Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.01.2008

OLG Düsseldorf: steuerberater, absolutes recht, geldwerter vorteil, stille reserven, gefahr, geschäftsführer, beratung, beendigung, wahrscheinlichkeit, auflösung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-23 U 64/07
Datum:
29.01.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-23 U 64/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 4. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 17.4.2007 teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Unter Zurückweisung eines Teils des Zinsantrags der Klägerin wird die
Beklagte verurteilt, an die Klägerin 16.048,95 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2006 zu
zahlen.
Der Feststellungsantrag der Klägerin wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des 1. Rechtszuges fallen zu 43 % der Beklagten und zu 57
% der Klägerin zur Last.
Die Kosten des 2. Rechtszuges fallen zu 45 % der Beklagten und zu 55
% der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
A.
2
Die Klägerin verlangt von der beklagten Steuerberatergesellschaft aus eigenem und
abgetretenem Recht der Eheleute K und U D Schadensersatz wegen Verletzung von
Hinweispflichten aus den in der Zeit von 1996 bis Mitte 2006 bestehenden
Steuerberaterverträgen zwischen den Parteien und der Beklagten mit den Eheleuten D.
Sie wirft der Beklagten vor,
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1. es vor 1999 unterlassen zu haben darauf hinzuweisen, dass seit 1996 die
pauschale Steuer von 1 % des inländischen Listenpreises für jeden
Kalendermonat für die private Nutzung aller ihrer Betriebsfahrzeuge durch die
Eheleute D nur zu vermeiden war, wenn die rein betriebliche Nutzung oder eine
geringere private Nutzung durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
nachgewiesen wird,
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2. es nach der Entscheidung des BFH vom 23.5.2000 VIII R 11/99 (BStBl II 2000,
621) und der nachfolgenden BMF-Schreiben vom 18.9.2001 (BStBl I 2001, 634),
20.12.2001 (BStBl I 2002, 88) und 11.6.2002 (BStBl I 2002, 647) unterlassen zu
haben darauf hinzuweisen, dass durch die Anmietung der von der Klägerin
benutzten Bürogebäude von ihrer Alleingesellschafterin und Eigentümerin der
Bürogebäude Frau U D bei dieser auch die sachlichen Voraussetzungen einer
Betriebsaufspaltung erfüllt seien und die Möglichkeit bestehe, die Beurteilung
einer Betriebsaufspaltung dadurch zu vermeiden, dass diese innerhalb einer
Übergangszeit bis zum 31.12.2002 steuerneutral aufgelöst wird.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts
im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben und
zur Begründung ausgeführt:
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Die Beklagte habe die Eheleute D nicht hinreichend auf die Notwendigkeit der Führung
eines Fahrtenbuchs hingewiesen. Ihre Mandantenrundschreiben enthielten keine
ausreichende Beratung. Es könne zwanglos davon ausgegangen werden, dass die
Klägerin und / oder die Eheleute D bei ordnungsgemäßer Beratung die geringe Mühe
der Führung eines Fahrtenbuchs auf sich genommen hätten, um Steuernachteile zu
vermeiden. Nach der Aussage der Zeugin U D sei bewiesen, dass der Jaguar auch in
den von der Betriebsprüfung 2004 erfassten Veranlagungsjahren 1999 bis 2001
ausschließlich zu betrieblichen Zwecken genutzt worden sei. Wäre das durch Führung
eines Fahrtenbuchs nachgewiesen worden, hätten Steuernachteile von 14.442,40 Euro
bei der Klägerin und von 1.606,55 Euro bei den Eheleuten D vermieden werden
können.
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Der Feststellungsantrag sei zulässig, denn die Beklagte leugne eine Ersatzpflicht
wegen der unterlassenen Beratung zur Betriebsaufspaltung und die Frage der
Verjährung sei in der Rspr. unterschiedlich entschieden worden. Bei ordnungsgemäßer
Belehrung hätte die Betriebsaufspaltung durch eine personelle oder sachliche
Entflechtung innerhalb der nach den BMF-Schreiben gewährten Übergangsfristen
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vermieden werden können.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches
Vorbringen zur Begründung vorgetragen:
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Zum Komplex "betrieblich genutzte Fahrzeuge"
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Der Jaguar sei stets in erheblichem Maße privat genutzt worden. Es sei nicht ihre
Aufgabe gewesen, die Behauptung der Klägerin über eine angeblich ausschließliche
dienstliche Benutzung des Jaguars auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dem
geschäftserfahrenen Geschäftsführer der Klägerin K D sei im übrigen die ab 1.1.1996
geltende Fahrtenbuchregelung bekannt gewesen, da sie "in aller Munde" gewesen sei.
Deshalb habe für sie, die Beklagte, keine Vertragspflicht bestanden, die Eheleute D
über die Notwendigkeit der Führung eines Fahrtenbuchs zu belehren. Im übrigen habe
sie etwaige Belehrungspflichten durch Übersenden ihrer Mandantenrundschreiben
(Anlagen B 1 und B 2) ordnungsgemäß erfüllt. Wenn der Geschäftsführer der Klägerin
solche Rundschreiben grundsätzlich nicht lese, sei dafür nicht der Steuerberater
verantwortlich. Bejahe man trotzdem eine Pflichtverletzung, müsse man die Klage
abweisen, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass diese kausal zu einem
Schaden geführt habe. Beweiserleichterungen kämen ihr nicht zu Gute. Weder die
unsubstanziierten Behauptungen der Klägerin noch die schwammigen Aussagen der
Zeugin D rechtfertigten die Feststellung, dass der Jaguar ausschließlich betrieblich
benutzt wurde. Schließlich seien die Feststellungen des Landgerichts zum Schaden
fehlerhaft. Das Landgericht habe die angefallenen Steuern der Klägerin und den
Eheleuten D falsch zugeordnet und auch fehlerhaft die dem Finanzamt erklärte
Bemessungsgrundlage als Vergleichsmaßstab angesetzt. Außerdem sei übersehen
worden, dass die Eheleute D die Möglichkeit gehabt hätten, einen Teil der geltend
gemachten Steuer, nämlich die Kirchensteuer, im Jahre 2004 als Sonderausgabe
geltend zu machen und
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dadurch Steuern von 139,60 Euro zu sparen. Mit Schriftsatz vom 12.12.2007 hat die
Beklagte unter Vorlage von Fahrtenbuchaufzeichnungen des Geschäftsführers der
Klägerin aus der Zeit von Juli bis Oktober 2004 weitere Zweifel an der Aussage der
Zeugin D aufgezeigt.
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Zum Komplex "Betriebsaufspaltung"
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Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig. Es fehle an einem
Feststellungsinteresse, weil Frau D bis heute die Betriebsaufspaltung nicht beendet
habe. Auch sei ein Schaden nicht denkbar. Der von der Klägerin behauptete Schaden
der Besteuerung der Differenz zwischen Buchwert und Veräußerungswert des
Grundbesitzes K 95 sei allenfalls bei der Grundstückeigentümerin U D denkbar, nicht
aber bei der Klägerin und ihrem Geschäftsführer. Für die steuerlichen Folgen einer
etwaigen Veräußerung der Geschäftsanteile der Frau D an der Klägerin komme schon
deshalb eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht, weil ein etwaiger
Veräußerungsgewinn gemäß
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§ 17 I EStG unabhängig von der Betriebsaufspaltung zu versteuern sei.
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Es fehle auch an einer Pflichtverletzung, da es objektiv keinen Weg gegeben hätte, die
Betriebsaufspaltung bis zum 31.12.2002 steuerneutral zu entflechten. Im übrigen sei den
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Eheleuten D das Problem der Betriebsaufspaltung schon seit 1994 bekannt gewesen,
denn die bestehende Betriebsaufspaltung sei der Grund dafür gewesen, dass Frau D
ihrem Ehemann 1994 ein notarielles Kaufangebot zur Übernahme von 50 % des
Grundbesitzes gemacht habe. Schließlich fehle es auch an der Kausalität zwischen der
behaupteten Pflichtverletzung und dem behaupteten Schaden, da Frau D aus privaten,
insbesondere erbrechtlichen Gründen an einer Entflechtung nicht interessiert sei.
Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die
Entscheidungsgründe des Landgerichts zur Verteidigung vor:
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Zum Komplex "betrieblich genutzte Fahrzeuge":
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Die Zeugin D habe im Rahmen ihrer Vernehmung ausführlich und umfassend
ausgeführt, dass der Jaguar ausschließlich zu betrieblichen Zwecken benutzt worden
sei. Es treffe nicht zu, dass der Jaguar auch privat genutzt worden sei und die
Notwendigkeit eines Fahrtenbuchs der Klägerin und den Eheleuten D bekannt gewesen
sei. Mit dem bloßen Versenden von Mandantenschreiben habe die Beklagte ihre Pflicht
zur individuellen Beratung nicht erfüllt, im übrigen seien die Mandantenschreiben weder
der Klägerin noch den Eheleuten D zugegangen. Den Mandanten treffe auch kein
Mitverschulden, wenn er Mandantenschreiben eines Steuerberaters nicht zur Kenntnis
nehme. Ein Anlass zur Aufklärung über die Notwendigkeit der Führung eines
Fahrtenbuchs habe sich für die Beklagte nicht nur auf Grund der Änderung des § 6 Abs.
1 Nr. 4 EStG, sondern auch bei der monatlich zu erstellenden Lohnabrechnung für die
Eheleute D ergeben. Es sei zu vermuten, dass sich die Mandanten bei
ordnungsgemäßer Belehrung durch die Beklagte beratungsgerecht verhalten und ein
Fahrtenbuch geführt hätten. Tatsächlich sei nach der Betriebprüfung 2004 für den
Jaguar ein Fahrtenbuch geführt worden, das bei der Lohnsteueraußenprüfung
betreffend die Veranlagungszeit 1.1.2003 bis Januar 2006 unbeanstandet geblieben sei.
Auf die Nichtgeltendmachung möglicher Sonderausgaben im Jahre 2004 könne sich die
Beklagte nicht berufen, da die Beklagte die Steuerbescheide 2004 geprüft und nicht den
Rat erteilt habe, wegen des Nichtabzugs der Kirchensteuer Einspruch einzulegen.
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Mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 15.1.2008 hat die Klägerin zu den von der
Beklagten mit Schriftsatz vom 12.12.2007 überreichten Fahrtenbuchaufzeichnungen
ihres Geschäftsführers Stellung genommen und auch die Verspätung des neuen
Vortrags der Klägerin gerügt.
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Zum Komplex "Betriebsaufspaltung":
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Die Feststellungsklage sei zulässig und erfasse Schäden der Klägerin und der Frau D,
die sich aus der Veräußerung des Grundbesitzes und der Geschäftsanteile der Frau D
ergeben könnten. Es sei der Klägerin und der Frau D nicht zuzumuten, ohne Gewissheit
über ihre Rechtspositionen ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen. Es könne
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von ihnen auch nicht verlangt werden, Leistungsklage erst in dem Zeitpunkt zu erheben,
in welchem ihr Verhalten einen bezifferbaren Schaden auslöst. Denn dann seien die
Ansprüche höchstwahrscheinlich verjährt. Die Beklagte habe auch ungefragt auf die
Entscheidungen des BFH und des BMF hinweisen müssen. Weder der Klägerin noch
den Eheleuten D sei die Problematik der Betriebsaufspaltung vor der Betriebsprüfung im
Jahre 2004 bekannt gewesen. Das notarielle Kaufangebot der Frau D an ihren
Ehemann im Jahre 1994 habe familiäre Gründe, die im vorliegenden Verfahren nicht
offengelegt werden müssten. Bei ordnungsgemäßer Belehrung hätte nahegelegen, dass
die Klägerin innerhalb der Übergangsfrist bis 31.12.2002 Räumlichkeiten bei einem
Dritten anmietet und Frau D ihre Büroräumlichkeiten an Dritte weitervermietet. Durch die
heute noch bestehende Betriebsaufspaltung werde es zur Versteuerung der stillen
Reserven kommen, wenn die Anteile der Frau D an der Klägerin oder ihr Grundstück
veräußert werden. Die Wahrscheinlichkeit dieses Schadens sei gegeben, da die
Eheleute D das Unternehmen der Klägerin zum Lebensunterhalt und zur Absicherung
ihrer Altersversorgung aufgebaut haben. Bei Eintritt in den Ruhestand werde das
Unternehmen an eine 3. Person übertragen. Nach den derzeitigen Planungen werde
dies die Tochter der Eheleute D sein. Im Rahmen der dann eintretenden personellen
und sachlichen Entflechtung zwischen Frau D und der Klägerin werde es dann zur
Versteuerung stiller Reserven kommen.
B.
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Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
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I. Zum Komplex "betrieblich genutzte Kfz":
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Insoweit hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin und der
Eheleute D in Höhe von insgesamt 16.048,95 Euro gemäß § 280 BGB bejaht, weil die
Beklagte sie nicht ausreichend darüber belehrt hat, dass die Geltendmachung der
ausschließlichen betrieblichen Nutzung des Betriebsfahrzeugs Jaguar ab 1996 nur
dann durchsetzbar sei, wenn diese Nutzung mittels eines Fahrtenbuchs nachgewiesen
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wird. Allerdings hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen eine offensichtlich
falsche Zuordnung des Steuerschadens vorgenommen. Der größere Teilbetrag von
14.442,40 Euro (= Einkommensteuer) entfällt nicht auf die Klägerin, sondern auf die
Eheleute D. Auf die Klägerin entfällt der kleinere Teilbetrag von 1.606,55 Euro (=
Umsatzsteuer).
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1. Pflichtverletzung der Beklagten:
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Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vorbringen Pflichten aus dem
Steuerberatervertrag mit der Klägerin und den Eheleuten D verletzt.
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a. Im Rahmen seines Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten, von dessen
Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten und
ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu
unterrichten. Insbesondere muss der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor
Schaden bewahren; deshalb muss er den nach den Umständen sichersten Weg zu dem
erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen
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erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen
Verwirklichung unterbreiten. Nach diesen Grundsätzen muss ein Steuerberater seinen
Mandanten grundsätzlich ungefragt auf jede für ihn erkennbare Gefahr einer
Steuerbelastung hinweisen, der durch geeignete Maßnahmen und Empfehlungen
entgegengewirkt werden kann. Das hat der BGH (Urt.v. 18.12.1997, IX ZR 153/96, NJW
1998, 1486-1488) zur erkennbaren Gefahr einer verdeckten Gewinnausschüttung
entschieden. Nichts anderes kann für die Gefahr der Besteuerung eines geldwerten
Vorteils wegen vermuteter Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs ohne Führung eines
Fahrtenbuchs gelten.
b. Hier war für die Beklagte aus ihrer Steuerberatertätigkeit ab 1996 erkennbar, dass die
Klägerin in den (von der Betriebsprüfung 2004 erfassten) Veranlagungsjahren 3
Betriebsfahrzeuge, nämlich einen Jaguar, einen BWM und einen Mini, unterhielt, die
den Eheleuten D zur Nutzung überlassen waren, wobei sie nach ihren
Anstellungsverträgen nicht gehindert waren, diese Fahrzeuge auch privat zu nutzen.
Erkennbar war für die Beklagte auch, dass nach der Einführung der sog.
Fahrtenbuchregelung ab
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1.1.1996 (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG) die Gefahr bestand, dass das Finanzamt im
Rahmen einer Betriebsprüfung eines Tages das Fehlen eines Fahrtenbuchs zum
Anlass nehmen könnte, abweichend von der bisherigen Handhabung anzunehmen,
dass (auch) der Jaguar privat benutzt wurde, und den hieraus sich ergebenden
geldwerten Vorteil nach der sog. 1 %-Regelung zu besteuern. Die Beklagte war
verpflichtet, hierauf die Klägerin bzw. die Eheleute D hinzuweisen und ihnen zu
empfehlen, für jedes Fahrzeug, für das die 1 % -Besteuerung vermieden werden sollte,
ein Fahrtenbuch zu führen. Diese Verpflichtung ergab sich für die Beklagte nicht nur aus
der Bearbeitung der Umsatzsteuer der Klägerin und der Einkommensteuer der Eheleute
D, sondern auch aus der monatlichen Lohnabrechnung für die Eheleute D, denn der
geldwerte Vorteil der Privatnutzung unterliegt auch der Lohnsteuer. Die Beklagte durfte
nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass den Eheleuten D die neue
Fahrtenbuchregelung bekannt war. Erst recht konnte sie nicht erwarten, dass die
Eheleute D die Gefahr erkannt hatten, dass auf Grund der neuen Regelung das
Finanzamt von seiner bisherigen Anerkennung der rein betrieblichen Nutzung
abweichen und allein wegen des Fehlens eines Fahrtenbuchs auch für den Jaguar
einen geldwerten Vorteil für die private Nutzung versteuern könnte. Grundsätzlich hat
der Steuerberater von der Belehrungsbedürftigkeit seines Mandanten auszugehen.
Dass auch die Beklagte hiervon grundsätzlich ausgegangen ist, ergibt sich aus ihrem
eigenen Vorbringen, denn sie will die Klägerin bzw. die Eheleute D durch
Mandantenschreiben in den Jahren 1996 und 1999 auf die Notwendigkeit der Führung
eines Fahrtenbuchs hingewiesen haben.
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Ebenso wie das Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte mit der
angeblichen Versendung der Mandantenschreiben ihre Hinweispflicht nicht
ausreichend erfüllt hat. Die Beklagte schuldete eine konkrete, auf die speziellen
Probleme der Klägerin und der Eheleute D bezogene Belehrung. Allgemeine
Ausführungen in Mandantenschreiben können konkrete Hinweise nicht ersetzen (BGH
Urt.v. 11.5.1995,
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IX ZR 130/90, NJW 1995, 2842, juris Rdn. 46).
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aa. Die Hinweise unter den Nr. 8 und 9 des Mandantenschreibens aus 1995 "Das
Aktuelle" (GA 144 / 146) waren nicht geeignet, der Klägerin bzw. den Eheleuten D klar
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zu machen, dass , wenn kein Fahrtenbuch geführt wird, die Gefahr der Besteuerung der
geldwerten Vorteile einer Privatnutzung auch des Jaguar bestehen werde.
Die in den Überschriften der Hinweise Nr. 8 und 9 erwähnte 1 % - Regelung bei privater
PKW-Nutzung war den Eheleuten D bekannt, denn diese Regelung wurde auf die
beiden anderen Betriebsfahrzeuge, nämlich den BMW und den Mini angewandt. Auch
auf Grund des Inhalts der theoretischen Ausführungen unter Nr. 8 und 9, der sich mit den
steuerlichen Folgen einer privaten PKW-Nutzung befasst, musste sich selbst einem
geschäftserfahrenen Mandanten nicht aufdrängen, dass hiervon auch ein bisher als rein
betrieblich genutztes und als solches vom Finanzamt jahrelang anerkanntes Kfz
betroffen sein könnte, wenn hierfür kein Fahrtenbuch geführt wird. Schließlich ist es
einem Mandanten nicht zumutbar, bei einer Vielzahl angesprochener Steuerprobleme –
hier 15 – zu prüfen, ob sich aus ihnen auch für seinen Fall etwas Konkretes ergibt (Urteil
des OLG Hamm vom 29.4.1989 – 25 U 253/88).
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bb.
45
Das Merkblatt "Private Kfz-Nutzung", Stand Juli 1999 (GA 150 / 152) kann, wenn
überhaupt, frühestens im 2. Halbjahr 1999 der Klägerin bzw. den Eheleuten D übersandt
worden sein. Für das von der Betriebsprüfung 2004 erfasste Veranlagungsjahr 1999 war
diese Belehrung daher ohnehin zu spät erfolgt. Anders als das Merkblatt aus dem Jahre
1995 befasst sich das Merkblatt aus dem Jahre 1999 ausschließlich mit dem Problem
der privaten PKW-Nutzung und gibt auf 6 Seiten einen genauen Überblick nicht nur zu
den steuerrechtlichen Folgen der privaten PKW-Nutzung, sondern auch dazu, wann
eine Privatnutzung mit einem zu versteuernden Geldvorteil anzunehmen ist und wie
diese Besteuerung durch Führung eines Fahrtenbuchs ganz oder teilweise vermieden
werden kann. Das in der Art eines steuerrechtlichen Lehrbuchs abgefasste Merkblatt
ersetzt jedoch ebenfalls nicht die vom Beklagten geschuldete fallbezogene Belehrung.
Ein Steuerberater kann auch von einem geschäftserfahrenen Mandanten nicht erwarten,
dass dieser in der Lage und auch bereit ist, umfangreiche theoretische steuerrechtliche
Ausführungen mit Beispielsfällen auf ihre Erheblichkeit für seine eigene
Steuerveranlagung zu überprüfen und die Erheblichkeit zu erkennen. Er muss davon
ausgehen, dass er ja gerade deshalb von dem Mandanten beauftragt wurde, weil dieser
sich nicht selbst um die Klärung seiner Steuerprobleme kümmern kann oder will. Damit
ist nicht gesagt, dass die Belehrung der Mandanten in einem Mandantenrundschreiben
nie die Anforderungen an eine fallbezogene Belehrung erfüllen kann. Das hat auch der
BGH in der oben zitierten Entscheidung nicht angenommen, denn sonst hätte er der
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Vorinstanz nicht aufgegeben, sich ein Exemplar des Mandantenschreibens zur
Überprüfung vorlegen zu lassen. Es ist im Einzelfall denkbar, dass ein Mandant aus
einem überschaubar kurz gehaltenen und für einen Laien leicht verständlichen
Rundschreiben, in dem ein bestimmtes Steuerproblem angesprochen ist, das für ihn
erkennbar auch bei ihm besteht, entnehmen kann, dass der Steuerberater ihn mit dem
Rundschreiben auf sein spezielles Steuerproblem ansprechen will. In diesem Fall kann
der Steuerberater von seinem Mandanten eine Nachfrage erwarten, wenn der Mandant
weiteren Klärungsbedarf hat. Eine solche Fallgestaltung ist hier jedoch nicht gegeben.
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2. Zur haftungsausfüllenden Kausalität:
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Die für eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß § 249 BGB bedeutsame Frage,
was geschehen wäre, wenn die Beklagte sich vertragsgerecht verhalten hätte, ist nach
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dem Beweis des ersten Anscheins zu Gunsten der Klägerin zu beantworten. Die
Führung eines Fahrtenbuchs zum Nachweis der reinen betrieblichen Benutzung des
Jaguar war der einzig vernünftige Weg, um die pauschale Besteuerung des geldwerten
Vorteils einer vermuteten Privatnutzung zu vermeiden. Es ist zu vermuten, dass der
Geschäftsführer der Klägerin zur Erreichung dieses Ziels für den Jaguar ein
Fahrtenbuch geführt und darin die rein betriebliche Nutzung des Jaguar nachgewiesen
hätte, so wie er es tatsächlich nach der Betriebsprüfung 2004 erfolgreich gehandhabt
hat.
Das von ihm nach der Betriebsprüfung geführte Fahrtenbuch wurde vom Finanzamt als
ordnungsgemäß anerkannt, wie sich aus dem Bericht des Finanzamts V vom 17.7.2006
über die Lohnsteueraußenprüfung für die Zeit vom 1.1.2003 bis 31.1.2006 (GA 363 /
365) ergibt. Ob der Jaguar, wie die Klägerin behauptet und die Zeugin U D anlässlich
ihrer Vernehmung durch das Landgericht bestätigt hat, in den streitgegenständlichen
Jahren 1999 bis 2001 tatsächlich auch rein betrieblich genutzt wurde oder, wie die
Beklagte behauptet, (auch) privat benutzt wurde, kann für die Entscheidung der Frage
der haftungsausfüllenden Kausalität offenbleiben. Es ist nämlich nach der
Lebenserfahrung auch anzunehmen, dass die Eheleute D wäre für den Jaguar bereits in
den Jahren 1999 bis 2001 ein Fahrtenbuch geführt worden, bewusst auf jegliche private
Nutzung dieses Kfz verzichtet hätten, um sich bei dem Jaguar die Versteuerung eines
geldwerten Vorteils der Privatnutzung zu ersparen. Das Gegenteil hat die Beklagte nicht
behauptet und auch nicht bewiesen. Auch für die Annahme, dass in dem Fahrtenbuch
wahrheitswidrig Privatfahrten verschwiegen worden wären, fehlen jegliche
Anhaltspunkte.
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Ob die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.12.2007 und durch die Vorlage der
Fahrtenaufzeichnungen des Herrn D in der Zeit von Juli 2004 bis Oktober 2004
ausreichend Indizien vorgetragen hat, die geeignet wären, den Beweis des 1.
Anscheins zu erschüttern, kann offen bleiben. Die Klägerin ist dem neuen Vortrag der
Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 15.1.2008 in erheblicher Weise
entgegengetreten. Nach ihrem Vortrag bleibt es bei dem Anscheinsbeweis. Sie hat auch
nicht Privatfahrten ihres Geschäftsführers mit dem Jaguar in den streitgegenständlichen
Jahren 1999 bis 2001 eingeräumt. Die Behauptungen der Beklagten zu Privatfahrten
des Herrn D mit dem Jaguar werden nicht – auch nicht teilweise – durch die unstreitigen
Fahrtenaufzeichnungen des Herrn D aus dem Jahre 2004 bewiesen. Diese geben nur
Auskunft über Fahrten im Jahre 2004 und lassen daher keine zwingenden Schlüsse auf
Fahrten in den streitgegenständlichen Jahren zu. Neuer – streitiger – Parteivortrag in 2.
Instanz ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, wenn nicht ein besonderer
Zulassungsgrund vorliegt. Ein Zulassungsgrund im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ist aber
nicht ersichtlich. Im übrigen wäre der Vortrag der Beklagten vom 12.12.2007 auf den
Hinweis des Senats vom 13.11.2007 auch verspätet (§§ 530, 520, 296 Abs. 1 ZPO). Die
Verspätung konnte nicht mehr durch eine prozessleitende Verfügung geheilt werden.
Zum Senatstermin vom 18.12.2007 hätte eine Beweisaufnahme nicht mehr vorbereitet
werden können, da der Schriftsatz vom 12.12.2007 erst am Freitag, den 14.12.2007 bei
der Geschäftsstelle eingegangen ist und am Montag, den 17.12.2007 dem Senat
vorgelegt worden ist. Bei ordnungsgemäßer Prozessführung hätte der neue Vortrag aus
dem Schriftsatz der Beklagten vom 12.12.2007 bereits in 1. Instanz im Zusammenhang
mit der Beweisaufnahme des Landgerichts, spätestens mit der Begründung der
Berufung erfolgen müssen.
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3. Zum Schaden:
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Die Feststellungen des Landgerichts zum Schaden sind im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
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Im Rahmen der Schadensberechnung muss die tatsächliche Vermögenslage der
Klägerin und der Eheleute D derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ergeben
hätte, wenn auf Anraten der Beklagten für den Jaguar ein Fahrtenbuch geführt worden
wäre, in dem die rein betriebliche Nutzung dokumentiert gewesen wäre. Die
vorzunehmende Differenzrechnung ergibt den vom Landgericht anerkannten
Steuerschaden.
54
a.
55
Die Behauptung der Beklagten, den Eheleuten D sei in den streitgegenständlichen
Jahren 1999 bis 2001 tatsächlich ein geldwerter Vorteil durch private Nutzung des
Jaguar zugeflossen, ist im Rahmen der Schadensberechnung zwar grundsätzlich
erheblich, da beim Gesamtvermögensvergleich alle von dem haftungsbegründenden
Ereignis betroffenen finanziellen Positionen zu berücksichtigen sind. Sie ist jedoch
durch die Aussage der Zeugin D widerlegt, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei
festgestellt hat. Die Einwände der Berufung gegen die Beweiswürdigung des
Landgerichts rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die von der Beklagten
herangezogene Lebenserfahrung spricht nicht für, sondern eher gegen eine tatsächliche
Privatnutzung des Jaguar in den Jahren 1999 bis 2001. Dazu braucht nicht weiter
aufgeklärt werden, wie der Geschäftsführer der Klägerin mit seinen Rückenproblemen
bei Privatfahrten mit dem BMW oder mit dem Mini zurechtgekommen ist. Es liegt nahe,
dass er zur Ersparnis der Steuer für eine Privatnutzung des Jaguar auf den Komfort des
Jaguar bei Privatfahrten verzichtet hat, zumal nach der Aussage der Zeugin D bei den
Privatreisen kürzere Strecken als bei den betrieblichen Reisen zurückgelegt wurden. Im
übrigen bietet, wie gerichtsbekannt ist, auch ein BMW Cabrio einen hohen Fahrkomfort
und ein Mini ist im Stadtverkehr recht nützlich, weil er nur wenig Parkraum benötigt. Der
Beweiswert der Aussage der Zeugin D wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie keine
Einzelheiten zu geschäftlichen Fahrzielen genannt hat. Konkrete Kenntnisse können
von ihr nach 6 bis 9 Jahren nicht mehr erwartet werden. Auch die Klägerin braucht zur
Darlegung der tatsächlichen rein betrieblichen Nutzung nicht, wie sich die Beklagte
vorstellt, weitere Einzelheiten für die Jahre 1999 bis 2001, wie die genaue Laufleistung
des Jaguar, die tatsächlichen dienstlichen Reisekosten des Geschäftsführers der
Klägerin, die Namen der Kunden oder Auftragnehmer, die besucht wurden, und der
Zeitpunkt der Besuche, mitzuteilen. Die dienstlichen Reisekosten des Geschäftsführers
der Klägerin müssten der Beklagten aus der Bearbeitung der steuerlichen
Angelegenheiten der Klägerin und der Eheleute D bekannt sein. Die übrigen
Einzelheiten können jetzt nicht mehr mit einem angemessenen Aufwand annähernd
genau rekonstruiert werden. Gerade das hat aber die Beklagte zu vertreten, da sie nicht
auf die Notwendigkeit der Führung eines Fahrtenbuchs hingewiesen hat. Die Klägerin
hat zu den betrieblich veranlassten Fahrten hinreichend substanziiert vorgetragen, dass
Kunden besucht wurden und außerdem zum Zwecke von Fotoshootings – die Klägerin
erstellt Modeprospekte – Reisen zu bestimmten Orten bzw. Landschaften stattfanden.
Dass, wie die Beklagte vorträgt, die Eheleute D in B Z und in O über vermietete
Wohnungen verfügten und an der A G R GmbH und Co KG in B Z beteiligt sind, lässt
nicht darauf schließen, dass sie zu diesen Orten mit dem Jaguar gereist sind.
Entscheidend für die Darstellung der Klägerin spricht schließlich der Umstand, dass das
Finanzamt nie Anlass gesehen hatte, die ihm – ohne Fahrtenbuch – glaubhaft gemachte
betriebliche Nutzung des Jaguar, der 1996 als Betriebsfahrzeug angeschafft worden
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war, in Zweifel zu stellen und im Rahmen der Betriebsprüfung 2004 nur deshalb von der
früheren Feststellung abwich, weil eine private Nutzung durch die Anstellungsverträge
der Eheleute D nicht verboten war und ein Fahrtenbuch fehlte.
Auch insoweit verhilft der neue Vortrag aus dem Schriftsatz vom 12.12.2007 der
Berufung der Beklagten nicht zum Erfolg, da er aus den unter 2. genannten Gründen
gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zulassen, zumindest wegen Verspätung zurückzuweisen
ist.
57
b.
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Im Rahmen der Differenzrechnung ist entgegen der Annahme der
Berufungsbegründung (Nr. 5 a,b) die steuerrechtliche 1 %-Regelung maßgeblich, denn
die Klägerin und die Eheleute D können gemäß § 249 BGB verlangen, so gestellt zu
werden, wie sie stehen würden, wenn in den Jahren 1999 bis 2001 für den Jaguar ein
Fahrtenbuch geführt worden wäre. Dann wäre im Jahre 2004 die Besteuerung des
geldwerten Vorteils für die vermutete Privatnutzung des Jaguar nach der 1 %-Regelung
unterblieben und statt dessen, wie bisher, nur die private Nutzung des BMW und des
Mini nach der 1 %-Regelung besteuert worden.
59
c.
60
Der Einwand der Berufung, in dem geltend gemachten Schadensbetrag seien 294,04
Euro Kirchensteuer enthalten, die die Eheleute D im Jahre 2004 als Sonderausgabe
hätten in Abzug bringen können, was mit 139,60 Euro Steuervorteilen verbunden
gewesen wäre, hat ebenfalls keinen Erfolg. Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen,
den Kirchensteuerabzug im Einspruchsverfahren geltend zu machen, was sie jedoch
unterlassen hat. Damit hat sie sich zusätzlich schadensersatzpflichtig gemacht mit der
Folge, dass ihr die Klägerin gegenüber dem Einwand der Vorteilsausgleichung die
Arglisteinrede entgegenhalten kann.
61
3. Zum Mitverschulden:
62
Die Beklagte kann sich nicht von der ihr obliegenden Pflicht zur individuellen Beratung
der Klägerin bzw. der Eheleute D mit dem Einwand entlasten, den Geschäftsführer der
Klägerin treffe ein Mitverschulden (§ 254 BGB), weil er es grundsätzlich abgelehnt habe,
ihre Mandantenschreiben zur Kenntnis zu nehmen. Die Mandantenschreiben der
Beklagten gaben ihm nämlich aus den oben genannten Gründen keinen Anlass zu der
Annahme, sie enthielten etwas Konkretes für die steuerlichen Angelegenheiten der
Klägerin und / oder der Eheleute D, wozu ggf. die Beklagte um weitere Aufklärung zu
bitten war.
63
II. Zum Komlex "Betriebsaufspaltung"
64
Insoweit hat die Berufung der Beklagten Erfolg mit der Maßgabe, dass der
Schadensersatzfeststellungsantrag der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen ist.
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Die Feststellungsklage ist unzulässig, da das gemäß § 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse fehlt.
66
Das Feststellungsinteresse ist als qualifizierte Form des Rechtsschutzbedürfnisses eine
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besondere Prozessvoraussetzung für die Feststellungsklage. Es setzt voraus, dass dem
Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit
droht und besteht nur, wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet
ist, diese gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit zu beenden. Ist ein absolutes Recht des
Klägers verletzt worden, genügt es für das Feststellungsinteresse, dass künftige
Schäden möglich sind, wobei ausreichend ist, dass aus der Sicht des Klägers bei
verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen ist (BGH Urt.v.
16.1.2001, VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431/1432). Dieser Grundsatz gilt aber nicht,
wenn, wie hier, reine Vermögensschäden Gegenstand der Klage sind. Bei reinen
Vermögensschäden hängt bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der
Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden
Schadenseintritts ab. Damit soll ausgeschlossen werden, dass dem möglichen
Schädiger ein Rechtsmittel über gedachte Fragen aufgezwungen wird, von denen
ungewiss ist, ob sie jemals praktische Bedeutung erlangen können. Eine Ausnahme
hiervon ist nur für den Fall zu machen, dass die Verjährung etwaiger
Schadensersatzansprüche unabhängig von einer Schadensentstehung beginnt, z.B. bei
Beendigung des Mandats gemäß § 51 b BRAO a.F., denn aus der drohenden
Verjährung folgt ohne weiteres ein rechtliches Interesse des Klägers an der alsbaldigen
Klärung der Haftungsfrage. (BGH Urt.v. 14.12.1995, IX ZR 242/94, NJW 1996, 1062;
BGH Urt.v. 24.1.2006, IX ZR 384/03, NJW 2006, 830/833; BGH Urt.v. 19.1.2006, IX ZR
232/01, NJW-RR 2006, 923 f).
68
1.
69
Das Feststellungsinteresse der Klägerin und der Eheleute D kann nicht aus einer
drohenden Verjährung der von ihnen geltend gemachten Schadensersatzansprüche
hergeleitet werden, da die Verjährungsfrist für diese Ansprüche noch nicht begonnen
hat.
70
a.
71
Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater aus fehlerhafter
Beratung richtete sich bis zum 31.12.2003 nach § 68 StBerG a.F., jetzt nach §§ 195, 199
BGB. Sowohl nach altem als auch nach neuem Recht ist eine Voraussetzung für den
Beginn der Verjährungsfrist die Schadensentstehung. Entstanden ist ein Schaden erst
in dem Zeitpunkt, in dem er wenigstens dem Grunde nach erwachsen, d.h. eine als
Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist. Solange
dagegen noch offen ist, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu
einem Schaden geführt hat, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden und hat die
72
Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen. Wenn der Steuerberater einen Rat oder
Hinweis pflichtwidrig unterlassen hat und das sich in einem für den Mandanten
nachteiligen Steuerbescheid niederschlagen wird, wird eine als Schaden anzusehende
Verschlechterung der Vermögenslage des Mandanten grundsätzlich erst mit dem
Zugang des Bescheids eintreten. Das gilt für alle Schadensfälle in Steuersachen, wobei
unerheblich ist, von welchen tatsächlichen oder rechtlichen Umständen die dem
Steuerpflichtigen ungünstige Entscheidung im Einzelfall abhängt. Es kommt auch nicht
darauf an, welcher Art der vom Steuerberater zu verantwortende, für den erwarteten
nachteiligen Steuerbescheid ursächlich gewordene Fehler ist. Unerheblich ist auch,
dass der Fehler des Steuerberaters voraussichtlich erst viele Jahre später zu einer dem
73
Mandanten ungünstigen Steuerfestsetzung führen wird.(Ständige und inzwischen
gefestigte BGH-Rspr. seit BGH Urt.v. 2.7.1992, IX ZR 268/91, NJW 1992, 2766 f; BGH
Urt.v. 3.11.2005, IX ZR 208/04, NJW-RR 2006, 642).
b.
74
Nach den vorstehenden Grundsätzen wird die Verjährungsfrist hinsichtlich des von der
Klägerin geltend gemachten künftigen, von ihr nach Beendigung der
Betriebsaufspaltung erwarteten Steuerschadens erst mit der Bekanntgabe der nach
Beendigung der Betriebsaufspaltung erwarteten Steuerbescheide zu laufen beginnen.
75
2.
76
Das Feststellungsinteresse der Klägerin kann auch nicht aus einer
Schadenswahrscheinlichkeit hergeleitet werden.
77
a.
78
Allein aus der Vollendung der Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich noch nicht die
Wahrscheinlichkeit eines Schadens der Klägerin und / oder der Eheleute D.
Hinzukommen muss die konkrete Möglichkeit eines Steuerschadens. Eine solche
konkrete
79
Möglichkeit kann nicht schon daraus hergeleitet werden, dass Frau D plant, das
Unternehmen der Klägerin bei Eintritt des Ruhestand auf ihre Tochter zu übertragen und
dann außerdem die Veräußerung des Grundstücks in der K 95 in Erwägung zieht. Bloße
Absichtserklärungen sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Schadens-
80
wahrscheinlichkeit zu begründen, denn der Erklärende kann von seinen Planungen
jederzeit Abstand nehmen und es ist dem möglichen Schädiger nicht zuzumuten, mit
einem Rechtsstreit überzogen zu werden, solange nicht feststeht, dass der potentielle
Geschädigte tatsächlich die zur Auslösung des Schadens notwendigen Handlungen
vornimmt. Es kann derzeit nicht einmal ausgeschlossen werden, dass Frau D bis zum
Ruhestand einen Weg findet, nach dem die Auflösung der Betriebsaufspaltung
steuerneutral möglich ist oder eine Konstellation eintritt, nach der sie und / oder ihre
Tochter an der Aufrechterhaltung der Betriebsaufspaltung aus wirtschaftlichen und /
oder steuerlichen Gründen interessiert sind. Es kann auch nicht ausgeschlossen
werden, dass bei der künftigen Auflösung der Betriebsaufspaltung stille Reserven, die
besteuert werden könnten, nicht mehr vorhanden sind und / oder die Gesetze oder die
Rechtsprechung für die Beendigung der Betriebsaufspaltung keine Steuern mehr
vorsehen.
81
b.
82
Darüber hinaus hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, in welcher Höhe sie und /
oder die Eheleute D künftig bei Auflösung der Betriebsaufspaltung Steuern zu erwarten
haben und dass diese Steuern voraussichtlich höher sein werden, als die Kosten, die in
den Jahren 2001 bzw. 2002 im Falle einer Beendigung der Betriebsaufspaltung
angefallen wären, z. B. durch Vermietung der Büroräume der Frau D an Dritte und durch
Anmietung neuer Büroräume durch die Klägerin. Auch zur Begründung der
Schadenswahrscheinlichkeit muss der Mandant eine Differenzrechnung vorlegen, aus
83
der sich ergibt, dass wahrscheinlich "unter dem Strich" seine Vermögenslage bei
pflichtgemäßem Verhalten des Beraters besser wäre als auf Grund der Pflichtverletzung
sein wird.
Die in Steuerbescheiden festgesetzten Steuerverbindlichkeiten decken sich nicht
zwangsläufig mit dem Vermögensschaden des Mandanten. Ob und inwieweit ein nach §
249 BGB zu ersetzender Schaden vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach einem
rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage
mit derjenigen, die ohne jenen Umstand eingetreten wäre (sog. Differenzhypothese).
Der haftpflichtige Berater hat den Mandanten vermögensmäßig so zu stellen, wie dieser
bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters stände. Das erfordert einen
Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis
betroffenen finanziel-
84
len Positionen umfasst. Hierbei ist grundsätzlich die gesamte Schadensentstehung bis
zur letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen einzubeziehen.
85
(BGH Urt.v. 19.1.2006, IX ZR 232/01, NJW-RR 2006, 923 f; BGH Urt.v. 20.1.2005,
86
IX ZR 416/00, MDR 2005, 866; BGH Urt.v. 23.10.2003, IX ZR 249/02, NJW 2004, 444.)
87
aa.
88
Die Aufstellung H 4 über die künftig erwarteten Steuern bei Auflösung der
Betriebsaufspaltung lässt schon nicht erkennen, welche Steuer bei der Klägerin, ihrem
Geschäftsführer und der Frau D erwartet wird. Im Feststellungsantrag sind alle 3 als
potentielle Geschädigten aufgeführt. Außerdem fehlen nachprüfbare Angaben dazu, auf
welcher Grundlage der künftige Verkehrswert des Objektes K 95 ermittelt worden ist.
89
bb.
90
Unzureichend ist auch der Vortrag der Klägerin dazu, welche Kosten angefallen wären,
wenn die Betriebsaufspaltung in den Jahren 2001 bzw. 2002 beendet worden wäre. Bei
einer von der Klägerin am naheliegensten bezeichneten Vermietung des Objektes K 95
an einen Dritten und Anmietung anderer Büroräume durch die Klägerin sind folgende
hypothetische Unkosten denkbar: Umzugskosten, Kautionskosten für die Anmietung
anderer Büroräume, Maklerkosten für die Anmietung anderer Büroräume und für die
Vermietung des Objektes K 95, Kosten zur Renovierung der neuen und / oder der alten
Büroräume. Darüber hinaus hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, dass die
Anmietung neuer Büroräumlichkeiten für sie nicht zu höheren Mietkosten und die
Vermietung des Objektes K 95 an Dritte nicht zu niedrigeren Mieteinnahmen geführt
hätten. Ihr Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachten ist auf unzulässige
Ausforschung gerichtet.
91
C.
92
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 288 I BGB, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
93
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
94
Streitwert der Berufung: 36.048,95 Euro (16.048,95 Euro Leistungsantrag, bis 20.000
Euro Feststellungsantrag).
95