Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.07.2007

OLG Düsseldorf: ermessen, haftentlassung, missbrauch, nachlässigkeit, datum, rechtskraft

Oberlandesgericht Düsseldorf, III-3 Ws 237/07
Datum:
06.07.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat für Straf, - und Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-3 Ws 237/07
Leitsätze:
Leitsatz
StPO §§ 346 Abs. 1, 45 Abs.1, 47 Abs. 2 und 3
Die bloße Erfolgsaussicht des Wiedereinsetzungsantrags rechtfertigt
allein nicht die Gewährung von Vollstreckungsaufschub nach § 47 Abs.
2 StPO. Das im Rahmen dieser Vorschrift bestehende Ermessen hat
sich an untersuchungshaftspezifischen Kriterien auszurichten.
OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat
Beschluss vom 6. Juli 2007 – III-3 Ws 237/07
Tenor:
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das Landgericht Wuppertal hat den Verurteilten wegen gewerbsmäßigen
Bandenbetrugs in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und
sechs Monaten verurteilt und anschließend im Rahmen des § 346 Abs. 1 StPO seine
gegen dieses Urteil gerichtete Revision als unzulässig verworfen. Seinen sodann
gestellten und auf eine Nachlässigkeit des Verteidigers bei der Einhaltung der
Revisionsbegründungsfrist gestützten Wiedereinsetzungsantrag hat der Verurteilte mit
einem Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsaufschub verbunden, dem das
Landgericht zunächst entsprach, den entsprechenden Beschluss dann aber "auf die
Beschwerde der Staatsanwaltschaft" aufgehoben und den Antrag des Verurteilten nach
§ 47 Abs. 2 StPO abgelehnt hat. Hiergegen richtet sich der Verurteilte mit seinem
Rechtsmittel.
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II.
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Die Beschwerde des Verurteilten ist unbegründet.
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1. Der angefochtene Beschluss ist zunächst nicht aus formellen Gründen fehlerhaft.
Zwar hat die Strafkammer diesen Beschluss nach der Formulierung des
Entscheidungstenors "auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft" erlassen. Der Senat
sieht darin aber lediglich eine sprachliche Ungenauigkeit. Er geht davon aus, dass das
Landgericht der Sache nach nicht eine — außerhalb seiner Zuständigkeit liegende —
Beschwerdeentscheidung, sondern eine Abhilfeentscheidung treffen wollte, zu der sie
wegen der von ihr bejahten Begründetheit der Beschwerde verpflichtet war (vgl. Meyer-
Goßner, StPO, 50. Aufl., § 306 Rn. 8).
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2. Auch aus materiellen Gründen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.
Die Gewährung von Vollstreckungsaufschub kommt bei pflichtgemäßer Ausübung des
im Rahmen der Entscheidung nach § 47 Abs. 2 StPO bestehenden Ermessens (vgl. LR
— Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 47 Rn. 1; SK-Weßlau, StPO, § 47 Rn. 4) nicht
in Betracht.
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Die Ausübung dieses Ermessen hat sich an den gesetzgeberischen Intentionen zu
orientieren, wie sie insbesondere in dem durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom
22. Dezember 2006 eingefügten § 47 Abs. 3 StPO zum Ausdruck gekommen sind.
Wenn nach dessen Satz 1 zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestehende
Haftbefehle bei Gewährung von Wiedereinsetzung wieder wirksam werden, so muss
das sichernde "Netz" der ursprünglichen Untersuchungshaftanordnung erst recht bei
solchen Ermessensakten Beachtung finden, die zeitlich im Vorfeld der Entscheidung
über ein Wiedereinsetzungsgesuch erfolgen. Anders als es die Kommentarliteratur nahe
legt ist, dem Antrag nach § 47 Abs. 2 StPO somit nicht allein schon deshalb
stattzugeben, weil der Wiedereinsetzungsantrag — wie vorliegend — "erfolgreich
erscheint" (so insbesondere LR — Graalmann-Scheerer, a.a.O. Rn. 1). Nur auf diesem
Wege wird im Übrigen auch dem Missbrauch des Antragsrechts entgegengewirkt, zu
dessen Vermeidung § 47 Abs. 1 StPO geschaffen wurde (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., §
47 Rn. 1; LR — Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 1; SK-Weßlau, a.a.O., Rn. 1) und dem
durch die geschickte Stellung von Wiedereinsetzungsanträgen ansonsten Tür und Tor
geöffnet wäre. In Anlehnung an § 47 Abs. 3 Satz 2 und 3 StPO hat sich das im Rahmen
des § 47 Abs. 2 StPO bestehende Ermessen daher vielmehr an die
untersuchungshaftspezifischen Kriterien der §§ 112 ff. StPO auszurichten, die hier aber
für eine Haftentlassung ersichtlich nichts hergeben und zu denen der Verurteilte selbst
in seiner Beschwerdebegründung auch nichts vorbringt.
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