Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.04.2009

OLG Düsseldorf: gemeinschaftliches eigentum, aufteilungsplan, wohnung, terrasse, loggia, nummer, gefahr, abgrenzung, bauer, zivilprozess

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 68/09
Datum:
03.04.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 68/09
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 6 T 223, 225-241/08
Leitsätze:
GBO § 22
Mag es auch in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten sein, ob
man in einem Fall ohne positive Anhaltspunkte in den
Grundbuchunterlagen gleichwohl davon auszugehen hat, dass
Balkonräume im Sondereigentum stehen, so ist das Grundbuch nicht der
Ort der Klärung einer derartigen materiell-rechtlichen Zweifelsfrage und
deshalb für eine dort zu treffende Klarstellung dahin, dass das jeweilige
Sondereigentum auch verbunden sei mit einer zu jeder Wohnung
gehörenden, mit derselben Nummer wie die jeweilige Wohnung
bezeichneten Loggia bzw. Terrasse, kein Raum.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. April 2009 – I-3 Wx 52-69/09
Tenor:
Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Geschäftswert für den dritten Rechtszug insgesamt: 10.000 €.
G r ü n d e :
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I.
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Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus mehreren Gebäuden mit zahlreichen
Wohnungs- und Teileigentumsrechten. Die hier Beteiligten sind Sondereigentümer der
Wohnungen in den Gebäuden an der Straße. Zu ihren Wohnungen gehören, soweit sie
im Erdgeschoss gelegen sind, Terrassen, im übrigen Loggien.
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Die Beteiligten erstreben die Eintragung jeweils eines Klarstellungsvermerkes in ihre
Grundbücher dahingehend, dass das jeweilige Sondereigentum auch verbunden sei mit
einer zu jeder Wohnung gehörenden, mit derselben Nummer wie die jeweilige
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Wohnung bezeichneten Terrasse bzw. Loggia. Sie haben unter anderem den sie
vertretenden Notar bevollmächtigt, alle mit der Eintragung der Klarstellungsvermerke in
die Grundbücher verbundenen Erklärungen abzugeben und alle Anträge zu stellen, die
etwa noch zur Eintragung des Vermerks erforderlich sind.
Entsprechende Anträge hat der Notar gestellt. Sie sind in den Tatsacheninstanzen ohne
Erfolg geblieben. Gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde durch das
Landgericht wenden sich die Beteiligten mit ihrem weiteren Rechtsmittel.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akte und der
beigezogenen Grundakte des Amtsgerichts Velbert von Langenberg Bl. xxxx Bezug
genommen.
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II.
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Das Rechtsmittel der Beteiligten ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
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1. Die weitere Beschwerde (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, 71 Abs. 1 GBO) ist als
sogenannte Fassungsbeschwerde ohne die Einschränkungen des § 71 Abs. 2 GBO
zulässig. Denn Gegenstand eines Klarstellungsvermerks kann nie eine sachliche
Änderung oder Berichtigung der Eintragung sein (BayObLGZ 1988, S. 124 ff; BayObLG
Rpfleger 2002, S. 303 f; OLG München Rpfleger 2009, S. 81 ff).
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2. Aus dem vorbezeichneten Grunde ist auch das Landgericht zutreffend von einer
Zulässigkeit der Erstbeschwerden der Beteiligten ausgegangen.
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3. Ebensowenig ist es zu beanstanden, dass das Landgericht die Erstbeschwerden für
unbegründet erachtet hat.
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a) In der Sache hat das Beschwerdegericht ausgeführt: Zu Recht habe der
Rechtspfleger des Amtsgerichts den auf Eintragung von Klarstellungsvermerken
gerichteten Antrag der Beteiligten zurückgewiesen. Gegenstand eines
Klarstellungsvermerks könne nie eine sachliche Änderung oder Berichtigung der
Eintragung sein. Welche Räume Sondereigentum seien, bestimme sich allein nach der
Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan. Bei Unklarheiten und Widersprüchen
zwischen diesen Unterlagen entstehe kein Sondereigentum, sondern
gemeinschaftliches Eigentum. Würden Raumteile, die nach der Absicht des teilenden
Eigentümers Sondereigentum werden sollten, im Aufteilungsplan nicht hinreichend als
Sondereigentum bezeichnet, entstehe durch die Eintragung des Aufteilungsplans im
Grundbuch an diesen Raumteilen gemeinschaftliches Eigentum. Danach lasse sich hier
nicht feststellen, dass an den in Rede stehenden Loggien und Terrassen
Sondereigentum entstanden sei. Vielmehr sei zumindest unklar, ob die Loggien und
Terrassen Sondereigentum oder gemeinschaftliches Eigentum seien, und eine derartige
sachenrechtliche Unklarheit könne nicht mit einem Klarstellungsvermerk beseitigt
werden. Vieles spreche dafür, dass insoweit gemeinschaftliches Eigentum vorliege.
Nach der Teilungserklärung aus dem Jahre 1975 und der sie abändernden
Teilungserklärung von 1978 seien die Miteigentumsanteile an den hier in Rede
stehenden Wohnungen nicht ausdrücklich mit dem Sondereigentum an einer Terrasse
oder einer Loggia verbunden; die Wohnungen seien nur ihrer Lage nach und dahin
bezeichnet, dass sie aus einer bestimmten Anzahl von Räumen nebst Zubehör und
einem Keller bestünden. Auch im Aufteilungsplan sei keine der Terrassen und Loggien
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mit der Nummer der jeweiligen Wohnung versehen und auch nicht – wie die jeweiligen
Wohnräume – mit farbiger Markierung umrandet. Die von den Beteiligten vorgelegte
neue Abgeschlossenheitsbescheinigung der Stadt Velbert vom 11. Januar 2008 mit
einem beiliegenden Aufteilungsplan ändere hieran nichts. Bei der unzureichenden
Zuweisung der Terrassen und Loggien zum jeweiligen Sondereigentum in der
ursprünglichen Teilungserklärung nebst Aufteilungsplan handele es sich nicht um einen
formellen Fehler, der durch einen neuen, den Verhältnissen angepassten
Aufteilungsplan zu ändern gewesen wäre, sondern um sachlich-rechtlich mangelhafte
Erklärungen. Schließlich rechtfertigten auch die von den Beteiligten vorgelegten
Wohnflächenberechnungen keine andere Beurteilung, weil sie in dieser Form nicht
Gegenstand der Teilungserklärung seien; dort sei vielmehr jeweils nur die Gesamtfläche
einer jeden Wohnung – ohne Angabe der Flächen der einzelnen Räume – bezeichnet.
b) Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung
stand.
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Klarstellungsvermerke können nach der Funktion des Grundbuchs nur einen begrenzten
Anwendungsbereich haben. Im Interesse der Übersichtlichkeit und damit des
Rechtsverkehrs ist das Grundbuch von überflüssigen Eintragungen grundsätzlich
freizuhalten. Dieser Grundsatz findet allerdings dort keine Anwendung, wo es sich nur
um einen kurzen Zusatz handelt, der, wenn auch nicht nötig, so doch geeignet ist,
Zweifel zu verhüten (OLG München a.a.O.; BayObLG Rpfleger 2002, S. 303 f
m.w.Nachw.). Nach Maßgabe dieser Ausgangslage sind die Anforderungen an einen
Klarstellungsvermerk im Einzelnen zu bestimmen. Er kommt nur dort in Betracht, wo das
Grundbuch die Rechtslage richtig, jedoch – ohne den Vermerk – nur unzulänglich
ausgedrückt wiedergibt, weil Umfang und Inhalt eines eingetragenen Rechts nicht in
einer Weise verlautbart werden, die Zweifel ausschließt. Darüber hinaus muss der
Vermerk geeignet sein, auch tatsächlich eine Klarstellung herbeizuführen und nicht
etwa zusätzliche oder neue Unsicherheiten in das Grundbuch zu bringen. Bei alledem
muss sichergestellt sein, dass durch seine Eintragung auf keinen Fall eine sachliche
Änderung oder Berichtigung einer anderen Eintragung bewirkt wird. Aus diesen
Gründen kommt beispielsweise ein Klarstellungsvermerk nicht in Betracht, wenn er
lediglich dazu dient, wegen Zweifeln an einer rechtswirksamen Auflassung – deren
Unwirksamkeit mithin nicht feststeht – alternativ den Erwerb des Eigentums auf der
Grundlage einer vorsorglich wiederholten zweiten Auflassung zusätzlich im Grundbuch
zu verlautbaren (zu Vorstehendem: BayObLGZ 1988, S. 124 ff; BayObLG Rpfleger
2002, S. 303 f; BayObLG NJW-RR 2004, S. 738; OLG München Rpfleger 2009, S. 81 ff;
Senat, Beschluss vom 27. Februar 2009 in Sachen I-3 Wx 11/09; vgl. ferner Senat,
Beschluss vom 17. Dezember 2008 in Sachen I-3 Wx 211/08; der Rechtsprechung
folgend: Demharter, GBO, 26. Aufl. 2008, § 53 Rdnr. 7; Bauer/von Oefele-Wilke, GBO, 2.
Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 58; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rdnr. 294 –
296). Mit anderen Worten kommt im Ergebnis ein Klarstellungsvermerk jedenfalls dann
nicht in Betracht, wenn auch nur die Gefahr, das heißt die Möglichkeit, besteht, dass
durch eine – vermeintliche – bloße Klarstellung in Wirklichkeit in das Recht selbst
eingegriffen wird, insbesondere auch dadurch, dass dessen Abgrenzung und damit
dessen Inhalt verändert wird (OLG Stuttgart Rpfleger 1981, S. 355; Schöner/Stö-ber
a.a.O., Rdnr. 296).
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Im gegebenen Fall besteht die Gefahr, dass eine vermeintlich bloße Klarstellung in
Wirklichkeit zu einer Änderung eingetragener Rechte führt. In den
Grundbucheintragungen wird Bezug genommen auf die Eintragungsbewilligungen und
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damit auf die beiden Teilungserklärungen und den Aufteilungsplan. Wie vom
Landgericht zutreffend ausgeführt, geben die Teilungserklärungen und der
Aufteilungsplan keinen positiven Anhaltspunkt dafür her, dass die Loggien und
Terrassen im Sondereigentum stehen. Hinzugefügt werden kann, dass sie auch in den
näheren Beschreibungen des Sondereigentums in Nr. 3 der Teilungserklärung 1975
und Nr. 4 der Teilungserklärung 1978 nicht erwähnt werden. Dieser Erklärungs- und
damit Verlautbarungstatbestand ist als unklar anzusehen, da – im Schrifttum – die
Auffassung vertreten wird (Schmidt MittBayNot 2001, S. 442 ff), auch in einem Fall wie
dem vorliegenden sei an dem sogenannten Balkonraum nebst Bodenbelag und
Innenanstrich Sondereigentum entstanden. Die Besonderheit dieser so begründeten
Unklarheit besteht indes darin, dass sie zwar im Rahmen der Auslegung von
Grundbucherklärungen auftritt, aber nicht von Umständen des Einzelfalles bewirkt wird,
sondern von der Stellungnahme in einem Meinungsstreit, in dem auf vom Einzelfall
unabhängige rechtliche Würdigungen, vor allem auf Grundsätze des
Wohnungseigentumsrechts, zurückgegriffen wird. Von dem in jenem Streit
eingenommenen Standpunkt hängt es ab, ob man in einem Fall ohne Anhaltspunkte in
den Grundbuchunterlagen dennoch davon ausgeht, die Balkonräume stünden im
Sondereigentum. Dementsprechend hängt es gleichfalls von diesem Standpunkt ab, ob
die hier begehrte Klarstellung in Wirklichkeit zu einer Änderung der eingetragenen
Rechte führt oder nicht: Nach der Auffassung, nach der Sondereigentum begründet
worden ist, tritt – jedenfalls bezüglich der Loggien – eine Änderung nicht ein, nach der –
auch vom Beschwerdegericht vertretenen – Ansicht, es sei Gemeinschaftseigentum
begründet worden, sehr wohl.
Das Grundbuchverfahren ist nicht der Ort, eine derartige materiell-rechtliche
Zweifelsfrage zu klären. Sie ist vielmehr dadurch zu beheben, dass (abgesehen von
etwa weiterhin erforderlichen Zustimmungen) alle Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft entweder (im Falle ihres Einvernehmens) neue, in
der fraglichen Hinsicht nunmehr zweifelsfreie materiell-rechtliche Erklärungen abgeben
oder (im Streitfalle) eine gerichtliche Entscheidung – sei es im Zivilprozess, sei es im
Verfahren nach §§ 43 ff WEG – herbeiführen, die zwischen ihnen Rechtskraft wirken
kann (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Erwägungen in OLG Frankfurt OLGR
2006, S. 376 ff).
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Die Begründungen des Beschwerdegerichts zur rechtlichen Unerheblichkeit der neuen
Abgeschlossenheitsbescheinigung und der Wohnflächenberechnungen treffen
ebenfalls zu.
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Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass selbst auf der Grundlage der Auffassung
von Schmidt ein an den Terrassen entstandenes Sondereigentum aus Sicht des Senats
sehr fraglich erscheint. Jener Autor selbst erörtert lediglich die Übertragung seiner für
Balkone entwickelten Meinung auf Loggien und Dachterrassen, nicht auf Terrassen im
übrigen. Gewöhnlicherweise wird hierfür keine rechtliche Konstruktion über das
Sondereigentum gewählt, sondern über ein am Gemeinschaftseigentum bestehendes
Sondernutzungsrecht. Die Abgeschlossenheit der Terrassen in dem Sinne, dass sie nur
von dem jeweiligen Wohnungseigentum aus betreten werden können, lässt sich den
Teilungserklärungen und dem Aufteilungsplan, die Gegenstand der
Grundbucheintragung sind, nicht entnehmen. Hält man die vorstehenden Bedenken für
durchgreifend, spricht nach bestehender Aktenlage einiges dafür, dass bereits dies zur
Zurückweisung aller Eintragungsanträge führen kann, da derzeit nicht davon
ausgegangen werden kann, es entspräche dem Willen aller hier beteiligten
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Antragsteller, dass lediglich für einige von ihnen im Wege des Klarstellungsvermerks
Sondereigentum eingetragen werde, für andere hingegen nicht.
III.
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Eine Kostenentscheidung ist aus den bereits vom Beschwerdegericht genannten
Gründen nicht veranlasst.
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Auch mit der auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 2 KostO beruhenden Wertfestsetzung
folgt der Senat dem Landgericht. Da letztlich die Wohnungseigentumsanlage als
einheitliche betroffen ist, erscheint es nicht angemessen, jeden erstrebten
Klarstellungsvermerk gesondert in Ansatz zu bringen.
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