Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.09.2009

OLG Düsseldorf (software, einstweilige verfügung, uwg, richtlinie, zustimmung, zpo, kunde, anlage, umstände, pauschal)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 89/09
Datum:
01.09.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 89/09
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 22. April 2009
verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
geändert und wie folgt neu gefasst:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 21. Januar 2009 wird
aufgehoben. Der auf ihren Erlass gerichtete Antrag der Antragstellerin
wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens
einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens.
G r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Beschlussverfügung zu Unrecht
bestätigt. Ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus § 8 Abs. 1 UWG besteht
nicht.
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Das beanstandete Verhalten ist nicht gemäß § 4 Nr. 8 UWG unlauter. Die Antragstellerin
greift eine Äußerung der Antragsgegnerin aus deren E-Mail vom 16.12.2008 (Anlage AS
4 = Bl. 22 GA) an, die an einen Kunden der Antragsgegnerin gerichtet war, mit dem auch
die Antragstellerin in Verhandlungen stand. Dort ist unter der Überschrift
"Rechtmäßigkeit der Weitergabe von Software" in dem angegriffenen Teil ausgeführt:
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"Hier hat der Gesetzgeber eine klare Richtlinie vorgegeben und die Weitergabe von
Software von der Genehmigung durch den Rechteinhaber ... abhängig gemacht".
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Die Äußerung stellt entgegen der Auffassung des Landgerichts keine
Tatsachenbehauptung dar, die § 4 Nr. 8 UWG allein erfasst. Im Ansatz zutreffend
beschreibt das Landgericht den Unterschied zwischen einer Meinungsäußerung und
einer Tatsachenbehauptung danach, ob die mitgeteilten Umstände dem Beweis
zugänglich sind. Das ist bei der angegriffenen Äußerung indes nicht der Fall. Es handelt
sich vielmehr um die Mitteilung einer Rechtsansicht zu der Frage, ob die Weitergabe
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von Software von der Zustimmung des Rechteinhabers abhängt. Ob es eine gesetzliche
Regelung gibt, die anwendbar sein könnte, wenn ja welche Konstellationen im
einzelnen erfasst werden, ist eine Frage, die bezogen auf einen bestimmten Sachverhalt
mit juristischen Methoden beantwortet werden muss; dem Beweis zugänglich ist dies
nicht. So geht es im vorliegenden Zusammenhang offenbar um § 34 Abs. 1 UrhG. Nach
dessen Satz 1 kann ein Nutzungsrecht nur mit Zustimmung des Urhebers übertragen
werden. Die einschränkungslose Bezeichnung dieser Regelung als eine "klare
Richtlinie des Gesetzgebers" mag man nicht teilen, zumal sie hinsichtlich einzelner
Vervielfältigungsstücke von Erwägungen zur Erschöpfung überlagert wird, § 69c
Nummer 3 Satz 2 UrhG. Das ändert aber nichts daran, dass hier eine Rechtsauffassung
zu den Voraussetzungen mitgeteilt wird, unter denen Software weiter gegeben werden
kann. Sie ist recht plakativ, pauschal und wenig differenzierend. Auch legt die
Bewertung der Regelung als "klare Richtlinie" nicht nahe, dass es auch Situationen
geben könnte, in denen dies - etwa wegen eingetretener Erschöpfung - anders zu
beurteilen sein könnte. Dem Beweise zugänglich ist indes auch die Klarheit einer
gesetzgeberischen Richtlinie nicht. Es handelt sich vielmehr um die massive Äußerung
einer Rechtsansicht als Eröffnungsposition für weitere Verhandlungen.
Die angegriffene Äußerung unterfällt auch nicht § 4 Nr. 7 UWG, wie die Antragstellerin
weiter geltend macht. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer die Kennzeichen,
Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen
Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft. Die geschäftlichen
Tätigkeiten der Antragstellerin werden mit der angegriffenen Äußerung nicht
herabgesetzt, etwa dadurch, dass - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - ihre
Absatzmethoden pauschal in unangemessener Weise abgewertet würden. Der
Hintergrund der fraglichen E-Mail, also die Vorgespräche zwischen der Antragsgegnerin
und ihrem Kunden, die zu der Äußerung geführt haben, kann für deren Verständnis aus
der Sicht des Kunden als Erklärungsempfänger nämlich nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Antragsgegnerin hat den Gang des Geschehens durch die eidesstattliche
Versicherung H. vom 12.2.2009 (Anlage AG 3 = Bl. 64 f. GA) glaubhaft gemacht.
Danach war vor dem Versand der E-Mail bereits eine Diskussion zwischen der
Antragsgegnerin und dem Kunden über die rechtliche Zulässigkeit des Erwerbs
"gebrauchter" Software-Lizenzen in Gang gekommen. Die Antragsgegnerin vertrat die
Auffassung, dass ihre Zustimmung erforderlich sei. Das trifft grundsätzlich gemäß § 34
Abs. 1 UrhG auch zu, soweit dies nicht im Einzelfall durch die Bestimmungen zur
Erschöpfung überlagert wird. Letzteres hat - soweit ersichtlich - in den Gesprächen
keine Rolle gespielt. Es wird auch nicht ganz deutlich, ob körperliche
Vervielfältigungsstücke übertragen oder nur Lizenzen für eine Software hinzuerworben
werden sollten, die der Kunde bereits besaß. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion
sollte nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Antragsgegnerin mit der angegriffenen
E-Mail lediglich die Auffassung der Antragsgegnerin zusammengefasst werden, damit
der Kunde sie durch seine Rechtsabteilung sowie vielleicht auch von dritter Seite
überprüfen lassen konnte. Unter diesen Umständen ist die Äußerung keineswegs als
herabsetzend und damit unlauter einzuschätzen. Sie stellt vielmehr - wie bereits
ausgeführt - lediglich die etwas pointiert formulierte Rechtsansicht der Antragsgegnerin
als eine Art Eröffnungsposition für die weiteren Verhandlungen, insbesondere nach
fachkundiger Überprüfung durch die Rechtsabteilung des Kunden, dar, für die die
Zusammenfassung der Antragsgegnerin gedacht war. Der Senat lässt ausdrücklich
offen, ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn ein Schreiben der angegriffenen Art breit
und ohne Bezug auf eine vorangegangene konkrete Diskussion unter gemeinsamen
Kunden der Parteien gestreut wird, weil dann weitergehende Unsicherheiten geweckt
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werden könnten, die die Angeschriebenen von einem Erwerb gebrauchter Software
Abstand nehmen lassen könnten. Eine derartige Situation steht aber nicht zur
Entscheidung an.
Die Voraussetzungen des ebenfalls geltend gemachten § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG
liegen nicht vor, weil kein objektiv falscher Tatbestand behauptet wird, wie die
Antragstellerin meint.
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Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass zudem wegen eines Teils der vom
Verfügungsantrag erfassten Verhaltensweisen ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs.
1 UWG bereits mangels Begehungsgefahr zu verneinen ist. Die Antragstellerin begehrt
Unterlassung der im Antrag wiedergegebenen Äußerung unabhängig von dem
Zusammenhang, in dem letztere aufgestellt wurde. Das berücksichtigt nicht hinreichend,
dass die Aussage das Ergebnis eines eingehenden Gesprächs zwischen der
Antragsgegnerin und dem Kunden war und vor diesem Hintergrund in dieser konkreten
Situation als Zusammenfassung der Rechtsposition der Antragsgegnerin gedacht und
formuliert war. Eine Verurteilung der Antragsgegnerin wegen der Gefahr einer
Wiederholung einer derartigen Äußerung müsste diese Umstände des Verletzungsfalls
mit einbeziehen. Außerhalb derartiger Gespräche besteht eine Begehungsgefahr nicht;
insbesondere steht aufgrund der Geschehnisse in der Vergangenheit nicht zu
befürchten, dass es sich etwa - wie von der Antragstellerin zunächst vermutet - um einen
vorformulierten Standardtext handeln könnte, den die Antragsgegnerin bei allgemeinen
Anfragen zu gebrauchter Software an jedweden Anfragenden standardmäßig versendet.
Die Antragsgegnerin nimmt - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - für sich auch
nicht ein derartiges Recht in Anspruch.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit unterbleibt, § 704 Abs. 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.000,-- € nach der Festsetzung des
Landgerichts.
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