Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.01.2001

OLG Düsseldorf: errichtung der gesellschaft, gesellschafter, stammeinlage, aufrechnung, geschäftsführer, abrede, gegenforderung, unterliegen, erfüllung, entziehen

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 108/00
Datum:
10.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 108/00
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 7.3.2000 ver-kündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Kläger ist Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren der W. GmbH
(nachfolgend: GmbH). Mit seiner Klage hat er den Beklagten, der - neben Herrn W. -
Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH ist, auf
Zahlung der restlichen Stammeinlage in Höhe von 12.500,-- DM nebst 12 % Zinsen in
Anspruch genommen.
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Das Landgericht hat die Klage in Höhe von 12.500,-- DM nebst 4 % Zinsen
zugesprochen und im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß sich
der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Reststammeinlage aus Ziffer 2 der
notariellen Urkunde vom 3.10.1991 über die Errichtung der Gesellschaft und aus § 3 des
Gesellschaftsvertrages vom 3.10.1991 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 GmbHG in Höhe
von 25.000,-- DM ergebe. Darauf seien zwar unstreitig 12.500,-- DM gezahlt worden. Die
von ihm behaupteten ratenweisen Bareinzahlungen in Höhe der restlichen 12.500,-- DM
habe der Beklagte jedoch nicht zu belegen vermocht. Die von dem Beklagten
vorgelegten Kassenberichte seien nicht geeignet gewesen, den ihm obliegenden
Nachweis zu führen. Vielmehr spreche viel dafür, daß allenfalls Verrechnungen
stattgefunden hätten, die nachträglich als Ein- und Auszahlungen deklariert worden
seien. Eine eventuelle Vereinbarung oder Praxis, die Stammeinlage durch Verrechnung
oder Aufrechnung mit Forderungen auf Zahlung von Geschäftsführergehalt zu erbringen,
sei jedoch gem. § 19 Abs. 2 GmbHG unwirksam. Gleiches gelte, wenn die
Auszahlungen von Teilgehältern an den Beklagten sowie die Zahlung von Bareinlagen
auf die Stammeinlage jeweils in gleicher Höhe am gleichen Tag erfolgt sein sollten.
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Mit seiner Berufung begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage. Er meint, das
Landgericht habe zu Unrecht den Verdacht gehegt, die ihm vorgelegten Unterlagen
seien nachträglich gefertigt worden. Vielmehr habe er die Reststammeinlage ratenweise
als Bareinlage in die am Sitz der GmbH befindliche Bar-Kasse eingezahlt. Die
Geschäftsführer hätten die Gehälter der Kasse entnommen und als Stammeinlage
wieder in die Kasse eingelegt. Die Ein- und Auszahlungen der Stammeinlage und des
Geschäftsführer-Gehaltes über die Barkasse der Gesellschaft seien auch nicht nach §
19 Abs. 2 GmbHG unwirksam gewesen. Die Haftungsmasse der Gesellschaft sei
dadurch nicht unzulässig geschmälert worden, weil seine Forderungen seinerzeit fällig,
liquide und vollwertig gewesen seien.
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Das Landgericht hat den Klageanspruch zutreffend für begründet gehalten. Das
Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG dient dem Ziel, die reale
Aufbringung des Stammkapitals im Interesse der Gesellschaftsgläubiger zu sichern
(statt aller: BGH, ZIP 1994, 701). Insbesondere soll für den Gesellschafter von
vornherein keine Möglichkeit bestehen, sich
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der Verpflichtung zur Erbringung der Bareinlage durch Manipulationen bei einer
Aufrechnung ganz oder teilweise zu entziehen (OLG Hamm, GmbHR 1988, 310; Konow,
GmbHR 1971, 173, 174). Der Bestimmung unterliegen deshalb über ihren Wortlaut
hinaus nicht nur Aufrechnungen durch den Gesellschafter. Auch Aufrechnungen durch
die Gesellschaft oder Aufrechnungsverträge der Gesellschaft mit dem Gesellschafter
(Verrechnungen) fallen darunter, wenn die Erklärung für die Gesellschaft von einem
geschäftsführenden Gesellschafter abgegeben wird, der, wenn er statt dessen die
Erklärung in eigenem Namen abgegeben hätte, unter das Aufrechnungsverbot des § 19
Abs. 2 Satz 2 GmbHG gefallen wäre. In beiden Fällen steht gleichermaßen der
Grundsatz der realen Kapitalaufbringung in Frage, was die jedenfalls analoge
Anwendung von § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG rechtfertigt (OLG Hamm, a.a.O.; OLG
Hamburg, WM 1990, 636, 638; OLG Düsseldorf, DB 1993, 1714; Konow, a.a.O.; Lutter/
Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 19, Rn. 18; Scholz/Schneider, GmbHG, 9. Aufl.; § 19,
Rn. 83, a.A. OLG Karlsruhe, GmbHR 1971, 7, 8). Wird die Aufrechnung namens der
Gesellschaft durch einen geschäftsführenden Gesellschafter erklärt, kann es demnach -
wie bei einer Aufrechnung durch den Gesellschafter in eigenem Namen - auch nicht
darauf ankommen, ob die Gegenforderung des Gesellschafters existent, fällig und
liquide ist.
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Nach dem Vorbringen des Beklagten hat er weder namens der GmbH die Aufrechnung
ihres Anspruches auf Zahlung der Reststammeinlage mit seinen monatlichen
Geschäftsführerbezügen erklärt, noch einen entsprechenden Aufrechnungsvertrag
namens der GmbH mit sich selbst abgeschlossen. Vielmehr hat der Beklagte
vorgetragen, die Geschäftsführer hätten jeweils die monatlichen Gehälter der Kasse der
GmbH entnommen und als Stammeinlage wieder in die Kasse eingelegt. Der Kläger hat
diese Darlegungen bestritten. Selbst wenn gleichwohl das Vorbringen des Beklagten zu
seinen Gunsten als tatsächlich zutreffend unterstellt wird, folgt daraus keine andere
rechtliche Bewertung, als wenn er die GmbH bei einer entsprechenden Aufrechnung
oder Aufrechnungsvereinbarung vertreten hätte. Denn der Beklagte behauptet ein nur
förmliches Hin- und Herzahlen, das ebenfalls unter das Aufrechnungsverbot des § 19
Abs. 2 Satz 2 GmbHG fällt.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt in der Tilgung einer dem
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Gesellschafter oder einem von ihm maßgeblich beeinflußten Unternehmen gegen die
GmbH zustehenden Darlehnsforderungen, die mit Mitteln aus einer
Resteinlageverpflichtung oder in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit
deren Erfüllung vorgenommen wird, jedenfalls dann eine Umgehung des Tatbestands
des Befreiungs- bzw. Aufrechnungsverbotes, wenn die Beteiligten eine dem
wirtschaftlichen Erfolg des verdeckten Rechtsgeschäfts umfassende Abrede getroffen
haben (BGH, ZIP 1994, 701; vgl. auch OLG Braunschweig, NZG, 1999, 308, 309;
Lutter/Hommelhoff, a.a.O., Rn. 16). Das führt dazu, daß derartige Fälle des Hin- und
Herzahlens rechtlich nicht anders zu behandeln sind, als wenn dem Einlageschuldner
seine Schuld tatsächlich erlassen worden bzw. mit einer Forderung des
Einlageschuldner gegen die Gesellschaft aufgerechnet worden wäre. Im hier zu
entscheidenden Fall liegt eine den wirtschaftlichen Erfolg des Hin- und Herzahlens
umfassende Abrede schon deshalb vor, weil es - nach dem Vorbringen des Beklagten -
jeweils die geschäftsführenden Gesellschafter selbst waren, die ihre Gehälter der Bar-
Kasse entnommen und als Stammeinlage wieder in die Kasse zurückgelegt haben.
Dies geschah in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Entsprechend
greift auch hier das Aufrechnungsverbot für geschäftsführende Gesellschafter in
entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 2 Satz GmbHG. Die von dem Beklagten
geschuldete Stammeinlage ist daher in Höhe von 12.500,-- DM auch dann nicht mit
Erfüllungswirkung erbracht worden, wenn die von dem Beklagten behaupteten
Bareinzahlungen tatsächlich erfolgt sind.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713
ZPO.
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Ein begründeter Anlaß, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor, § 546 Abs. 1 ZPO.
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Der Wert der Beschwer für den Beklagten beträgt 12.500,-- DM.
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