Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.08.2009

OLG Düsseldorf (unverletzlichkeit der wohnung, abschluss des vertrages, schweigen des gesetzes, wohnung, begründeter anlass, haftung, wirtschaftliches interesse, gesetzliche grundlage, mittelbare täterschaft, zpo)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 26/09
Datum:
26.08.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 26/09
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3.
Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Januar 2009 teil-weise
abgeändert.
Die Klage wird (insgesamt) abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO
abgesehen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug
genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
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II. Die zulässige Berufung ist begründet.
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Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht (überwiegend) stattgegeben. Der Klägerin
steht der geltend gemachte Schadensersatz gegen den Beklagten nicht zu, weder aus
§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 3 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 832 Abs. 1 BGB.
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1. Soweit die Klägerin dem Beklagten ein schuldhaftes Verhalten bei den
vorvertraglichen Verhandlungen, nämlich das Verschweigen des Sammelwahns
des Betreuten bzw. die unterlassene Angabe in der "Selbstauskunft
Mietinteressent" vom 05.05.2004 (GA106) zum Vorwurf macht, kommt ein
Schadensersatzanspruch grundsätzlich nur gegen den späteren Vertragspartner,
also den Betreuten, und nicht gegen den für diesen gemäß § 1902 BGB als
Vertreter auftretenden Betreuer in Betracht.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs treffen die
Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines
Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis grundsätzlich den Vertretenen
und nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen auch den Vertreter. Die
Ausnahmefälle, in denen die Eigenhaftung des Vertreters eintreten kann, werden
üblicherweise dahin umschrieben, dass der Vertreter ein besonderes wirtschaftliches
Interesse am Abschluss des Vertrages oder – was hier allein in Betracht kommt – dass
er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (vgl. BGH
NJW 1995, 1213 – in Juris Rn. 11 m.w.N.; OLG Schleswig OLGR 2003, 8 – in Juris Rn.
13). Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Eigenhaftung
eines Vertreters sind auch in Fällen, in denen – wie hier – ein Betreuer im Sinne des §
1896 Abs. 1 BGB für einen Betreuten auftritt, anwendbar. Dabei rechtfertigen es die
Besonderheiten des Pflegschafts- und Betreuungsrechts nicht an die Inanspruchnahme
des persönlichen Vertrauens geringere Anforderungen als in sonstigen Fällen zu stellen
(vgl. BGH a.a.O. – in Juris Rn. 12; OLG Schleswig a.a.O.; LG Flensburg FamRZ 2008,
2232).
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Die für das Vormundschaftsgericht heranzuziehenden Auswahlkriterien haben sich
ausschließlich am Interesse bzw. Wohl des Pfleglings oder Betreuten zu orientieren;
das Vorschlagsrecht des Betreuten ist ebenso zu berücksichtigen wie etwaige andere
Wünsche eines erwachsenen Betreuten (vgl. BGH a.a.O.). Hieraus wird deutlich, dass
das gerichtliche Verfahren, das der Betreuerbestellung vorangeht, dem Schutz der
Betreuteninteressen dient. Die auf einem staatlichen Hoheitsakt gründende
Aufgabenübertragung kommt daher keine eine "Vertrauenshaftung" gegenüber Dritten
auslösende oder verstärkende Wirkung zu (vgl. BGH a.a.O.). Aus dem Umstand, dass
sich der Betreuer bei seiner Amtsausübung nicht nur an den Wünschen und
Vorstellungen des Betreuten ausrichten kann und darf, sondern auch an dessen Wohl
auszurichten hat (§ 1901 BGB) und dies zwangsläufig zu Konflikten zwischen den
Neigungen und Wünschen sowie dem Wohl des Betreuten führen kann, die der
Betreuer zu lösen hat, rechtfertigt es nicht, eine "drittschützende" Zielrichtung aus der
Betreuertätigkeit abzuleiten (vgl. BGH a.a.O.).
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Es kommt daher für die Frage, ob der Beklagte der Klägerin gegenüber als Sachwalter
haftet nicht auf seine Funktion als Betreuer an. Entscheidungserheblich ist allein, ob der
Beklagte durch sein Verhalten auf die Entscheidung der Klägerin in einer Weise
Einfluss genommen hat, dass er der Klägerin gegenüber über das allgemeine Vertrauen
hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und
Erfüllung des Mietgeschäfts geboten hat (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.; OLG Schleswig a.a.O.
m.w.N.).
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Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann vorliegend ein besonderes Vertrauen im Sinne der
Rechtsprechung nicht angenommen werden. Dass der Betreuer aufgrund des
Näheverhältnisses zum Betreuten in der Regel über weitergehende Kenntnisse über der
Verhältnisse des Betreuten, darunter auch etwaige "Makel" verfügt, begründet ein
solches besonderes Vertrauensverhältnis zum Vertragspartner des Betreuten noch
nicht. Auch das Ausfüllen der "Selbstauskunft Mietinteressent" begründet noch kein
über das allgemeine Interesse hinausgehendes besonderes Vertrauen in die Richtigkeit
und Vollständigkeit der Angaben für den Betreuten. Die Klägerin trägt auch nicht vor, in
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welcher besonderen Weise sich der Beklagte weiter als allgemein notwendig in die
Vertragsverhandlungen zum Abschluss des Mietvertrages eingebracht haben soll. Über
die Frage etwaiger Sammelleidenschaften bzw. etwaiger Verwahrlosungstendenzen ist
mangels entgegenstehender Anhaltspunkte bzw. entsprechenden Vortrag der Klägerin
nicht gesprochen worden.
Für eine unmittelbare Eigenhaftung des Vertreters bzw. Betreuers für Handlungen des
Betreuten besteht im Falle des Fehlens einer besonderen Sachwaltereigenschaft auch
kein schützenswertes Bedürfnis. Einem geschädigten Vertragspartner steht für den Fall
einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters vor oder während des
Vertragsschlusses gegen den unmittelbaren Vertragspartner ein
Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu. Einer weiteren haftenden
Person bedarf es unter allgemeinen Interessegesichtspunkten nicht. Dies entspricht
auch der Wertung des Gesetzgebers, wonach eine gesetzlich normierte
Schadensersatzpflicht des Betreuers bei Pflichtwidrigkeiten allein gegenüber dem
Betreuten, also nur im "Innenverhältnis", besteht, § 1908 i BGB in Verbindung mit §
1833 BGB. Soweit der Betreute möglicherweise wegen mangelnder Mittel nicht
erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann, betrifft dies
lediglich das allgemeine Insolvenzrisiko, welches der Vertragspartner der
möglicherweise insolventen Person zu tragen hat und nicht dessen Vertreter.
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Daher kann dahinstehen, ob und inwieweit im Zuge des Vertragsschlusses die
schuldrechtliche Verpflichtung bestanden hat, die Klägerin über die "Sammelwut" des
Betreuten aufzuklären, da hierfür nicht der Beklagte (als Vertreter), sondern allenfalls der
von ihm vertretene Betreute einzustehen hat.
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2. Entgegen der Annahme der Klägerin und des Landgerichts liegen hier nach
Ansicht des Senats auch nicht die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung
gemäß § 832 BGB oder gemäß 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit einem Schutzgesetz vor.
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a) Soweit das Eigentum der Klägerin an den Einrichtungsgegenständen verletzt worden
ist, ist dies auf das unmittelbare Handeln des Betreuten bzw. dessen unterlassene
Pflege im Zuge des Bewohnens zurückzuführen. Anhaltspunkte dafür, dass der
Beklagte auf dieses Verhalten des Betreuten aktiv hingewirkt hat, bestehen nicht und
werden auch nicht vorgetragen, so dass unter diesem Gesichtspunkt auch keine
"mittelbare Täterschaft" des Beklagten angenommen werden kann.
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b) Soweit dem Beklagten der Vorwurf gemacht werden soll, dass er es unterlassen hat,
den Betreuten davon abzuhalten, seiner Sammelwut weiter nachzugehen und die von
der Klägerin angemietete Wohnung in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren und
reinigen zu lassen, käme eine Haftung nur dann in Betracht, wenn insoweit eine
Aufsichtspflicht gegenüber Dritten bestanden hätte. Dies ist hier entgegen der Annahme
der Klägerin (und des Landgerichts) nicht der Fall.
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Eine vertragliche Übernahme der Aufsicht über den Betreuten im Sinne des § 832 Abs.
2 BGB hat unstreitig nicht stattgefunden. Dem Beklagten ist eine solche Aufsichtspflicht
im Sinne des § 832 Abs. 1 BGB auch nicht kraft Gesetzes bzw. aufgrund eines
Hoheitsaktes übertragen worden. Ein erwachsener Mensch unterliegt einer gesetzlichen
Aufsicht nur dann, wenn einem Betreuer entweder die gesamte Personensorge oder
speziell die Beaufsichtigung des Betreuten durch Gerichtsbeschluss übertragen worden
ist; allein die Stellung als Betreuer im Sinne der §§ 1986 ff BGB begründet noch keine
gesetzliche Aufsichtspflicht im Sinne des § 832 Abs. 1 BGB (vgl. LG Bielefeld NJW
1998, 2682 – in Juris Rn. 6; AG Düsseldorf FamRZ 2008, 1029 – in Juris Rn. 21;
Münchner Kommentar – Wagner, BGB, 5. Auflage 2009, § 832 Rn. 15; Staudinger –
Belling, BGB, Neubearbeitung 2008, § 832 Rn. 25; Bernau, Rau, Zschieschack, Die
Übernahme einer Betreuung – ein straf- und zivilrechtliches Haftungsrisiko ?, NJW
2008, 3756). Gegen eine allgemeine Aufsichtspflicht spricht bereits formal die fehlende
Aufnahme der Beaufsichtigung in den Pflichtenkatalog des Betreuers in den §§ 1896 ff
BGB. Zudem besteht auch in sachlicher Hinsicht kein Anlass dafür, von dem Betreuer
eine Beaufsichtigung des Betreuten zu verlangen. Die Rechtsposition des Betreuers
unterscheidet sich signifikant von derjenigen der Eltern oder von Vormündern, für die
das Gesetz als Teil der Personensorge (§§ 1631 Abs. 1, 1800 BGB) ausdrücklich eine
Aufsichtspflicht anordnet und eine persönliche Obhut verlangt. Demgegenüber verweist
die Regelung im Betreuungsrecht (§ 1908 i Abs. 1 BGB) gerade nicht auf § 1631 BGB,
so dass das Schweigen des Gesetzes den Schluss zulässt, dass der Gesetzgeber dem
Betreuer gerade keine vergleichbare Aufsichtspflicht auferlegen wollte (vgl. Bernau,
Rau, Zschieschack a.a.O.). Hinzu kommt, dass die Möglichkeiten der Durchsetzung
einer Aufsichtspflicht, wenn man eine solche annehmen wollte, sehr beschränkt wären.
Etwaige Handlungen des Betreuers im Rahmen einer Aufsicht sind zwangsläufig mit
Eingriffen in die Freiheitsrechte des Betreuten verbunden, die deshalb der rechtlichen
Legitimation bedürfen. Infolgedessen müsste dem Betreuer eine entsprechende
rechtliche Handhabe zur Durchsetzung (drittschützender) Aufsichtsmaßnahmen oder
Anordnungen zur Verfügung stehen (vgl. Bernau, Rau, Zschieschack a.a.O.). Gerade in
Angelegenheiten des Aufenthalts des Betreuten und seiner Wohnung sind
freiheitsbeschränkende Maßnahmen (z.B. eine Unterbringung des Betreuten gegen
seinen Willen) wie auch Beschränkungen des Rechts an der Unverletzlichkeit der
Wohnung (z.B. das Betreten der Wohnung gegen den Willen des Inhabers) nur im Zuge
gerichtlicher Anordnungen möglich (§ 1906 BGB für eine Unterbringung und Art. 13 Abs.
2, Abs. 7 GG für das Betreten der Wohnung), wobei in der Rechtsprechung und Literatur
sogar umstritten ist, ob überhaupt eine gesetzliche Grundlage dafür besteht, dem
Betreuer ein Recht zum Betreten der Wohnung gegen den Willen des Betreuten zu
gewähren (zustimmend LG Berlin FamRZ 1996, 821; LG Freiburg NJW-RR 2001, 146;
Münchener Kommentar – Schwab, BGB, 5. Auflage 2008, § 1896 Rn. 86, 87; ablehnend
OLG Frankfurt Trax 1996, 17; Staudinger – Bannwald, BGB, Neubearbeitung 2006, §
1901 BGB Rn. 42, 43 ). Demgegenüber hat der Betreuer keine eigene rechtliche
Handhabe, im Wege des unmittelbaren Zwangs auf den Betreuten einzuwirken. Im
Übrigen würde die Annahme einer allgemeinen Aufsichtspflicht des Betreuers zu einer
Systemwidrigkeit führen. Grundanliegen jeder Betreuungsanordnung ist nach der
Systematik des Gesetzes das Anliegen, den Betreuten so lange wie möglich eine
eigenständige Lebensführung in seinem vertrauten Umfeld zu ermöglichen. Liefe der
Betreuer zu schnell Gefahr, für Schäden, die der Betreute anrichtet, zu haften, würde
dieses dazu führen, dass er von Anfang an eine Heimunterbringung – jedenfalls auch –
zum Zwecke der Haftungsreduzierung forciert. Eine solche nicht fernliegende
Vorgehensweise würde jedoch in diametralem Gegensatz zu den Prinzipien und
Vorgaben der §§ 1896 ff BGB stehen (vgl. Bernau, Rau, Zschieschack a.a.O.). Letztlich
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ist zu berücksichtigen, dass das Betreuungsrecht allein auf den Schutz des Betreuten
und nicht auf den Schutz etwaiger Dritter abstellt, so dass eine im Drittinteresse
liegenden umfassende Betreuerbestellung nur in extremen Ausnahmefällen zulässig ist
(vgl. Bernau, Rau, Zschieschack a.a.O.).
Die für eine Aufsichtspflicht (wenigstens) erforderliche allgemeine Personensorge bzw.
spezielle Aufsicht über den Betreuten ist dem Beklagten hier unstreitig nicht übertragen
worden. Der Beklagte hat ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts
Mönchengladbach vom 04.07.2003 lediglich die Aufgabenkreise "Vermögenssorge,
medizinische Versorgung und Wohnungsangelegenheiten" übertragen erhalten.
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Daneben lässt sich eine beschränkte Aufsichtspflicht auch nicht aus dem Aufgabenkreis
"Wohnungsangelegenheiten" nicht ableiten. Zwar umfasst der Aufgabenkreis
"Wohnungsangelegenheiten" nach dem Wortsinn alle Angelegenheiten, die die
Wohnung betreffen; also nicht nur rechtliche Angelegenheiten wie Begründung oder
Auflösung des Mietverhältnisses, Abschluss der Verträge für die Versorgung mit Strom,
Gas, Wasser, für die Wohnung betreffende Versicherungen, Handwerker u.ä., sondern
auch tatsächliche Maßnahmen wie Reinigung, Renovierung, Entmüllung und
Entrümpelung einschließlich etwa erforderlich werdender Entwesung und Desinfektion
der Wohnung (vgl. LG Freiburg NJW-RR 2001, 146 – in Juris Rn. 42). Zudem ließe sich
für eine Aufsichtspflicht auf dem Gebiet Wohnungsangelegenheiten anführen, dass das
Gericht mit der Einrichtung der Betreuung für diesen Aufgabenkreis gerade festgestellt
hat, dass der Betreute zur einem eigenverantwortlichen Umgang in diesem Bereich
nicht mehr in der Lage ist und gerade deshalb einen Betreuer an seine Seite gestellt
bekommt. Aber auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte hier –
wie das Landgericht insoweit zu Recht angenommen hat – sehr wohl eine konkrete
Kenntnis von der "Sammelwut" und der damit zusammenhängenden Probleme, auch
mit der Vorvermieterin D., gehabt haben dürfte und er dies im Rahmen der
Selbstauskunft gegenüber der Klägerin verschwiegen hat (wobei nicht anzunehmen ist,
dass der Beklagte den Namen der Vorvermieterin bewusst falsch geschrieben hat),
lassen sich etwaige praktischen Probleme hinsichtlich der Frage der Durchsetzung
einer Aufsichtspflicht nicht sachgerecht lösen. Es würde sich umgehend die weitere
Frage stellen, ob dem Betreuer selbst bei Bestehen einer Aufsichtspflicht überhaupt ein
subjektiver Schuldvorwurf gemacht werden könnte. Wenn der Betreuer praktisch keine
Einwirkungsmöglichkeiten auf den Betreuten hat, kann man ihm schwerlich den Vorwurf
machen, dass er nicht ausreichend auf den Betreuten eingewirkt hat. Dies gilt erst Recht
vor dem Hintergrund, dass der Betreute in diesem Fall – wie sein Verhalten in
Zusammenhang mit der Räumung zeigt – eine starken eigenen Willen hatte und sich im
wahrsten Sinne des Wortes in seiner Wohnung "verbarrikadiert" hat. Insoweit ist erst
Recht nicht erkennbar, inwieweit hier die Ausübung einer Aufsichtspflicht dieses
tatsächliche Verhalten hätte verhindern sollen. Zudem würde eine Ausweitung der
Haftung des Betreuers für Schäden, die der Betreute verursacht, wie das Landgericht zu
Recht selbst angemerkt hat, dazu führen, dass sich möglicherweise nicht mehr eine
ausreichende Zahl von Betreuern finden lassen wird.
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Unter diesen Umständen hält der Senat die gegen eine Aufsichtspflicht sprechenden
Argumente für überzeugender und damit gegen eine Haftung des Beklagten für
durchgreifend. Die Klägerin wird dadurch – wie bereits ausgeführt – auch nicht
schutzlos gestellt. Der Klägerin dürfte jedenfalls sowohl ein schuldrechtlicher (dabei
wäre dem Betreuten das möglicherweise schuldhafte Verhalten des Betreuers bei den
vorvertraglichen Verhandlungen im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB gemäß § 278 BGB
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zurechenbar) als auch ein deliktsrechtlicher Anspruch (deliktsunfähig im Sinne des §
827 BGB dürfte der Betreute noch nicht gewesen sein) gegen den Betreuten zustehen.
Dass dieser Anspruch möglicherweise mangels Vermögens des betreuten nicht
durchsetzbar ist, beruht dies auf dem allgemeinen Vertragsrisiko der Klägerin.
c) Entgegen der Annahme des Landgerichts kommt hier auch keine analoge
Anwendung des § 832 Abs. 1 BGB auf den Beklagten in Betracht. Im Hinblick auf das
anerkennenswerte Bedürfnis, die Bereitschaft, sich persönlich um hilfsbedürftige
Personen zu kümmern, nicht durch eine übersteigerte Pflichtenbindung und die davon
abzuleitende Furcht vor möglichen Haftungsfolgen zu mindern (vgl. Staudinger a.a.O.
Rn. 158), ist eine Ausdehnung der deliktischen Haftung nach § 832 Abs. 1 BGB über
den unmittelbaren Anwendungsbereich grundsätzlich problematisch. Soweit der
Gedanke, altruistisches Handeln nicht mit übersteigerten Haftungsrisiken zu belasten,
es nicht gebieten soll, denjenigen, der eine hilfsbedürftige "gefährliche" Person in seine
Obhut genommen hat, von jeglicher Verantwortung für diese freizuhalten und
dementsprechend eine analoge Anwendung des § 832 BGB ausnahmsweise auf der
Basis einer faktischen Übernahme der Verantwortlichkeit geboten sein kann (vgl. LG
Bielefeld a.a.O.; Staudinger a.a.O.), liegen die Voraussetzungen für einen solchen
Ausnahmefall hier nicht vor. Ausgangspunkt für eine solche Haftung ist nach der
Rechtssprechung des Reichsgerichts bzw. des Bundesgerichtshofes (vgl. RGZ 70, 48;
92, 125; BGH VersR 1954, 118; BGH NJW 1958, 1775) ein dem Tatbestand des § 832
BGB vergleichbarer Sachverhalt. Eine solche Haftung soll zum Beispiel für den
"Haushaltsvorstand" in Betracht kommen, weil dieser tatsächliche autoritative
Einwirkungsmöglichkeiten in Bezug auf das Tun und Treiben der "gefährlichen" Person
hat, wobei eine Sicherungspflicht auch dann nur gegenüber solchen Gefahren bestehen
soll, die aus dem Bereich des Hauswesens hervorgehen (vgl. BGH NJW 1958, 1775).
Demgegenüber reicht die alleinige Zugehörigkeit zu einem Haushalt noch nicht aus
(vgl. BGH a.a.O.). Hinzu kam in diesen Fällen immer eine besondere familiäre
Beziehung, z.B. des Ehemannes zur geisteskranken Ehefrau (vgl. RGZ 70, 48) oder der
Eltern gegenüber dem volljährigen geisteskranken Kind (vgl. RGZ 92, 125). Eine hiermit
vergleichbare Tatsachenlage ist hier nicht gegeben. Der Beklagte übte hier weder
aufgrund seiner beruflichen Stellung als Betreuer noch in sonstiger faktischer Weise
eine besondere Einwirkungsmöglichkeit auf den Betreuten aus. Es lässt sich entgegen
der Annahme des Landgerichts gerade nicht feststellen, dass der Beklagte in
tatsächlicher Hinsicht umfassend die Sorge über den Betreuten übernommen hat und
dabei bestimmend auf die Lebensverhältnisse des Betreuten eingewirkt hat. Der bloße
Abschluss des Mietvertrages stellt noch keine derartige Einwirkung auf das Leben des
Betroffenen dar, um ausnahmsweise eine Aufsichtspflicht kraft faktischer Übernahme zu
begründen. Dies ändert sich auch nicht durch den Umstand, dass der Beklagte, wofür
einiges spricht, hier besondere Kenntnisse von den "Gewohnheiten" des Betreuten
hatte. Mit derartigen Kenntnissen ist noch keine auf die Lebensweise des Betreuten
bestimmende Wirkung verbunden. Unter diesen Umständen muss auch nicht mehr der
Frage nachgegangen werden, ob eine analoge Anwendung des § 832 Abs. 1 BGB
überhaupt die Pflicht begründete, Dritte vor Schäden zu schützen und nicht nur die
Verpflichtung, auf eine Einrichtung oder Ausdehnung einer Betreuerstellung durch
Anregung gegenüber dem Vormundschaftsgericht hinzuwirken (vgl. Staudinger a.a.O.
Rn. 158)
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Daneben kann dem Beklagten hier auch nicht unabhängig von § 832 BGB eine Haftung
wegen Unterlassens in Zusammenhang mit einer anderweitigen Garantenpflicht oder
Verkehrssicherungspflichtverletzung auferlegt werden. Gerade die Gründe, welche zu
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einer Ablehnung einer Aufsichtspflicht führen, rechtfertigen es nicht, eine anderweitige
Überwachungspflicht aus der Stellung des Betreuers herzuleiten. Andernfalls würde
damit auf einem Umweg im Ergebnis eine Aufsichtspflicht hergestellt werden, welche
die oben genannten Probleme aufwerfen würde.
d) Erst Recht bestehen hier keine Anhaltspunkte für eine Schutzgesetzverletzung im
Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, insbesondere nicht für eine Verletzung einer Strafnorm.
Ein Betrug im Sinne des § 263 StGB scheidet bereits deshalb aus, weil eine Täuschung
durch Unterlassen auch im Strafrecht eine Aufklärungspflicht erfordert, an der es hier
aus den oben genannten Gründen fehlt. Daneben bestehen auch keine Anhaltspunkte
für eine etwaige Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil
zu verschaffen.
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3. Fehlt es mithin an einer Betreuerhaftung im vorliegenden Fall schon aus
grundsätzlichen Erwägungen, kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, in welchem
Umfang der Beklagte bereits vor dem Mietvertragsschluss mit der Klägerin Kenntnis von
der "Sammelwut" des Betreuten hatte und welche konkreten Bemühungen er
unternommen hat, dem entgegenzuwirken bzw. später wenigstens auf eine
Entrümpelung und Räumung der Wohnung hinzuwirken.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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IV. Es besteht kein begründeter Anlass für eine Zulassung der Revision. Die
Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 7.631,69 €
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