7.1.2005,VII-Verg 106/04; OLG Schleswig, VergabeR
2005, 357, 361 f.) in den Verdingungsunterlagen ausreichende Mindestanforderungen
für Nebenangebote angegeben sind, in der Regel nicht einfach zu beantworten ist. Der
bloße Umstand, dass es sich bei der Antragstellerin um ein bei Ausschreibungen
erfahrenes Unternehmen handelt, belegt nicht, dass eine (etwaige) Fehlerhaftigkeit der
Mindestanforderungen von ihr erkannt worden ist. Die Rechtsverstöße waren nur unter
Aufwendung juristischen Sachverstandes erkennbar, ohne dass die Antragstellerin
vergaberechtlich gehalten war, sich solchen Sachverstand durch Zuziehung eines
Rechtsanwalts zu verschaffen. Es ist der Antragstellerin nicht zu widerlegen, dass sie
über den erforderlichen rechtlichen Sachverstand selbst nicht verfügte und ein Verstoß
von ihr infolgedessen nicht erkannt worden ist.
2. Die Sondervorschläge der Antragstellerin und die Nebenangebote der Beigeladenen
sind nicht wegen unbestimmter Mindestanforderungen an die Nebenangebote von der
Wertung auszunehmen.
41
Der Antragsgegner hat im Einklang mit § 10 a f) VOB/A, der richtlinienkonform anhand
von Art. 24 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2004/18/EG auszulegen ist, Nebenangebote
(Varianten) zugelassen und die daran inhaltlich zu stellenden Mindestanforderungen
benannt.
42
Allerdings kann offen bleiben, ob in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter 5.3
inhaltliche Mindestanforderungen an technische Nebenangebote hinreichend bestimmt
und deutlich zum Ausdruck gekommen sind. Die Angebotsaufforderung hatte folgenden
Wortlaut:
43
5.3 Bedingungen, die an Nebenangebote gestellt werden:
44
Nebenangebote sind zugelassen hinsichtlich geänderter Bauausführung in
technischer Alternative, soweit nicht der Gesamteindruck aus Entwurf, Planung und
durch mit der Leistungsbeschreibung festgelegter Merkmale und Standards zum
Nachteil verändert wird. Die durch Planung und Ausschreibungsunterlagen
hinsichtlich Konstruktion, Qualität, Nutzungsdauer, etc, auch durch die Auswahl der
Baustoffe, Geräte, Verfahren, etc. definierten Anforderungen sind als
Mindestanforderungen anzusehen. Nur solche Nebenangebote können
berücksichtigt werden, welche die Mindestanforderungen erfüllen und als objektiv
gleichwertig angesehen werden können.
45
Selbst wenn angesichts der offenen Formulierungen der Sätze 1 und 2 manches dafür
sprechen kann, dass die Anforderungen an Nebenangebote nicht hinreichend konkret
gefasst waren, so ergaben sich aber konkrete Mindestanforderungen an kaufmännische
und technische Nebenangebote aus weiteren Angaben in der Aufforderung zur
Angebotsabgabe und der Baubeschreibung (Verdingungsunterlagen S. 44), die wie
folgt lauteten:
46
5.4 Unzulässigkeit von Nebenangeboten:
47
Nebenangebote sind nicht zulässig hinsichtlich geänderter Ausführungszeiten,
geänderter Zahlungsbedingungen, Pauschalierung zum Festpreis hinsichtlich
Gesamtleistung oder Einzelleistung.
48
6.0 – Nebenangebote:
49
Allgemeines
50
Ausführungsfristen:
51
Nebenangebote mit verlängerter Ausführungs- und Verkehrsbeschränkungsfrist
sind nicht zugelassen
52
Asphaltbauweise:
53
Nebenangebote mit Kiestragschichten für die Bauklassen SV und I sind nicht
zugelassen.
54
Nebenangebote mit Schottertragschichten sind für die Bauklassen SV und I nicht
zugelassen.
55
Nebenangebote mit der Verwendung von pechhaltigen Straßenbaustoffen sind
ausgeschlossen.
56
Nebenangebote mit Tragschichten aus RCL-Material sind nicht zugelassen.
57
…..
58
Eine weitere konkrete Anforderung an die Nebenangebote war unter Ziffer 4.2 der
Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen enthalten.
59
Aus Sicht eines potenziellen Bieters waren damit hinreichend bestimmt und klar
mehrere inhaltliche Mindestanforderungen, die Nebenangebote zu erfüllen hatten,
festgelegt. Zwar waren die Anforderungen nur negativ umschrieben. Dies ist jedoch
nicht zu beanstanden, sofern dadurch – wie im vorliegenden Fall – jedenfalls inhaltliche
Mindestanforderungen aufgestellt worden sind (vgl. auch Senat, Beschl. v. 29.3.2006,
VII-Verg 77/05, Umdruck S. 11/12).
60
3. Mit Ausnahme des Sondervorschlags eins sind die Sondervorschläge zwei bis acht
der Antragstellerin von der Wertung auszunehmen.
61
a) Allerdings ist der Sondervorschlag eins nur mit der von der Antragstellerin
angegebenen Ersparnis in Höhe von 45.458,00 Euro (brutto) bei der Wertung zu
berücksichtigen, nicht aber in Höhe einer weiteren Ersparnis von 80.220,00 Euro (netto).
Die Antragstellerin hatte mit Angebotsschreiben vom 31. März 2008 vorgeschlagen,
anstelle der unter Position 1.2.3.301 vorgesehenen Lieferung und des Einbaus von
9.550 m³ nicht bindigem Füllboden die nach Position 1.2.3.110 anfallenden Abtrags-
und Aushubmassen in derselben Menge nach einer Aufbereitung der Erdmassen in
62
Form einer Zugabe von Kalk einzubauen.
Die Antragstellerin macht nunmehr geltend, es entstünden weitere Ersparnisse unter
Position 1.2.3.110. Dadurch könnten zusätzliche Ersparnisse erzielt werden. Dieses
weitere Ersparnispotential müsse beim Sondervorschlag 1 zusätzlich berücksichtigt
werden. Dem ist aus folgenden Überlegungen heraus nicht zu folgen:
63
Im Streitfall wäre zwar durch den Änderungsvorschlag zu Position 1.2.3.301 auch eine
Teilleistung der Position 1.2.3.110 (Transport und Lagerung von 9.550 m³
Aushubmasse) entfallen. Dass und in welcher Höhe Ersparnisse durch das Entfallen
einer weiteren Teilleistung eintreten würden, hatte die Antragstellerin im Angebot
entgegen der Vorgabe unter Ziffern 4.4 der Bewerbungsbedingungen aber nicht
aufgezeigt. Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, soweit sie Teilleistungen
(Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen
lassen, zusätzlich erfordern) waren nach Mengenansätzen und Einzelpreisen
aufzugliedern. Dies enthielt die (formale) Anforderung, in einem Nebenangebot im
Einzelnen auszuweisen, inwieweit Mengenansätze und Preise bei sämtlichen
Positionen, auf die sich ein Änderungsvorschlag bezieht, beeinflusst werden. Dieser
Anforderung genügte der Sondervorschlag eins nicht. Dem Auftraggeber ist dagegen
nicht zuzumuten, im Angebot nach zusätzlichen, durch ein Nebenangebot gegebenen
Einsparungen zu forschen.
64
Die Vergabestelle hätte aber, auch wenn sie ein zusätzliches Einsparungspotenzial
erkannt hätte, von einer Berücksichtigung absehen müssen. Es war nicht
selbstverständlich oder zwingend, wie die Antragstellerin im Schriftsatz vom 29. Oktober
2008 ausgeführt hat, einen zusätzlichen Preisvorteil bei der Bewertung des
Sondervorschlags eins zu werten. Der Gesamtpreis musste sich nicht gewissermaßen
automatisch weiter reduzieren. So konnte sich auch im Streitfall die Antragstellerin
vorbehalten haben, weitere Einsparungen nicht an den Antragsgegner weiterzureichen,
sondern diese erlössteigernd einzusetzen. Dies ist zumal deswegen nicht
auszuschließen, weil die Antragstellerin jene Einsparungen im Angebot nicht genannt
hatte und sie ebenso wenig verpflichtet war, den Antragsgegner davon profitieren zu
lassen. Vom Bieter im Zusammenhang mit Nebenangeboten nicht aufgezeigte
Einsparungen darf der Auftraggeber daher in der Regel nicht werten.
65
Zu Recht hat die Vergabekammer schließlich darauf hingewiesen, dass der
Antragsgegner nicht erkennen konnte, inwieweit weitere Einsparungen aus der Position
1.2.3.110 schon in die genannte Ersparnis eingeflossen waren. Die Antragstellerin hatte
mit keinem Wort erwähnt, wie sich die angegebene Einsparung zusammensetzte.
Darüber konnten nur Vermutungen angestellt werden. Auf eine Aufklärung über den
Angebotsinhalt nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A hatte die Antragstellerin keinen Anspruch.
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b) Die Nebenangebote zwei bis sechs und acht waren von der Wertung auszunehmen.
Den genannten Nebenangeboten ist gemeinsam, dass in einer Recyclinganlage
wiederaufbereiteter, pechhaltiger Fräsasphalt entweder als Füllboden im Dammbereich
(Nebenangebot zwei), als Binderschicht (Nebenangebot vier) oder für den Einbau in
Frostschutz- und Asphalttragschichten (Nebenangebote drei, fünf und sechs)
vorgesehen ist.
67
aa) Die Nebenangebote zwei, drei, fünf, sechs und acht erfüllen die
Mindestanforderungen "Nebenangebote mit der Verwendung von pechhaltigen
68
Straßenbaustoffen sind nicht zugelassen" und "Nebenangebote mit Tragschichten aus
RCL–Material sind ausgeschlossen" nicht. Die Antragstellerin hat in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat allerdings geltend gemacht, Gegenstand der
Nebenangebote sei teerhaltiger und nicht pechhaltiger Asphalt. Deshalb seien die
Mindestanforderungen erfüllt. Teerhaltiger Asphalt sei von pechhaltigem zu
unterscheiden. Das "Merkblatt für die Wiederverwendung pechhaltiger Ausbaustoffe im
Straßenbau unter Verwendung von Bitumenemulsionen" aus dem Jahre 1993 sei
deshalb nicht einschlägig.
Dem ist so jedoch nicht zuzustimmen. Die Mindestanforderung erfasst neben
pechhaltigen Straßenbaustoffen auch teerhaltige Straßenbaustoffe. Im Ausgangspunkt
zutreffend ist zwar, dass teerhaltiger Asphalt durch Destillation des bei
Hochtemperaturverkokung anfallenden Steinkohlenrohteers hergestellt wird, der
seinerseits aus Steinkohle gewonnen wird (vgl. Brockhaus, Naturwissenschaft und
Technik, Sonderausgabe 1989 Stichworte "Teer" und "Pech"), während pechhaltiger
Asphalt aus Bitumen gewonnen wird, das seinerseits aus Erdöl vakuumdestilliert wird
(vgl. Brockhaus, Naturwissenschaft und Technik, Stichwort: "Bitumen"). Der Einsatz von
Teer, der aufgrund seiner Herkunft auch Steinkohlenteerpech genannt wird, ist in
Deutschland im Straßenbau seit 1984 verboten (vgl. Technische Regel für Gefahrstoffe
551). Teerhaltige Asphalte setzen vergleichsweise hohe Mengen an Schadstoffen frei.
Die Begriffe "Teer" und "Pech" werden allerdings im allgemeinen und technischen
Sprachgebrauch als Synonyme verwandt. In der Einleitung des "Merkblatts für die
Wiederverwendung pechhaltiger Ausbaustoffe im Straßenbau unter Verwendung von
Bitumenemulsionen", herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen-und
Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Asphaltstraßen, von 1993 wird auf diesen Sachverhalt
und den Sprachgebrauch hingewiesen. Dort heißt es:
69
"Mit der Einführung der DIN 55946 Bitumen und Steinkohlenteerpech im Jahre 1984
wird der bis dahin geltende Begriff "Teer" durch den Begriff "Pech" ersetzt. In der
Vergangenheit wurde im Straßenbau neben anderen Bindemitteln auch Straßenpech
(Gemisch aus Steinkohlenteerpech und kohlestämmigen Ölen) als Bindemittel
angewendet. Daneben kamen Gemische aus Straßenpech und Straßenbaubitumen
(zum Beispiel Pechbitumen), aus kohlestämmigen Ölen und Bitumen sowie Kaltpech
zum Einsatz, wie zum Beispiel bei:
70
- Bodenverfestigungen,
71
- Tragschichten,
72
- Makadam- und Einstreudecken,
73
- Deck- und Binderschichten,
74
- Oberflächenbehandlungen.
75
Straßenpech wird heute im Straßenbau in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr
verwendet und daher in den einschlägigen Technischen Vertragsbedingungen und
Richtlinien nicht mehr aufgeführt.
76
Ferner heißt es im Merkblatt Ausgabe 2002, ebenfalls von der Forschungsgesellschaft
für Straßen– und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Mineralstoffe im Straßenbau, erstellt:
77
Seit Beginn der 80er Jahre hat die Wiederverwertung von mineralischen Baustoffen in
erheblichem Umfang Eingang in die Praxis und entsprechende Berücksichtigung im
Regelwerk für den Straßenbau gefunden, so z.B. in dem ZTV E-STB und ZTV T-StB.
Die Recycling-Baustoffe für Tragschichten ohne Bindemittel wurden in die TL Min-StB
aufgenommen.
78
Ein verständiger Bieter wird angesichts des Umstandes, dass teerhaltiges Material im
Straßenbau seit 1993 nicht mehr eingesetzt werden darf, und in den einschlägigen
technischen Richtlinien und Vertragsbedingungen der Begriff "Teer" durch den Begriff
"Pech" ersetzt wurde, die Mindestanforderung "Nebenangebote mit der Verwendung
von pechhaltigen Straßenbaustoffen sind nicht zugelassen" dahingehend weit auslegen
und verstehen, dass von der genannten Mindestanforderung auch gefräster teerhaltiger
Asphalt erfasst wird. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Annahme bildet auch der
Umstand, dass die Antragsgegnerin den Begriff "teerhaltig" im Schreiben vom 16. Mai
2008 als Synonym für den Begriff "pechhaltig" verwandt hat.
79
Der Sondervorschlag vier, der sich auf die Position 1.3.2.123 (Asphaltbinderschicht)
bezog, war zumindest wegen Nichterfüllung der Mindestanforderung "kein pechhaltiger
Straßenbaustoff" von der Wertung auszunehmen. Das Nebenangebot schlug vor, an
Stelle des vorgegebenen Bindemittels "PmB" eine Asphaltbinderschicht aus Bitumen
30/45 einzubauen. Zwar ist Bitumen - unstreitig - nach der ZTV-Asphalt StB 01 als
Asphaltbinderschicht zugelassen, wie die Antragstellerin zutreffend eingewandt hat. Die
Mindestanforderungen an die Nebenangebote unter Ziffern 6.0 der Baubeschreibung
sahen - wie ausgeführt - aber den Einsatz von pechhaltigen Straßenbaustoffen nicht vor.
Auch insoweit gilt im Übrigen: Die Entscheidung des Antragsgegners, keine
pechhaltigen Straßenbaustoffe einzusetzen, ist vergaberechtlich hinzunehmen.
80
bb) Die Nebenangebote drei (Frostschutzschicht), fünf (Frostschutzschicht und
Asphalttragschicht), sechs (Asphalttragschicht) und acht (Frostschutzschichten) erfüllen
die Mindestanforderung "Nebenangebote mit Tragschichten aus RCL-Material sind
ausgeschlossen" nicht. Die Abkürzung "RCL" steht dabei für "Recycling". "Recycling"
kennzeichnet u.a. die "Wiederverwendung/Wiederverwertung" eines bereits benutzten
Roh- oder Baustoffes. Der Begriff ist im Merkblatt über die Wiederverwertung von
mineralischen Baustoffen als Recycling-Baustoffe im Straßenbau, Ausgabe 2002 wie
folgt erläutert:
81
2. Begriffe:
82
Wiederverwertung von Baustoffen ist der Verbleib gebrauchter Baustoffe im
Wirtschaftskreislauf nach Behandlung (in der Regel nach Aufbereitung).
83
Recycling-Baustoffe (Lieferbezeichnung: RC-Baustoffe) sind Gemische aus
Gesteinskörnungen, die zuvor schon als natürliche oder künstliche mineralische
Baustoffe in gebundener oder ungebundener Form eingesetzt waren. Sie werden beim
Umbau, Rückbau oder Abbruch gewonnen und dem neuen Verwendungszweck
entsprechend aufbereitet.
84
Recycling-Baustoff-Gemische (Lieferbezeichnung: RC-Gemische) sind nach den TL
Min-STB Gemische aus RC-Baustoffen und ungebrauchten Baustoffen.
85
86
3. Art und Herkunft der mineralischen Baustoffe
87
Mineralische Baustoffe, die wiederverwertet werden können fallen vor allem beim
Rückbau (Abriss), Umbau, Ausbau und der Erhaltung von Hoch- und Tiefbauten,
Straßen, Wegen und Flugplätzen sowie sonstigen Verkehrsflächen an.
88
Bei diesen gebrauchten Baustoffen handelt es sich überwiegend um
89
a. ungebundene Stoffe
90
91
….
92
b. hydraulisch gebundene Stoffe
93
94
….
95
c. bitumengebundene Stoffe
96
97
Aufbruchasphalt
98
Fräsasphalt
99
…..
100
Der Begriff "Recycling-Baustoff" erfasst damit auch einen bereits eingebauten und durch
Fräsen ausgebauten teerhaltigen Asphalt, der als Tragschicht (Frostschutz- oder
Asphalttragschicht) eingesetzt wird. Nach den "Technischen Lieferbedingungen für
Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im
Straßenbau (TL SOB-StB) Ausgabe 2004/Fassung 2007" sind Frostschutzschichten
Tragschichten ohne Bindemittel, die Frostschäden im Straßenoberbau vermeiden sollen
und aus frostunempfindlichen Baustoffgemischen bestehen.
101
Soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, es handele sich bei dem in einer
102
Recyclinganlage aufbereiteten Fräsasphalt nicht um Recyclingmaterial, sondern um
einen neuen Baustoff, ist dem nicht zuzustimmen. Der Begriff "Recyclingmaterial"
erfasst jeden Roh- oder Baustoff, der schon einmal eingebaut war, ausgebaut und
aufbereitet wurde, unabhängig davon, ob der Baustoff nach einer thermischen oder
kalttechnischen Aufarbeitung über die gleichen Eigenschaften wie ein neuer Baustoff
verfügt. Auch das Merkblatt für die "Wiederverwendung" pechhaltiger Ausbaustoffe unter
Verwendung von Bitumenemulsionen von 1993 befasst sich, wie schon der Titel aber
auch die Einleitung besagen, mit der "Wiederverwendung" (Recycling) von
Straßenausbaustoffen. Unter Ziffern 5.2 wird beschrieben, dass Straßenausbaustoffe
durch gezieltes Fräsen gewonnen werden können. Die Aufbereitung des durch Fräsen
ausgebauten Asphalts zu einem Baustoffgemisch kann im Wege des Zentralmisch- oder
Heissmischverfahrens erfolgen (Ziffer 6 und Einleitung). Der Verwendungsbereich für
solchermaßen aufbereitete Baustoffgemische ist unter Ziffer 7 angegeben.
Die Antragstellerin hat zwar mit Recht darauf hingewiesen, dass Fräsasphalt nach dem
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (§ 5 Abs. 2 KRW-/AbfG) wiederverwertet werden
darf, unter der Voraussetzung, dass er frei von Fremdstoffen und
gesundheitsschädlichen Substanzen ist (§ 5 Abs. 3 KrW/AbfG). Eine
Wiederverwendung von pechhaltigen Straßenbaustoffen wird auch in den oben zitierten
Merkblättern empfohlen. Es ist aber Sache des Auftraggebers, den Gegenstand der
Beschaffung nach seinen Vorstellungen zu bestimmen. Dagegen ist weder im
Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren für die am Auftrag interessierten
Unternehmen Raum, eigene, insbesondere die Mindestanforderungen an
Nebenangebote abändernde Vorstellungen hinsichtlich des Gegenstandes der
Beschaffung anzubringen oder erst recht gegen den Auftraggeber durchzusetzen (vgl.
Senat, Beschl. v. 17.11.2008, VII-Verg 52/08, Umdruck S. 6 und 7). Deshalb ist
unerheblich, dass der Landesstraßenbaubetrieb NRW - wie die Antragstellerin
behauptet - aus Fräsasphalt bestehende Tragschichten als Baustoff zu lässt.
103
Ergänzend ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Bei dem Gegenstand des
Nebenangebots acht handelt es sich um ein Recycling-Baustoff-Gemisch im Sinne der
Begriffsbestimmung des Merkblatts von 2002 und der TL SoB StB unter 1.3.2.
Recycling-Gemische zeichnen sich dadurch aus, dass es sich um Baustoffgemische
aus recycelten Materialien und natürlichen und/oder industriell hergestellten
Gesteinskörnungen handelt. Soweit die Antragstellerin meint, der Antragsgegner könne
das Nebenangebot acht auch ohne Fräsasphalt bezuschlagen, weil sie "Frostschutzkies
und gebrochenes Gestein und/oder gefräster Asphalt, letzteren mit Höchstzugabe von
30 %" angeboten habe, darf nicht übersehen werden, dass sie sich ausdrücklich
vorbehalten hat, Fräsasphalt einzubauen, nämlich entweder in der Kombination
"Frostschutzkies/gebrochenes Gestein/gefräster Asphalt" oder in der alternativen
Kombination "Frostschutzkies/gefräster Asphalt" (als Ersatz für das gebrochene
Gestein). Im Zuschlag auf ein Gemisch bestehend aus "Frostschutzkies und
gebrochenem Gestein" läge eine Ablehnung des Nebenangebots acht und zugleich ein
neues Angebot des Auftraggebers, welches noch der Annahme der Antragstellerin
bedürfte.
104
c) Der Sondervorschlag sieben erfüllte schließlich nicht die Mindestanforderungen an
die Nebenangebote unter Ziffern 5.4 der Bewerbungsbedingungen für die
Bauleistungen. Diese besagten u.a., dass Nebenangebote hinsichtlich geänderter
Ausführungszeiten nicht zulässig sind. Das Nebenangebot sah für den Fall der
Auftragserteilung bis zum 2. Mai 2008 einen Nachlass von 1 % auf den Angebotspreis
105
vor.
4. Das Hauptangebot der Beigeladenen war unter Berücksichtigung der aus den
Nebenangeboten vier bis fünfzehn zu erzielenden Ersparnisse wertungsfähig.
106
a) Es kann offen bleiben, ob das Hauptangebot wegen Änderungen an den
Verdingungsunterlagen von der Wertung auszunehmen war. Die Beigeladene, so die
Antragstellerin, habe mit dem Hauptangebot ein sogenanntes "Schalungsrohr" anstatt
der im Leistungsverzeichnis unter den Positionen 1.2.6.129 bis 1.2.6.145 geforderten
Rüttel-Press-Betonrohre angeboten, wie anhand einer Auslegung des Hauptangebots
unter Hinzuziehung der Nebenangebote als Inhalt des Hauptangebots festzustellen sei.
Im Ausgangspunkt ist zwar die Auffassung der Antragstellerin zutreffend, dass ein
Hauptangebot - jedenfalls bei Zweifeln an seinem Inhalt - auszulegen ist und dies auch
unter Heranziehung eingereichter Nebenangebote geschehen kann. Bei Betrachtung
des Wortlauts des Hauptangebots bestehen allerdings keine Zweifel daran, dass
Gegenstand die im Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen Gegenstände sein sollten.
Die Bezeichnung der Rohre im Hauptangebot als "Rüttel-Press-Rohre, DN 300,
Baulänge 2,00 M" war identisch mit der Bezeichnung im Leistungsverzeichnis und damit
eindeutig.
107
Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die Beigeladene mit ihrem
Hauptangebot an Stelle der im Leistungsverzeichnis geforderten Rüttel-Press-
Betonrohre sogenannte Schalungsrohre angeboten hat, ist aber im Streitfall aus
anderen Gründen nicht entscheidungserheblich. Nach den Bewerbungsbedingungen
unter Ziffern 4.3 waren Nebenangebote, die in technischer Hinsicht von der
Leistungsbeschreibung abweichen, auch ohne die Abgabe eines Hauptangebots
zugelassen. Bei den Nebenangeboten vier bis fünfzehn handelt es sich um technische
Nebenangebote, die von der Leistungsbeschreibung abweichen, wie noch darzulegen
sein wird, und nicht um kaufmännische Nebenangebote, die nur in Verbindung mit
Hauptangebot zugelassen waren. Es kann mithin dahinstehen, ob Gegenstand des
Hauptangebots "Rüttel-Press-Rohre" oder "Schalungsrohre" waren.
108
Ergänzend ist darauf hinzuweisen: Gegen die Annahme der Antragstellerin, Gegen-
stand des Hauptangebots seien Schalungsrohre, sprechen indiziell die mit dem
Hauptangebot und den Nebenangeboten angebotenen Preise. Der von der
Beigeladenen angebotene Preis für das Hauptangebot liegt nur um ca. die Hälfte über
dem Preis der Nebenangebote. Nach dem – unbestritten gebliebenen - Vortrag der
Antragstellerin soll der Preis für Schalungsrohre aber drei- bis viermal höher sein als der
Preis für Rüttel-Press-Betonrohre.
109
b) Die Nebenangebote vier bis fünfzehn sind technische Nebenangebote und als solche
unabhängig von einem Hauptangebot wertungsfähig. Mit den technischen
Nebenangeboten bot die Beigeladene Rüttel-Press-Betonrohre mit einer Standardlänge
von 2,50 Metern an.
110
Unter den Positionen 1.2.6.129 bis 1.2.6.145 des Leistungsverzeichnisses waren Rüttel-
Press-Betonrohre nach laufenden Metern und mit unterschiedlichen Durchmessern von
300, 400 und 500 mm sowie einer Baulänge von 2,00 Metern anzubieten. Die Position
1.2.6.129 lautete beispielsweise wie folgt:
111
Position 1.2.6.129:
112
55.000 LFDM Rüttel-Press-Betonrohre DN 300 KFW-M mit Glockenmuffe,
wandverstärkt gem. DIN 4032, Güteklasse FBS-Qualität, Baulänge 2,00 m, mit
eingebautem Dichtmittel aus Elastomeren gem. DIN 4060, liefern und auf die
ausgerichtete Arbeitsohle flucht- und gefällegerecht in Tiefen bis 3,00 M verlegen.
113
Die Nebenangebote vier bis fünfzehn, die die Positionen 1.2.6.129 bis 1.2.6.134 und
1.2.6.140 bis 1.2.6.145 betrafen, lauteten im Wesentlichen wie folgt:
114
Wie Pos. 126129, jedoch Rohr als Maschinenrohr B-KF-GM DN 300 in FBS/HS-
Qualität. Dafür entfällt 126129.
115
Der Buchstabe "B" steht - wie zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist - für
Beton und "W" für wandverstärkt sowie die Buchstaben "K" für Kreisquerschnitt und "F"
für Fuß als Auflager, "GM" bzw. "M" für (Glocken-)Muffe und "DN" für Durchmesser.
Damit stimmen zwar die technischen Abkürzungen der im Leistungsverzeichnis
ausgeschriebenen Rohre mit denjenigen der Betonrohre überein, die Gegenstand der
Nebenangebote sind. Auf den ersten Blick war aber nicht zu erkennen, hinsichtlich
welcher technischen Dimension die mit dem Änderungsvorschlag angebotenen Rohre
sich von den ausgeschriebenen Rohren unterschieden oder ob der Gegenstand der
Nebenangebote mit dem Gegenstand des Leistungsverzeichnisses (und des
Hauptangebots) identisch war. Der Durchmesser war mit 300 mm identisch und eine
Rohrlänge nicht angegeben. Aus der Nichtangabe einer Länge kann jedoch nicht
geschlossen werden, dass die Länge der mit dem Nebenangebot angebotenen Rüttel-
Pressrohre identisch sein sollte, wie die Antragstellerin meint.
116
Die Nebenangebote sind vielmehr in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB
aus der Sicht eines öffentlichen Auftraggebers in der Situation des Antragsgegners
auszulegen. Zwischen den Verfahrensbeteiligten bestand in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat Einigkeit darüber, dass der Begriff "Maschinenrohr" ein
Synonym für solche Rohre ist, die durch maschinelle Herstellungsverfahren wie
Schleudern, Pressen, Rütteln und kombinierte Verfahrenstechniken zur Verdichtung des
Betons hergestellt werden. Es werden zwei Fertigungsverfahren für Betonrohre nach
dem Zeitpunkt der Entschalung unterschieden: Entschalen unmittelbar nach dem
Herstellen oder Erhärtung in der Schale. Kennzeichnend für die maschinellen
Herstellungsverfahren ist, dass die Rohre nicht in der Schalung über längere Zeit
gehärtet werden, sondern unmittelbar nach dem Herstellen entschalt werden, auch
Sofortentschalungsrohre genannt (vgl. Internetseite der Fachvereinigung Betonrohre
und Stahlrohre e.V. unter 3.2 Herstellverfahren). Davon unterschieden werden
Herstellungsverfahren, die sich Gießtechniken und thermischer Aushärtung bedienen.
Diese Rohre werden "Schalungsrohre" genannt, weil sie durch gezielte
Wärmebehandlung und Feuchtigkeitszuführung in der Schalung ausgehärtet werden.
Ob der Begriff "Maschinenrohr" etwas über die Standardlänge von 2,00 Metern der
Rohre aussagt, wie die Beigeladene meint, kann dahinstehen.
117
Bei der Auslegung der Nebenangebote ist aber zu berücksichtigen, dass die DIN-Norm
4032, auf die das Leistungsverzeichnis verweist und die noch als Standardmaß eine
Länge von 2,00 Metern vorsah, im Zeitpunkt der Einreichung der Angebote nicht mehr
galt, und die seit 2004 in Kraft befindliche DIN-Norm V-1201 von Standardlängen für
Betonrohre von mindestens 2,50 Metern ausgeht. Handelsüblich werden Betonrohre mit
einer Länge von 2,50 Metern angeboten, während die Länge von 2,00 Metern nach der
118
seit 2004 geltenden DIN-Norm eine Sonderlänge ist. Dies hat auch die Antragstellerin
bestätigt. Ein öffentlicher Auftraggeber, der das Leistungsverzeichnis unter
Berücksichtigung der einschlägigen DIN-Normen erstellt oder erstellen lässt und
abweichend von der handelsüblichen Länge eine Sonderlänge verlangt hat, wird aber in
Anbetracht der seit 2004 geltenden DIN-Norm V-1201 und ihrer Vorgaben zur Länge der
Rohre erwarten, dass die mit den Nebenangeboten angebotenen "Maschinenrohre" den
auf den Märkten befindlichen Standardlängen entsprechen. Daher sind die
Nebenangebote der Beigeladenen dahingehend auszulegen und zu verstehen, dass
technisch abweichend vom ausgeschriebenen Leistungsgegenstand Maschinenrohre
mit einer Standardlänge von mindestens 2,50 Metern Gegenstand der Nebenangebote
sind. Dies gilt umso mehr, als Standardrohre preislich günstiger herzustellen sind als
Sonderlängen.
Die Vergabestelle durfte sich durch ein Bietergespräch mit der Beigeladenen nach § 24
Nr. 1 Abs. 1 VOB/A über den Inhalt der Nebenangebote vier bis fünfzehn unterrichten,
ohne dass hierin eine unzulässige Nachverhandlung zu sehen ist. Von dieser
Möglichkeit hat sie Gebrauch gemacht, wie das Schreiben der Beigeladenen vom 21.
April 2008 belegt. Zwar hat die Vergabestelle von der Beigeladenen offenbar nur eine
Aufklärung zur Wandstärke der Rohre verlangt, die die Beigeladene ihr unter Beifügung
einer Ablichtung der einschlägigen DIN-Norm V-1201 erteilt hat. Der Umstand, dass die
Vergabestelle sich nicht über die technischen Abweichungen der Nebenangebote zum
Leistungsverzeichnis von der Beigeladenen aufklären ließ, ist demgegenüber damit zu
erklären, dass die betreffenden Positionen des Leistungsverzeichnisses nach laufenden
Metern abgerechnet werden sollten und die Rohre der Nebenangebote etwa um die
Hälfte billiger waren als die mit dem Hauptangebot angebotenen Rohre. Schließlich hat
auch die Beigeladene mit Schreiben vom 1. August 2008 unter Vorlage des Angebots
ihres Vorlieferanten gegenüber der Vergabekammer erklärt, dass die verlangte
Baulänge von 2,00 Metern handelsunüblich sei. Die Produktbezeichnung beschreibe
handelsübliche Betonrohre, welche die heutzutage fast ausschließlich produzierte
Baulänge von 2,50 Metern bezeichne.
119
5. Das Hauptangebot der Beigeladenen, und zwar unter Berücksichtigung der
Ersparnisse aus den Nebenangeboten vier bis fünfzehn, ist auch nicht wegen
unvollständiger Preisangaben oder Unauskömmlichkeit von der Wertung auszunehmen.
120
a) Damit ein Angebot gewertet werden kann, ist jeder in der Leistungsbeschreibung
vorgesehene Preis so - wie gefordert - vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der
für die betreffende Leistung beansprucht wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.5.2004, X ZB 7/04,
Umdruck S.10, VergabeR 2004, 473). Von einer unvollständigen Preisangabe kann nur
ausgegangen werden, wenn festzustellen ist, dass zwar - wie vom Auftraggeber
gefordert - ein Preis angegeben wurde, der aber dem tatsächlich vom Bieter für die
Leistung beanspruchten Preis nicht entspricht, sondern zum Beispiel darunter liegt.
Darauf, ob eine andere Position des Leistungsverzeichnisses aufgepreist wurde, kommt
es für die Beurteilung der Unvollständigkeit einer Preisangabe nicht an (vgl. OLG
Koblenz, VergabeR 2006, 233, 236; a.A.: OLG Frankfurt a.M. NZBau 2006, 259, 260;
VergabeR 2006, 126, 128; OLG Dresden NZBau 2006, 130 = VergabeR 2005, 641, 642;
Brandenburgisches OLG VergabeR 2005, 770, 772).
121
Die Preisangabe unter der Position 1.3.1.112 ist mit einem Einheitspreis von ca. 11 Euro
für 11.500 m³ Kies ist nicht unvollständig. Unter der Position 1.3.1.111 war die Angabe
eines Einheitspreises für Natursteinschotter gefordert, den die Beigeladene mit ca. 30
122
Euro pro Kubikmeter genannt hat. Bei der Position 1.3.1.112 handelt es sich um eine
Alternativposition zur Position 1.3.1.111 und nicht um eine Bedarfsposition. Als solche
ist sie ausweislich des Leistungsverzeichnisses auf Seite 66 bezeichnet. Die
Beigeladene hat hierzu mit Schreiben vom 24. April 2008 erklärt, sie habe an Stelle von
Natursteinschotter (gebr. Material) das preislich günstigere natürliche Material aus Kies
angeboten, das ebenfalls zugelassen sei. Es ist deshalb der Beigeladenen nicht zu
widerlegen, dass sie den geforderten und von ihr auch tatsächlich beanspruchten Preis
vollständig angegeben hat, selbst wenn der verlangte Preis unter dem Einstandspreis
liegen sollte, was freilich von der Antragstellerin nicht dargelegt worden ist noch sonst
festgestellt werden kann.
b) Der Angebotspreis (Haupt- und Nebenangebote vier bis fünfzehn) der Beigeladenen
ist nicht feststellbar unauskömmlich im Sinne des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A. Der
Antragsgegner hat die Auskömmlichkeit der Haupt- und Nebenangebote der
Beigeladenen gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A geprüft. Selbst wenn der angegebene
und beanspruchte Einheitspreis für Kies unter dem Einstandspreis liegen sollte, wofür
allerdings keine Anhaltspunkte vorliegen, bedeutet dies nicht, dass der Gesamtpreis des
Hauptangebots unter Berücksichtigung der Nebenangebote vier bis fünfzehn nicht
auskömmlich ist, insbesondere die Beigeladene infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten
nicht in der Lage sein wird, den Auftrag ordnungsgemäß, d.h. mängelfrei und
fristgerecht, auszuführen. Entscheidend für die Beurteilung der Auskömmlichkeit sind
nicht einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern der Gesamtpreis der
Haupt- und Nebenangebote. Dieser liegt aber noch über dem Gesamtpreis der
Antragstellerin (Hauptangebot und Sondervorschläge eins bis acht).
123
c) Soweit die Antragstellerin mit ihrem Rügeschreiben vom 21. Mai 2008 geltend
gemacht hat, eine Frostschutzschicht aus Kiesmaterial sei aus technischen Gründen
nicht notwendig, ist die Entscheidung des Auftraggebers, Kiesmaterial zu verlangen,
vergaberechtlich hinzunehmen.
124
6. Die Beigeladene verstößt auch nicht gegen ein Gebot der Selbstausführung, in dem
sie als reines Straßenbauunternehmen nur 44% der Arbeiten selbst ausführen und im
Übrigen für die Auftragsdurchführung Nachunternehmer einsetzen wird. Ein Gebot zur
Selbstausführung ist den richtlinienkonform auszulegenden Vorschriften der VOB/A (§ 8
a Nr. 10 VOB/A) und der VgV (§ 4 Abs. 4 VgV) nicht zu entnehmen. Ein nationales
(vollständiges oder teilweises) Fremdausführungsverbot ist europarechtlich unzulässig
(vgl. zur insoweit gleich zu beurteilenden Rechtslage nach der VOL/A: Hausmann in
Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 7 Rdnrn. 108 ff.; Stolz, in Willenbruch/Bischoff,
Kompaktkommentar Vergaberecht, S. 808). Wie der Senat erst kürzlich in seiner
Entscheidung vom 22. Oktober 2008 (VII-Verg 48/08, Umdruck S. 11) ausgeführt hat,
sind die einschlägigen Vorschriften nicht nur auf die Zurechnung der Leistungsfähigkeit
des Dritten zu beziehen, sondern auch auf die Möglichkeit, Teilleistungen des Auftrags
ganz oder teilweise Dritten zu übertragen. Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH, Urt. v. 2.12.1999, Rs. C- 176/98 Tz. 29 –
Holst Italia; Urt. v. 14.4.1994, Rs. C- 389/92, Slg. 1994, I- 1289 - Ballast Nedam I; Urt. v.
10.12.1997, Rs. C-5/97, Slg. 1997, I- 7549 - Ballast Nedam II; Urt. v. 18.3.2004, Rs. C-
314/01, VergabeR 2004, 465, Tz. 44 - Siemens) geht als selbstverständlich davon aus,
dass mit der Möglichkeit einer Zurechnung der Leistungsfähigkeit eines Dritten auch die
Übertragung der Durchführung von Teilleistungen auf den Dritten zugelassen ist. Ziel
der Rechtsprechung des EuGH ist, die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit
innerhalb der Gemeinschaft zu stärken. Durch die Möglichkeit, Nachunternehmer
125
einzuschalten, soll insbesondere Unternehmen aus dem europäischen Ausland
ermöglicht werden, auf dem jeweiligen nationalen Märkten Fuß zu fassen. Dass ein
Einsatz von Nachunternehmen bei der Auftragsausführung tatsächlich möglich ist, ergibt
sich auch aus Art. 25 der Richtlinie 2004/18.
7. Das Vorbringen der Antragstellerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5.
November 2008 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung (§ 156 ZPO analog).
126
8. Die Kostenscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO. Die
Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
127
Dicks
Schüttpelz
Dieck-Bogatzke
128