Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.11.2004

OLG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, neubewertung, ausschreibung, androhung, vollziehung, ausschluss, missverhältnis, vollstreckungsverfahren, wiederholung, anfang

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 75/04
08.11.2004
Oberlandesgericht Düsseldorf
Vergabesenat
Beschluss
VII-Verg 75/04
Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der An-
tragsgegnerin wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung angeordnet
angeordnet, soweit sich die Beschwerde gegen die Androhung ei-nes
Zwangsgeldes in Ziff. 3 des Beschlusses der Vergabekammer Münster
vom 23.09.2004 (AZ. VK 18/04 und 26/04) wendet.
Im übrigen wird der Antrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
G r ü n d e
Mit ihrem zur Entscheidung stehenden Eilantrag wendet sich die Antragsgegnerin gegen
den Beschluss der Vergabekammer Münster vom 23.09.2004. Durch ihn ist nach
Verbindung des Vollstreckungsverfahrens (Az.: VK 18/04) und des von der Antragstellerin
gegen die Aufhebung der Ausschreibung eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens (Az: VK
26/04) festgestellt worden, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 19.08.2004
über die Aufhebung der Ausschreibung hinsichtlich Los 1 rechtswidrig war (Ziff. 2 des
Beschlusses). Ferner ist der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld angedroht worden, um sie
zur Befolgung der Beschlüsse der Vergabekammer vom 09.03.2004, Az.: VK 2/04, und des
Senates vom 09.06.2004, Az.: VII Verg 11/04, anzuhalten (Ziff. 3 des Beschlusses).
Der Antrag der Antragsgegnerin, die aufschiebende Wirkung ihrer mit Schriftsatz vom 11.
September 2004 eingelegten Beschwerde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung
hierüber anzuordnen, ist zulässig und begründet, soweit sich die Beschwerde gegen die
Zwangsgeldandrohung richtet (vgl. unter I.). Der Antrag ist hingegen als unzulässig zu
verwerfen, soweit sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde gegen die Entscheidung
der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in Ziff. 2 des
angefochtenen Beschlusses wendet (vgl. unter II.).
I.
Soweit sich die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Androhung eines
Zwangsgeldes durch die Vergabekammer richtet, ist ihr Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde in analoger Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO
zulässig und hat auch der Sache nach Erfolg.
1.
Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 25. Juli 2002, Az.: Verg 33/02, die
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Statthaftigkeit eines Eilantrages in analoger Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO bejaht.
Hieran ist festzuhalten.
Nach § 114 Abs. 3 Satz 2 GWB richtet sich die Vollstreckung der Entscheidung der
Vergabekammer nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der
Länder. Im Streitfall ist - weil Gegenstand der Vollstreckung im Sinne von § 114 Abs. 3 Satz
2 GWB die Entscheidung einer nordrhein-westfälischen Vergabekammer ist -
dementsprechend das Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
(VwVG NW) anzuwenden. § 8 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur
Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO NW) bestimmt, dass
Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden des Landes
Nordrhein-Westfalen in der Verwaltungsvollstreckung richten, keine aufschiebende
Wirkung haben. Die Vorschrift ordnet in Satz 2 zugleich die analoge Geltung des § 80 Abs.
5 VwGO an. Das bedeutet, dass gegen derartige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen um
vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht werden kann mit dem Antrag, die aufschiebende
Wirkung einer Beschwerde gegen die Vollstreckungsmaßnahme anzuordnen.
Dies gilt auch hier. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde (auch) gegen
die Androhung des Zwangsgeldes mit der Begründung, sie habe gegen den rechtskräftigen
Beschluss der Vergabekammer vom 09.03.2004 nicht verstoßen. Mit ihrem Eilantrag hat sie
ausdrücklich analog § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer
Beschwerde beantragt.
2.
Auch der Sache nach hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung Erfolg.
Der Antrag ist begründet, denn das Interesse an der Vollziehung der rechtskräftigen
Entscheidung der Vergabekammer überwiegt nicht das Interesse der Antragsgegnerin, die
Vollziehung bis zur Entscheidung über ihre Beschwerde auszusetzen. Entscheidend
hierfür sind die Erfolgsaussichten des von der Antragsgegnerin gegen die
Zwangsgeldandrohung eingelegten Rechtsmittels. Die hier gebotene summarische
Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde der
Antragsgegnerin voraussichtlich Erfolg haben wird. Die Androhung des Zwangsgeldes war
nach vorläufiger Bewertung unzulässig, weil die Vollziehbarkeit der angeordneten
Verpflichtung zur Neubewertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der
Vergabekammer nachträglich durch die Wertung vom 19.08.2004 entfallen ist.
Mit Beschluss vom 09.03.2004 (Az.: VK 2/04) hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin
aufgegeben, die Angebote der Bieter mit Ausnahme des Angebotes der Firma T. A. W.
GmbH erneut unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung zu werten. Die gegen den
Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wies der Senat mit
Beschluss vom 09.06.2004 (Az.: VII Verg 11/04) zurück. Die Antragsgegnerin hat gegen
dieses bestandskräftige Gebot nicht verstoßen, sondern es spricht vielmehr im Gegenteil
viel dafür, dass sie ihrer Verpflichtung durch die Neubewertung der Angebote vom
19.08.2004 vollumfänglich nachgekommen ist.
a.
Entgegen den Ausführungen der Vergabekammer handelte die Antragsgegnerin ihrer
Verpflichtung aus dem Beschluss der Vergabekammer vom 09.03.2004 in der Fassung des
Senatsbeschlusses vom 09.06.2004 nicht zuwider, als sie mit der Fa. T. A. W. GmbH am
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04.06.2004 für den Zeitraum vom 01.07. - 31.12.2004 einen Vertrag über die Entsorgung
von Bio- und Restmüll in ihrem Stadtgebiet geschlossen hat. Hierdurch hat sie die
Vorgaben der Vergabekammer nicht unterlaufen. Die Antragsgegnerin hat diesen Vertrag
außerhalb des hier in Rede stehenden Vergabeverfahrens im Verhandlungsverfahren für
eine Übergangszeit von sechs Monaten geschlossen, um die Entsorgungssicherheit in
ihrem Stadtgebiet über den 30.06.2004 hinaus zu gewährleisten. Hierzu Bestand Anlass,
weil im Hinblick auf das eingeleitete Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht
zuverlässig beurteilt werden konnte, ob rechtzeitig zum vorgesehenen Zeitpunkt
(01.07.2004) der ausgeschriebene Auftrag vergeben werden konnte. Unter diesen
Umständen steht der Annahme einer Umgehung der titulierten Verpflichtung zunächst
entgegen, dass der zeitlich auf sechs Monate befristete Vertrag zu einem Zeitpunkt
geschlossen worden ist, als die Entscheidung der Vergabekammer noch gar nicht in
Bestandskraft erwachsen war, also noch gar nicht fest stand, ob der Beschluss der
Vergabekammer Bestand haben würde. Zudem stand der Abschluss des Interimsvertrages
einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens durch die angeordnete Neubewertung der
Angebote nicht entgegen. Er hat lediglich Einfluss auf den Beginn der ursprünglich
vorgesehenen Vertragslaufzeit.
b.
Die Antragsgegnerin hat auch nicht, wovon die Vergabekammer in der angefochtenen
Entscheidung ausgegangen ist, die angeordnete Wiederholung der Angebotswertung
bisher nicht durchgeführt.
Die Antragsgegnerin hat ausweislich ihres Vergabevermerks vom 19.08.2004 eine erneute
Wertung der Angebote unter Ausschluss des Angebotes der Fa. T. vorgenommen. Hierbei
ist sie möglicherweise vergaberechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass bezüglich
Los 1 die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 c) VOL/A aufzuheben ist, weil sie zu keinem
wirtschaftlichen Ergebnis geführt hat. Ob dieses Wertungsergebnis vergaberechtsfehlerfrei
zustande gekommen ist, insbesondere, ob die Preise der in der Wertung verbliebenen
Angebote tatsächlich in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, ist allerdings
nicht im Vollstreckungsverfahren, sondern im Rahmen des von der Antragstellerin
eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens zu klären. Die Antragsgegnerin hat durch die von
der Antragstellerin beanstandete Wertung des Kriteriums Preis jedenfalls nicht gegen die
Vorgaben der angeordneten Neubewertung verstoßen. Hintergrund der angeordneten
Neubewertung war, abgesehen von dem Ausschluss des Angebotes der Fa. T., die
fehlerhafte Wertung des Zuschlagskriteriums "Qualität". Die Frage, ob die Preise der (in der
Wertung verbliebenen) Angebote in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, war
nicht Gegenstand des vorangegangenen ersten Nachprüfungsverfahrens, so dass die
Antragsgegnerin bezogen auf das Zuschlagskriterium Preis durch die Neubewertung der
Angebote am 19.08.2004 nicht gegen die Vorgaben der Vergabekammer verstoßen konnte.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Neubewertung der in der Wertung
verbliebenen Angebote rechtsmissbräuchlich nur zum Schein und von Anfang an mit dem
Ziel erfolgt ist, die Ausschreibung aufzuheben, um einen ansonsten chancenlosen Bieter
zum Zuge kommen zu lassen. Hierfür fehlen aber ausreichende Anhaltspunkte.
II.
Soweit sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausdrücklich auch auf
die Entscheidung der Vergabekammer erstreckt, die sich über das Nachprüfungsverfahren,
Az.: VK 26/04, verhält, ist der Antrag nicht statthaft. Der in analoger Anwendung gemäß §
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80 Abs. 5 VwGO statthafte Eilantrag ist auf das Vollstreckungsverfahren beschränkt. Im
Nachprüfungsverfahren hat die sofortige Beschwerde gemäß § 118 Abs. 3 GWB keine
aufschiebende Wirkung, so dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in
Betracht kommt (vgl. OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 62 = NZBau 2001, 582; Byok, NJW
2003, 2642, 2643).
a. Dr. M. D.-B.