Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.04.2007

OLG Düsseldorf: stand der technik, bohrung, vereinigte staaten von amerika, eingriff, patentanspruch, werkzeug, gewebe, begriff, fig, unterlassen

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 87/05
Datum:
19.04.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 87/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Juni 2006
verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts wird
mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Urteilsausspruch zu
Ziffer I. 1 Abs. 4 die Worte „wobei die Vorrichtung die Nabe ei-
nes chirurgischen Instrumentes aufweist“ durch die Worte „wo-
bei der Körper als Nabe eines chirurgischen Instrumentes aus-
gestaltet ist“ ersetzt werden.
Die Beklagten haben auch die Kosten des Berufungsrechtszu-
ges zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
1.000.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.000.000,00 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin nimmt als ausschließliche Lizenznehmerin an dem europäischen Patent 0
3
866 xxx (Klagepatent) sowie dem parallelen deutschen Gebrauchsmuster 296 23 xxx
(Anlage K 4; Klagegebrauchsmuster) und als Abtretungsempfängerin (vgl. Anlagen K 1
und K 2) die Beklagten wegen Verletzung der vorgenannten Schutzrechte (nachfolgend
auch: Klageschutzrechte) auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch und
möchte überdies die Verpflichtung der Beklagten, wegen der Verletzungshandlungen
Schadenersatz leisten zu müssen, festgestellt haben.
Das Klagepatent, das in der englischen Verfahrenssprache abgefasst ist, beruht auf
einer Anmeldung vom 31. Oktober 1996, die die Priorität der US 7xxx P vom 31. Oktober
1995 und der US 630xxx vom 10. April 1996 in Anspruch nimmt. Die Anmeldung wurde
am 30. September 1998 veröffentlicht. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die
Patenterteilung des Klagepatents erfolgte am 14. Januar 2004. Zu den benannten
Vertragsstaaten des europäischen Klagepatents gehört die Bundesrepublik
Deutschland. Das Klagepatent steht in Kraft.
4
Das Klagepatent ist mit dem aus der Anlage K 5 ersichtlichen Inhalt erteilt worden,
wobei die Patentinhaberin gemäß Artikel II § 3 Abs. 1 IntPatÜG 1991 die als Anlage K 5
a zu den Akten gereichte Übersetzung der europäischen Patentschrift beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingereicht hat.
5
In der veröffentlichten deutschen Übersetzung lauten die Patentansprüche 1 und 13 des
Klagepatents wie folgt:
6
"1. Vorrichtung mit einem Körper , der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (110)
eines chirurgischen Handstücks (110) einführbar ist und einer Einrasteinrichtung (310)
mit einem federnden Element (315), das mit dem Körper verbunden ist und eine
Einrastklinken-Struktur (330) aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche
(620) des chirurgischen Handstücks innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff
bring-
7
bar ist, wobei das federnde Element einen einseitig befestigten Arm (315) umfasst
8
und die Einrasteinrichtung (310) weiterhin ein durch den Benutzer manipulierbares
Freigabeteil (325) aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm (315) ange-bracht
ist.
9
13. Nabe (320) eines chirurgischen Instrumentes (300) , die die Vorrichtung gemäß
Anspruch 1 aufweist und ferner versehen ist mit einem äußeren Element (370), das mit
dem Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden
Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes (70) erstreckt, einem inneren
Element (375), welches an seinem distalen Ende desselben ein chirurgisches
Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element (375) innerhalb
des äußeren Elementes angeordnet und gegenüber dem äußeren Element (370)
rotierbar ist und einer Antriebswelle (350) , die mit dem inneren Element (375) zwecks
Rotieren desselben verbunden ist."
10
Die Schutzansprüche 1 und 13 des parallelen Klagegebrauchsmusters, welches am 31.
Oktober 1996 angemeldet, am 3. Februar 2000 eingetragen, am 9. März 2000 im
Patentblatt bekannt gemacht und am 31. Oktober 2006 durch Zeitablauf erloschen ist,
haben denselben Wortlaut.
11
Auf unter anderem den Einspruch der Beklagten zu 1) gegen die Erteilung des
Klagepatents hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes mit der
Entscheidung vom 4. Dezember 2006 das Klagepatent mit einer geänderten
Beschreibung und mit einem gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 geänderten
Patentanspruch 1, in welchem auch die Merkmale des erteilten Patentanspruches
enthalten sind, aufrechterhalten. Die Änderungen der Klagepatentschrift ergeben sich
aus der Anlage rop 4 und der geänderte und aufrechterhaltene Patentanspruch 1, der
die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 13 umfasst, aus der Anlage rop 5
Blatt 1. Danach lautet der aufrechterhaltene Patentanspruch 1 in der englischen
Verfahrenssprache des Klagepatents wie folgt:
12
"Apparatus comprising a body configured for insertion in a bore (110) of a surgical
13
handpiece and a latch (310) comprising a resilient member (315) connected to the body
and having a latching structure (330) configured to latchingly engage a surface of the
surgical handpiece (100) within the bore (110), wherein the body is configured as a hub
(320) of a surgical instrument and further comprises an outer member (370) connected to
and extending from said body to a tissue receiving opening at a distal end of said outer
member (370) , an inner member (375) including at a distal end thereof a surgical tool to
cut tissue, said inner member being positioned within in the outer member (370) and
being rotatable relative to the outer member, and a drive shaft (350) connected to the
inner member (375) for rotating the inner member (375) , characterized in that the
resilient member (315) comprises a cantilevered arm (315) and wherein the latch (319)
further comprises a user-manipulable release portion (325) attached to the cantilevered
arm (315)."
14
Ins Deutsche übersetzt lautet dies wie folgt (vgl. Anlage rop 5 Blatt 2):
15
"Vorrichtung mit einem Körper , der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eines
chirurgischen Handstücks (110) einführbar ist, und einer Einrasteinrichtung (310) mit
einem federnden Element (315) , das mit dem Körper verbunden ist und eine
Einrastklinken-Struktur (330) aufweist, die so ausgebildet ist, das sie mit einer Fläche
des chirurgischen Handstücks (100) innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff
bringbar ist, wobei der Körper als Nabe (320) eines chirurgischen Instrumentes
ausgestaltet ist und ferner versehen ist mit einem äußeren Element (370), das mit dem
Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am
distalen Ende des äußeren Elementes (370) erstreckt, einem inneren Element (375)
welches an seinem distalen Ende desselben ein chirurgisches Werkezeug zum
Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element (375) innerhalb des äußeren
Elementes (370) angeordnet und gegenüber dem äußeren Element (370) rotierbar ist,
und einer Antriebswelle (350) , die mit dem inneren Element (375) zwecks Rotieren
desselben verbunden ist,
16
dadurch gekennzeichnet, dass das federnde Element (315) einen einseitig befestigten
Arm (315) umfasst und die Einrasteinrichtung (310) weiterhin ein durch den Benutzer
manipulierbares Freigabeteil (325) aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm
(315) angebracht ist."
17
Die Beklagte zu 1). deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2) ist,
deren Geschäftsführer wiederum der Beklagte zu 3) ist, stellt her und vertreibt Schneid-
werkzeuge für endoskopische Geräte, die in der Werbung der Beklagen gemäß Anlage
18
K 8 als "Klingen für Shaver-Systeme" bezeichnet werden. Die von der Klägerin als
Anlage K 9 eingereichten und nachfolgend wiedergegebenen Darstellungen zeigen
diese Schneidwerkzeuge der Beklagten.
Die Klägerin sieht in dem Herstellen, Anbieten und Inverkehrbringen dieser
Schneidwerkzeuge eine Verletzung des Klageschutzrechte, für die sie mit ihrer Klage
aus dem Jahre 2004 von vornherein nur Schutz im Umfang der Kombination der
erteilten Ansprüche 1 und 13 des Klagepatents und der gleichlautenden
Schutzansprüche 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters begehrt hat. Sie hat geltend
gemacht, dass die Klageschutzrechte jedenfalls in diesem Umfang schutzfähig bzw.
rechtsbeständig seien und die angegriffenen Schneidwerkzeuge der Beklagten die
technische Lehre der Ansprüche 1 und 13 der Klageschutzrechte verwirklichten.
19
Die Beklagten haben die Schutzfähigkeit bzw. den Rechtsbestand der
Klageschutzrechte im vorgenannten Umfang in Abrede gestellt. Sie haben überdies
geltend gemacht, dass die technische Lehre der Klageschutzrechte, für die die Klägerin
Schutz begehre, bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht sei. Bei
ihnen sei nämlich kein federndes Element im Sinne der Klageschutzrechte vorhanden.
Unter federnden Element im Sinne der Klageschutzrechte sei ein Element zu verstehen,
das von seiner Struktur und vom Material her so beschaffen sei, dass es von sich aus
federe. Ein solches Element sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht
vorhanden. Vielmehr sei das die Einrastung bewirkende Element kein von sich aus
federndes Element, sondern die Federwirkung werde erst durch den Einsatz einer
Spiralfeder erzielt. Außerdem umfasse bei den angegriffenen Ausführungsformen
dieses Element nicht einen einseitig "befestigten" Arm im Sinne der Klageschutzrechte ,
sondern einen Arm, der mit Hilfe eines Splintes an dem Körper "gelagert" und damit
nicht im Sinne der Lehre der Klageschutzrechte "befestigt" sei.
20
Das Landgericht hat der Klage entsprochen und in der Sache wie folgt erkannt:
21
"I. Die Beklagten werden verurteilt,
22
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro oder einer Ordnungshaft, zu
vollziehen an den gesetzlich vertretungsberechtigten Personen der Beklagten bis zu
23
sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
24
Vorrichtungen herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den
vorgenannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
25
mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eines chirurgischen
Handstückes einführbar ist und einer Einrasteinrichtung mit einem federnden Element,
das mit dem Körper verbunden ist und eine Einrastklinken-Struktur aufweist, die so
ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche des chirurgischen Handstückes innerhalb der
Bohrung verriegelnd in Eingriff bringbar ist, wobei das federnde Element einen einseitig
befestigten Arm umfasst und die Einrasteinrichtung weiterhin ein durch den Benutzer
manipulierbares Freigabeteil aufweist, welches an dem einseitig befestigten Arm
angebracht ist,
26
wobei die Vorrichtung die Nabe eine chirurgischen Instruments aufweist und ferner
27
versehen ist mit einem äußeren Element, das mit dem Körper verbunden ist und sich
von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren
Elementes erstreckt, einem inneren Element, welches an seinem distalen Ende
desselben ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeschneiden aufweist, wobei das
innere Element innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und gegenüber dem
äußeren Element rotierbar ist und einer Antriebswelle, die mit dem inneren Element
zwecks Rotieren desselben verbunden ist,
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses
vollständig Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten
Handlungen seit dem 9. 4. 2000 begangen haben, und zwar unter Angabe
28
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
29
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeich-
nungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen und gegebenenfalls der Ty-
30
penbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
31
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preise
sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
32
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs-
und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
33
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
34
des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Ge-
meinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteils-
35
ausspruch zu 1. genannten Vorrichtungen unmittelbar zugeordnet werden,
36
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit.a.) und b) Bestell-, Lieferscheine
und Rechnungen vorzulegen haben und
37
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der
Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von
der Klägerin zu bezeichnenden , zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten
Wirtschaftprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen, der
Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder
Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten sind.
38
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr und der D, Inc., Vereinigte Staaten von
Amerika , durch die unter I.1. bezeichneten, seit dem 9.4.200 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird."
39
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Gegenstand der kombinierten
Schutzansprüche 1 und 13 des Klagegebrauchmusters habe als neu zu gelten, da die
Beklagten keinen alle Merkmale der genannten Schutzansprüche offenbarenden Stand
der Technik aufgezeigt hätten. Der Gegenstand der genannten
40
Schutzanspruchskombination beruhe zudem auf einem erfinderischen Schritt
gegenüber dem von den Beklagten vorgebrachten Stand der Technik. Die angegriffenen
Ausführungsformen entsprächen auch wortsinngemäß dem somit schutzfähigen und
rechtsbeständigen Gegen-
stand der geltend gemachten Anspruchskombination aus den Klageschutzrechten. Der
Verwirklichung der technischen Lehre dieser Anspruchskombination stehe es nicht ent-
41
gegen, dass bei den angegriffenen Schneidwerkzeugen das einrastende Element nicht
von sich aus federnd sei, sondern von einer Spiralfeder beaufschlagt werde, die das
schwenkbeweglich gelagerte Element in die Rastposition dränge.
42
Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz
wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.
43
Die Beklagten, die hinsichtlich des Klagegebrauchsmusters keinen Löschungsantrag
beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängig gemacht haben, machen ergänzend
insbesondere geltend, dass das Klagegebrauchsmuster mit der geltend gemachten
Kombination der Schutzansprüche 1 und 13 nicht schutzfähig und das Klagepatent in
diesem Umfang auch nicht rechtsbeständig sei. Die Entscheidung der
Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes vom 4. Dezember 2006 sei
verfahrensfehlerhaft ergangen und in der Sache unzutreffend, so dass gebeten werde
mit Rücksicht hierauf den vorliegenden Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen
Entscheidung im Einspruchsverfahren betreffend das Klagepatent auszusetzen. - Im
Übrigen machten die angegriffenen Ausführungsformen aber auch von der von der
Klägerin geltend gemachten technischen Lehre der Klageschutzrechte keinen
Gebrauch. Dabei sei festzuhalten, dass unter Berücksichtigung von Beschreibung und
Zeichnungen der Klagepatentschrift und der Klagegebrauchsmusterschrift unter einem
federnden Element gemäß den Klageansprüchen ein solches Element zu verstehen sei,
dass von sich aus federe und nicht beispielsweise federgelagert sei. Weiterhin ergebe
sich aus der Beschreibung zusammen mit den Zeichnungen, dass das federnde
Element mit dem Körper verbunden sei und einen einseitig befestigten Arm umfasse.
Federndes Element und Körper seien an einem einzigen Stück geformt. Da bei der
angegriffenen Ausführungsform eine solche einteilige Verbindung fehle, liege auch
insofern keine Verletzung vor.
44
Die Beklagten beantragen,
45
unter Abänderung des am 21. Juni 2005 verkündeten Ur- teils des Landgerichts die
Klage abzuweisen.
46
Die Klägerin beantragt,
47
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, wobei
48
sie den Unterlassungsantrag in der folgenden Fassung geltend mache:
49
Die Beklagten werden verurteilt,
50
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuld- haften Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder einer Ordnunghaft, zu
51
vollziehen an den gesetzlich vertretungsberechtigten Personen der Beklagten bis zu 6
Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,
Vorrichtungen herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den
vorgenannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, mit einem Körper, der so
ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eines chirurgischen Handstückes einführbar ist
und einer Einrasteinrichtung mit einem federnden Element, das mit dem Körper
verbunden ist und eine Einrastklinken- Struktur aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie
mit einer Fläche des chirurgischen Handstückes innerhalb der Bohrung verriegelnd in
Eingriff bringbar ist, wobei der Körper als Nabe eine chirurgischen Instruments
ausgestaltet ist und ferner versehen ist mit einem äußeren Element, das mit dem Körper
verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufneh- menden Öffnung am
distalen Ende des äußeren Elementes erstreckt, einem inneren Element, welches an
seinem distalen Ende desselben ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebe- schneiden
aufweist, wobei das innere Element innerhalb des äußeren Elementes angeordnet und
gegenüber dem äußeren Element rotierbar ist und einer Antriebswelle, die mit dem in-
neren Element zwecks Rotieren desselben verbunden ist,
52
dadurch gekennzeichnet, dass das federnde Element einen
53
einseitig befestigten Arm umfasst und die Einrasteinrichtung weiterhin ein durch den
Benutzer manipulierbares Freigabeteil aufweist, welches an dem einseitig befestigten
Arm ange- bracht ist.
54
Die Klägerin macht geltend, die Entscheidung der Einspruchsabteilung des
Europäischen Patentamtes vom 4. Dezember 2006 zeige, dass die von ihr geltend
gemachte Kombination der Ansprüche 1 und 13 aus den beiden Klageschutzrechten
schutzfähig bzw. rechtsbeständig sei. Dies bestätige im Ergebnis auch die im
angefochtenen Urteil des Landgerichts erfolgte Beurteilung. - Dass die angegriffenen
Schneidwerkzeuge der Beklagten von dieser durch die Klageschutzrechte geschützten
technischen Lehre wortsinngemäß Gebrauch machten, habe das Landgericht in den
angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt.
55
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und
des Senats Bezug genommen.
56
57
II.
58
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, so dass sie mit
der sich aus dem Urteilsausspruch ergebenden Maßgabe, die der klarstellenden
Formulierung der Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen
Patentamtes vom 4. Dezember 2006 betreffend den aufrechterhaltenen und aus den
Merkmalen der erteilten Patentansprüche 1 und 13 (neu) gebildeten Patentanspruch 1
des Klagepatents Rechnung trägt. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen,
dass die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters, für die die Klägerin in diesem
Rechtsstreit Schutz begehrt, auch die materiellen Voraussetzungen des
Gebrauchsmusterschutzes erfüllt. Nach der sachverständigen Begutachtung, die der
von den Beklagten der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchmusters entgegengehaltene
59
Stand der Technik durch die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes
erfahren hat und der der Senat folgt, steht dieser Stand der Technik der Patentfähigkeit
des Klagepatents in dem
hier geltend gemachten Umfang nicht entgegen. Dann steht er aber auch der
Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters, soweit aus ihm wie hier im selben Umfang
Schutz begehrt wird, nicht entgegen (vgl. BGH GRUR 2006, 842 –
Demonstrationsschrank). Auch die Angriffe der Beklagten dagegen, dass das
Landgericht davon ausgegangen ist, dass die angegriffenen Schneidwerkzeuge die aus
den Klageschutzrechten geltend gemachte technische Lehre verwirklicht, sind nicht
gerechtfertigt.
60
1.
61
Sowohl die Beschreibung der Klagepatentschrift als auch die der
Klagegebrauchsmusterschrift weist einleitend darauf hin, dass ein chirurgisches System
ein mit einem Motor versehenes Handstück aufweisen könne, in welches verschiedene
chirurgische Geräte mit unterschiedlichen Funktionen und Betriebsparametern
eingesetzt werden könnten. Üblicherweise befinde sich ein solches chirurgisches Gerät
in einer Bohrung eines Handstücks aufgrund des Zusammenwirkens
federbeaufschlagter Kugelsperren in der Bohrung mit einer Nut im Umfang des
chirurgischen Geräts in Eingriff. Üblicherweise würden die Kugelsperren zurückbewegt,
indem ein Kragen um die Außenseite des Handstücks betätigt werde, um ein Einsetzen
oder Herausnehmen des chirurgischen Gerätes zu ermöglichen (vgl. Abschnitt 0001 der
Klagepatentschrift/Anlage K 5 bzw. rop 4 und Seite 1, Zeilen 14 bis 24 der
Klagegebrauchsmusterschrift/Anlage K 4).
62
Die Klageschutzrechte erwähnen überdies, dass auch Adapter verwendet würden, um
die Verwendung von chirurgischen Geräten, die nicht zur Benutzung mit einem
bestimmten Handstück ausgebildet sind, mit diesem Handstück zu ermöglichen.
Insoweit verweisen die Klageschutzrechte auf das US-Patent 4 705 038 (Anlage K 6).
63
Der Fachmann, der in diese US-Patentschrift schaut, sieht, dass die aus dieser Schrift
vorbekannte Vorrichtung unterschiedliche Adapter ("set of different surgical devices", 12,
14, 16 in Figur 1) aufweist, die es ermöglichen, chirurgische Vorrichtungen/Geräte
("removable rotary tips", beispielsweise 25, 26,27 in Figur 1) mit unterschiedlich großen
Naben in Verbindung mit einem einzigen Handstück (10) zu benutzen . Jeder Adapter
steht dort für bestimmte Betriebsparameter (Geschwindigkeit und Drehmoment) und
weist ein erstes Ende auf, welches für den Eingriff mit dem Handstück ausgebildet
ist,und ein zwei-
64
tes Ende, welches für den Eingriff mit einem oder mehreren chirurgischen
Vorrichtungen/Geräten ausgebildet ist (vgl. auch die Würdigung dieses Standes der
Technik im Abschnitt 0003 der Klagepatentschrift/Anlage K 5 bzw. rop 4 und auf Seite 1,
Zeilen 26
65
bis 38 der Klagegebrauchsmuterschrift/Anlage K 4).
66
An diesem Stand der Technik bemängeln die Klageschutzrechte, dass das Manipulieren
von chirurgischen Handstück und darin befindlichen Instrumenten noch nicht
hinreichend leicht und problemfrei sei, das Verbinden und Trennen der Nabe und des
67
Instrumentes von dem Handstück sei sehr ermüdend ("tedious") und zeitaufwändig
während der endoskopischen Operationen. Der Operateur müsse das Handstück in der
einen Hand halten und die Nabe, welche einen Keil ("wedge") habe, um in die äußere
Umrandung einzugreifen, ganz genau ausrichten, um sie mit einer korrespondierenden
Ausnehmung ("slot") zu verbinden, die in der Bohrung des Handstücks vorgesehen sei
(vgl. Abschnitt 0004 der Klagepatentschrift/Anlage K 5 bzw. rop 4 und Seite 2, Zeilen 2 –
6 der Klagegebrauchsmusterschrift/Anlage K 4).
Die Klagepatentschrift verweist überdies im Abschnitt 0007 auf die deutsche
Patentschrift 33 41 876 (Anlage B 8), die eine Kupplung zur Verbindung eines optischen
Geräts wie einer Fernsehkamera mit einem anderen optischen Gerät, insbesondere
einem medizinischen Endoskop, das eine Augenmuschel aufweist, betrifft. Sie würdigt
sie dahin, dass sie eine andere Art der Kupplung von zwei Gliedern miteinander zum
Gegenstand habe als die erfindungsgemäße und nicht für den Eingriff in die Bohrung
eines chirurgischen Handstücks gestaltet sei. Der in diesem Dokument offenbarte
Körper benötige eine axiale Bewegung von einer äußeren Buchse ("sleeve") relativ zu
dem Körper um die Glieder miteinander zu verbinden und zu lösen.
68
Nach Abschnitt 0002 der Klagepatentschrift, in der Fassung, die diese durch die
Einspruchsabteilung des EPA erhalten hat (vgl. rop 4), bezieht sich die Erfindung auf
eine Vorrichtung mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eine
chirurgischen Handstücks einführbar ist, und einer Einrasteinrichtung mit einem
federnden
69
Element, das mit dem Körper verbunden ist und eine Einrastklingen-Struktur aufweist,
die so ausgebildet ist, dass sie mit einer Fläche des chirurgischen Handstücks innerhalb
der Bohrung verriegelnd in Eingriff bringbar ist, wobei der Körper als Nabe eines
chirurgi-
70
schen Instrumentes ausgestaltet ist und ferner versehen ist mit einem äußeren Element,
das mit dem Körper verbunden ist und sich von diesem zu einer Gewebe aufnehmenden
Öffnung am distalen Ende des äußeren Elementes erstreckt, einem inneren Element,
welches an seinem distalen Ende desselben ein chirurgische Werkzeug zum
Gewebeschneiden aufweist, wobei das innere Element innerhalb des äußeren
Elementes angeordnet und gegen dem äußeren Element rotierbar ist, und einer
Antriebswelle, die mit dem inneren Element zwecks Rotieren desselben verbunden ist
(vgl. auch Ansprüche 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters/Anlage K 4 in Verbindung
mit Seite 4 , Satz 1 der Klagegebrauchsmusterschrift, wonach der Körper als eine Nabe
eines chirurgischen Instrumentes ausgebildet sein kann).
71
Aufgabe bzw. technisches Problem der Klageschutzrechte ist es, eine solche
Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, mit der das Manipulieren von chirurgischen
Handstücken und darin befindlichen Instrumenten so leicht und problemfrei wie möglich
gemacht wird (vgl. Abschnitt 0005 der Klagepatentschrift/Anlage K 5 bzw. rop 4 und
Seite 2 Absatz 1 der Klagegebrauchsmusterschrift/Anlage K 4).
72
Zur Lösung dieser Aufgabe bzw. dieses technischen Problems schlagen die
Klageschutzrechte eine Vorrichtung vor, die über die genannten Merkmale hinaus sich
dadurch auszeichnet, dass bei ihr das federnde Element (315) einen einseitig
befestigten Arm (315) umfasst und die Einrasteinrichtung (310) weiterhin ein durch den
Benutzer manipulierbares Freigabeteil (325) aufweist, welches an dem einseitig
73
angebrachten Arm (315) angebracht ist ( vgl. hinsichtlich des Klagepatents die Anlagen
rop 4 und rop 5 sowie hinsichtlich des Klagegebrauchsmusters die Ansprüche 1 und 13
in Verbindung mit der Beschreibung auf Seite 4 oben der Klagegebrauchsmusterschrift).
Merkmalsmäßig gegliedert stellt sich die Vorrichtung wie folgt dar:
74
1. Vorrichtung mit einem Körper, der so ausgebildet ist, dass er in die Bohrung (110)
eines chirurgischen Handstücks (100) einführbar ist.
75
2. Die Vorrichtung weist eine Einrasteinrichtung (310) auf.
76
77
a) Die Einrasteinrichtung (310) besitzt
78
aa) ein federndes Element (315) und bb) ein durch den Benutzer manipulierbares
Freigabeteil (325).
79
b) Das federnde Element (315)
80
aa) ist mit dem Körper verbunden, bb) weist eine Einrastklinken-Struktur (330) auf und
cc) umfasst einen einseitig befestigten Arm (315).
81
82
c) Die Einrastklinken-Struktur (330) ist so ausgebildet, dass sie mit einer Fläche (620)
des chirurgischen Handstücks (100) innerhalb der Bohrung (110) verriegelnd in Eingriff
bringbar ist.
83
d) Das manipulierbare Freigabeteil (325) ist an dem ein- seitig befestigten Arm (315) des
federnden Elements (315) angebracht.
84
3. Der Körper ist als Nabe (320) eines chirurgischen Instruments (300) ausgestaltet.
85
a) Die Nabe (320) ist versehen mit aa) einem äußeren Element (370), bb) einem inneren
Element (375) und cc) einer Antriebswelle (350).
86
87
b) Das äußere Element (370)
88
89
aa) ist mit dem Körper verbunden und bb) erstreckt sich vom Körper zu einer
gewebeaufnehmenden Öffnung am distalen Ende des äußeren Elements (370).
90
c) Das innere Element (375)
91
aa) weist an seinem distalen Ende ein chirurgischen Werkzeug zum Gewebeschneiden
auf, bb) ist innerhalb des äußeren Elements (370) angeordnet und cc) gegenüber dem
äußeren Element (370) rotierbar.
92
d) Die Antriebswelle (350) ist mit dem inneren Element (375) zwecks Rotieren des
inneren Elements (375) verbunden.
93
Die Merkmale 2 b) cc) und 2 d) machen das Kennzeichen des Patentanspruches 1 des
Klagepatents in der aufrecht erhaltenen Fassung aus, während alle übrigen Merkmale
dem Oberbegriff dieses Anspruches zugeordnet sind. - Hervorzuheben ist, dass dieser
Anspruch nicht das Handstück umfasst, sondern nur die Vorrichtung, die in die Bohrung
eines chirurgischen Handstücks einführbar ist.
94
Gleichwohl wird in der Figur 1 der Klageschutzrechte, die nachstehend wiedergegeben
ist, beispielhaft ein chirurgisches Handstück (100) mit einer Bohrung (110) gezeigt, in
die zum Beispiel eine erfindungsgemäße Vorrichtung einführbar sein soll.
95
Die Figuren 6 A bis 6 C der Klageschutzrechte, die ebenfalls nachstehend
wiedergegeben werden, zeigen beispielhaft ein erfindungsgemäßes chirurgisches
Instrument (300) zur Anbringung am Handstück gemäß Figur 1, wobei auch die Nabe
(320) und die Antriebswelle (350) gezeigt werden.
96
Man sieht aus den zuvor wiedergegebenen Figuren der Klagepatent- und
Klagegebrauchmusterschrift , dass die Nabe mit einem äußeren Element 370 und einem
inneren Element 375 sowie der Antriebswelle 350 verbunden ist. Die Merkmale 3 b bis 3
d sind diesen Figuren auch zu entnehmen, wenn auch das innere Element 375, welches
bei 305 ein chirurgisches Werkzeug zum Gewebeaufschneiden aufweist, aus diesen
Figuren nicht ganz deutlich erkennbar ist. Was die erfindungsgemäße Rasteinrichtung
310 angeht, ist diese in den Figuren 6 A bis 6 C ebenfalls beispielhaft dargestellt und
mit den Figuren 8 A bis 8 D, die nachstehend abgebildet werden, funktionsmäßig
beispielhaft erläutert, wobei Figur 6 B beispielhaft zunächst ein federndes Element 315
und ein durch den Benutzer manipulierbares Freigabeteil 325 zeigt. Das federnde
Element 315 ist dabei mit dem als Nabe (320) für eine chirurgisches Instrument
ausgestalteten Körper verbunden und weist eine mit dem Bezugszeichen 330
gekennzeichnete Einrastklinkenstruktur auf , wobei das federnde Element einem
einseitig befestigten Arm 315 umfasst (vgl. auch Figuren 8 A bis 8 D).
97
Wie insbesondere aus Figur 8 D ersichtlich , ist die Einrastenklinken-Struktur 330 so
ausgebildet, dass sie mit einer Fläche 620 des chirurgischen Handstückes 100
innerhalb der Bohrung 110 verriegelnd in Eingriff bringbar ist. Dabei ist insbesondere
aus Figur 6 B erkennbar, dass das manipulierbare Freigabeteil 325 an dem einseitig
befestigten Arm 315 des federnden Elements 315 angebracht ist.
98
Unter Bezugnahme auf die Figuren 8 A bis 8 D erläutert die Klagepatentschrift in
Abschnitt 0060 und die Klagegebrauchsmusterschrift auf den Seiten 21 letzter Absatz
bis Seite 22 erster Absatz die Rasteinrichtung des erfindungsgemäßen
Ausführungsbeispieles dahin, dass sie der Bedienungsperson die Möglichkeit gebe, das
chirurgische Instrument 300 fest mit dem Handstück 100 lediglich durch Einführen der
Nabe 320 in die Bohrung 110 des Handstücks 100 in Eingriff zu bringen. Die Nabe 320
werde so eingeführt, dass der Freigabekopf 325 zum Schlitz 605 (vgl. hierzu Figur 1)
ausgerichtet sei. Beim Einführen der Nabe kämen die abgeschrägten vorderen Flanken
335 der abgeschrägten Klinken 330 mit der abgeschrägten vorderen Flanke 615 des
Ringflansches 610 - der sich an der inneren Oberfläche 620 der Bohrung 110 befindet –
in Eingriff. Eine zusätzliche Einführkraft habe zur Folge, dass der federnde Arm 315 sich
99
biege, wenn die abgeschrägten vorderen Flanken sich aneinander vorbeibewegten (vgl.
Fig. 8 B) . Schließlich passierten die hinteren Flanken 340 der abgeschrägten Klinken
330 die hintere Flanke 620 des Ringflansches 610 (Fig. 8 C) An diesem Punkt nehme
der federnde Arm 315 wieder seine normal ungebogene Orientierung ein und die
abgeschrägten Klinken 330 schnappten mit ihren hinteren Flanken gegen die hintere
Flanke des Ringflansches 610 in ihre Position (Fig. 8 D).
Angesichts der zuvor erfolgten Darstellung eines erfindungsgemäßen
Ausführungsbeispieles ist darauf hinzuweisen, dass der Patentanspruch 1 des
Klagepatents in der aufrecht erhaltenen Fassung und damit auch die
Schutzkombination, für die die Klägerin aus dem Klagegebrauchsmuster Schutz
begehrt, über das federnde Element der Einrasteinrichtung nur folgende Aussagen
macht:
100
1. Es ist mit dem Körper (Nabe) verbunden. 2. Es weist eine – im Anspruch näher
beschriebene - Einrastklinkenstruktur auf. 3. Es umfasst einen einseitig befestigten Arm,
auf dem ein durch den Benutzer
101
manipulierbares Freigabeteil angebracht ist
102
Über die Art und Weise, wie das federnde Element mit dem Körper (Nabe) verbunden
ist, sagt Anspruch 1 nichts aus, auch nicht darüber , wie die Befestigung des Arms, den
das federnde Element "umfasst", gestaltet ist, mit Ausnahme der Angabe, dass sie
"einseitig" sein soll. Letzteres gibt dem Durchschnittsfachmann den Hinweis, dass der
Arm einerseits festliegen muss und auf der nicht befestigten Seite so beweglich sein
muss, dass das Element die Funktionen erfüllen kann, die ihm aufgrund der
Einrastklinkenstruktur und der Anbringung des Freigabeteils zugeschrieben werden.
Dazu bedarf es nicht einer materialeinheitlichen Verbindung oder Befestigung mit dem
Körper. Wie die Verbindung mit dem Körper konstruktiv umgesetzt wird, überlässt der
Patentanspruch 1 des Klagepatents dem Belieben des Durchschnittsfachmanns. Die
Richtigkeit dieser Überlegung wird bestätigt durch die Unteransprüche 10 bis 12.
Selbstverständlich kann der Durchschnittsfachmann den Vorschlag von Unteranspruch
10 aufgreifen und den Körper samt federnden Element materialeinheitlich einstückig aus
einem geeigneten Kunststoff herstellen. Er kann die Verbindung aber auch anders
herstellen, wozu der Unteranspruch 12 ganz allgemein ein konstruktives Beispiel gibt.
103
Was nun den erfindungsgemäßen Begriff des "federnden Elements" angeht, welches
einen einseitig befestigten Arm umfasst, ist darauf zu verweisen, dass die Bezeichnung
eines Elements als "federnd" vom Durchschnittsfachmann zunächst nur als Hinweis auf
eine Funktion , eine Wirkung des Elements verstanden wird. Ein Element wird allgemein
als "federnd" bezeichnet, wenn es – durch welche Maßnahmen auch immer – dazu
befähigt wird, bei einer Belastung nachzugeben und danach - d. h. nachdem die
Belastung aufgehört hat -. in die alte Lage zurückzukehren. Nun stellt bekanntlich jede
Patent- und Gebrauchsmusterschrift ihr eigenes Lexikon dar, so dass es sein könnte,
dass der Begriff "federndes Element" im Rahmen der Klageschutzrechte in einer vom
allgemeinen Begriffsverständnis abweichenden Bedeutung verwandt wird. Dies ist
jedoch nicht der Fall.
104
In der für die Auslegung des Klagepatents maßgeblichen englischen Fassung wird im
Anspruch 1 zwar der Begriff "resilient member" verwandt, was jedoch nicht
einschränkend im Sinne einer bloßen Materialelastizität verstanden werden darf. Die
105
deutsche
Übersetzung mit "federndes Element" ist vielmehr durchaus zutreffend. Der
Beschreibung der Klageschutzrechte entnimmt der Durchschnittsfachmann nämlich
keinen Hinweis in der Richtung, dass die erfindungsgemäße Lösung darauf Wert legt,
die Wirkungen des federnden Elementes durch ganz bestimmte Maßnahmen zu
erreichen, etwa dergestalt, dass das Element ganz oder teilweise aus einem federnd-
elastischen Material bestehen soll. Richtig ist nur, dass der Durchschnittsfachmann den
einleitenden Bemerkungen der Klageschutzrechte entnehmen kann, dass die im Stand
der Technik bekannten federbeaufschlagten Kugelsperren abgelehnt werden. Der
Grund liegt allerdings nicht im Prinzip der Federbeaufschlagung schlechthin, sondern in
der mangelhaften Handhabbarkeit der vorbekannten mit federbeaufschlagten
Kugelsperren arbeitenden chirurgischen Systeme, wie im letzten Satz im Abschnitt 0001
der Klagepatentschrift bzw. im letzten Satz des Absatzes der
Klagegebrauchmusterschrift klargestellt wird.
106
Dass die Federbeaufschlagung als solche nicht als nachteilig angesehen wird,
entnimmt der durch die Klageschutzrechte angesprochene Fachmann überdies auch
der Beschreibung der Figuren 11 A und 11 B (Abschnitt 0075 der
Klagepatentschrift/Anlage K 5 bzw. rop 1 und Seite 27, Zeilen 37 ff der
Klagegebrauchsmusterschrift/Anlage K 4), wonach ein Einrast-Mechanismus auch mit
einem federbeaufschlagten Schieber versehen sein kann . Dem Durchschnittsfachmann
ist zwar klar, dass dieses Beispiel keine unter dem Anspruch 1 fallende Konstruktion ist,
und zwar schon deshalb nicht , weil dort ein einseitig befestigter Arm fehlt, er entnimmt
dieser Stelle aber, dass die Beaufschlagung mit Hilfe einer Feder durchaus eine
Maßnahme darstellen kann, um die erfindungsgemäß angestrebten Wirkungen eines
federnden Elementes zu erzielen. Der Durchschnittsfachmann wird daher durchaus
annehmen, dass die Begriffe "federndes Element" bzw. "resilient member" im Sinne
eines verallgemeinernden Oberbegriffes gemeint sind und dass "federbeaufschlagte"
bzw. "spring-loaded" Vorrichtungsteile spezielle Ausführungen "federnder Elemente" im
Sinne der hier geltend gemachten Ansprüche aus den Klageschutzrechten darstellen
können.
107
Eine Bestätigung für diese Überlegung findet der Durchschnittsfachmann schließlich
auch im Zusammenhang mit der in der Klagepatentschrift enthaltenen Beschreibung der
aus der US-PS 4 705 038 bekannten Vorrichtung. Nachdem nämlich die
Klagepatentschrift (rop 4) in Abschnitt 0002 die Merkmale des Oberbegriffs des aufrecht
erhaltenen
108
Patentanspruches 1 des Klagepatents wiedergibt und dabei auch Bezug auf das
"federnde Element" ("resilient member") nimmt, wird gesagt, eine solche Vorrichtung sei
aus der US-PS 4 705 038 bekannt. Dieses Dokument beschreibt nun aber die
Verrastung mittels Keils 62 und Keilschlitzes 60 (vgl. Spalte 4, Zeilen 3 ff), wobei dem
Durchschnittsfachmann klar ist, dass der Keil 62 so gelagert und ausgestaltet sein muss,
dass er federnd nachgeben kann.
109
Da nach alledem für die Ausgestaltung eines "federnden Elements" im Sinne der
Klageschutzrechte durchaus eine Lagerung mittels zum Beispiel einer Spiralfeder in
Betracht kommt, hat der Durchschnittsfachmann alle Veranlassung, den in den
Klageschutzrechten gebrauchten Begriff "federndes Element" oder "resilient member" in
des Wortes allgemeinster Bedeutung zu verstehen.
110
3.
111
Ausgehend von der zuvor dargestellten technischen Lehre der Klageschutzrechte ist mit
dem Landgericht festzustellen können, dass die angegriffene Ausführungsform die
erfindungsgemäße Lehre verwirklicht.
112
Wie sich aus überreichten Anlagen K 8 und K 9 ergibt, handelt es sich bei den
angegriffenen "Blackline-Shaverklingen" um Vorrichtungen mit einem Körper, der so
ausgebildet ist, dass er in die Bohrung eines chirurgischen Handstücks einführbar ist.
Dass die sich aus den vorgenannten Anlagen ergebenden Instrumente in die Bohrung
eines chirurgischen Handstücks einführbar sind, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus
den überreichten Unterlagen selbst, ist aber unstreitig.
113
Die Vorrichtungen weisen auch eine insbesondere aus Blatt 3 der Anlage K 9 deutlich
sichtbare Einrasteinrichtung auf. Wie dieser Anlage ohne weiteres zu entnehmen ist,
besitzt die Einrasteinrichtung ein "federndes Element" im Sinne der oben erläuterten
technischen Lehre der Klageschutzrechte, welches mit dem Körper verbunden ist, ein
Einrastklingen-Struktur aufweist und einen einseitig befestigten Arm umfasst. Der aus
Blatt 3 der Anlage K 9 ersichtliche Arm mit der Einrastklinke ist einseitig über einen
Splint mit dem Körper verbunden. Der Arm mit der Rastklinke ist durch eine Spiralfeder
114
federbeaufschlagt gelagert. Während des Einsetzens in die Bohrung des Handstück
wird dieses "federnde Element" radial ausgelenkt und kehrt aus der radial ausgelenkten
Position wieder zurück, um der Einrastklingenstruktur die Möglichkeit zu geben , mit der
Fläche des chirurgischen Handstücks innerhalb der Bohrung verriegelnd in Eingriff zu
kommen. - Aus der Anlage K 9 ist schließlich auch das durch den Benutzer
manipulierbare Freigabeteil , welches aus der Ebene der Körpers hervorragt, deutlich zu
erkennen, wobei dieses Freigabeteil an dem einseitig befestigten Arm des durch
Federbeaufschlagung federnden Elements angebracht ist. Die Merkmalsgruppe 2, die
weder eine materialeinheitliche (einstückige) Verbindung des federnden Elements mit
dem Körper voraussetzt noch eine Federbeaufschlagung ("spring-loaded") des
Elements ausschließt, ist damit entgegen der Auffassung der Beklagten vollständig dem
Wortsinne nach verwirklicht.
115
Schließlich ist auch die Merkmalsgruppe 3 dem Wortsinne nach bei der angegriffenen
Ausführungsform verwirklicht. Der Körper der angegriffenen Vorrichtung ist als Nabe
eines chirurgischen Instruments gestaltet, wobei die Nabe gemäß den Merkmalen 3a),
3b), 3c) und 3d) mit einem äußeren Element, einem inneren Element und einer
Antriebswelle versehen ist. All dies ist aus den Anlagen K 8 und K 9 zu ersehen, so
dass es insoweit , zumal auch im Hinblick darauf kein Streit zwischen den Parteien
besteht, keiner weiteren Darlegungen bedarf.
116
3. Die mit der Berufung geführten Angriffe der Beklagten dagegen , dass das
Landgericht die Schutzfähigkeit der aus dem Klagegebrauchmuster geltend gemachten
technischen Lehre bejaht hat, und dagegen, dass es hinsichtlich des Klagepatents von
dessen Rechtsbestand ausgegangen ist und eine Aussetzung des Rechtsstreits
insoweit im Hinblick auf das gegen das Klagepatent anhängige Einspruchsverfahren
abgelehnt hat, sind, wie sich schon aus den obigen einleitenden Bemerkungen ergibt,
nicht gerechtfertigt.
117
Dabei ist das Landgericht zunächst einmal zutreffend davon ausgegangen, dass der
Gegenstand der kombinierten Schutzansprüche 1 und 13 des Klagegebrauchsmusters
als neu zu gelten habe, da die Beklagten keinen alle Merkmale der genannten Schutz
118
ansprüche offenbarenden Stand der Technik aufgezeigt hätten. Den nächst liegenden
Stand der Technik stellen, worüber sich auch die Beteiligten des Einspruchsverfahrens
betreffend das Klagepatent ausweislich des Protokolls gemäß Anlage B 35 einig waren,
die US -PS 4 705 038 (Anlage K 6) und die US-PS 3 072 938 (Anlage B 2).
119
Der Gegenstand der in der Klagepatent- und Klagegebrauchsmusterschrift erwähnten
US-PS 4 705 038 (Anlage K 6) ist oben bereits näher dargestellt werden. Dieser
Entgegenhaltung sind die Merkmale 2 a) und 2b) der obigen Merkmalsanalyse nicht zu
entnehmen. Es ist dort nicht ein federndes Element offenbart, welches einen einseitig
angebrachten Arm aufweist. Es ist dort auch keine Einrastlinkenstruktur mit einem vom
Benutzer betätigbaren Freigabeteil offenbart, der auf dem einseitig angebrachten Arm
angeordnet ist (so auch die sachkundige Einspruchabteilung des Europäischen
Patentamtes gemäß Anlage B 37 S. 6)
120
Die US-PS 3 072 938 (Anlage B 2) betrifft eine elektrisch angetriebene Zahnbürste und
insbesondere eine verbesserte Anordnung zum lösbaren Befestigung einer Zahnbürste
an einer elektrisch betriebenen Einheit. Die Merkmale 1 und 3 der obigen
Merkmalsanalyse sind dort nicht offenbart, insbesondere keine Vorrichtung , bei der
Körper als Nabe eines chirurgischen Instrumentes ausgestaltet ist und ein Element
aufweist, das an seinem distalen Ende ein chirurgisches Werkzeug zum
Gewebeaufschneiden aufweist, und überdies über ein Element verfügt , das am distalen
Ende eine Gewebe aufnehmende Öffnung aufweist.
121
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend auch das Vorliegen eines für den
Gebrauchsmusterschutz erforderlichen "erfinderischen Schrittes" im Hinblick auf den
von den Beklagten entgegengehaltenen Stand der Technik bejaht, wobei nach der
bereits zitierten Entscheidung "Demonstrationsschrank" des Bundesgerichtshofes
insoweit keine geringeren Anforderungen an die erfinderische Leistung zu stellen sind
als an der für den Patentschutz erforderlichen "erfinderischen Tätigkeit", deren
Vorliegen für das parallele Klagepatent die Einspruchsabteilung des Europäischen
Patentamtes in ihrer Entscheidung vom 4. Dezember 2006 bejaht hat. Der Senat folgt
der Auffassung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes, dass es einer
"erfinderischen Tätigkeit" und damit auch eines "erfinderischen Schrittes" bedurfte, um
von dem
122
von den Beklagten entgegengehaltenen Stand der Technik, insbesondere von den
beiden vorgenannten Schriften, zu dem Gegenstand zu gelangen, für den die Klägerin
in diesem Rechtsstreit Schutz begehrt.
123
Die Argumentation der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes, die eine
elektrisch angetriebene Zahnbürste betreffende US-PS 3 072 938 (Anlage B 2) habe
den Fachmann nicht anregen können, die aus der US-PS 4 705 038 (Anlage K 6)
bekannte Vorrichtung zu dem Gegenstand weiterzuentwickeln, für den hier Schutz
begehrt, basiert auf der zutreffenden Erkenntnis, dass bei der elektrisch angetriebenen
Zahnbürste das dort vorhandene federnde Einrastelement das sich bewegende
Instrument (Zahnbürste) mit einem motorbetriebenen Element (2) im Handstück (1)
verbindet. Die daraus gezogene Folgerung der Einspruchsabteilung des Europäischen
124
Patentamtes, dass das Aufgreifen dieser Idee für eine Vorrichtung der US-PS 4 705 038
(Anlage K 6) den Fachmann nur dazu führen würde, die aus der US-PS 3 072 938
(Anlage B 2) bekannte Klinke für die Drehverbindung zwischen dem proximalen Ende
des sich drehenden inneren Elementes des chirurgischen Instrumentes (25 – 31) mit der
Antriebswelle (23) des Handstücks zu verwenden und nicht zur Abänderung der
Anordnung aus Keil bzw. Stift ("wedge")/ Schlitz ("slot") zwischen dem ruhenden
rohrartigen Körper (12) und dem Handstück (10) einzusetzen, ist eine nachvollziehbare
Wertung, der sich der Senat anschließt.
4. Das Landgericht hat unter Ziffer IV. der Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils im Einzelnen ausgeführt, aufgrund welcher weiteren Tatumstände und
Rechtsvorschriften der Klägerin die zuerkannten Ansprüche gegen die Beklagten
zustehen. Auf diese zutreffenden Ausführungen, die sich der Senat zu eigen macht, wird
zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
125
Die Berufung der Beklagten war nach alledem mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO
ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
126
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
127
Es bestand kein Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht erfordert.
128