Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.10.2003

OLG Düsseldorf (zpo, einrede, stein, begründung, verteidigung, kommentar, verjährung, auflage, eintritt, falle)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 115/03
Datum:
20.10.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 115/03
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 17 O 244/02
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. März 2003 verkündete
Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Beklagte.
G r ü n d e :
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Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Zur Begründung verweist der
Senat auf seinen Hinweisbeschluss vom 18. August 2003. (wird ausgeführt)
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1. und 2. .....(wird ausgeführt)
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3. Die ferner erstmals in der Berufungsbegründung erhobene Einrede der beschränkten
Erbenhaftung ist ebenfalls gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.
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a) Der als Erbe des Schuldners Verurteilte kann sich auf die Haftungsbeschränkung nur
berufen, wenn sie im Urteil vorbehalten ist, § 780 ZPO. Dieser Vorbehalt kann in das
Urteil aber nur aufgenommen werden, wenn der Schuldner ihn auch geltend gemacht
hat (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Aufl., Rdnr. 7 vor § 1967). Auch die hierauf
bezogene Einrede stellt ein Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO dar.
Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne der genannten Vorschrift wie u.a. der §§ 282,
296 ZPO sind jegliche zur Begründung des Klageantrags oder zur Verteidigung gegen
diesen vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen, Einwendungen,
Einreden und Beweisanträge, ferner das Bestreiten sowie die Geltendmachung der vor-
oder innerprozessualen Aufrechnung, nicht dagegen Angriff und Verteidigung selbst,
also Sachanträge wie Klage- und Widerklageantrag sowie deren Änderung,
Erweiterung oder Konkretisierung (vgl. Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 530 Rdnr. 11;
Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 531 Rdnr. 22 i.V. m. § 282 Rdnr. 2, 2 a m.w.N.).
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Die Einrede der beschränkten Erbenhaftung stellt danach ein Verteidigungsmittel in
dem oben genannten Sinne dar, weil sie für den Erben den Anspruch des Gläubigers in
der Weise beschränken soll, dass er nur insoweit durchgesetzt werden kann, als der
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Umfang des Nachlasses dies gestattet. Die Einrede ist demgemäss ihrem Charakter
nach kein Sachantrag, sondern ein Mittel, mit dem die Durchsetzbarkeit des
Klageanspruchs beschränkt oder - im Falle eines nicht werthaltigen Nachlasses - gar
vollends blockiert werden soll.
b) Diese Einordnung stellt auch die Beklagte letztlich nicht in Frage, meint aber, die
Einrede könne ohne Weiteres in der Berufungsinstanz nachgeholt werden. Die von der
Beklagten mitgeteilten Zitate in Kommentaren zur ZPO (Zöller/Stöber, § 780 Rdnr. 10;
Stein/Jonas/Münzberg, § 180 Rdnr. 5; Münchener Kommentar/Schmidt, § 780 Rdnr. 19)
scheinen diese Auffassung zu bestätigen; denn hiernach kann der Erbe die in erster
Instanz nicht geltend gemachte Haftungsbeschränkung in der Berufungsinstanz
nachholen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dies nach der
Novellierung der Zivilprozessordnung zum 01. Januar 2002 nur unter den
Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO möglich ist (so ausdrücklich
Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 780 Rdnr. 5: In der Berufungsinstanz kann die
Einrede vorbehaltlich § 531 nachgeholt werden). Die Kommentierung im Münchener
Kommentar hat die Neufassung der ZPO noch nicht berücksichtigen können, weil sie
aus dem Jahre 2000 stammt (2. Aufl.; eine 3. Auflage gibt es noch nicht). Die
Kommentierung von Zöller in der 23. Auflage datiert zwar von 2002, das genannte Zitat
findet sich aber zu § 780, und zwar wortgleich an derselben Zitatstelle wie in der (22.)
Vorauflage, nicht jedoch zu § 531. Daher spricht viel dafür, dass die Kommentierung zu
§ 780 der neuen Gesetzeslage noch nicht angepasst worden ist. In den
Neukommentierungen von Baumbach/Lauterbach (ZPO, 61. Aufl.), Musielak aaO. und
Thomas/Putzo (ZPO, 25. Aufl.) ist die Problematik nicht angesprochen.
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In jedem Falle folgt der Senat der differenzierenden Auffassung (vgl. Stein/Jonas a.a.O.);
denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Einrede der beschränkten Erbenhaftung
anders als andere Einreden behandelt werden sollte. Zwar mögen die
zugrundeliegenden Tatsachen häufig keiner Beweisaufnahme bedürfen, so dass auch
keine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits eintritt, aber anders als etwa in §
528 Abs. 1 u. 2 ZPO a.F. kommt es für die Frage der Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO
n.F. nicht mehr auf eine Verzögerung an (vgl. Musielak aaO § 531 Rdnr. 3).
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c)
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Die Erhebung der Einrede beschränkter Erbenhaftung ist auch im ersten Rechtszug
nicht infolge eines Verfahrensmangels unterblieben (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn das
Landgericht hat die Beklagte nicht unter Verstoß gegen § 139 Abs. 2 ZPO
uneingeschränkt verurteilt, weil diese erkennbar die Einrede übersehen hatte. Zwar hat
die Beklagte erklärtermaßen den Rechtsstreit von Anfang an mit dem Ziel geführt, für die
Nachlassverbindlichkeiten nicht eintreten zu müssen, weil der Nachlass überschuldet
sei. Ob das Landgericht deshalb befugt gewesen wäre, die Beklagte auf die Einrede
beschränkter Erbenhaftung hinzuweisen, mag dahinstehen (vgl. zu dem ähnlich
gelagerten Fall der Verjährungseinrede bei unstreitigen, die Verjährung begründenden
Tatsachen BGH NJW 1998, 612). Denn das Landgericht traf jedenfalls keine
entsprechende Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO (so zutreffend Musielak aaO. §
139 Rdnr. 9). Abgesehen davon, dass die Erhebung einer Einrede im Gegensatz zur
von Amts wegen zu beachtenden Einwendung typisch für die Dispositionsmaxime der
Parteien ist, würde sich das Gericht einseitig zum Gehilfen eines Beklagten machen und
den Kläger benachteiligen, wenn es auf ein bisher nicht in den Prozess eingeführtes
Verteidigungsmittel hinwiese. Demgemäß ist der Hinweis auf ein
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Zurückbehaltungsrecht ebenso unzulässig, mithin erst recht nicht geboten (vgl. BGH
NJW 1969, 691), wie auf die Möglichkeit einer Widerklage bei die Klageforderung
übersteigender Aufrechnungsforderung (vgl. Piekenbrock NJW 1999, 1362) oder auf
eine mögliche Klageerweiterung. Gleichermaßen ist nach h.M. nicht auf den Eintritt der
Verjährung hinzuweisen (vgl. Zöller/Greger aaO. § 139 Rdnr. 17; Musielak aaO. m.w.N.).
4. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 ZPO
nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Streitwert für die Berufungsinstanz: 19.374,89 EUR.
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a. E B VRaOLG RaOLG R'inaLG
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