Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.11.2008

OLG Düsseldorf: fristlose kündigung, wichtiger grund, firma, behinderung, vergütung, ausführung, aushub, verzug, aufrechnung, bürgschaft

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-22 U 69/08
Datum:
14.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-22 U 69/08
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. Februar 2008 verkündete
Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird
zurück gewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung eines Betrages in
Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn
nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1
I.
2
Die Klägerin schloss mit der Firma E. H., die inzwischen mit der Beklagten
verschmolzen ist, am 25.02.2003 einen Pauschalpreisvertrag über die schlüsselfertige
Errichtung eines Parkhauses in H.. In den Vertrag wurden u.a. die VOB/B einbezogen.
Unter Ziffer 10. des Vertrages wurde als Fertigstellungstermin der 31.10.2003 vereinbart.
Zugleich verpflichtete sich die Beklagte im Fall einer schuldhaften Nichteinhaltung des
Fertigstellungstermins zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Unter dem 25.05.2003 änderten
die Parteien in einer "Ergänzungsvereinbarung Nr. 1" mehrere Fristen ab und
verschoben den Fertigstellungstermin auf den 30.11.2003 ( Bl. 59 ff. GA ). Mit Schreiben
vom 30.06.2003 erklärte die Klägerin die Kündigung des Vertrages wegen Verzugs und
aus wichtigem Grund gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B (Bl. 74-80 GA).
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Am 04.07.2003 führten die Parteien eine gemeinsame Abnahme durch. Sodann erstellte
die Beklagte eine auf den 01.08.2003 datierte Schlussrechnung (Bl. 112-116 GA). Für
die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen stellte sie 1.527.305,99 € brutto in
Rechnung; unter Berücksichtigung einer Abschlagsrechnung verblieb eine Forderung in
Höhe von 1.041.322,99 €. Die Klägerin errechnete bei der Prüfung der Schlussrechnung
eine Überzahlung in Höhe von 46.854,02 €. Sie forderte die Beklagte auf, diesen Betrag
zurückzuzahlen und einen aufgrund der Überzahlung erhaltenen Sicherheitseinbehalt in
Höhe von 18.604,80 € auf einem Sperrkonto zu hinterlegen.
4
Die Beklagte hat daraufhin eine geänderte Schlussrechnung vorgelegt, mit der sie
Zahlung von 1.101.746,35 € verlangt hat; dabei hat sie für erbrachte Leistungen
993.235,74 € und für nicht erbrachte Leistungen 594.492,61 € brutto zugrunde gelegt.
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Das Bauvorhaben wurde von der Firma P. aufgrund eines mit der Klägerin
geschlossenen Werkvertrages vom 16.07.2003 nebst Ergänzungsvereinbarung vom
11.08.2003 im Februar 2004 fertig gestellt.
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Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren von der Beklagten Zahlung verauslagter
Kosten in Höhe von 10.572,94 € und einen Vorschuss wegen kündigungsbedingter
Mehrkosten in Höhe von 850.494,15 € verlangt.
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Sie hat behauptet, die Beklagte habe die als Vertragstermine vereinbarten Termine des
Bauzeitenplans nicht beachtet. Für die Pfahlgründung im Juni 2003 hätte die Beklagte
statt 5 Wochen 6,2 Wochen benötigt. Mit den Leistungen B. Verbau und Verankerungen,
Aushub/Grundleitungen und Sohle 1. Ebene hätte die Beklagte im Juni noch nicht
begonnen, obwohl im Bauzeitenplan als Beginn dafür der 26.05., 12.05. und 10.06.2003
festgelegt worden sei. Die nach der Ergänzungsvereinbarung bis zum 26.05.2003
vorzulegenden Planungen seien am 20.06.2003 immer noch nicht geliefert worden. Sie,
die Klägerin, habe daher mit Schreiben vom 20.06. und 23.06.2003 zur Abhilfe bei der
Pfahlgründung und Lieferung der Pläne sowie die Vorlage eines Aufholplans bezüglich
der versäumten Zeit aufgefordert. Aus dem von der Beklagten am 27.06.2003
vorgelegten neuen Terminplan habe sie in keiner Weise entnehmen können, wie die
Termine eingehalten werden könnten, da jegliche Erläuterung gefehlt habe. Die
Klägerin hat die Ansicht vertreten, es habe ein wichtiger Grund zur Kündigung gemäß §
8 Nr. 3 VOB/B vorgelegen.
8
Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 834.990,34 € nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2003 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die E. AG Niederlassung D. die Bürgschaft der E.
AG Niederlassung D. Nr. ... über 571.500,00 € herauszugeben.
10
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Die Beklagte hat beantragt,
12
die Klage abzuweisen,
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widerklagend,
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1. die Klägerin zu verurteilen, an sie 1.101.746,35 € nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten 2 Monate ab Zugang der Übersendung der Schlussrechnung vom
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15.10.2003, übersandt mit Schreiben vom 29.10.2003, zu zahlen,
2. die Klägerin zu verurteilen, die Vertragserfüllungsbürgschaft der W. AG vom
25.02.2003 über 517.499,20 € zu Händen der Beklagten herauszugeben,
3. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten die Kosten für die
Gestellung der Bürgschaft nach Ziff. 2 seit dem 10.03.2004 zu zahlen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin sei nicht zu einer fristlosen Kündigung
berechtigt gewesen, weil die Termine des Bauzeitenplans keine Vertragsfristen und
damit keine verbindlichen Fristen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 VOB/B, sondern
Einzelfristen gewesen seien, die lediglich einer baubetrieblichen Überwachung und
Kontrolle gedient hätten. Sie, die Beklagte, habe im Vorfeld der
Ergänzungsvereinbarung ausdrücklich erklärt, nicht damit einverstanden zu sein, dass
alle Termine des Bauzeitenplans Vertragstermine seien. Daraufhin sei die
Ergänzungsvereinbarung so gefasst worden, dass lediglich die dort genannten
Zwischentermine des Bauzeitenplans Vertragstermine seien. Die von der Klägerin in
ihrer Kündigung genannten Fristversäumnisse hätten sich alle auf Einzelfristen
bezogen, die aber einen Verzug nicht begründet hätten. Die fristlose Kündigung sei
daher ins Leere gegangen. Die Klägerin sei lediglich berechtigt gewesen, gemäß § 5
Nr. 3 VOB/B anhand der genannten Einzelfristen zu prüfen, ob die vereinbarten
Vertragsfristen offenbar nicht hätten eingehalten werden können. Dies sei indes nicht
der Fall gewesen. Nach ihrer Ansicht ist lediglich eine freie Kündigung anzunehmen,
Zahlungsansprüche seien daher bereits dem Grunde nach nicht gegeben.
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Mit der Widerklage hat sie gemäß ihrer Schlussrechnung vom 15.10.2003
Vergütungsansprüche für den nach ihrer Ansicht "frei" gekündigten Werkvertrag geltend
gemacht. Darüber hinaus hat sie die Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft
verlangt und die Feststellung begehrt, dass die Klägerin die Kosten für die Bestellung
der Bürgschaft tragen muss.
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Die Klägerin hat gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Restvergütung die
Aufrechnung mit dem geltend gemachten Mehrkostenerstattungsanspruch erklärt.
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Das Landgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten die Beklagte zur
Zahlung von 831.931,12 € und Herausgabe der Bürgschaft über 517.500,00 € verurteilt.
Die weitergehende Klage und die Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat
es zunächst Bezug genommen auf die in dem Verfahren 10 O 6/07 im Grund- und
Teilurteil vom 25.10.2007 dargestellten Gründe zu der von der Klägerin erklärten
firstlosen Kündigung gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B, die das Landgericht für wirksam hält. Die
Höhe des zugesprochenen Erstattungsanspruchs ergebe sich aus dem aktualisierten
Gutachten des Sachverständigen vom 16.10.2007. Die Parteien hätten einen Global-
Pauschalvertrag mit einer lediglich funktionalen Leistungsbeschreibung mit
Leistungsprogramm und nicht etwa einen Detail-Pauschalvertrag geschlossen. Dafür
spreche bereits der Umstand, dass der Vertrag über die schlüsselfertige Erstellung des
Parkhauses geschlossen worden sei; zudem sei im Vertrag nur eine funktionale
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Leistungsbeschreibung enthalten, weder die Urkalkulation der Beklagten noch ein
Leistungsverzeichnis seien Vertragsgrundlage geworden. Zwar habe die Beklagte der
Klägerin ihre Kalkulation in verschlossenem Umschlag übergeben, hieraus ergebe sich
indes nicht, dass diese Vertragsinhalt geworden sei. Gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung
sollte vielmehr die Ausführung der Leistungen und die Abrechnung ohne Aufmaß der
tatsächlich ausgeführten Massen erfolgen. Gegen die Einbeziehung eines
möglicherweise in dem verschlossenen Umschlag enthaltenen Leistungsverzeichnisses
in den Vertrag zwischen den Parteien spreche schließlich der Umstand, dass die
Klägerin davon bei Vertragsschluss keine Kenntnis gehabt habe und mit der
Einbeziehung möglicherweise ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der
Beklagten einhergehen könnte, wenn dieses etwa Einheitspreise ausweise. Ausgehend
von einem Global-Pauschalvertrag könne der Auftragnehmer nach Entziehung des
Auftrags gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B nur den Anteil der vereinbarten Vergütung verlangen,
der seinen bisherigen Leistungen entspreche. Bei einem Pauschalpreis sei das
Verhältnis des Wertes der erbrachten Leistung zum Wert der nach dem Pauschalvertrag
geschuldeten Gesamtleistung ins Verhältnis zu setzen, wobei nachträglich eine
Bewertung der Teilleistungen vorzunehmen sei. Die Leistungen seien in ihrer
Wertrelation zueinander festzustellen und prozentual zur Pauschale zu bewerten. Auf
die Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen komme es entgegen der von der Beklagten
vertretenen Ansicht nicht an, da es vorliegend nicht um die Frage der ersparten
Aufwendungen des Auftragnehmers beim Anspruch auf Vergütung erbrachter
Leistungen gehe. Der Wert der von der Beklagten erbrachten Leistungen sei aufgrund
der Ausführungen der Sachverständigengutachten mit insgesamt 485.998,63 €
anzusetzen. Unter Berücksichtigung eines 5 %igen Nachlasses und weiterer 5 %
Gewährleistung stehe der Beklagten damit ein Vergütungsanspruch in Höhe von
438.613,77 € zu. Weitere Vergütungsansprüche habe sie nicht, da die fristlose
Kündigung berechtigt gewesen sei.
Die Klägerin habe gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B einen Anspruch auf Erstattung der
Mehrkosten wegen der kündigungsbedingten Beauftragung der Firma P. in Höhe von
831.931,12 €. Der Anspruch könne als Vorschussanspruch geltend gemacht werden.
Bei der Berechnung der Mehrkosten sei ein Vergleich anzustellen zwischen der
bereinigten Vergütung der Firma P. in Höhe von 4.895.927,33 € und dem Pauschalpreis
der Beklagten in Höhe von 4.461.200,00 € unter Abzug der ausgeführten
Vertragsleistungen in Höhe von 416.867,56 € (ohne Nachträge). Mehraufwendungen
seien entstanden für den Betonwerksteinbelag in Höhe von 34.724,00 €, für die
Sprinkleranlage in Höhe von 147.51,95, für die Vorauszahlung in Höhe von 26.666,00 €
und für die Zugangsbrücke in Höhe von 56.629,12 €. Diese seien dem mit der Firma P.
vereinbarten Pauschalpreis hinzu zu rechnen, abzuziehen seine Minderaufwendungen
in Höhe von 56.629,12 €. Insgesamt errechne sich danach ein Mehraufwand in Höhe
von 851.594,89 €. Die Klägerin habe mit dem Mehrkostenerstattungsanspruch
gegenüber dem Restvergütungsanspruch der Beklagten in Höhe von 19.663,77 € die
Aufrechnung erklärt, so dass ein Zahlungsanspruch in Höhe von 831.931,12 € zu ihren
Gunsten verbleibe. Die Widerklage sei danach unbegründet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die
tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, die
fristlose Kündigung sei unwirksam, da die formellen Voraussetzungen der §§ 8 Nr. 3, 5
Nr. 4 VOB/B nicht vorlägen. Ein wichtiger Grund zur Kündigung setzte voraus, dass mit
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an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gesamtfertigstellung der vertraglichen
Leistungen nicht zu erwarten sei. Dies könne vorliegend indes nicht festgestellt werden.
Die Klägerin habe ihr auch keine ordnungsgemäße Frist zur Vertragserfüllung gesetzt
und eine Kündigung angedroht. Die nach Abschluss der Ergänzungsvereinbarung Nr. 1
von der Klägerin in ihren Mahnungen angeforderten Leistungen und angedrohten
Kündigungen korrespondierten nicht mit den Nachfolgemahnungen. Zudem habe die
Klägerin allenfalls in ihrer Mahnung vom 23.06.2003 die geforderte Leistung im
Einzelnen beschrieben; das Landgericht habe aber übersehen, dass sie, die Beklagte,
in Unkenntnis der Klägerin bereits zuvor ein zweites Bohrgerät auf die Baustelle
geschafft habe und für ein weiteres kein Platz vorhanden gewesen sei; der angeforderte
Aufholplan sei am 27.06.2003 vorgelegt worden. Damit habe sie die Forderungen der
Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung erfüllt gehabt. Die Verzögerungen bei der
Pfahlgründung beruhten auf der fehlenden Kampfmittelfreiheit und fielen damit in den
Risikobereich der Klägerin. Selbst wenn aber ein geringfügiger Verzug vorgelegen
habe, hätte der Endtermin eingehalten werden können.
Hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs habe das Landgericht zu Unrecht die
nach Maßgabe von Ziffer 4 des Vertrages hinterlegte Urkalkulation nicht berücksichtigt.
Aus dieser leite sich das Preisniveau des Vertrages ab. Maßgeblich seien daher nicht
etwa ortsübliche Preise oder die vom Sachverständigen festgesetzten Preise.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Wuppertal abzuändern und die Klage abzuweisen
sowie die Klägerin zu verurteilen, an sie 1.001.776,35 € nebst Zinsen in Höhe
von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2 Monaten nach Zugang
der Übersendung der Schlussrechnung vom 15.10.2003 zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen,
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hilfsweise,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die Berufung für unzulässig, da die Berufungsbegründung nicht den
gesetzlichen Anforderungen genüge. Sie greife nicht die Gründe des landgerichtlichen
Urteils, sondern vielmehr die Gründe des Senatsurteils vom 09.05.2008 im
Parallelverfahren 22 U 191/07 an. Im Übrigen hält sie die diesbezüglich von der
Beklagten vorgebrachten Angriffe ebenso wenig wie die Einwendungen gegen die
Feststellungen des Landgerichts zur Höhe des Vergütungs- und
Mehrkostenerstattungsanspruchs für durchgreifend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen
auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 06.06.2008 (Bl. 1010 ff. GA) und ihren
Schriftsatz vom 17.10.2008 (Bl. 1110 ff. GA) sowie auf die Berufungserwiderung der
Klägerin vom 22.08.2008 (Bl. 1088 ff. GA) und ihre Schriftsätze vom 16.10.2008
(Bl.1096 a) und vom 22.10.2008 (Bl. 1123 ff. GA).
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II.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Entgegen
der von der Klägerin vertretenen Ansicht genügt die Berufungsbegründung der
Beklagten den gesetzlichen Anforderungen. § 520 Abs. 3 ZPO verlangt lediglich, dass
der Berufungsführer mit seiner Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen
tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält;
er hat daher in der Berufungsbegründung diejenigen tatsächlichen oder rechtlichen
Punkte darzulegen, die er als unzutreffend ansieht und dazu die Gründe anzugeben,
aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und die Erheblichkeit für die
angefochtene Entscheidung ergeben (vgl. BGH Urteil vom 14.11.2005, Aktenzeichen II
ZR 16/04, zitiert nach juris, dort Rn. 9; Beschluss vom 27.05.2008, Aktenzeichen XI ZB
41/06, zitiert nach juris, dort Rn. 11). Diesen Anforderungen genügt die
Berufungsbegründung der Beklagten. Der von der Klägerin mit der Klage geltend
gemachte Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1
VOB/B setzt voraus, dass die von ihr erklärte fristlose Kündigung des Vertrages wirksam
war. Die Beklagte vertritt in der Berufungsbegründung die Auffassung, dass ein Grund
zur fristlosen Kündigung nach §§ 8 Nr. 3, 5 Nr. 4 VOB/B nicht gegeben war. In diesem
Zusammenhang setzt sie sich auch mit der hierzu vom Senat in seinem Urteil vom
09.05.2008 in dem Parallelverfahren 22 U 191/07 dargelegten Ansicht auseinander.
Dies ist ihr unbenommen, da beiden Verfahren derselbe Sachverhalt zugrunde liegt und
eine abweichende Ansicht den hier geltend gemachten Klageanspruch zu Fall bringen
würde. Ziel und Gründe des Berufungsangriffs sind damit hinreichen dargelegt.
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Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt indes in der Sache selbst ohne Erfolg.
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1. Auf das Schuldverhältnis der Parteien ist das seit dem 01.01.2002 geltende
Schuldrecht anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
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2. Der Senat hat in dem Parallelverfahren 22 U 191/07 in seiner Entscheidung vom
09.05.2008 die Ansicht vertreten, dass die von der Klägerin gegenüber der
Beklagten mit Schreiben vom 30.06.2003 erklärte Kündigung gemäß §§ 5 Nr. 4, 8
Nr. 3 VOB/B wirksam war, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen
vorlagen. An dieser Ansicht hält der Senat weiterhin fest. Die Regelung des § 8 Nr.
3 VOB/B unterscheidet zwischen drei Tatbeständen, die einen wichtigen Grund zur
Kündigung des Bauvertrages rechtfertigen, nämlich den Verstoß des
Auftragnehmers zur Mängelbeseitigung (§ 4 Nr. 7 VOB/B), den ungenehmigten
Subunternehmereinsatz (§ 4 Nr. 8 VOB/B) und die Verzögerungstatbestände des §
5 Nr. 4 VOB/B (vgl. Heiermann/Riedl, Handkommentar zur VOB, 10. Aufl., § 8 Rn.
21). § 5 Nr. 4 VOB/B unterscheidet wiederum zwischen der Verzögerung des
Auftragnehmers mit dem Beginn der Ausführung, den Verzug bei der Vollendung
der Leistung und dem Verstoß gegen die Abhilfepflicht aus § 5 Nr. 3 VOB/B. Eine
Verzögerung mit dem Beginn der Ausführung setzt eine verzögerte Leistung trotz
Fälligkeit des Ausführungsbeginns voraus, wobei sich die Fälligkeit aus der
Vereinbarung einer Vertragsfrist ergibt (vgl. Kapellmann/Messerschmidt, a.a.O., § 5
Rn. 120). Vertragsfristen sind verbindlich vereinbarte Fristen (vgl. wie vor, Rn. 11),
sie können auch für Einzel-, auch Zwischenfristen genannt, vereinbart werden (vgl.
wie vor, § 5 Rn. 28). Für Einzelfristen, die als Vertragsfristen vereinbart worden
sind, gilt die Regelung des § 5 Nr. 4 VOB/B analog (vgl.
Kapellmann/Messerschmidt, a.a.O., § 5 Rn. 113). Ein Verzug bei der Vollendung
der Leistung liegt vor, wenn das Werk nicht termingerecht fertiggestellt ist, was
auch für Teilleistungen gilt, für die Einzelfristen als Vertragsfristen vereinbart
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worden sind (vgl. Heiermann/Riedl, a.a.O., § 4 Rn. 7). Ein Verstoß gegen die
Abhilfepflicht aus § 5 Nr. 3 VOB/B ist gegeben, wenn der Auftragnehmer nicht
unverzüglich Abhilfe schafft, obwohl der Auftraggeber dies verlangt hat, weil
vorhandene Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile so unzureichend
sind, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können (vgl.
Kapellmann/Messerschmidt, a.a.O., § 5 Rn. 78).
Die Voraussetzungen der Regelung des § 5 Nr. 4 VOB/B waren vorliegend
gegeben.
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2.1. Bei den Leistungen B. Verbau und Verankerungen sowie Aushub
Grundleitungen hat die Beklagte den Beginn der Ausführung im Sinne von § 5 Nr. 4
VOB/B verzögert.
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2.1.1 Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht handelt es sich bei den
in der Ergänzungsvereinbarung Nr. 1 der Parteien vom 26.05.2003 und in dem der
Vereinbarung beigefügten Bauzeitenplan genannten Terminen um Vertragsfristen
im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom
09.05.2008 aufgrund einer Auslegung der Vereinbarung unter Heranziehung der
Begleitumstände festgestellt. Die gegen diese Wertung von der Beklagten in ihrer
Berufungsbegründung vom 06.06.2008 vorgebrachten Angriffe (Ziffer II. 1 a der
Berufungsbegründung, Bl. 1014 GA) greifen nicht durch. In dem ursprünglichen
Vertrag, in den das von beiden Parteien unterzeichnete Verhandlungsprotokoll vom
07.02.2003 als Vertragsinhalt einbezogen wurde (Ziffer 2. c des Vertrages), wurden
die Zwischentermine gemäß "Terminplan" als Vertragstermine vereinbart (Ziffer 7.4
des Verhandlungsprotokolls). Dabei ist nach Ziffer 2.1 t des Vertrages als
Terminplan der von der Beklagten einzureichende Zeitplan definiert worden. Die in
dem Bauzeitplan enthaltenen Termine sind demnach ausdrücklich als
Vertragstermine einbezogen worden. Durch die Ergänzungsvereinbarung der
Parteien sollten lediglich die in dieser genannten Fristen abgeändert, nicht aber
deren Charakter oder ihre rechtliche Bedeutung abgeändert werden; dies ergibt
sich zweifelsfrei aus dem ersten Absatz der vorbezeichneten Vereinbarung, in der
ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es mit Ausnahme der folgenden
Änderungen bei den Vereinbarungen im ursprünglichen Vertrag bleibt. Daher sah
auch der Entwurf der Ergänzungsvereinbarung in Ziffer 17 vor, dass alle Termine
der Ergänzungsvereinbarung und des Bauzeitenplans Vertragstermine sind.
Gegen diesen Entwurf hat sich die Beklagte lediglich im Hinblick auf eine
Pönalisierung gewandt, woraufhin die endgültige Vereinbarung unter Ziffer 17 die
Zahlung einer Vertragsstrafe auf die Überschreitung einiger konkret bezeichneter
Zwischentermine beschränkt. Zugleich ist aus dem Entwurf die Regelung
übernommen worden, dass "alle Termine dieser Ergänzungsvereinbarung des
Bauzeitenplans Vertragstermine" sind. Bereits aus diesen Umständen ergibt sich,
dass in der endgültigen Fassung die verbindende Konjunktion zwischen der
Ergänzungsvereinbarung und dem Bauzeitenplan lediglich versehentlich
untergegangen ist. Die in Ziffer 17 niedergelegte Regelung kann auch sprachlich-
grammatikalisch nicht anders verstanden werden; jedenfalls aber nicht in der
Weise, wie sie die Beklagte verstehen möchte, nämlich dahin, dass die Fristen des
neuen Terminplans nicht Vertragsfristen sein sollten. Dagegen spricht, dass in dem
in Rede stehenden Satz der Bauzeitenplan ausdrücklich aufgeführt ist, und zwar im
Zusammenhang mit der Einordnung der Termine als Vertragstermine. Entgegen
der von der Beklagten vertretenen Ansicht ist auch aus der Änderung einiger
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besonders in der Ergänzungsvereinbarung aufgeführter Termine nicht erkennbar,
aus welchem Grunde die Klägerin generell von einer verbindlichen Regelung der
Bauzeitentermine, die nach dem ursprünglichen Vertrag vereinbart war, in der
Ergänzungsvereinbarung hätte absehen sollen. Angesichts der bereits zuvor
eingetretenen Verzögerungen und der damit zwischen den Parteien entstandenen
streitigen Auseinandersetzung über die Frage, ob die Beklagte die Termine
einhalten konnte, hatte die Klägerin ein nachvollziehbar starkes Interesse an einer
engmaschigen Kontrolle der Termineinhaltung durch die Beklagte, das nur mit der
Vereinbarung von Vertragsterminen abgesichert werden konnte. Dafür, dass die
Klägerin eine von dem ursprünglichen Vertrag abweichende Vereinbarung, die mit
einem Verlust von Rechten verbunden wäre, akzeptieren würde, sind keinerlei
Anhaltspunkte ersichtlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes,
dass in Ziffer 16 der Ergänzungsvereinbarung vier Termine als
vertragsstrafebewehrte Fristen vereinbart worden sind. Denn diese Termine
beziehen sich alle auf Zeitpunkte, die bereits kurz vor der vereinbarten endgültigen
Fertigstellung des Bauvorhabens lagen, nicht aber auf die Fristen, wegen deren
Einhaltung die Parteien bereits vor Abschluss der Ergänzungsvereinbarung in
Streit geraten waren. Hätte sich die Klägerin mit der Vereinbarung nur dieser
Fristen als Einzelfristen im Sinne von § 5 Nr. 1 VOB/B zufrieden gegeben, hätte sie
aus der Überschreitung der übrigen Fristen aus dem Bauzeitenplan keine
unmittelbaren Rechte herleiten können. Sie hätte mithin auf die sich aus den in
dem ursprünglichen Vertrag vereinbarten Regelungen zu Vertragsfristen
ergebenden rechtlichen Ansprüche verzichtet. Aus welchem Grunde sie diese
Rechte in einer Ergänzungsvereinbarung, die ohnehin schon eine Verschiebung
von Terminen zu Gunsten der Beklagten beinhaltete, hätte aufgeben sollen, ist
nicht ersichtlich. Dies hat auch die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht
plausibel darlegen können.
2.1.2. Die Beklagte hat die in der Ergänzungsvereinbarung vertraglich vereinbarten
Termine nicht eingehalten. Nach dem in der Anlage B 4 von der Beklagten
eingereichten, der Ergänzungsvereinbarung zugrundeliegenden Terminplan
(Anlagenband zu Bl.160 ff. GA) waren für den Beginn der Leistungen B. Verbau
und Verankerungen der 26.05.2003 und für den Aushub Grundleitungen der
12.05.2003 vorgesehen; diese Arbeiten sollten am 20.06.2003 beendet sein. Am
20.06.2003 war mit den Leistungen noch nicht begonnen worden. Die Beklagte hat
damit den Beginn der Bauausführung im Sinne von § 5 Nr. 1 VOB/B verzögert, und
zwar ohne dass die Klägerin sie zuvor zur Erbringung der Leistung mahnen
musste. Die Leistungen waren nämlich kalendermäßig bestimmt (vgl. insoweit
Kapellmann/Messerschmidt, a.a.O., § 5 Rn. 43). Die Nichteinhaltung der Termine
hat die Beklagte hinsichtlich der Leistungen B. Verbau und Verankerungen sowie
Aushub Grundleitungen auch zu vertreten. Zwar hatte sie am 04.06.2003
festgestellt, dass keine Kampfmittelfreiheit gegeben war und die hiermit
verbundene Behinderung gegenüber der Klägerin angezeigt. Hinsichtlich der
Arbeiten Berliner Verbau und Verankerungen sowie Aushub Grundleitungen lag
eine Verzögerung jedoch bereits vor der Behinderung durch den
Kampfmittelräumdienst vor, da mit diesen Arbeiten bereits zuvor, nämlich am 26.05.
und 12.05.2003 hätte begonnen werden müssen; diese Einzelfrist war mithin
bereits vor der Behinderung verstrichen und deshalb nicht nachträglich zu
verlängern.
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2.1.3. Die Klägerin hat der Beklagten wegen der Verzögerung bei den Leistungen
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B. Verbau und Verankerung mit Schreiben vom 20.06.2003 eine Nachfrist bis zum
26.06.2003 für die vorgenannten Leistungen gesetzt und dies mit der Androhung
der Kündigung des Vertrages verbunden (Bl. 66 GA). Die zum 26.06.2003 gesetzte
Frist war auch nicht unangemessen kurz, denn verlangt wurde lediglich der Beginn
der Arbeiten, nicht etwa die Fertigstellung. Dass und warum ein Beginn in der
gesetzten Frist nicht möglich war, ist nicht dargetan. Die Nachfrist ist erfolglos
abgelaufen und daraufhin die Kündigung mit Schreiben vom 30.06.2003 erklärt
worden. Die Kündigung ist u.a. auf die Verzögerung bei den Leistungen B. Verbau
und Verankerung gestützt worden.
Die Kündigung des Vertrages war danach bereits wegen der Verzögerung
hinsichtlich der Leistungen B. Verbau und Verankerung gemäß § 8 Nr. 3 in
Verbindung mit § 5 Nr. 4 VOB/B berechtigt. Sie war auch nicht ausnahmsweise
unzulässig, weil die Überschreitung der First geringfügig war, die geltend
gemachten Verzögerungen für den Auftraggeber deshalb folgenlos sind, da die
Fristversäumnis vom Auftragnehmer aufgefangen werden können (vgl. OLG
Koblenz, Urteil vom 08.12.1988, Aktenzeichen 5 U 705/88, zitiert nach juris, Rn. 40)
und eine zügige Weiterführung der Arbeiten gewährleistet war (vgl. Bruns, Bauzeit
als Rechtsproblem, Teil 2, ZfIR 2006, 241). Die Überschreitung der Frist für den
Beginn der Arbeiten B. Verbau und Verankerung um mehr als einen Monat kann
bereits nicht als geringfügig angesehen werden. Darüber hinaus hat die Beklagte
aber auch nicht hinreichend dargelegt, dass sie die Verzögerungen hätte auffangen
können und eine zügige Weiterarbeit gewährleistet war (vgl. dazu Ziff. 2.3. der
Entscheidungsgründe).
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2.2. Es kann offen bleiben, ob die Klägerin die Kündigung auch auf eine
Verzögerung beim Beginn der Arbeiten an der ersten Sohle stützen konnte. Für
den Beginn dieser Arbeiten war der 10.06.2003 bestimmt. Diesen Termin konnte
die Beklagte zwar wegen der Behinderung durch den Kampfmittelräumdienst nicht
einhalten. Die Frist war vielmehr für die Zeit vom 04.06. 2003 bis zur Bestätigung
des Kampfmittelräumdienstes vom 16.06.2003, dass nunmehr Kampfmittelfreiheit
vorlag, zu verlängern (vgl. Kapellmann/Messerschmidt, a.a.O:, § 5 Rn. 49). Nach
dieser Fristverlängerung um 11 Tage hätte die Beklagte aber am 21.06.2003 mit
den Arbeiten an der ersten Sohle beginnen müssen. Im Zeitpunkt der
Nachfristsetzung durch das Schreiben der Klägerin vom 20.06.2003 war mithin die
Leistung der Beklagten noch nicht fällig. Die Nachfristsetzung ging daher ins Leere.
Das Schreiben ist indes als Warnung an die Beklagte auszulegen, die unmittelbar
bevorstehenden Arbeiten aufzunehmen. Bleibt eine solche Mahnung ohne
Wirkung, kann eine weitere Nachfristsetzung entbehrlich sein, weil der
Unternehmer sich als unzuverlässig erwiesen hat (vgl. dazu
Ingenstau/Korbion/Döring, a.a.O., § 5 Nr. 4, Rn. 19). Diese Voraussetzungen lagen
– wie sich aus den folgenden Ausführungen unter Ziffer 2.3. des Votums ergibt -
hier vor. In diesem Fall durfte die Klägerin die Kündigung wegen der Verzögerung
bei den Arbeiten an der ersten Sohle aussprechen, ohne der Beklagten zuvor eine
Frist zur vertragsgerechten Erfüllung zu geben (vgl. Bruns, a.a.O., S. 242 m.w.N.).
46
2.3. Die fristlose Kündigung war jedenfalls auch aus wichtigem Grunde
gerechtfertigt. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien war durch das
Verhalten der Beklagten in einem Maße gestört, dass eine Fortsetzung des
Vertrages für die Klägerin nicht mehr zumutbar war. Für solche Fälle ist die
Regelung des § 8 Nr. 3 VOB/B entsprechend anzuwenden; es ist anerkannt, dass
47
es sich bei dieser Regelung um eine Generalklausel handelt, die über die dort
genannten Einzelfälle hinaus auch sonstige wichtige Kündigungsgründe erfasst
(OLG Oldenburg Urteil vom 18.11.2004, Aktenzeichen 8 U 150/04, zitiert nach juris,
dort Rn. 26 = NJW-RR 2005, 1104; Heiermann/Riedl, a.a.O., § 8 Rn. 22;
Kapellmann/Messerschmidt, a.a.O., § 5 Rn. 123). Ein solcher wichtiger Grund liegt
vor, wenn feststeht, dass der Auftragnehmer eine Vertragsfrist aus von ihm zu
vertretenden Gründen nicht einhält und die Vertragsverletzung von so erheblichem
Gewicht ist, dass dem Auftraggeber eine Fortsetzung des Vertrages mit dem
Auftragnehmer nicht zuzumuten ist (vgl. Kapellmann/Messerschmidt, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Bei den Leistungen B. Verbau und
Verankerungen lag, wie bereits ausgeführt, eine Verzögerung vor. Hinsichtlich der
Leistung "Setzen der Bohrpfähle" war zwar der für die Vollendung vereinbarte
Endtermin vom 27.06.2003 um die Dauer der Kampfmittelräumung, mithin um 11
Tage zu verlängern. Dennoch war – anders als in dem vom Oberlandesgericht
Köln im Urteil vom 28.06.2006 entschiedenen Fall (vgl. BauR 2008, 1145) - im
Zeitpunkt der Kündigung offenbar, dass die Arbeiten wegen unzureichender
Arbeitskräfte und Geräte nicht zu den um die Dauer der Behinderung verlängerten
Vertragsterminen erbracht werden konnten. Während in dem vom OLG Köln
entschiedenen Fall die Kündigung aus wichtigem Grund darauf gestützt wurde,
dass eine Zwischenfrist, die erst knapp drei Monate später ablaufen sollte, nicht
eingehalten werden könne, stand im vorliegenden Fall der Ablauf der für die
Vollendung der Pfahlgründung vereinbarte Termin im Zeitpunkt der Kündigung
kurz bevor. Zu diesem Zeitpunkt war offenbar, dass diese Frist von der Beklagten
nicht eingehalten werden konnte. Nach dem von der Beklagten der Klägerin auf
deren Aufforderung im Schreiben vom 23.06.2003 übersandten Aufhol- bzw.
Terminplan vom 27.06.2003 war für die Pfahlgründung der Zeitraum vom 02.06. bis
11.07.2003 vorgesehen (Bl. 73 GA, Seite 2); dieser Plan berücksichtigt bereits die
Zeit der Behinderung, wobei eine Verlängerung der Ausführungsfrist nicht lediglich
um 11, sondern um 14 Tage zugrunde gelegt wurde. Selbst diese Frist hätte die
Beklagte aber nicht einhalten können. Nach der von ihr selbst mit der
Klageerwiderung vorgelegten baubetrieblichen Stellungnahme von Prof. D. und Dr.
P. (Anlage B 17) lag bei den Bohrpfahlarbeiten im Zeitpunkt der Kündigung im
Vergleich zu dem von der Beklagten selbst erstellten Terminplan vom 27.06.2003
ein Rückstand von sechs bis sieben Tagen vor (vgl. Seite 4, 3. und 4. Absatz der
Stellungnahme). Diese (weitere) Verzögerung stellt sich jedenfalls im
Zusammenhang mit den übrigen Verzögerungen bei den Leistungen B. Verbau
und Verankerung, aber auch bei der unterlassenen Lieferung von Plänen als
derartig vertragswidriges Verhalten dar, dass eine Fortsetzung des Vertrages für
die Klägerin nicht mehr zumutbar war. Die fehlenden Planungen, insbesondere die
Ausführungspläne sowie die Schal- und Bewehrungspläne, sollten gemäß Ziffer 1
der Ergänzungsvereinbarung bis zum 26.05.2003, nach dem neuen Terminplan bis
zum 23.05. bzw. 30.05.2003 einschließlich der Statik vorgelegt werden. Am
20.06.2003 war die Ausführungsplanung nur unvollständig und die übrigen
fehlenden Pläne gar nicht vorgelegt worden, obwohl für die Erbringung dieser
Leistungen keine Behinderung vorgelegen hatte. Die Beklagte hätte vielmehr diese
Leistungen ungeachtet der Tätigkeit des Kampfmittelräumdienstes fristgerecht
erbringen können und müssen. Zwar konnte die Klägerin wegen der fehlenden
Planungsleistungen nicht nach §§ 5 Nr. 4, 8 Nr. 3 VOB/B vorgehen, da die
Regelung des § 5 Nr. 4 VOB/B ist auf Planungsleistungen nicht anwendbar ist, weil
diese Leistungen keine unmittelbare Bautätigkeit darstellen (vgl. Werner/Pastor,
48
a.a.O., Rn. 1815 m.w.N.). Die fehlenden Planleistungen sind allerdings ein
weiteres erhebliches Indiz für die Unzuverlässigkeit der Beklagten, was bei der
Frage der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertrages zu berücksichtigen war.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht liegen keine Gründe vor, die
dafür sprechen, dass trotz ihres vertragswidrigen Verhaltens eine Fortsetzung des
Vertrages für den Auftraggeber zumutbar war. Die von der Beklagten angeführte
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04.05.2000 (vgl. BGH BauR 2000,
1182) betrifft einen Fall, in welchem eine Kündigung aus wichtigem Grund vor
Ablauf einer Vertragsfrist erklärt wurde; für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof
ausgeführt, dass ein wichtiger Grund in Betracht kommt, wenn die Fortsetzung des
Vertrages für den Auftraggeber unzumutbar ist, was auch bejaht werden könne,
wenn eine Vertragsverletzung noch nicht eingetreten, ihr Eintritt jedoch sicher sei;
in diesem Fall könne dem Auftraggeber in aller Regel nicht zugemutet werden, die
Vertragsverletzung abzuwarten, um erst dann die rechtlichen Konsequenzen zu
ziehen. Hierzu hat die Klägerin dargelegt, dass die Beklagte bereits vor Abschluss
der Ergänzungsvereinbarung zögerlich gearbeitet hat. Ob sie diese Umstände für
die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages heranziehen kann, erscheint zwar
im Hinblick auf Ziffer 12 der Ergänzungsvereinbarung zweifelhaft, da in dieser
Klausel die bisherigen Inverzugsetzungen und Kündigungsandrohungen als
erledigt gelten sollten. Eine solche Erledigungsklausel bezieht die auf den in Rede
stehenden Inverzugsetzungen und Kündigungsdrohungen beruhenden Umstände
mit ein. Aus den Feststellungen der vorgenannten Entscheidung des
Bundesgerichtshofs, dass "in aller Regel" eine Fortsetzung des Vertrages für den
Auftraggeber nicht zumutbar ist, ergibt sich aber, dass die Beklagte darlegen und
beweisen müsste, aus welchem Grund hier ein Festhalten am Vertrag für die
Klägerin zumutbar gewesen sein soll. Sie hat hierzu aber keine hinreichenden
Gründe vorgetragen. Die Ausführungen in der von ihr übergebenen
baubetrieblichen Stellungnahme sprechen vielmehr gegen ein Festhalten an dem
Vertrag. Sie besagen in ihrem Fazit (Seite 6 der Anlage B 17), dass die Ziele in
dem von der Beklagten am 27.06.2003 festgelegten Terminplan, die ohnehin schon
von denen des Terminplans der Ergänzungsvereinbarung abweichen, "zwar etwas
eng, aber realisierbar sind", soweit ein Mehrschichtbetrieb durchgeführt, Umfang
und Qualifikation der personellen Besetzung gesichert, Vorhaltung einer
entsprechend großen Menge an Schalung und Samstags-, Sonntags- und
Feiertagsarbeit vorbereitet wird. Entgegen dem Vortrag der Beklagten erscheint
danach die Fertigstellung des Bauvorhabens zu dem vereinbarten Termin in keiner
Weise gesichert, denn dass die geforderten Zusatzmaßnahmen ergriffen worden
wären, kann nicht unterstellt werden. Die baubetriebliche Stellungnahme ist erst
nach der Kündigung des Vertrages im August/September 2003 erstellt worden.
Zuvor waren keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Beklagte zusätzliche
Maßnahmen zur Aufholung der Verzögerung ergreifen wollte; zwar hatte sie ein
zusätzliches Bohrgerät zur Baustelle geschafft, dies alleine reichte jedoch nicht
und zu weiteren Maßnahmen war die Beklagte – wie sie selbst in ihrer
Klageerwiderung (Bl. 197 GA) und im Schriftsatz vom 13.08.2004 (Seite 42, Bl. 356
GA) vorgetragen hat – nicht bereit; sie hat insbesondere kein zusätzliches Personal
herangezogen. Die Klägerin konnte eine Aufholung der Verzögerungen auch nicht
dem ihr übergebenen Terminplan vom 27.06.2003 entnehmen, zumal dieser sich in
der Darstellung von Balkenterminen erschöpfte, ohne eine Aussage dazu zu
treffen, wie die eingetragenen Termine tatsächlich gewährleistet werden sollten.
Hierfür wäre es notwendig gewesen, etwa verstärkten Material- und
49
Personaleinsatz darzulegen, wie es die Klägerin in ihrem Schreiben vom
23.06.2003 (Bl. 69 GA) gefordert hatte, oder darzulegen, dass nunmehr die
Wochenenden und Feiertage für zusätzliche Bauarbeiten genutzt werden sollten.
Erst mit Hilfe einer solchen Erläuterung hätte die Klägerin beurteilen können, ob
der vorgelegte neue Terminplan schlüssig und eine Einhaltung des
Fertigstellungstermins gewährleistet war. Die "Erläuterung" vom 30.06.2003
bezieht sich lediglich auf die Teilleistung "Decke über 1. Parkebene ohne Einfahrt
bis Decke über 2. Parkebene" und ist der Klägerin darüber hinaus erst nach
Erklärung der Kündigung zugegangen. Es kann offen bleiben, ob die notwendigen
Erläuterungen mündlich bei dem Treffen der Parteien am 02.07.2003 in
ausreichendem Maße erfolgt wären (vgl. hierzu das Besprechungsprotokoll vom
02.07.2003, Anlage B 15), da diese erst nach Ablauf der von der Klägerin
gesetzten Frist zur Vorlage des Aufholplans und nach Erklärung der Kündigung
abgegeben wurden.
Bei dieser Sachlage war eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die
Klägerin nicht zumutbar. Hieraus folgt zugleich, dass die auf die Verzögerung des
Beginns der Leistungen Berliner Verbau und Verankerungen gestützte Kündigung
nicht etwa rechtmissbräuchlich erklärt worden war.
50
Auf eine fehlende Kooperation seitens der Klägerin kann sich die Beklagte
demgegenüber nicht berufen. Darlegungs- und beweispflichtig ist die Beklagte, die
sich insoweit auf fehlendes Verschulden beruft (vgl. Ingenstau/Korbion/Vygen,
VOB, 15. Aufl., § 8 Nr. 3, Rn. 52 ). Die Beklagte hat insoweit lediglich pauschal
vorgetragen, die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten als Bauherr "nur sehr
unvollkommen" nachgekommen (Bl. 170 GA). Das Problem des kontaminierten
Bodens der Kampfmittelfreiheit ist nach seiner Entdeckung binnen weniger Tage
von der Klägerin gelöst worden und stellt sich nicht als Verletzung der
Kooperationspflicht dar. Dass die Klägerin im Hinblick auf befürchtete oder bereits
eingetretene Verzögerungen versucht hatte, die Beklagte trotz der Untersuchungen
und Arbeiten des Kampfmittelräumdienstes zu weiteren Baumaßnahmen zu
veranlassen, indem sie ein Nebeneinanderherarbeiten zu organisieren versuchte,
das aus ihrer Sicht nicht mit Gefahren für den Unternehmer verbunden war,
erscheint als nachvollziehbarer Versuch der Vermeidung einer weiteren
Verzögerung und nicht als unkooperative Handlung. Als der Subunternehmer der
Beklagten wegen der Gefährlichkeit eine Bautätigkeit ablehnte, gab sich die
Klägerin mit der vorübergehenden Arbeitseinstellung auch zufrieden. Im Übrigen
könnte zweifelhaft sein, ob sich die Beklagte auf eine solche Pflichtverletzung
überhaupt berufen könnte; sie selbst hat sich nämlich dadurch unkooperativ
gezeigt, dass sie die Zeit der Behinderungen nicht für die Erstellung der fehlenden
Pläne genutzt hat. Dadurch hat sie zu erkennen gegeben, dass sie nicht bemüht
war, die eingetretenen Verzögerungen aufzufangen und die vereinbarten
Vertragstermine einzuhalten.
51
Die Beklagte hat auch keine weiteren Hindernisse vorgetragen, die der Erbringung
der ihr obliegenden Leistung innerhalb der (verlängerten) Vertragsfristen entgegen
gestanden hätten. In der Klageerwiderung vom
lediglich darauf hin, dass es sich um ein außergewöhnlich schwieriges und
kompliziertes Baufeld gehandelt habe (Bl. 200 GA), wobei sie zugleich
ausdrücklich geltend macht, dass sie das Bauvorhaben zu dem vereinbarten
Termin vom 30.11.2003 hätte fertig stellen können (Bl. 201 GA). Diese Vorbringen
52
ist so pauschal, dass ihm Hindernisse bei der Bauausführung nicht ansatzweise
entnommen werden können. Dies gilt gleichermaßen für ihr Vorbringen im
Schriftsatz vom 01.03.2004, in dem die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass es
sich um ein altes Bahngelände mit Schienensträngen gehandelt habe, wodurch die
Gründungsarbeiten erheblich erschwert worden seien. Worin genau die dadurch
bedingte Erschwerung lag, hat sie ebenso wenig dargelegt wie die angebliche
Behinderung durch die auf dem Nachbargrundstück tätige Firma P.. Hierzu hat sie
zwar im Schriftsatz vom 18.08.2004 geltend gemacht, die Firma P. habe den ihr,
der Beklagten, für die Baustelleneinrichtung zugewiesenen Parkplatz belegt
gehabt, so dass ihr "nach langem hin und her" ein anderer Platz zugewiesen
worden sei, den sie wieder habe räumen und an anderer Stelle errichten habe
müssen; genaue Angaben zur Dauer einer hiermit verbundenen Verzögerung
fehlen indes. Soweit sie vorträgt, dass ihr Auflagen für die Sicherung des
Schienenverkehrs erst nach Vertragsschluss bekannt gemacht worden seien, fehlt
es an einer konkreten Darlegung der dadurch verursachten Erschwernisse; die
Tatsache, dass die Auflagen Auswirkungen auf die Koordination der Statik,
Planung und Bauausführung hatten, reicht für die Annahme einer Erschwernis
nicht aus. Konkrete und zeitlich genaue Angaben fehlen auch hinsichtlich der
angeblich erschwerten Planungsleistungen wegen des behaupteten nicht
rechtzeitigen Abbruchs des Bahnhofs und verspäteter Angaben über die
Kellergründung des Altbaus sowie des nicht abgerissenen Fußgängertunnels
unterhalb der Brücke. Im Übrigen lagen all diese Hindernisse bereits vor Abschluss
der Ergänzungsvereinbarung der Parteien vom 26.05.2003 vor; nachdem in dieser
neue Termine in Kenntnis der angeblichen Hindernisse vereinbart worden sind, ist
eine Berufung auf die bereits vorhandenen und bekannten Hindernisse
ausgeschlossen. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung auf eine
Nachtragsvereinbarung Nr. 3 zwischen der Klägerin und der Nachfolgefirma P.
verweist, aus der sich Hindernisse ergeben sollen, fehlt es ebenfalls an einem
substantiierten Vorbringen, da aus der in Bezug genommenen Anlage lediglich
hervorgeht, dass Hindernisse im Baugrund aufgetreten waren, nicht aber welche
Hindernisse und mit welchem zeitlichen Aufwand deren Behebung verbunden war.
Eine vorherige Firstsetzung mit Kündigungsandrohung war entbehrlich (vgl. OLG
Oldenburg, a.a.O., m.w.N.). Die Kündigung vom 30.06.2003 ist schließlich auch
darauf gestützt worden, dass eine Fortsetzung des Vertrages wegen der
Unzuverlässigkeit der Beklagten unzumutbar sei (Bl. 79 GA).
53
Sind danach die Vertragstermine für die vorgenannten Leistungen in vertretbarer Weise
nicht eingehalten worden bzw. war die Nichteinhaltung eines Vertragstermins sicher
und ein Festhalten am Vertrag für die Klägerin unzumutbar, konnte die Klägerin den
Vertrag gemäß §§ 5 Nr. 4, 8 Nr. 3 VOB/B fristlos kündigen.
54
An der Wirksamkeit der Kündigung gemäß §§ 8 Nr. 3, 5 Nr. 3 und 4 VOB/B bestehen
danach keine Bedenken.
55
3. Das Landgericht hat auch die Höhe des der Klägerin zustehenden
Zahlungsanspruchs zutreffend ermittelt.
56
3.1. Den der Beklagten zustehenden Werklohnanspruch für die von ihr erbrachten
Leistungen hat es auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen
Sager mit 485.998,63 € beziffert, den es um 5 % für Nachlass und weitere 5 % für
57
Gewährleistung gekürzt hat, so dass sich eine Vergütung in Höhe von 438.613,77
€ ergab. Gegen die Berechnung des Landgerichts wendet sich die Beklagte mit
ihrer Berufung insoweit, als nach ihrer Ansicht zu Unrecht die erbrachten
Leistungen nicht auf der Grundlage der Einheitspreise der hinterlegten
Urkalkulation bemessen worden sind. Diese Einwendungen der Beklagten bleiben
ohne Erfolg.
Bei dem von den Parteien abgeschlossenen Werkvertrag handelt es sich um einen
Pauschalpreisvertrag mit einer funktionalen Leistungsbeschreibung, bei welchem
das qualitative und quantitative Risiko der Leistung auf den Auftragnehmer
verlagert wird. Nicht nur die Massen und Mengen, sondern die zu erbringende
Leistung wird pauschaliert (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl., 5.
Teil, Rn. 100 ). Daher kommt selbst dann, wenn ursprünglich ein Angebot mit
Leistungsverzeichnis erstellt worden wäre, die Parteien aber nach Verhandlungen
die Leistung funktional beschrieben haben, dem früheren Angebot bei der
Auslegung des Vertrages "hinsichtlich des Umfangs der funktional beschriebenen
Leistung keine entscheidende Auslegungsbedeutung mehr zu" (vgl. BGH BauR
1997, 464, zitiert nach juris, dort Rn. 16; Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1189). Das
Landgericht ist bei der Frage, nach welcher Kategorie die Preise abzurechnen
sind, zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien ihrem Vertrag eine
funktionale Leistungsbeschreibung zugrunde gelegt und nicht nur die Mengen und
Massen, sondern auch die Bauleistung als solche pauschaliert haben. Dafür
spricht bereits die Vereinbarung einer "schlüsselfertigen" Bauleistung. Nach Ziffer
4. des von ihnen abgeschlossenen Werkvertrages vom 25.02.2003 sollte die
Ausführung der Leistungen und Abrechnung des Pauschalpreises ohne Aufmaß
der tatsächlich ausgeführten Massen erfolgen; maßgeblich sein sollte die
Herstellung eines komplett funktionsfähigen Parkhauses aufgrund einer von der
Beklagten selbst erstellten Planung. Damit haben sie die Bauleistung selbst
pauschaliert. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte gemäß den
vertraglichen Vereinbarungen ihre Urkalkulation der beauftragten Leistungen in
einem verschlossenen Umschlag übergeben hat. Sinn und Zweck einer solchen
Abrede kann, wie die Beklagte selbst in ihrer Berufungsbegründung ausführt, etwa
darin bestehen, eine Kalkulationsgrundlage für nachträglich erteilte Aufträge zu
haben, um die Preisbildung für den Auftraggeber transparent zu machen. Im
vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Berechnung der Vergütung für einen
Nachtragsauftrag, sondern um die Vergütung nach Kündigung des Vertrages. Für
deren Berechnung kommt es nicht allein auf die Urkalkulation an. Ungeachtet der
Frage, ob die Bezeichnung als "Globalpauschalvertrag" irreführend ist, weil sie
suggeriert, dass es sich um einen Vertrag analog denen des Besonderen
Schuldrechts handelt (vgl. Quack, ZfBR 2006, 731/ Bl. 767 GA), erfordert die
Abrechnung eines solchen Vertrages nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs im Gegensatz zu einer Bewertung der erbrachten Leistung
anhand eines Leistungsverzeichnisses eine Gesamtbewertung dergestalt, dass der
gesamte Vertrag nach einheitlichen Gesichtspunkten getrennt für die erbrachten
und die nicht erbrachten Leistungen nachkalkuliert wird (vgl. Quack, ZfBR 2005,
107) und sodann der Wert der erbrachten Leistung zum Wert der nach dem
Pauschalpreisvertrag insgesamt geschuldeten Leistung ins Verhältnis zu setzen ist
(vgl. BGH Urteil vom 18.04.2002, Aktenzeichen VII ZR 164/01, zitiert nach juris,
dort Rn. 9 = BauR 2002, 867). Dies erfordert in der Regel eine Aufgliederung des
Pauschalpreises in Einzelpreise (vgl. Kniffka/Koeble, a.a.O., 9. Teil, Rn. 24). Die
Höhe des Restvergütungsanspruchs des Werkunternehmers kann das Gericht
58
sodann gemäß § 287 ZPO schätzen (vgl. BGH Urteil vom 08.12.2005,
Aktenzeichen VII ZR 50/04, zitiert nach juris, dort Rn. 21 = BauR 2006, 179; BGH
BauR 2003, 880). Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass dem Vertrag der
Parteien kein Leistungsverzeichnis zugrunde liegt. Selbst wenn ein solches von
der Beklagten erstellt und der Urkalkulation im verschlossenen Umschlag beigefügt
worden sein sollte, wäre es schon deshalb nicht in den Vertrag einbezogen
worden, weil die Klägerin vom Inhalt eines solchen Verzeichnisses keine Kenntnis
hatte; das Leistungsverzeichnis hatte lediglich kalkulatorische Bedeutung für die
Preisbildung der Beklagten.
Die Beklagte hat zwar eine diesen Anforderungen entsprechende prüffähige
Schlussrechnung vorgelegt. In ihrer Schlussrechnung vom 15.10.2003 (Anlage B
19) hat sie die erbrachten Leistungen als "Bau-Ist-Leistung" aufgrund der Aufmasse
dargelegt. Die vereinbarte Gesamtleistung ist als "Bau-Soll-Leistung" dargelegt.
Die Abrechnung hat sie vorgenommen, indem sie die Bau-Ist-Leistung ins
Verhältnis gesetzt hat zur Bau-Soll-Leistung. Dabei hat sie allerdings für die
Preisbildung die Einheitspreise in ihrer Urkalkulation zugrunde gelegt. Dieser
Umstand steht zwar einer schlüssigen Abrechnung nicht entgegen, vielmehr betrifft
er die Frage, ob diese materiell richtig ist. Diese Frage war im Wege der
Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären
(vgl. BGH Urteil vom 14.11.2002, Aktenzeichen VII ZR 224/01, zitiert nach juris,
dort Rn. 16 = BauR 2003, 296; Urteil vom 18.04.2002, Aktenzeichen VII ZR 164/01,
zitiert nach juris, dort Rn. 12, 13 = BauR 2002, 507; Urteil vom 11.02.1999,
Aktenzeichen VII ZR 91/98, zitiert nach juris, dort Rn. 10, 12 = BauR 1999, 631).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte insgesamt
Leistungen im Wert von 485.998,63 € erbracht hat. Die von der Beklagten
gegenüber der Berechnung des Sachverständigen erhobenen Einwendungen
greifen nicht durch. Der Sachverständige S. hat eine den Anforderungen an die
Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages entsprechende
Nachkalkulation in seinen Gutachten vom
(Bl. 624 ff. GA)
,
angestellt. Er hat, wie sich aus seinen Ausführungen unter Ziffer 3.5.2 seines
Gutachtens vom 18.01.2005 (Bl. 520 GA) ergibt, den Fertigstellungsgrad der
jeweils erbrachten Leistungen ermittelt und ins Verhältnis gesetzt zu dem
kalkulierten Wert der Gesamtleistung. Für die preisliche Bewertung hat er die
Urkalkulation mitherangezogen; so hat er diese ausdrücklich für die Berechnung
der Positionen "Baustelleneinrichtung (Ziffer 3.4. des Gutachtens, Bl. 517, 518 GA),
"Baugrubenaushub (Ziffer 3.5. des Gutachtens, Bl. 519, 521 GA), "Pfahlgründung
(Ziffer 3.8. des Gutachtens, Bl. 523 GA) zugrunde gelegt. Dass er dabei nicht der
Darstellung des Preisansatzes der erbrachten Leistungen durch die Beklagte
gefolgt ist, beruht auf dem Umstand, dass der Sachverständige die materielle
Richtigkeit der Abrechnung überprüft hat und dabei zum Teil andere
Fertigstellungsgrade für die erbrachten Leistungen zugrunde gelegt hat oder – wie
bei der Baustelleneinrichtung – für Teilleistungen nur einen Zuschlag, nicht aber
eine einzelne vergütungspflichtige Leistung berücksichtigt hat. Das Landgericht ist
der Berechnung des Sachverständigen in seinem Urteil gefolgt und hat einen
Restvergütungsanspruch der Beklagten in Höhe von 19.663,77 € ermittelt.
Dagegen hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung keine konkreten
Einwendungen erhoben.
59
3.2. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B kann die Klägerin von der Beklagten die
60
durch die Ausführung der Arbeiten durch die Firma P. entstanden Mehrkosten
ersetzt verlangen. Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen
Schadenersatzanspruch, der im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung fällig
wird (vgl. Bruns, a.a.O., S. 242). Er kann im Wege des Vorschusses geltend
gemacht werden (vgl. Ingenstau/KorbionVygen, VOB
,
1989, 849, zitiert nach juris, dort Rn. 15). Nach Durchführung der Ersatzvornahme
ist eine Abrechnung über die entstandenen Mehrkosten vorzunehmen und dem
ursprünglichen Auftragnehmer eine prüfbare Aufstellung der Kosten, die durch den
Drittunternehmer angefallen sind und den Kosten, die bei vertragsgerechter
Erfüllung angefallen wären, zu übergeben (§ 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B). Sinn und
Zweck eines Anspruchs auf Zahlung eines Kostenvorschusses besteht darin, den
Auftraggeber davor zu bewahren, die Mehraufwendungen für die Weiterführung
des Bauvorhabens nicht vorstrecken zu müssen. Dabei müssen lediglich die
voraussichtlich erforderlichen Mehrkosten dargelegt werden; die Anforderungen an
die Darlegung der Höhe sind geringer als bei der Geltendmachung eines
Schadenersatzanspruchs, da über den Vorschuss nach der Durchführung der
Bauleistung abzurechnen ist. Zwar gibt der Wortlaut der Regelung des § 8 Nr. 3
Abs. 2 VOB/B für die Mehrkosten nach Auftragsentziehung nichts für einen solchen
Vorschussanspruch her. Es ist jedoch anerkannt, dass Interessenlage nach der
Entziehung des Auftrags die gleiche ist wie bei sonstigen Ansprüchen auf
Ersatzvornahme. Dem Auftraggeber ist es nicht zuzumuten, die Kosten der
Ersatzvornahme zunächst vorzustrecken und dann erst ihre Erstattung verlangen
zu können; daher steht auch in einem solchen Fall dem Auftraggeber der aus § 13
Nr. 5 Abs. 2 VOB/B entwickelte Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses zu
(vgl. BGH Urteil vom 20.04.1989, Aktenzeichen VII ZR 80/88, zitiert nach juris, dort
Rn. 15, 16 = NJW-RR 1989, 849). Ein Vorschuss scheidet zwar aus, wenn das
Objekt durch den Dritten fertig gestellt und von ihm abgerechnet worden ist, denn
der Auftraggeber kann dann die Kosten endgültig abrechnen (vgl. Werner/Pastor,
a.a.O., Rn. 1589). Im Zeitpunkt der Klageerhebung waren indes die Arbeiten durch
den Drittunternehmer noch nicht beendet und die Höhe der Mehrkosten lediglich
vorläufig zu ermitteln. Dass im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens das
Bauvorhaben fertig gestellt wurde und der Drittunternehmer über seine Leistungen
eine Schlussabrechnung erteilt haben dürfte, steht dem geltend gemachten
Vorschussanspruch nicht entgegen. Eine
Nr. 3 ZPO auch noch in der Berufungsinstanz zulässig (vgl. BGH BauR 2006, 717),
ist aber nicht zwingend.
Sowohl bei dem gekündigten Vertragsverhältnis als auch bei dem Bauvertrag mit
dem Drittunternehmer handelt es sich jeweils um einen Pauschalpreisvertrag. In
diesem Fall ergeben sich die Mehrkosten aus der Differenz zwischen den
tatsächlichen (Rest-)Fertigstellungskosten der Vertragsleistung durch den
Drittunternehmer und der hypothetischen (Rest-)Fertigstellung durch den
gekündigten Auftragnehmer (vgl. Feser, BauR 2007, 1043, 1051).
Gegenüberzustellen sind mithin die Kosten der Ersatzvornahme (=tatsächliche
Restfertigstellungskosten) und die hypothetische Vergütung, die dem gekündigten
Auftragnehmer zugestanden hätte, wenn er den Vertrag selbst ordnungsgemäß
erfüllt hätte (vgl. wie vor, S. 1044). Mit dem sich hieraus ergebenden
Ersatzanspruch kann der Auftraggeber gegenüber dem Vergütungsanspruch des
ursprünglichen Unternehmers für die von ihm erbrachten Leistungen die
Aufrechnung erklären. Die Restfertigstellungskosten hat das Landgericht auf der
Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen S. mit 851.594,89 €
61
angesetzt. Dabei hat es, soweit sich Abweichungen zwischen den Verträgen der
Parteien und dem Vertrag mit der Firma P. hinsichtlich der zu erbringenden
Leistung ergeben, eine Vergleichbarkeit der Vertragsleistungen durch
Berücksichtigung von Minderkosten oder Mehrleistungen hergestellt. In welcher
Weise diese Vergleichsgrundlage erstellt werden kann, hat der Sachverständige
bei seiner mündlichen Befragung im Termin vom 21.01.2008 vor der Kammer
erläutert (Bl. 909 ff. GA). Konkrete Einwendungen gegen die Berechnung des
Landgerichts werden im Berufungsverfahren nicht erhoben.
Infolge der von der Klägerin erklärten Aufrechnung ihres
Mehrkostenerstattungsanspruchs gegen den Restwerklohnanspruch der Beklagten
ergibt sich der vom Landgericht der Klägerin zugesprochenen Erstattungsanspruch
in Höhe von 831.931,12 €.
62
Die Berufung war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
63
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711
ZPO.
64
Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.940.266,69 €.
65
Eine Zulassung des Rechtsstreits zur Revision kommt nicht in Betracht, da die hierfür
gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben
sind.
66
S.-L. F. M.
67