Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.09.2009

OLG Düsseldorf (zpo, erblasser, haftungsbeschränkung, höhe, vergütung, vertreter, forderung, lasten, vereinbarung, behauptung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 103/08
Datum:
01.09.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 103/08
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 3 O 479/07
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. April 2008 verkündete
Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter -
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die im Tenor des
angefochtenen Urteils (Absatz 1) titulierte Hauptforderung nicht 9.236,24
€, sondern richtig 9.236,18 € lauten muss.
2. Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden den Beklagten als
Gesamt-schuldnern auferlegt. Die den Beklagten im angefochtenen
Urteil gesamtschuldnerisch auferlegten Kosten des ersten Rechtszugs
stehen, soweit die bis zum Ablauf des 05. Dezember 2007 entstandenen
sind, unter dem Vorbehalt der auf den Nachlass des am 6. Dezember
2007 verstorbenen H. M. beschränkten Erbenhaftung.
3. Berufungsstreitwert: 9.236,18 EUR
G r ü n d e
1
I.
2
Das Rechtsmittel hat, mit Ausnahme der im angefochtenen Urteil ausgesprochenen
Kostenfolge, die teilweise einzuschränken ist, keinen Erfolg, weshalb es
zurückzuweisen ist, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat die Beklagten im
Ergebnis zu Recht zur Zahlung restlicher Vergütung (nebst Zinsen und vorgerichtlicher
Kosten) für dem Erblasser in der Zeit von 01. April bis 31. Dezember 2006 erbrachter
Pflegedienstleistungen unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung verurteilt.
Soweit das Landgericht antragsgemäß eine Forderung in Höhe von 9.236,24 EUR
tituliert hat, statt in der rechnerisch richtigen Höhe von nur 9.236,18 EUR, ist dieser
Fehler gemäß § 319 Abs. 1 ZPO im vorliegenden Beschlussverfahren zu berichtigen,
ebenso wie die teilweise zu korrigierende Kostenentscheidung. Die zum Grund der
Forderung und im Übrigen zu ihrer Höhe vorgebrachten Berufungseinwände
rechtfertigen keine den Beklagten günstigere Entscheidung. Zur Vermeidung unnötiger
Wiederholungen wird Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss vom 23. Juli 2009.
3
Dort hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
"1. Der besseren Übersichtlichkeit halber und auch zum Verständnis des
(berichtigungsfähigen) Rechenfehlers werden zunächst die (aufgegliederten)
Einzelforderungen sowie die (Zwischen-)Summen in der nachstehenden Tabelle
zusammengefasst dargestellt:
4
Tabelle 1
5
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
Zeile Rg-
Nr.
Rg-Dat. Leistg Akte/Blatt Honorar/€ Abzüge/€
1)
Differenz/€ Summen/€
01
4856 30.04.06 BPfl
2)
31
561,12
325,59
235,53
02
4929 31.05.06 BPfl
32
581,27
0,00
581,27
03
5005 30.06.06 BPfl
34
387,77
0,00
387,77
04
5084 31.07.06 BPfl
36
251,54
0,00
251,54
05
5175 31.08.06 BPfl
38
559,58
0,00
559,58
6
06 Resthonorarsumme/Behandlungspflege 04/06 – 08/06
2.015,69
7
07 3853/PK
31.05.06
GPfl
3)
43 2.337,40
99,20
2.238,20
08 3911/PK
30.06.06
GPfl
45 1.537,72
65,60
4)
09 3965/PK
31.07.06
GPfl
47 1.024,64
64,00
960,64
10 4032/PK
31.08.06
GPfl
49 2.337,40
1.531,20
5)
11 4100/PK
30.09.06
GPfl
51 2.262,00
1.528,00
734,00
12 4155/PK
31.10.06
GPfl
53 2.337,40
1.531,20
806,20
13 4279/PK
31.12.06
GPfl
55 2.238,20
1.432,00
6)
8
14 Honorarsumme/Grundpflege 05/06 – 12/06
7.505,29
15 Erstattung/GPfl 02– 04/06 (89,60 € + 99.20 € + 96,00 €)
- 284,80
9
16 Resthonorare/Grundpflege: 7.220.55 €, richtig aber nur
7.220,49
10
16 Resthonorare/Grundpflege: 7.220.55 €, richtig aber nur
7.220,49
17 Gesamthonorar (= Klageforderung = LGU): 9.236,24 €, richtig aber nur
9.236,18
18 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
399,10
19 Gesamtforderung
9.635,28
Legende:
11
1) Zahlungen/Leistungsverzichte
12
2) BPfl = Behandlungspflege (analog § 37 SGB V)
13
3) GPfl = Grundpflege (analog §§ 14 Abs. 4 Nr. 1 -3, 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI)
14
4) Differenz (Zeile 08/Sp. VI, VII): 1.472,12 €, verlangt werden aber nur 1.442,83 €
15
5) Differenz (Zeile 10/Sp. VI, VII): 806,20 €, verlangt werden aber nur 682,20 €
16
6) Differenz (Zeile 13/Sp. VI, VII): 806,20 €, verlangt werden aber nur 641,22 €
17
2. Das Landgericht hat
18
das Zustandekommen eines Pflegedienstvertrags auch hinsichtlich der
abgerechneten Leistungen der Pflegestufe III bejaht,
die tatsächliche Erbringung der abgerechneten Leistungen festgestellt,
eine als Aufrechnung qualifizierte Einwendung aus dem Rechtsverhältnis der
Klägerin zur Erstbeklagten (künftig: die Beklagte) zurückgewiesen,
die Üblichkeit der verlangten Dienstvergütung für die abgerechneten Leistungen
der Pflegestufe III (künftig: übliche Vergütung) festgestellt,
die behauptete Teilerfüllung der Vergütungsforderung in Höhe von 3.611,87 EUR
(künftig: Teilerfüllung) zurückgewiesen und
den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (künftig: Haftungsbeschränkung)
hinsichtlich der titulierten Hauptforderung zwar einschränkungslos anerkannt, aber
davon die zu Lasten der Beklagten ergangene Kostenentscheidung
ausgenommen.
19
20
3. Die Beklagten sind der Auffassung, die Klage sei mit Blick auf die geltend
gemachte Haftungsbeschränkung und wegen der nun auch feststellbaren
Überschuldung des Nachlasses schon jetzt komplett abweisungsreif, so dass es
eines Vorbehalts der Haftungsbeschränkung gar nicht mehr bedürfe. Im Übrigen
greifen sie mit ihrer Berufung nur die Feststellungen an, die im angefochtenen Urteil
zu ihren Lasten in den drei letztgenannten Punkten getroffen worden sind. Alle diese
Einwendungen der Beklagten sind mit Ausnahme der Kostenentscheidung, die
teilweise einzuschränken sein wird, unbegründet.
21
a) Die Ansicht der Beklagten, mit Blick auf die geltend gemachte
Haftungsbeschränkung sei die Klage wegen der jetzt (im zweiten Rechtszug)
feststellbaren Nachlassdürftigkeit abweisungsreif, ist rechtsirrtümlich.
22
aa) Das Prozessgericht kann sich im vom Nachlassgläubiger geführten
Erkenntnisverfahren darauf beschränken, dem beklagten Erben auf dessen
Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) gemäß § 780 Abs. 1 ZPO dessen
Haftungsbeschränkung vorzubehalten. Es steht im freien Ermessen des Gerichts, die
behauptete Erschöpfung des Nachlasses materiell zu prüfen, geboten ist diese
Prüfung indes nicht (vgl. BGH FamRZ 2000, 909, 911; NJW 1983, 2378, 2379; KG
Berlin KGR 2003, 207 = NJW-RR 2003, 941; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., vor §
1967 Rn 13 und § 1990 Rn 10; Staudinger/Marotzke, BGB [2002], vor §§ 1967 ff. Rn
25 und § 1990 Rn 12 f.; Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 1990 Rn 11;
Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 780 Rn 5 und 7; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl.,
§ 780 Rn 11; MünchKomm/Schmidt, ZPO, 2. Aufl., § 780 Rn 17). Das beruht auf der
Überlegung, das Erkenntnisverfahren nicht noch zusätzlich mit
vollstreckungsrechtlichen Fragen zu belasten und dadurch die Entscheidungsreife zu
Lasten des Gläubigers hinauszuzögern. In den Fällen, in denen der Erbe zu einem
schnellen Ende des Erkenntnisverfahrens beiträgt, indem er sich auf den
Haftungsvorbehalt beschränkt, mag es deshalb angebracht sein, die
Dürftigkeitseinrede im Erkenntnisverfahren zu erledigen. Führt der Erbe indes, wie
das im Streitfall geschieht, das schon zuvor als Vertreter des Erblassers von ihm
(mit)beherrschte Erkenntnisverfahren unverändert fort, gibt es keinen hinreichenden
Grund, zu Lasten des Gläubigers die Dürftigkeitseinrede im vorliegenden, immerhin
seit dem Jahre 2007 anhängigen Erkenntnisverfahren zu erledigen.
23
bb) Anderes hat nur bei Entscheidungsreife der Haftungsbeschränkung zu gelten,
wenn also die Dürftigkeit des Nachlasses entweder unstreitig oder liquide bewiesen
ist (vgl. Zöller/Stöber, aaO, Rn 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67.
Aufl., § 780 Rn 5). Das ist hier indes nicht der Fall. Die Klägerin bestreitet die
Richtigkeit des antragsgemäß vom Notar aufgenommenen, allein auf den Angaben
des Zweitbeklagten (künftig: der Beklagte) beruhenden Nachlassverzeichnisses. In
der Tat bedarf die als richtig versicherte Behauptung des Beklagten, der Erblasser,
der bis zu seinem Ruhestand Ende März 1984 Präsident des Landgerichts gewesen
ist und danach dementsprechend eine ansehnliche Pension bezogen hat, sei bei
seinem Tod im Dezember 2007 komplett vermögenslos gewesen ebenso einer
vertieften Überprüfung durch die Gläubigerin wie die Behauptung der Beklagten, der
Nachlass sei hoch überschuldet gewesen. Das gilt umso mehr, als der beklagte
Rechtsanwalt, der sich selbst und die von ihm betreute, hochbetagte und
pflegebedürftige Erstbeklagte, seine Mutter, als völlig vermögenslos und selbst für die
Prozesskosten hilfsbedürftig bezeichnet, die Vermögensangelegenheiten des
Erblassers zuletzt allein und ganz unkontrolliert betreut hat, nämlich nicht etwa in der
Rolle des Vermögenspflegers, der gerichtlicher Überwachung unterlegen hätte,
sondern nur auf der Grundlage einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht. Das
Misstrauen der Gläubigerin gegenüber der Versicherung des Beklagten ist umso
nachvollziehbarer, als völlig ungeklärt ist, wohin die (hohen) Pensionseinkünfte des
Erblassers geflossen sind, zumal dieser nach der Behauptung des Beklagten seit
dem Jahre 1984 keinerlei Anschaffungen (nicht einmal Textilien) getätigt haben soll
und die Kosten aus Anlass seiner Erkrankung und Pflegebedürftigkeit mit Blick auf
die Transferleistungen (private Kranken- und Pflegeversicherung, Beihilfe,
Pflegegeld) vollständig gedeckt gewesen sein müssen.
24
Pflegegeld) vollständig gedeckt gewesen sein müssen.
b) Auch vermag der Ansicht der Beklagten nicht gefolgt zu werden, sie schuldeten der
Klägerin vertraglich kein Honorar in der geltend gemachten Höhe. Dabei kann der
unter den Parteien unverändert herrschende Streit offen bleiben, ob das von der
Klägerin auf der Grundlage der Preisliste für Leistungen der Pflegestufe III
(Leistungskomplexe [LK] 24, 26) abgerechnete und hier verlangte Honorar die übliche
Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB (künftig: "übliche Vergütung") darstellt.
25
aa) Die von den Beklagten gesetzte Prämisse, geschuldet sei nur die "übliche
Vergütung", ist rechtlich nicht zutreffend. Die "übliche Vergütung" wird nur dann
geschuldet, wenn die Vertragsparteien zwar eine entgeltliche Dienstleistung, aber
nichts zu deren Höhe vereinbart haben (MünchKomm/Müller-Glöge, BGB, 5. Aufl:, §
612 Rn 26 m.w.N.). Im Streitfall haben die Parteien aber eine Vereinbarung zur
Honorarhöhe getroffen, und zwar konkludent, was ausreichend ist
(Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 611 Rn 31 und § 612 Rn 7 m.w.N.). Eine
solche Vereinbarung ergibt sich aus dem Abschnitt
"Leistung/Leistungsumfang/Kosten" des vom Beklagten als rechtsgeschäftlichen
Vertreters des Erblassers zu dessen Lebzeiten unterzeichneten Pflegevertrags vom
17./18. Oktober 2005. Zwar bezieht sich der erste Absatz dieses Abschnitts konkret
nur auf die der Pflegestufe I zugeordneten Vergütungssätze. Die Vertragsparteien
haben aber unter dem Abschnitt "Kosten" (Absatz 1 Satz 2) ferner vereinbart,
"Grundlage für die Berechnung [sei] die [gemeint ist: jeweils] von der Pflegekasse
festgelegte Pflegestufe und die mit den Pflegekassen vereinbarten Vergütungssätze
in der jeweils gültigen Fassung" (künftig: Kostenklausel).
26
Zwar trifft es zu, dass diese Klausel dem Wortlaut nach auf Leistungsempfänger
zugeschnitten ist, die in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert sind (vgl. §§
18, 20, 46 SGB XI), während der beihilfeberechtigte Erblasser entsprechend der
gesetzlichen (bußgeldbewehrten) Pflicht, sich gegen das Pflegerisiko privat zu
versichern (§§ 23 Abs. 1, Abs. 3, 121 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI), "nur" eine (zusammen mit
der Beihilfeberechtigung gleichwertige) Pflegeversicherung bei seinem privaten
Kranken- und Pflegeversicherer (künftig: Versicherer) unterhalten hatte. Diese
Differenz gibt indes keinen hinreichenden Anlass, diese Klausel nicht auf den
Streitfall anzuwenden. Denn eingangs des Pflegevertrags ist der Versicherer des
Erblassers als "Pflegekasse" bezeichnet.
27
Ohne Bedeutung ist im Streitfall die Frage, ob der Versicherer für den Erblasser die
hier umstrittene Vergütungsgrundlage, nämlich die Pflegestufe III im Sinne der
Kostenklausel "festgelegt" hatte (vgl. zu den Prüfungskriterien in der privaten
Pflegeversicherung - in Anlehnung an die Richtlinien der sozialen
Pflegeversicherung - LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 28.10.2004, Az. L 5 P 10/04 – juris;
Krauskopf/Gebhardt, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 18 SGB XI
Rn 6 m.w.N.). Maßgeblich ist nämlich allein, dass der Versicherer und ihm folgend die
Beihilfestelle unstreitig seit Januar 2006 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe III
bewilligt und bezahlt haben, so dass entsprechend der Kostenklausel grundsätzlich
"die mit den Pflegekassen vereinbarten Vergütungssätze in der jeweils gültigen
Fassung", die die Klägerin hier abgerechnet hat und verlangt, vertraglich vereinbart
sind.
28
bb) Im Ergebnis ohne Belang ist, dass dem Vertrag nicht das komplette, nämlich auch
die Vergütungssätze nach der Pflegestufe III enthaltende Preisverzeichnis beigelegen
29
hatte und damit bei Vertragsabschluss nicht einbezogen worden ist. Ausreichend ist,
dass der Beklagte als damaliger rechtsgeschäftlicher Vertreter des Erblassers die im
Zeitraum von Januar bis März 2006 erbrachten und abgerechneten Leistungen nach
der Pflegestufe III in dem Bewusstsein gezahlt hatte, dass der Erblasser infolge des
kurz vor Weihnachten 2005 erlittenen Schlaganfalls nach Pflegestufe III
pflegebedürftig geworden war und von der Klägerin nunmehr weitergehende
Leistungen in Anspruch genommen hat. Damit hat er konkludent für Vergangenheit
und Zukunft den hier in Ansatz gebrachten Vergütungssätzen zugestimmt.
(1) Dabei berücksichtigt der Senat, dass die vorbehaltlose (auch wiederholte)
Bezahlung von Rechnungen zum Ausgleich (wiederkehrender) Verbindlichkeiten für
sich genommen weder die Annahme eines deklaratorischen noch eines
"tatsächlichen" Anerkenntnisses der ausgeglichenen Forderung rechtfertigt. Vielmehr
setzt die Wertung einer rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen
Erklärung als Anerkenntnis in der Regel eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe
eines Anerkenntnisses Anlass gibt. Eine solche Interessenlage kann namentlich
darin liegen, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis einem Streit
oder zumindest einer (subjektiven) Ungewissheit über den Bestand des
Rechtsverhältnisses oder seine Rechtsfolgen insgesamt oder in einzelnen
Beziehungen zu entziehen (vgl. BGH NJW 2009, 580, 581 sub II.1b).
30
(2) Im Streitfall liegen besondere Umstände vor, die den Schluss auf ein
rechtsgeschäftliches Anerkenntnis der hier umstrittenen Höhe der Leistungsvergütung
rechtfertigen. Zwar hatte der Beklagte als Vertreter des Erblassers das ihm zur
Jahreswende 2005/06 von der Klägerin aus Anlass der Leistungsveränderung
(Wechsel des Erblassers in die Pflegestufe III) übersandte
Vertragsänderungsangebot nicht unterzeichnet zurückgesandt und nach seinem
unbestrittenen Vorbringen versucht, mit der Klägerin günstigere Konditionen
auszuhandeln. Dieses Ziel hatte er aber unstreitig nicht erreicht, weil sich die
Klägerin darauf nicht einlassen mochte. Daraufhin hatte er schließlich seine
Verhandlungsbemühungen eingestellt und die für Januar 2006 erteilte
Honorarabrechnung am 24. Juni 2006 namens des Erblassers vorbehaltlos gezahlt.
Ebenso glich er in der Folgezeit durch weitere Abschlagszahlungen die
Honorarrechnungen der Monate Februar und März 2006 vorbehaltlos aus (vgl. dazu
noch die nachfolgenden Erwägungen sub lit. c). Gestützt wird diese Beurteilung
ferner dadurch, dass der Beklagte - nach von der Klägerin angedrohter
Vertragskündigung wegen Zahlungsverzugs - mit Schreiben vom 05. November 2006
namens des Erblassers zugestanden hat, "dass ein ganz erheblicher Rückstand
besteht". Er hat den bis dahin unterbliebenen Ausgleich der aufgelaufenen
Honorarrückstände nicht etwa mit einer fehlenden Einigung über die Honorarhöhe,
sondern nur damit begründet, (angeblich) den Überblick über die Verbindlichkeiten
des Erblassers verloren zu haben.
31
(3) Dass es über das erhöhte Honorar nicht zu der von der Klägerin erstrebten
schriftlichen Vereinbarung gekommen ist, bleibt rechtlich unschädlich. Das Gesetz
ordnet die Schriftform als zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung für
Pflegeverträge nicht an. Abgesehen davon, dass § 120 SGB XI mangels Verweisung
nicht in der hier maßgeblichen privaten, sondern nur in der sozialen
Pflegeversicherung gilt, hängt von der Einhaltung der Schriftform, wie das
Landgericht richtig ausgeführt hat, auch nicht die sozialrechtliche Wirksamkeit des
Pflegevertrags ab. Das an den Pflegedienstleister gerichtete Gebot des § 120 Abs. 2
32
Satz 1 SGB XI, dem Pflegebedürftigen (und der Pflegekasse) unverzüglich eine
schriftliche Ausfertigung des Pflegevertrags auszuhändigen, setzt das vorherige
Zustandekommen des Pflegevertrags – eben auch schon durch eine mündliche
Vereinbarung - gleichsam voraus und postuliert nur aus Gründen der Transparenz
einen Anspruch auf Dokumentation (vgl. BT-Drs. 14/5395 S. 47; Krauskopf/Gebhardt,
aaO, § 120 SGB XI Rn 6 aE, Rn 7). Die Verletzung dieser Pflicht führt deshalb
zivilrechtlich allenfalls zu Zurückbehaltungsrechten (§ 273 BGB) oder
Schadensersatzansprüchen der Berechtigten (z. B. nach § 280 BGB). Deshalb
kommt es auch auf die weitere Frage, ob bei bloßen Leistungsänderungen, um die es
hier nur geht, nicht schon deren (erfolgte) "Anzeige" gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 SGB
XI ausreicht, nicht mehr an.
c) Die hilfsweise erhobene Behauptung der Beklagten, die Forderung der Klägerin
sei allenfalls in Höhe eines Teilbetrags von 5.624,37 EUR offen, also in Höhe eines
Teilbetrags von (9.236,24 € - 5.624,37 €) 3.611,87 EUR befriedigt, ist in
verfahrensrechtlich beachtlicher Weise weder dargelegt, geschweige denn unter
Beweis gestellt.
33
aa) Auf der Grundlage der belegten Zahlungen in der Zeit vom 24. Juni 2006 bis 10.
Januar 2007, die auf pflegevertragliche Verbindlichkeiten des Erblassers aus der Zeit
seit Dezember 2005 geleistet worden sein sollen, ergibt sich kein Überschuss, der auf
die hier umstrittenen Rechnungen seit April 2006 verrechnet werden könnte. In
diesem Zusammenhang können zugunsten der Beklagten nur die Zahlungen vom
24.06.2006 (2.454,60 €), 02.08.2006 (3.000,00 €) 15.11.2006 (2.000,00 €) und
01.12.2006 (3.000,00 €) berücksichtigt werden. Den Überweisungsträgern der
übrigen Zahlungen fehlt ein Tilgungsvermerk, so dass mit Blick auf die eigenen
Verbindlichkeiten der Erstbeklagten gegenüber der Klägerin aus einem sie selbst
betreffenden Pflegevertrag eine Tilgung der Verbindlichkeit gerade des Erblassers
nicht hinreichend dargelegt ist. Dasselbe gilt für die (nicht belegten) sonstigen
angeblichen Zahlungen, die ausweislich der Zahlungsaufstellung
(Berufungsbegründung S. 3) nach der Behauptung der Beklagten auf die hier
umstrittene Verbindlichkeit geleistet worden sein sollen.
34
bb) Ausgehend von dem erheblichen Vortrag ergibt sich seit dem Monat Dezember
2005 (Beginn der beanspruchten Erfüllungshandlungen) eine Restschuld der
Beklagten, die mit 9.660,09 EUR die Klageforderung sogar übersteigt:
35
Tabelle 2
36
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
Zeile Rg.-/Nr Forderung/€ Zahlung/€ Zhlg.Dat. Tilgung/€ Rest-
Fdg./€
Überschuss/€
01
3616/PK 469,43
2.454,60 24.06.06 469,43
0,00
1.985,17
02
4566
383,52
383,52
0,00
1.601,65
03
3656/PK 1.397,64
1.397,64 0,00
204,01
04
4638
204,01
204,01
0,00
0,00
05
3710/PK 2.111,20
3.000,00 02.08.06 2.111,20 0,00
888,80
37
06
4709
535,28
535,28
0,00
353,52
07
3758/PK 2.337,40
353,52
1.983,88 0,00
08
3758/PK 1.983,88
2.000,00 15.11.06 1.983,88 0,00
16,12
09
4782
615,01
16,12
598,89
0,00
10
4782
598,89
3.000,00 01.12.06 598,89
0,00
2.401,11
38
11
3808/PK
2.262,00
2.401,11
139,11
0,00
12
4856
235,53
235,53
13
3853/PK
2.238,20
2.238,20
14
4929
581,27
581,27
15
3911/PK
1.442,83
1.442,83
16
5005
387,77
387,77
17
3965/PK
960,64
960,64
18
5084
251,54
251,54
19
4032/PK
682,20
682,20
20
5175
559,58
559,58
21
4100/PK
734,00
734,00
22
4155/PK
806,20
806,20
23
4279/PK
641,22
641,22
39
24
danach unbezahlt gebliebene Rechnungen
9.660,09
40
d) Schließlich ist auch die Ansicht der Beklagten rechtlich verfehlt, die zu ihren Lasten
ergangene Kostenentscheidung sei komplett unter den Vorbehalt der beschränkten
Erbenhaftung zu stellen. Diese Ansicht trifft nur für den Teil der Kosten zu, den der
Erblasser selbst, nämlich durch seine eigene Prozessführung bis zum Eintritt des
Erbfalls am 06. Dezember 2007 verursacht hat. Bezogen auf die danach
entstandenen Kosten ist die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils dagegen
nicht zu beanstanden, denn diese Kosten sind erst durch die eigene Prozessführung
der beklagten Erben verursacht worden.
41
aa) Die in den Urteilstenor auf entsprechende Einrede (im Sinne des § 1990 BGB)
aufzunehmende Haftungsbeschränkung (§ 780 ZPO) erfasst gemäß § 1967 Abs. 2
42
BGB sämtliche Nachlassverbindlichkeiten. Darunter sind einerseits die vom
Erblasser herrührenden und andererseits die den Erben als solchen treffenden
Schulden zu verstehen. Verbindlichkeiten, die erst nach dem Eintritt des Erbfalls zur
Entstehung gelangen , gehören nur ausnahmsweise dazu (vgl. Staudinger/Marotzke,
aaO, § 1967 Rn 3, 28 f und 37 ff). Die vom Erblasser "herrührenden" Schulden sind
nicht nur solche, die gegen ihn schon zu dessen Lebzeiten hätten durchgesetzt
werden können. Es genügt, dass der Verpflichtungsgrund
Erblassers gegeben bzw. durch den Erblasser gesetzt war (Staudinger/Marotzke aaO
Rn 19).
(1) Nach diesem Maßstab kann es allerdings, was das Landgericht übersehen hat,
keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Prozesskosten, die der Erblasser
durch seine eigene Prozessführung ausgelöst hat, und die den Beklagten gemäß §
1922 BGB, § 91 ZPO auferlegt worden sind, von ihm selbst herrühren. Dabei handelt
es sich um die Kosten, die (bei Annahme der Erbschaft durch die Erben) bis zum
Eintritt des Erbfalls entstanden sind (Staudinger/Marotzke, aaO Rn 20; Zöller/Stöber,
aaO, § 780 Rn 7; KG Berlin MDR 1976, 584 f; vgl auch OLG Stuttgart JurBüro 1976,
675; OLG Hamm AnwBl 1982, 385 = MDR 1982, 855 = Rpfleger 1982, 354; OLG
Celle NJW-RR 1988, 133, 134; OLG Koblenz ZEV 1997, 253 f; LG Bückeburg MDR
1997, 978 = NJW-RR 1998, 1220; LG Leipzig ZEV 1999, 234 m. Anm. Damrau).
Ohne Belang ist, dass der Erblasser bei dieser Prozessführung von dem
Zweitbeklagten vertreten worden ist. Im Falle der Prozessvertretung fallen die
Prozesskosten nicht dem Vertreter, sondern dem Vertretenen zur Last (§ 85 Abs. 1
ZPO), und zwar auch dann, wenn den Vertreter ein Verschulden trifft (§ 85 Abs. 2
ZPO).
43
(2) Anders verhält es sich mit den Kosten, die erst durch die Aufnahme des
Rechtsstreits durch die beklagten Erben entstanden und die ihnen ebenfalls gemäß §
91 ZPO auferlegt worden sind. Es handelt sich um Kosten eines nun von ihnen selbst
geführten Rechtsstreits, für die sie persönlich und unbeschränkbar selbst dann haften,
wenn sie wegen einer Nachlassverbindlichkeit unter Haftungsbeschränkung verurteilt
worden sind (RG HRR 1930 Nr 455; RG JW 1912, 46 Nr. 47; OLG Naumburg HRR
1937 Nr. 700; OLG Jena SeuffA 66 [1911] Nr. 139; OLG Köln NJW 1952, 1145; OLG
Stuttgart JurBüro 1976, 675; OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 372; OLG München
JurBüro 1994, 112 = OLGR 1993, 203; OLG Celle OLGR 1995, 204; OLG Koblenz
ZEV 1997, 253 f; Staudinger/Marotzke, aaO, § 1967 Rn 47; MünchKomm/Siegmann,
BGB, 4. Aufl., § 1967 Rn 37; Palandt/Edenkofer, aaO, § 1967 Rn 6). Sie beruhen auf
Rechtshandlungen der Erben, die, weil der Nachlass nun ihnen gehört, den
Rechtsstreit auch im eigenen Interesse führen.
44
(3) Offen bleiben kann die Frage, ob der gegenteiligen Meinung, nach der
Prozesskosten nicht nur Eigenverbindlichkeiten des Erben, sondern auch
Nachlassverbindlichkeiten seien (vgl. die Nachw. bei Staudinger/Marotzke, aaO),
dann gefolgt werden könnte, wenn sich die Prozessführung des Erben aus objektiver
Sicht und trotz seines Unterliegens im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung des
Nachlasses gehalten hatte, so dass er aus diesem Grund gemäß §§ 257, 1978 Abs.
3, 670 BGB Schuldbefreiung aus dem Nachlass verlangen könnte. Hier hat sich
nämlich die Prozessführung der Beklagten aus objektiver Sicht nicht im Rahmen
ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses gehalten. Mit Blick auf die eindeutige
Rechtslage hätte eine ordnungsgemäße Prozessführung anders ausgesehen,
nämlich so: Mit der Aufnahme des Rechtsstreits hätten die Beklagten analog § 93
45
ZPO den Klageanspruch unter dem zu erklärenden Haftungsvorbehalt sofort
anerkennen müssen. Bei dieser Art der Prozessführung hätten auch nach dem Erbfall
noch eingetretene Kosten unbedenklich der Haftungsbeschränkung unterworfen
werden können."
II.
46
An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Daran vermögen auch nichts die Einwände
der Beklagten im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 31. August 2009 zur
unverändert bestrittenen Vergütungsvereinbarung und zur unverändert behaupteten
Teilerfüllung etwas zu ändern (der übrige Vortrag ist für die Entscheidung des
Rechtsstreits irrelevant).
47
1. Die Beklagten übersehen immer noch, dass der Senat die konkludente Vereinbarung
zur Vergütungshöhe nicht (allein) auf die Entgegennahme der Leistungen der
Pflegestufe III, sondern entscheidend darauf stützt, dass der Beklagte als
rechtsgeschäftlicher Vertreter des Erblassers die ihm inzwischen bekannt gemachten
Vergütungssätze der Pflegestufe III nach anfänglicher Weigerung dann für drei Monate
(01/06– 03/06) vorbehaltlos bezahlt hatte.
48
2. Die Beklagten sind mit ihrem teils ergänzenden zweitinstanzlichen Vortrag zur Frage
der (teilweisen) Forderungserfüllung im Berufungsrechtszug ausgeschlossen, §§ 529,
531 Abs. 2 ZPO. Die Klägerin hat im ersten Rechtszug unmissverständlich vorgetragen,
dass die von den Beklagten geltend gemachten Zahlungen nicht die hier umstrittenen
Forderungen aus den Rechnungen für die Zeit ab April 2006 getilgt haben. In dem hier
vorliegenden Fall einer Mehrheit von Verbindlichkeiten obliegt es dem Schuldner,
lückenlos darzulegen und zu beweisen, dass und welche der mehreren Forderungen er
getilgt haben will. Das kann er nicht mit einer schlichten Saldorechnung belegen (vgl.
BGH NJW-RR 1997, 441 sub Nr. II.1), sondern nur, indem er jede einzelne Tilgung einer
bestimmten Verbindlichkeit zuweist, und zwar nach den Regeln der §§ 362, 366 f. BGB.
An einem solchen Vortrag fehlt es unverändert. Das unzureichende Vorbringen der
Beklagten ist auch nicht durch ihr Prozesskostenhilfegesuch entschuldigt, weil sie
uneingeschränkt Berufung eingelegt und diese auch begründet hatten.
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III.
50
Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren
liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
51
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
52