Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.06.2005
OLG Düsseldorf: vorverfahren, verzinsung, rechtshängigkeit, leistungsklage, vwvg, vollstreckbarkeit, erlass, zugang, vorsteuerabzug, gesetzeslücke
Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 99/04
Datum:
02.06.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 99/04
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der
Kostenfestsetzungs-beschluss der Vergabekammer bei der
Bezirksregierung Düsseldorf vom 10. November 2003, VK-33/2003,
aufgehoben.
Die der Beigeladenen zu erstattenden Aufwendungen im
Nachprüfungsverfah-ren der Vergabekammer werden auf 2.427,50 EUR
festgesetzt.
Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der
Verga-bekammer vom 10. November 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene hat die Kosten der Beschwerdeverfahren und die
außerge-richtlichen Kosten der Antragstellerin sowie ihre eigenen
außergerichtlichen Kosten zu tragen.
Der Wert der Beschwerdeverfahren der Beigeladenen und der
Antragstellerin werden auf bis zu 900 EUR festgesetzt.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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I.
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Die Beigeladene, die im Nachprüfungsverfahren gemeinsam mit der Antragsgegnerin
obsiegt hat, wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung
der Vergabekammer mit Beschluss vom 10. November 2004, mit dem die
Vergabekammer die ihr, der Beigeladenen, von der Antragstellerin aufgrund der
Kostengrundentscheidung im Beschluss vom 21. November 2003 zu erstattenden
notwendigen Aufwendungen nach ihrem Antrag vom 16. Dezember 2003 auf einen
Betrag in Höhe von 2.814,70 EUR inkl. Umsatzsteuer festgesetzt hat. Den nach §§ 291,
288 Abs. 2 BGB analog gestellten Antrag der Beigeladenen auf Verzinsung des
festzusetzenden Betrages mit 8 % über dem Basiszinssatz seit Zugang des Gesuchs bei
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der Vergabekammer hat diese mit der Begründung zurückgewiesen, eine
entsprechende Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 2 BGB komme nicht in Betracht. § 104
Abs. 2 ZPO sei mangels in § 80 VwVfG enthaltener Regelungslücke ebenfalls nicht
entsprechend anzuwenden.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde begehrt die Beigeladene,
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den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den durch die Vergabekammer
zugesprochenen Betrag analog §§ 291, 288 Abs. 2 BGB mit 8% über dem
Basiszinssatz seit Zugang des Kostenfestsetzungsantrags bei der Vergabekammer
zu verzinsen.
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Mit ihrer sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin,
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den Kostenfestsetzungsbeschluss der Vergabekammer dahingehend abzuändern,
dass der Beigeladenen nur 2.427,50 EUR zu erstatten sind.
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Zur Begründung beruft sich die Antragstellerin auf die Vorsteuerabzugsberechtigung der
Beigeladenen.
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Die Beigeladene und die Antragstellerin treten jeweils dem gegnerischen Rechtsmittel
entgegen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
verwiesen.
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II.
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1. Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss der Vergabekammer ist zulässig (§§ 116 Abs. 1, 117
GWB). Sie ist jedoch unbegründet.
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Nach der in Bestandskraft erwachsenen Kostengrundentscheidung des Beschlusses
der Vergabekammer vom 21. November 2003 hat die Antragstellerin als Unterlegene
die Kosten der in der Sache obsiegenden Antragsgegnerin und der Beigeladenen
gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB zu tragen.
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Der auf die Beschwerde der Antragstellerin neu festzusetzende Erstattungsbetrag ist
nicht ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Kostenfestsetzungsantrags der
Beigeladenen zu verzinsen. Mit Recht hat die Vergabekammer von einer analogen
Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO (hierzu unter a), der eine derartige
Verzinsungspflicht vorsieht, und von einer entsprechenden Anwendung des § 291 BGB
abgesehen (hierzu unter b).
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a) Eine entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO kommt auf das
Nachprüfungsverfahren in Vergabesachen nicht in Betracht. § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB
verweist auf § 80 VwVfG des Bundes und die gleichlautenden landesrechtlichen
Vorschriften. Danach hat gemäß § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3, 1.
Halbsatz VwVfG NRW die Behörde, die die Kostengrundentscheidung getroffen hat, auf
Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen festzusetzen. Für die
Kostenfestsetzung ist im Vergabenachprüfungsverfahren damit die Vergabekammer
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zuständig (vgl. Senat, Beschl. v. 20.10.2004, VII-Verg 65/04). Diese Vorschrift entspricht
§ 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO, welcher bestimmt, dass über den Festsetzungsantrag das
Gericht des ersten Rechtszugs entscheidet. Eine dem § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO
entsprechende Vorschrift enthält § 80 Abs. 3 VwVfG nicht. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO
besagt für das Kostenfestsetzungsverfahren nach der Zivilprozessordnung, dass auf
Antrag eine Verzinsung der festgesetzten Kosten auszusprechen ist. Diese Vorschrift (§
104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) kann im isolierten verwaltungsrechtlichen Vorverfahren nicht
entsprechend angewandt werden, weil § 80 VwVfG nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Mai 1981, 6 C 121/80, NJW 1982,
300, 301) eine abschließende Regelung darstellt. § 80 VwVfG regelt für das
verwaltungsgerichtliche Vorverfahren selbständig, in welchem Umfange aufgrund einer
Kostengrundentscheidung im Vorverfahren nach §§ 72, 73 VwGO die den Beteiligten
entstandenen Kosten zu erstatten sind. Die Vorschrift wurde eingeführt, nachdem eine
analoge Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 154 ff
VwGO) vom Gemeinsamen Senat des Bundesverwaltungsgericht für das Vorverfahren
nach den §§ 72, 73 VwGO abgelehnt worden war (BVerwGE 22, 281; 40, 313) und
diese Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden war (BVerfGE
27,175). Vor dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte ist davon auszugehen,
dass es sich bei § 80 VwVfG und den gleichlautenden Vorschriften der
Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder um abschließende Regelungen handelt und
eine planwidrige gesetzliche Regelungslücke nicht vorliegt, soweit darin ein Ausspruch
auf Verzinsung des festgesetzten Betrages nicht zuerkannt wird. Dieser Auffassung hat
sich der Bundesgerichtshof (vgl. Beschl. v. 9.12.2003, X ZB 14/03; NZBau 2004, 285 -
für den Fall der Erledigung) für das Nachprüfungsverfahren in Vergabesachen
ausdrücklich angeschlossen, weil es sich bei diesem trotz seiner gerichtsähnlichen
Ausgestaltung um ein Verwaltungsverfahren handelt.
Daraus folgt, dass auch der Landesgesetzgeber Prozesszinsen in entsprechender
Anwendung der Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO im verwaltungsgerichtlichen
Vorverfahren - neben einer Erstattung der notwendigen Auslagen - nicht zuerkennen
wollte. Da § 128 Abs.4 Satz 3 GWB für das Nachprüfungsverfahren vor der
Vergabekammer auf § 80 VwVfG und die entsprechenden Vorschriften verweist, kommt
auch im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren in Vergabesachen eine
entsprechende Anwendung nicht in Frage.
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Gegen eine entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO spricht im
Übrigen auch die Tatsache, dass für die Vollstreckung eines
Kostenfestsetzungsbeschlusses der Vergabekammer auf das
Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) NRW zurückzugreifen ist. Da dies vorsieht,
dass nur Geldforderungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts vollstreckt
werden können (§ 1 VwVG), kann aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss der
Vergabekammer durch privatrechtlich strukturierte Gläubiger nicht unmittelbar vollstreckt
werden, während die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Gerichts Vollstreckungstitel
sind (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO; vgl. Senat, Beschl. v. 5.2.2001,
Verg 26/00 - Vergabe C-10-26/00). Im Nachprüfungsverfahren kann eine
Vollstreckbarkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Vergabekammer nicht über
eine analoge Anwendung der §§ 103 ff ZPO erreicht werden (vgl. Noelle in
Byok/Jaeger, Komm. z. Vergaberecht, 2. Aufl., § 128 GWB Rdnr. 1440; Hardraht, NZBau
2004, 189, 193), weshalb ohnehin der Kostengläubiger auf die Erhebung der
Leistungsklage oder die Einreichung eines Mahnbescheides angewiesen ist, falls der
Kostenschuldner nicht freiwillig zahlt. Spätestens mit Zustellung der Klage bzw. des
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Mahnbescheids an den Kostenschuldner (§ 261 ZPO) kann der Kostengläubiger
Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 ZPO für die von der Vergabekammer festgesetzten
Aufwendungen verlangen. Dementsprechend hat der Senat durch Beschluss vom 29.
Oktober 2003 (Verg 30/03, Umdruck S. 6) selbst schon entschieden, dass für die
Kostenfestsetzung durch die Vergabekammer eine Verzinsung in analoger Anwendung
von § 107 Abs. 1 Satz 2 ZPO auszuscheiden hat (ebenso: BayObLG, Beschl. v.
29.3.2001, Verg 2/01; BayObLGZ 2001, 77, 80). Hieran ist festzuhalten.
b) Eine entsprechende Anwendung des § 291 Satz 1 BGB kommt in dem auf das
Vergabenachprüfungsverfahren folgenden Kostenfestsetzungsverfahren nach § 80
VwVfG NRW ebenso wenig in Betracht. § 291 Satz 1 BGB besagt, dass der Schuldner
eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen hat. Wird die
Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Wie das
Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. Juni 1995 (11 C 22/94, NJW 1995, 3135)
festgestellt hat, setzt eine entsprechende Anwendung des § 291 BGB voraus, dass der
verwaltungsgerichtliche Prozess mit dem Zuspruch einer eindeutig bestimmten
Geldforderung endet, sei es durch Verurteilung zur Zahlung derselben, sei es durch
Verpflichtung zum Erlass eines entsprechenden Leistungsbescheides. Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Das Kostenfestsetzungsverfahren vor der Vergabekammer ist einem Klageverfahren
nicht gleichzusetzen. Der in diesem Verfahren ergehende Kostenfestsetzungsbeschluss
ist nicht vollstreckbar. Genauso wenig führt die Anbringung des
Kostenerstattungsantrags zur Rechtshängigkeit eines Erstattungsanspruchs im Sinne
von § 291 Satz 1 BGB. Der Kostenerstattungsantrag steht einer Leistungsklage nicht
gleich. Anderenfalls wäre die Einführung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Art. X § 3
Nr. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 1957 (BGBl. 1957, S. 861) nicht erklärlich. Auch
insoweit ist darauf zu verweisen, dass die in § 80 VwVfG getroffenen und als
abschließend zu verstehenden Regelungen eine Verzinsung des
Kostenerstattungsanspruchs folgerichtig nicht vorsehen.
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Prozessökonomische Gründe und die mangelnde Vollstreckbarkeit des
Kostenfestsetzungsbescheides der Vergabekammer erfordern keine entsprechende
Anwendung des § 104 Satz 1 ZPO oder des § 291 BGB. Um drohende Zinsnachteile
abzuwenden, kann die Beigeladene einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides
gegen den Kostenschuldner stellen. Etwaige Verzögerungen bei der Festsetzung hat
sie aufgrund der Gesetzeslage hinzunehmen; sie rechtfertigen eine analoge
Anwendung der Vorschrift mangels Gesetzeslücke nicht.
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2. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
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Da die Beigeladene - unwidersprochen - zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, hat sie
keinen Aufwendungsersatzanspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer in Höhe von
387,20 EUR gegen die Antragstellerin, da ihr Aufwendungen insoweit nicht entstanden
sind. Der Umstand, dass die Antragstellerin sich erstmals im Beschwerdeverfahren
gegen einen Ansatz von Umsatzsteuer beim Kostenerstattungsanspruch der
Beigeladenen ausgesprochen hat, ist schlechterdings ungeeignet, zugunsten der
Beigeladenen einen ungerechtfertigten Erstattungsanspruch entstehen zu lassen.
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3. Die Kosten beider Beschwerdeverfahren hat die Beigeladene als Unterlegene zu
tragen (§§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO analog).
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