Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.03.2010

OLG Düsseldorf (ex tunc, kläger, fortsetzung des mietverhältnisses, fristlose kündigung, zpo, hauptsache, anfechtung, kaution, kündigung, anfang)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 U 136/09
Datum:
25.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-10 U 136/09
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 15. September 2009
verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das im schriftlichen Vorverfahren am 07.01.2008 erlassene und dem
Beklagten am 15.01.2008 zugestellte Versäumnisurteil wird mit der
Maßgabe aufrechterhalten, dass die Hauptsache erledigt ist.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des
Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
I.
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Die Parteien streiten nur noch über die von den Klägern beantragte Feststellung, dass
sich die Räumungsklage in der Hauptsache erledigt hat. Wegen der getroffenen
Feststellungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen
(GA 95-97). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, der Rechtsstreit habe sich nicht in der Hauptsache erledigt. Die
ursprüngliche Räumungsklage sei von Anfang an unbegründet gewesen. Der Beklagte
sei zur Anfechtung des Mietvertrages gemäß § 123 BGB berechtigt. Diese führe zur
Unwirksamkeit des Mietvertrages ex tunc, sodass weder eine Verpflichtung zur Zahlung
des Mietzinses noch der Kaution bestanden habe. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die
Berufung der Kläger, mit der sie ihren erstinstanzlichen Feststellungsantrag
weiterverfolgen. Sie machen geltend, das Landgericht habe verkannt, dass die
Mietsache bereits am 25.03.2008 geräumt und sie vor Zustellung der
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Anfechtungserklärung vom 15.05.2008 in der Parallelsache 10 O 91/08 LG Düsseldorf =
I–10 U 137/09 OLG Düsseldorf am 28.05./02.06.2008 durch die OGV B. in den Besitz
der Mietsache eingewiesen worden seien. Im Übrigen habe das Landgericht zu Unrecht
einen Anfechtungsgrund angenommen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf
die Berufungsbegründung vom 10.12.2009 (GA 118 ff.) verwiesen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, insbesondere die Feststellungen des
Landgerichts, dass er zur Anfechtung des Mietvertrages berechtigt sei, und bittet nach
Maßgabe seines Schriftsatzes vom 22.02.2010 (GA 150 ff.) um Zurückweisung der
Berufung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien
einschließlich der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Räumungsklage ist durch die
Besitzeinweisung der Kläger am 28.05./02.06.2008 in der Hauptsache erledigt, sodass
der auf Feststellung der Erledigung des Räumungsantrags gerichtete Klageantrag
begründet und das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 07.01.2008 gemäß § 343
Satz 1 ZPO mit dieser Maßgabe aufrechtzuerhalten ist.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 3.12.2003, XII ZR
238/01 zitiert nach juris; NJW 1992, 2235) hat die Feststellung der Erledigung der
Hauptsache eines Rechtsstreits nicht nur den Eintritt eines erledigenden Ereignisses
zur Voraussetzung, sondern auch, dass die Klage im Zeitpunkt dieses Eintritts zulässig
und begründet war. Eine von Anfang an unbegründete Klage ist trotz
Erledigungserklärung abzuweisen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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Maßgebender Zeitpunkt für die prozessuale Feststellung der Erledigung des
Rechtsstreits ist der Eintritt des erledigenden Ereignisses (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28.
Aufl., § 91 a, RdNr. 44 m.w.N.). Das ist hier die Besitzeinweisung der Kläger am
28.05./02.06.2008 durch die zuständige Gerichtsvollzieherin; denn damit war der
Räumungsanspruch der Kläger erfüllt. Zwar stellt eine unter dem Druck der
Zwangsvollstreckung bewirkte Räumung keine Erfüllungshandlung dar, welche die
Annahme eines erledigenden Ereignisses rechtfertigt (BGH, Beschl. v. 21.9.2005, GE
2006, 320 = GuT 2006, 35 = NZM 2005, 944 = ZMR 2006, 28 - XII ZR 256/03; Urt. v.
30.1.1985, WPM 1985, 647 - VIII ZR 292/83). Nach dem unwidersprochen gebliebenen
und gemäß § 138 Abs. 3 ZPO der Entscheidung zugrunde liegenden Sachvortrag der
Kläger hat der Beklagte die Mieträume jedoch bereits am 25.03.2008 freiwillig und
endgültig geräumt und sind die Kläger am 28.05./02.06.2008 vor Zustellung der
Anfechtungserklärung vom 15.05.2008 in der Parallelsache 10 O 91/08 LG Düsseldorf =
I – 10 U 137/09 OLG Düsseldorf am 28.05./02.06.2008 in den Besitz der Mieträume
eingewiesen worden. Damit war die Räumungsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil
der Kammer gemäß § 885 Abs. 1 ZPO beendet. Unter den besonderen Umständen des
Streitfalls ist davon auszugehen, dass der Beklagte die Mieträume bereits am
25.03.2008 freiwillig und endgültig und nicht erst mit Blick auf die bevorstehende
Räumungsvollstreckung aufgegeben hat. Der Senat folgert dies zum einen daraus, dass
der Beklagte aufgrund seiner im Parallelverfahren erklärten Täuschungsanfechtung
selbst davon ausgeht, dass der Mietvertrag mit den Klägern von Anfang an unwirksam
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war, ihm also bereits nach seinem eigenen Vortrag ein vertragliches Besitzrecht nicht
mehr zusteht und zum anderen daraus, dass der Beklagte – wie dem Senat aus dem
ebenfalls verhandelten Parallelverfahren bekannt und im Termin angesprochen worden
ist – seinen Wohnsitz bereits im Juli 2008 nach Frankreich verlegt hat.
Dementsprechend hat der Beklagte weder hier noch im Parallelverfahren ein weiteres
Besitzrecht für sich reklamiert.
Die Räumungsklage war bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses auch begründet.
Insoweit bedarf es in dieser Sache keiner Entscheidung, ob das Mietverhältnis der
Parteien – wie es das Landgericht angenommen hat – aufgrund der mit Schriftsatz vom
15.05.2008 im Parallelverfahren erklärten Anfechtung des Beklagten gemäß §§ 123
Abs. 1, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Jedenfalls
solange die Anfechtung nicht erklärt ist, behält das anfechtbare Rechtsgeschäft
ungeachtet der ex-tunc-Wirkung einer Anfechtung seine Gültigkeit (Palandt/Ellenberger,
BGB, 69 Aufl., § 142 RdNr. 3; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., § 142 RdNr. 2
unter Hinweis auf BGH NJW-RR 87, 1456). Da die Anfechtungserklärung den Klägern –
wie ausgeführt – unbestritten erst nach der Besitzeinweisung zugegangen ist, ist der
Mietvertrag der Parteien in Bezug auf die prozessuale Feststellung eines erledigenden
Ereignisses als wirksam zu behandeln. Hiervon ausgehend war die Räumungsklage bis
zu diesem Zeitpunkt begründet. Der Beklagte war gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur
Räumung und Herausgabe an die Kläger verpflichtet. Das Mietverhältnis der Parteien
war jedenfalls durch die mit Anwaltsschreiben vom 20.10.2007 erklärte erneute fristlose
Kündigung beendet. Die Kündigung war gemäß § 543 Abs. 1 BGB wegen Nichtzahlung
der vertraglich vereinbarten Kaution begründet. Die Kaution befriedigt regelmäßig ein
legitimes und zudem elementares Sicherungsbedürfnis des Vermieters. Ihre
Nichtzahlung lässt berechtigte Zweifel an der Vertragstreue und Bonität des Mieters
aufkommen und begründet eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses
(BGH, Urt. v. 21.3.2007, NZM 2007, 400), die im gewerblichen Bereich nicht durch den
Verweis auf die Möglichkeit der Zahlungsklage kompensiert wird. So liegen die Dinge
auch hier. Der Beklagte hat die vereinbarte Kaution weder auf Mahnungen der
Hausverwaltung der Kläger vom 27.02.2007 (GA 33) und 10.05.2007 (GA 35) noch auf
die Kündigungsandrohung der Kläger vom 22.05.2007 (GA 36) geleistet. Er hat darüber
hinaus nicht einmal die mit den Klägern anlässlich der "Rücknahme" der fristlosen
Kündigung vom 06.06.2007 unbestritten getroffene Vereinbarung, die Kaution kurzfristig
zu zahlen, erfüllt. Unter diesen Umständen war den Klägern bei der gebotenen
Interessenabwägung, zu der der Beklagte nichts Rechtserhebliches beigetragen hat, die
Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten nicht weiter zumutbar und diese
gemäß §§ 543 Abs. 1, 314 Abs. 3 BGB noch am 20.10.2007 zur fristlosen Kündigung
berechtigt.
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Die erst geraume Zeit danach zugegangene Anfechtungserklärung konnte ungeachtet
ihrer materiell-rechtlichen ex-tunc-Wirkung die bereits vor ihrem Zugang prozessual
eingetretene Erledigung des Räumungsrechtsstreits in der Hauptsache nicht mehr
tangieren. Insoweit gilt Vergleichbares wie bei der Aufrechnung mit einer bereits vor
Klageerhebung der Klageforderung aufrechenbar gegenüberstehenden
Gegenforderung. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des BGH davon auszugehen,
dass trotz der materiell-rechtlichen Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB) erst die
Aufrechnungserklärung das "erledigende Ereignis" für eine bis dahin zulässige und
begründete Klage darstellt (BGH, Urt. v. 17.7.2003, BGHZ 155, 392 = MDR 2003, 1433
= NJW 2003, 3134 - IX ZR 268/02).
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Ergänzend verweist der Senat darauf, dass der Beklagte auch bei erfolgreicher
Anfechtung des Mietvertrages gemäß § 985 BGB zur Herausgabe der Mieträume
verpflichtet war. Der Senat hat diesen Aspekt in der mündlichen Verhandlung
ausdrücklich angesprochen, sodass davon auszugehen ist, dass sich die Kläger den
Vortrag des Beklagten insoweit zumindest hilfsweise zu eigen gemacht haben (BGH,
Beschl. v. 10.11.2009, VI ZR 325/08). Da durch die Besitzeinweisung gemäß § 885 Abs.
1 ZPO auch der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB erfüllt worden ist, ist auch
insoweit Erledigung eingetreten.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht
vor.
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Streitwert: 32.400,00 €.
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