Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.02.2002

OLG Düsseldorf: faires verfahren, strafbefehlsverfahren, pflichtverteidiger, bewährung, einspruch, erlass, entschuldigung, anhörung, beschuldigter, vergünstigung

Oberlandesgericht Düsseldorf, 2a Ss 265/01 - 91/01 II
Datum:
21.02.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2a Ss 265/01 - 91/01 II
Tenor:
Die Revision wird als unbegründet auf Kosten des Angeklagten
verworfen.
G r ü n d e :
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1.
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Die Revision ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
(§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).
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Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten zu Recht gemäß § 329 Abs. 1 StPO
verworfen, weil der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung ohne genügende
Entschuldigung nicht erschienen und nicht in zulässiger Weise vertreten war.
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Zwar hat das Amtsgericht Erkelenz dem Angeklagten in der Hauptverhandlung 20.
Dezember 1999 Rechtsanwalt Dr. F. aus J. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Diese
Pflichtverteidigerbestellung erfolgte aufgrund der Regelung in § 408 b Satz 1 StPO, weil
die Voraussetzungen des § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO insofern vorgelegen haben als
gegen den Angeklagten durch den Strafbefehl vom gleichen Tage eine Freiheitsstrafe
von vier Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt worden ist.
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Die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 408 b StPO wirkt nach herrschender
Auffassung nur für das Strafbefehlsverfahren und gilt nicht für das weitere Verfahren
nach Einspruch gegen einen Strafbefehl (vgl. AG Höxter NJW 1994, 2842 = NStE Nr. 1
zu § 408 b StPO; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 45. Aufl., § 408 b StPO Rdnr. 6; KMR-
Metzger, § 408 b StPO Rdnr. 10; Pfeifer-Fischer, 3. Aufl., § 408 b StPO Rdnr. 4;
Hohendorf MDR 1993, 597, 598; Lutz NStZ 1998, 395, 396; a.A. KK-Fischer, 4. Aufl., §
408 b StPO Rdnr. 8; differenzierend LR-Gössel, 25. Aufl., § 408 b StPO Rdnr. 13: bis zur
erstinstanzlichen Hauptverhandlung nach Einspruch, nicht aber für das
Berufungsverfahren).
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Der Senat schließt sich dieser Meinung an. Die gebotene einschränkende Auslegung
des § 408 b StPO ergibt sich zunächst aus der systematischen Stellung im Gesetz, da
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die Vorschrift mit dem Entlastungsgesetz vom 11.1.1993 (BGBl. 1993 I, 51) nicht in die
§§ 140 ff StPO eingefügt wurde, sondern in den Abschnitt über das
Strafbefehlsverfahren. § 408 b Satz 2 StPO verweist auch nicht auf die Vorschriften über
die Pflichtverteidigung insgesamt, sondern nur auf § 141 Abs. 3 StPO, der die
Bestellung eines Verteidigers für das Vorverfahren betrifft. Diese einschränkende
Interpretation entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, da ausweislich der
amtlichen Begründung die Bestellung eines Pflichtverteidigers nur aufgrund der
besonderen prozessualen Situation geboten ist und der Katalog der notwendigen
Verteidigung in § 140 StPO unberührt bleiben sollte (vgl. BT-Drucks. 12/3832 Seite 42).
Dieses Ergebnis erscheint auch konsequent, denn die für das Strafbefehlsverfahren
getroffene Regelung in § 408 b StPO würde ansonsten zu einer vom Gesetzgeber nicht
gewollten Vergünstigung führen. Die abweichende Auffassung würde aber gerade eine
solche Besserstellung eines Beschuldigten bewirken, der im Hinblick auf § 407 Abs. 2
Satz 2 StPO lediglich eine Freiheitsstrafe bis einem Jahr mit Strafaussetzung zur
Bewährung zu befürchten hat, während ein Beschuldigter, der nach § 200 StPO sofort
angeklagt wird und gegebenenfalls eine Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung zu
erwarten hat, nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO
einen Pflichtverteidiger erhalten kann.
Die Richtigkeit dieses Ergebnisses zeigt der vorliegende Fall, in dem die
Staatsanwaltschaft gemäß § 408 a StPO in der Hauptverhandlung den Erlass eines
Strafbefehls über eine Freiheitsstrafe von vier Monaten mit Strafaussetzung zur
Bewährung beantragt hatte. Insofern bestand von vornherein kein Anlass, über die
ersichtlich nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO nachzudenken.
Dies bedeutet aber, dass der Angeklagte mangels Vorliegens eines Falls der
notwendigen Verteidigung über die Regelung des § 140 Abs. 2 StPO in keinem Fall
einen Pflichtverteidiger erhalten hätte.
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Die Verteidigerbestellung nach § 408 b StPO soll nur die berechtigten Interessen des
Beschuldigten auf ein faires Verfahren wahren und das Unterbleiben der persönlichen
Anhörung durch den erkennenden Richter ausgleichen. Mehr soll durch die Regelung
nicht erreicht werden. Ob eine Pflichtverteidigerbestellung für das weitere Verfahren
geboten ist, hat sich allein an den Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO zu
orientieren.
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2.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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