Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.10.2009

OLG Düsseldorf (kläger, abschluss des vertrages, grundbuch, risiko, kaufvertrag, beurkundung, notar, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, zeitpunkt, vertrag)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 245/08
Datum:
14.10.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Senat für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 245/08
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 19. November 2008
verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts K.
(2 O 347/07) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Am 8. Dezember 2003 gründeten die P... AG mit einem Anteil von 25 % sowie die V...
GmbH mit einem Anteil von 75 % die O.... GmbH. Den Gesellschaftsvertrag beurkundete
der Beklagte. Zweck dieser Gesellschaft war es, den sanierungsbedürftigen, unter
Denkmalschutz stehenden Grundbesitz O. in T. zu erwerben, in 15
Wohnungseigentumseinheiten aufzuteilen, und sodann als Eigentumswohnungen zu
veräußern. Durch vom Beklagten am gleichen Tag beurkundeten Kaufvertrag kaufte die
O.... GmbH von den Eheleuten B. den Grundbesitz O. zum Preis von 900.000,- €, wobei
300.000,- € bis zum 15. Januar 2004 auf ein Anderkonto des Beklagten zu zahlen
waren; der Restkaufpreis wurde bis zum 30. Juni 2004 verzinslich gestundet. Zudem
wurde dieser Restkaufpreises durch Bestellung einer Briefgrundschuld auf dem
verkauften Grundbesitz abgesichert, die jedoch erst am 4. Juli 2004 im Grundbuch
eingetragen wurde.
1
Um den Kaufpreis bezahlen zu können, gewährte die P... AG der O.... GmbH am 26.
Februar 2004 ein Darlehen in Höhe von 450.000,- €. Dieses Darlehen wurde durch eine
am Grundbesitz O. bestellte erstrangige Grundschuld abgesichert. Diese
Grundschuldbestellung beurkundete der Beklagte am 29. April 2004. Die Grundschuld
wurde am 19. Mai 2004 im Grundbuch eingetragen.
2
Ab Juli 2004 begann die O.... GmbH mit dem Verkauf der noch herzustellenden
Eigentumswohnungen; die jeweiligen Kaufverträge wurden vom Beklagten beurkundet.
3
Am 22. Oktober 2004 kündigte die P... AG dieses Darlehen.
4
Am 5. Oktober 2004 schlossen die O.... GmbH und die P... AG einen Abtretungs- und
Pfandfreigabevertrag, in dem die O.... GmbH ihre Ansprüche aus dem Verkauf einer an
Dr. P. verkauften Wohneinheit an die P... AG abtrat. Im Gegenzug erteilte die P.I.T.
GmbH die Pfandfreigabe bezüglich der zu ihren Gunsten auf dem Grundbesitz O.
eingetragenen Grundschuld. Tatsächlich wurde der Kaufvertrag zwischen dem Erwerber
Dr. P. und der O.... GmbH erst am 5. November 2004 vom Beklagten beurkundet. Die
Unterschriften unter diese Vereinbarung beglaubigte ein Notarvertreter des Beklagten
am 6. Januar 2005. Gestützt auf diese Pfandfreigabeerklärung stellte ein Notarvertreter
des Beklagten sodann am 10. Januar 2005 einen Antrag auf Löschung der zugunsten
der P... AG eingetragenen Grundschuld.
5
Am 14. Februar 2005 beantragte die P... AG den Erlass einer einstweiligen Verfügung,
in der der O. untersagt werden sollte, die Löschung der Grundschuld zu betreiben.
Diesem Antrag entsprach das Landgericht K. durch Beschluss vom 15. Februar 2005.
Weil der Beklagte gleichwohl an dem gestellten Löschungsantrag festhielt, wies das AG
Kempen den Löschungsantrag am 1. März 2005 zurück.
6
Auf Antrag der P... AG ordnete das AG Kempen am 7. März 2005 die
Zwangsversteigerung des gesamten Grundbesitzes O. an. Der
Zwangsversteigerungsvermerk wurde am 11. März 2005 ins Grundbuch eingetragen.
Am 31. März 2005 schlossen die P... AG und die O.... GmbH einen widerruflichen
Vergleich, in dem die P... AG die Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrages
gegen Zahlung einer Ablösesumme bewilligte. Daraufhin wurde der
Zwangsversteigerungsvermerk am 4. April 2005 gelöscht.
7
Mit Anwaltschreiben vom 5. Juli 2005 teilte die P... AG dem Beklagten mit, sie habe
erneut einen Zwangsversteigerungsantrag gestellt und bat den Beklagten, die Käufer
hierüber zu informieren. Dieser Bitte kam der Beklagte nicht nach.
8
Am 15. Juli 2005 wurde erneut ein Zwangsversteigerungsvermerk, dieses Mal jedoch
nur auf 8 Kaufobjekten eingetragen. In der Folgezeit schlossen die P... AG und die O....
GmbH am 10. August 2005 erneut einen Vergleich, in dem die P... AG die
Antragsrücknahme gegen Zahlung einer Ablösung bewilligte, woraufhin dann der
Zwangsversteigerungsvermerk am 18. August 2005 gelöscht wurde.
9
Am 13. September 2005 wurde die Grundschuld der P... AG im Grundbuch gelöscht.
10
Aus der in der Grundschuldbestellungsurkunde erfolgten persönlichen Unterwerfung
wurde auf Antrag der P... AG am 25. November 2005 zu Lasten von zwei
Wohnungseigentumsobjekten ein Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch
eingetragen.
11
Am 6. Dezember 2005 beurkundete der Beklagte den zwischen den Klägern und der
O.... GmbH geschlossenen Kaufvertrag über eine dieser beiden Wohneinheiten auf dem
O. zum Preis von 349.562,- €. Die O.... GmbH verpflichtete sich, die Eigentumswohnung
bis zum 30. November 2006 bezugsfertig herzustellen.
12
Die Kläger sollten den Kaufpreis in Raten gemäß einem Ratenzahlungsplan leisten, der
der MaBV entsprach. Den zum Zeitpunkt der Beurkundung im Grundbuch
eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk nahm der Beklagte als laufende Nummer
2 der in Abteilung II eingetragenen Belastungen unter der Bezeichnung "Vermerk" auf.
13
Wegen des weiteren Inhalts dieses Kaufvertrages wird auf die Anlage K 1 zur
Klageschrift verwiesen.
Am 20. Dezember 2005 zahlten die Beklagten die erste Kaufpreisrate in Höhe von
104.868,60 € auf ein Notaranderkonto des Beklagten. Am 5. Januar 2006 wurde die
Auflassungsvormerkung zugunsten der Kläger im Grundbuch eingetragen.
14
Gemäß dem am 23. Januar 2006 zwischen der O.... GmbH und der P... AG
geschlossenen Vergleich (Bl. 301 – 305 GA) wurde am 8. Februar 2006 der am 25.
November 2005 eingetragene Zwangsversteigerungsvermerk gelöscht.
15
Danach zahlte der Beklagte die von den Klägern auf sein Anderkonto gezahlte erste
Kaufpreisrate aus, wobei 44.000,- € an die P... AG gemäß dem Vergleich vom 23.
Januar 2006 für die Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrages und 60.000,- € an
die Sparkasse K. flossen, die im Wege der Abtretung am 30. September 2004 die durch
Briefgrundschuld gesicherte restliche Kaufpreisforderung der Eheleute B. erworben
hatte.
16
In der Folgezeit gelang es der O.... GmbH wegen finanzieller Probleme nicht, die aus 15
Einheiten bestehende Wohnanlage fertig zu stellen. Am 5. Mai 2006 kündigten die
Kläger den Bauträgervertrag und führten zusammen mit neun anderen
Wohnungseigentümern die noch ausstehenden Sanierungsarbeiten an der Wohnanlage
O. aus.
17
Am 12. September 2006 bestellte das Amtsgericht K. für die O.... GmbH einen
vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 24. September 2007 wurde über das Vermögen der
O.... GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
18
Die Kläger sind der Auffassung, der Beklagte hätte sie im Beurkundungstermin vom 8.
Dezember 2005 über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der O.... GmbH sowie über
den zum damaligen Zeitpunkt eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk
unterrichten müssen. Hätte er dies getan, hätten sie den Kaufvertrag nicht
abgeschlossen.
19
Sie reklamieren, ihnen sei ein Schaden in Höhe von 172.345,13 € entstanden, weil sie
für die Fertigstellung ihrer Eigentumswohnung 403.345,13 € hätten aufwenden müssen,
diese Wohnung jedoch nur einen Verkehrswert von 230.000,- € habe.
20
Die Kläger haben behauptet:
21
Die O. GmbH sei von Anfang an finanziell nicht in der Lage gewesen, das Bauvorhaben
O. fertig zu stellen; das gesamte Projekt sei darauf angelegt gewesen, die Erwerber zu
betrügen. Dem Beklagten seien als "Hausnotar" der für die O.... GmbH handelnden
Personen die Interna des Firmengeflechts und insbesondere die desolaten finanziellen
Verhältnisse der O.... GmbH bekannt gewesen. Der nachhaltige und unüberbrückbare
Streit mit ihrer Gesellschafterin P... AG sei für die O.... GmbH lebensbedrohlich gewesen
und habe ihr – für den Beklagten erkennbar – liquide Mittel entzogen. Deswegen sei es
für den Beklagten spätestens im Februar 2005 gewiss gewesen, dass das Bauvorhaben
O. nicht mehr zu realisieren gewesen sei.
22
Die Kläger haben beantragt,
23
1.
24
den Beklagten zu verurteilen, an sie 173.345,13 € nebst Zinsen
25
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechts-
26
hängigkeit zu zahlen.
27
2.
28
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtliche
29
Schäden zu ersetzen, die ursächlich auf eine Beratungspflichtver-
30
letzung/Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der
31
Beurkundung des Kaufvertrages zwischen der O. Projekt
32
und ihnen vom 6. Dezember 2005, Urkundenrollen-Nr. 1....,
33
zurückzuführen sind.
34
Der Beklagte hat beantragt,
35
die Klage abzuweisen.
36
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er habe die Kläger über etwaige
wirtschaftliche Schwierigkeiten der O.... GmbH nicht aufklären müssen; auch den
eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk habe er im Beurkundungstermin nicht
erwähnen müssen, weil die Kläger nach der Vertragsgestaltung vor den hieraus sich
ergebenen Risiken geschützt gewesen seien. Denn gemäß Ziffer 4 Absatz II des
Kaufvertrages sei Voraussetzung jeder Kaufpreiszahlung die Fälligkeitsmitteilung des
Notars gewesen. Diese wiederum habe das Vorliegen aller zur vertragsgemäßen
Umschreibung erforderlichen Genehmigungen und Erklärungen vorausgesetzt, wozu
auch das Vorliegen aller Löschungsunterlagen für sämtliche Belastungen in Abteilung II
und Abteilung III mit Ausnahme der übernommenen Dienstbarkeiten gehört hätten. Vor
danach eintretenden Grundstücksbelastungen seien die Kläger durch die eingetragene
Vormerkung geschützt gewesen.
37
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine notarielle Amtspflicht des Beklagten,
die Kläger auf etwaige ihm erkennbare wirtschaftliche Schwierigkeiten der O.... GmbH
hinzuweisen, habe nicht bestanden. Ob er auf das zum Zeitpunkt der Beurkundung
betriebene Zwangsversteigerungsverfahren habe hinweisen müssen, könne
dahinstehen; denn zum Einen seien die Kläger vor den hieraus sich ergebenden
Risiken durch die vertragliche Gestaltung hinreichend geschützt gewesen; zum anderen
habe sich das mit der Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks verbundene
wirtschaftliche Risiko im vorliegenden Fall nicht verwirklicht, weil der Grundbesitz nicht
zwangsversteigert worden sei, sondern vielmehr der Zwangsversteigerungsvermerk
kurze Zeit später wieder gelöscht worden sei.
38
Der von den Klägern erhobene Vorwurf, der Beklagte habe die betrügerischen
Absichten der O.... GmbH beziehungsweise ihrer Mehrheitsgesellschafterin gekannt, sei
nicht nachgewiesen.
39
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihre erstinstanzlichen
Klageanträge weiterverfolgen.
40
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei aufgrund der unstreitigen Indiztat-sachen
bewiesen, dass die O.... GmbH bereits Ende Mai 2004 überschuldet gewesen sei und
der Beklagte dies gewusst habe.
41
Jedenfalls wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, sie auf den eingetragenen
Zwangsversteigerungsvermerk hinzuweisen. Insoweit seien sie durch die
Vertragsgestaltung auch nicht hinreichend geschützt gewesen, weil sie bereits am 20.
Dezember 2005 aufgrund der Zahlungsaufforderung des Beklagten vom 9. Dezember
2005 (Bl.382 GA) die erste Kaufpreisrate an die Bauträgerin gezahlt hätten.
42
Die Kläger beantragen,
43
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
44
1.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 173.345,13 € nebst Zinsen
46
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
47
53.783,13 € seit dem 5. Dezember 2007 und aus 119.962,- € seit
48
dem 22. Oktober 2008 zu zahlen.
49
2.
50
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtliche
51
weiteren Schäden zu ersetzen, die ihnen durch die Pflichtverletzung
52
des Beklagten im Rahmen der Beurkundung des Kaufvertrages zwi-
53
schen der Firma O.... GmbH und ihnen vom 6. Dezember 2005,
Urkundenrollen-Nr. 1...., entstanden sind.
54
Der Beklagte beantragt,
55
die Berufung zurückzuweisen.
56
Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht sich
die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils zu eigen.
57
Da sich das aus dem Zwangsversteigerungsvermerk drohende Risiko nicht verwirklicht
habe, komme es nicht darauf an, dass die Kläger die erste Kaufpreisrate schon Ende
58
Dezember 2005 überwiesen hätten, ohne sich an die vertragliche Fälligkeitsregelung zu
halten. Vielmehr habe sich mit der Zahlungsunfähigkeit der O.... GmbH ein rein
wirtschaftliches Risiko verwirklicht, über das er vor Eintritt der Insolvenz der Bauträgerin
nicht habe belehren müssen.
Sein Schreiben vom 9. Dezember 2005 an die Kläger enthalte weder eine
Zahlungsaufforderung noch eine Fälligkeitsmittelung. Da die Kläger behaupten, es habe
im Dezember keinen Baubeginn gegeben, folge hieraus, dass sie die Hinterlegung auf
der ersten Kaufpreisrate auf seinem Anderkonto vor Fälligkeit vorgenommen hätten.
Diese Leistung vor Fälligkeit sei aus steuerlichen Gründen erfolgt.
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Erstmals im Berufungsrechtszug behauptet der Beklagte, er habe im
Beurkundungstermin den Grundbuchinhalt erörtert und in diesem Zusammenhang auch
erläutert, warum dieser Zwangsversteigerungsvermerk der Durchführung des
Kaufvertrages nicht entgegenstehen werde.
60
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils verwiesen.
61
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
62
Die zulässige Berufung der Kläger bleibt in der Sache erfolglos. Den Klägern steht
wegen des Schadens, der ihnen dadurch entstanden ist, dass der Beklagte es im
Beurkundungstermin vom 6. Dezember 2005 unterlassenen hat, sie auf den im
Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk hinzuweisen, kein
Schadensersatzanspruch aus § 19 BNotO zu. Zwar hat der Beklagte hierdurch seine
den Klägern gegenüber bestehenden notarielle Amtspflicht verletzt, der von den Klägern
reklamierte Schaden liegt jedoch außerhalb des Schutzzwecks dieser verletzten
Amtspflicht, weil dieser nicht dadurch entstanden ist, dass sich in der Folgezeit ein
Risiko verwirklicht hat, über das der Beklagte die Kläger hätte belehren müssen. Im
Einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
63
A.
64
Indem der Beklagte im Beurkundungstermin mit den Klägern nicht den Grundbuchinhalt
erörtert hat, er insbesondere nicht auf den Zwangsversteigerungsvermerk und die sich
rechtlich hieraus ergebenden Konsequenzen für den zu beurkundenden Kaufvertrag
hingewiesen hat, hat er seine ihm gegenüber den Klägern obliegende Amtspflicht
verletzt.
65
I.
66
Bei der Urkundstätigkeit hat der Notar die Beteiligten insoweit zu befragen und zu
belehren, als es notwendig ist, um eine ihrem Willen entsprechende, rechtswirksame
Urkunde zu errichten. In diesem Rahmen sind die Beteiligten über die rechtliche
Bedeutung ihrer Erklärungen und die unmittelbaren rechtlichen Bedingungen für den
Eintritt des beabsichtigten Rechtserfolges aufzuklären. Bei Grundstückskaufverträgen
hat der Notar daher regelmäßig auf die vorhandenen Belastungen des Grundstücks und
deren Bedeutung hinzuweisen. Die Aufklärung der Frage, ob Belastungen bestehen,
gehört zur Belehrung über die rechtliche Tragweite des Grundstückskaufs. Soll das
67
Grundstück lastenfrei verkauft werden, ist dieser Erfolg von der rechtlichen Tragweite
des Geschäfts miterfasst.
Der Notar hat somit bei Geschäften, die im Grundbuch eingetragene Rechte zum
Gegenstand haben, den Grundbuchinhalt festzustellen, damit das Rechtsgeschäft mit
dem von den Beteiligten gewollten Inhalt erfolgreich rechtlich durchgeführt werden kann
(BGH WM 1985, 523). Die Ermittlung der Grundbuchlage ist eine wesentliche
Voraussetzung für die Beurkundung von Grundstücksgeschäften, weil auf dieser
Grundlage der rechtsgeschäftliche Wille der Beteiligten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1
BeurkG aufbaut.
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Besteht wegen eingetragener Belastungen für den Käufer die Gefahr einer
ungesicherten Vorleistung, muss der Notar über die Folgen belehren, die im Falle einer
Leistungsunfähigkeit des Verkäufers eintreten und er muss zugleich Wege aufzeigen,
wie diese Risiken vermieden werden können (BGH WM 2004, 2028).
69
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hätte der Beklagte somit die Kläger im
Beurkundungstermin darüber belehren müssen, dass es aufgrund des eingetragenen
Zwangsversteigerungsvermerks fraglich ist, ob die Kläger lastenfreies Eigentum an der
verkauften Eigentumswohnung erwerben können, wobei er auch darauf hätte hinweisen
können, dass er im Rahmen der Vertragsabwicklung keinen Einfluss darauf haben wird,
ob der Zwangsversteigerungsvermerk gelöscht wird, es sich hierbei insbesondere nicht
um eine Belastung handelt, die durch zweckgebundene Verwendung der ersten auf sein
Anderkonto einzuzahlenden Kaufpreisrate beseitigt werden kann. Sodann hätte er den
Weg aufzeigen müssen, wie sich durch die Gestaltung des Vertrages verhindern lässt,
dass die Kläger ganz oder teilweise den Kaufpreis zahlen, obwohl der
Zwangsversteigerungsvermerk noch nicht gelöscht ist.
70
II.
71
Erstinstanzlich war unstreitig, dass der Beklagte diese Belehrungen im
Beurkundungstermin nicht erteilt hat. Soweit er erstmals im Berufungsrechtszug
behauptet, auf den Zwangsversteigerungsvermerk hingewiesen zu haben und erläutert
zu haben, wie er die Kläger durch die Vertragsgestaltung davor bewahrt hat, dass sie
wegen dieses Zwangsversteigerungsvermerks eine ungesicherte Vorleistung erbringen,
ist dieses Vorbringen zum einen unsubstantiiert, weil er nicht konkret darlegt, was er im
Beurkundungstermin erklärt hat und wie die Beteiligten auf diese Belehrung reagiert
haben, zum anderen steht dieses Vorbringen auch in Widerspruch zu seinem
Vorbringen, wonach er mit Rücksicht auf die Interessen der O.... GmbH den
Zwangsversteigerungsvermerk verhüllend im Kaufvertrag lediglich als "Vermerk"-
Belastung aufgenommen haben will. Denn wenn der Zwangsversteigerungsvermerk
tatsächlich im Beurkundungstermin breit erörtert worden wäre, hätte es keinen Grund
mehr gegeben, ihn im Kaufvertrag lediglich als "Vermerk" zu bezeichnen.
72
III.
73
Die Einwände des Beklagten, mit denen er zu begründen versucht, warum keine
Pflichtverletzung gegeben sei, verfangen nicht.
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Seiner Verpflichtung zur Neutralität hätte es nicht entgegen gestanden, den
Zwangsversteigerungsvermerk im Beurkundungstermin anzusprechen. Denn die
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Rücksichtnahme auf die Wünsche des Verkäufers, der seine im Grundbuch
eingetragenen Belastungen nicht bekannt werden lassen will, rechtfertigt grundsätzlich
ein Verschweigen nicht (BGH WM 1992, 527).
Das Argument, eine Erörterung des Zwangsversteigerungsvermerks sei deswegen
entbehrlich gewesen, weil er den Kaufvertrag rechtlich so ausgestaltet habe, dass eine
ungesicherte Vorleistung der Kläger nicht bestanden habe, überzeugt ebenfalls nicht.
Die Belehrungspflicht dient dazu, die Parteien in die Lage zu versetzen, einen ihrem
tatsächlichen Willen entsprechenden Vertrag abzuschließen. Da es nicht Aufgabe des
Notars ist, die Parteien zu einem Abschluss eines Vertrages zu führen, der nach seiner
Vorstellung vernünftig und ausgewogen ist, kann er der Belehrungspflicht, die die
Parteien in die Lage versetzen soll, die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen zu
verstehen, nicht dadurch ersetzen, dass er einen Vertragstext wählt, der eine – wenn
auch sachgerechte – Lösung für die rechtlichen Probleme enthält, die er mit den
Vertragsparteien hätte erörtern müssen. Dass dies kein Ersatz für die Beratung sein
kann, zeigt sich schon daran, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass eine mögliche
Reaktion eines Vertragspartners auf die rechtliche Belehrung auch darin bestehen kann,
dass er es ablehnt, einen Vertrag abzuschließen, solange ungewiss ist, ob dieser
überhaupt vollzogen werden kann. Ein dahingehender Wille eines Vertragspartners
kann im Zuge der Beurkundung nur dann deutlich werden, wenn die Vertragsparteien
zuvor über die aus dem Grundbuch ersichtlichen Hindernisse für die
Vertragsdurchführung belehrt worden sind.
76
B.
77
Der von den Klägern reklamierte Schaden liegt jedoch außerhalb des Schutzzwecks
dieser Pflichtverletzung, so dass er dem Beklagten nach dem normativen
Schadensbegriff nicht zugerechnet werden kann.
78
I.
79
Im vorliegenden Fall hat sich nicht ein vom Zwangsversteigerungsvermerk
ausgehendes Risiko verwirklicht, insbesondere ist die Vertragsdurchführung nicht an
diesem Eintrag gescheitert und die Kläger haben auch keine ungesicherte Vorleistung
erbracht, weil der Beklagte über die erste Kaufpreisrate zugunsten der O.... GmbH erst
disponiert hat, nachdem sichergestellt war, dass die Kläger eine Vormerkung auf einen
lastenfreien Eigentumserwerb erworben hatten.
80
Das wirtschaftliche Risiko, dass sich verwirklicht hat bestand darin, dass die O.... GmbH
in der Folgezeit finanziell nicht in der Lage gewesen ist, die von ihr geschuldeten
Bauleistungen zu erbringen und die Kläger berufen sich gerade darauf, dass sie den
Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ein
Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen ist, weil sie dann im
Beurkundungstermin Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der O.... GmbH
bekommen hätten. Die Belehrungspflicht des Notars über die im Grundbuch
vorhandenen Einträge dient jedoch nicht auch dazu, es dem Grundstückskäufer zu
ermöglichen, sich ein Bild über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
Grundstücksverkäufers zu machen. Vielmehr dient die Belehrungspflicht über die aus
dem Grundbuch ersichtlichen Belastungen nur dazu, dem Käufer die rechtliche
Tragweite vor Augen zu führen, die er mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages
eingeht. Sie soll deshalb nur verhindern, dass er nicht erkennt, dass aufgrund der
81
bestehenden Grundstücksbelastungen die Gefahr besteht, dass der Verkäufer den
versprochenen lastenfreien Eigentumserwerb wegen dieser bestehenden Belastungen
möglicherweise nicht wird erfüllen können.
Dass sich der Schutzzweck der Belehrungspflicht des Notars über bestehende
Grundstücksbelastungen hierin erschöpft, zeigt sich daran, wie diese Belehrungspflicht
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Notar näher
ausgestaltet und erfüllt werden muss: Danach besteht seine erste rechtliche
Belehrungspflicht darin, über die Folgen aufzuklären, die im Falle der
Leistungsunfähigkeit des durch eine Vorleistung Begünstigten eintreten (vgl. BGH WM
2004, 2028). Die zweite rechtliche Belehrungspflicht (vgl. BGH aa0) besteht darin, den
Vertragspartnern Wege aufzuzeigen, wie dieses Risiko, über das er zuvor belehrt hat,
vermieden werden kann. Beide Belehrungspflichten haben demnach nur den
Schutzzweck, den Vertragspartnern die Risiken aufzuzeigen, die sich aus den
bestehenden Grundstücksbelastungen ergeben können, und Wege aufzuzeigen, wie sie
sich vor diesen Risiken schützen können. Somit zielen beide Belehrungspflichten nur
darauf ab, zu verhindern, dass sich ein aus den Grundstücksbelastungen ergebendes
wirtschaftliches Risiko verwirklicht.
82
Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der
notariellen Belehrungspflicht. Diese Belehrungspflicht knüpft im Ausgangspunkt immer
an rechtliche Risiken an, die sich aus dem Wesen des Vertrages und der konkreten
rechtlichen Ausgestaltung des Vertrages ergeben, und sie dient dazu, zu verhindern,
dass ein Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrages ein rechtliches Risiko
eingeht, dessen Bestehen ihm möglicherweise nicht oder nicht vollständig bewusst
gewesen ist. Demgegenüber gehört es grundsätzlich nicht zu den Pflichten des Notars,
darüber zu belehren, ob er den Vertrag für wirtschaftlich sinnvoll erachtet, oder ob er die
Vertragsparteien als hinreichend leistungsfähig ansieht, die eingegangenen
Leistungsverpflichtungen auch erfüllen zu können. Mithin liegt das Risiko, sich durch
den Abschluss eines notariellen Vertrages an einen wirtschaftlich nicht leistungsfähigen
Vertragspartner zu binden, grundsätzlich außerhalb der rechtlichen Belehrungspflichten,
die dem Notar nach § 17 BeurkG obliegen.
83
II.
84
Der Einwand der Kläger, es habe sich im vorliegenden Fall das Risiko verwirklicht, dass
sie eine ungesicherte Vorleistung erbracht hätten, weil sie – veranlasst durch das
Schreiben des Beklagten vom 9. Dezember 2005 (Bl. 382/383 GA) – die erste
Kaufpreisrate am 20. Dezember 2005 auf das Notaranderkonto eingezahlt hätten,
obwohl zu diesem Zeitpunkt die Rate noch nicht fällig gewesen sei, insbesondere die
O.... GmbH noch nicht mit den Sanierungsarbeiten begonnen gehabt habe, rechtfertigt
keine andere rechtliche Beurteilung. Denn hierdurch haben sie keine ungesicherte
Vorleistung erbracht.
85
Der notarielle Kaufvertrag sah in Ziffer (6) vor, dass die erste Kaufpreisrate schon vor
Eintritt der Fälligkeit auf das Notaranderkonto eingezahlt werden musste, und zwar bis
zum 20. Dezember 2005, falls die Verkäuferin bis dahin die Sanierungsarbeiten bereits
begonnen hat, andernfalls war die Einzahlung mit Beginn der Sanierungsarbeiten
vorzunehmen. Genau dies hat der Beklagte den Klägern auch in seinem Schreiben vom
9. Dezember 2005 mitgeteilt. Wenn die Kläger trotz dieser vertraglichen Absprache und
der zutreffenden Wiederholung dieser Absprache im Schreiben vom 9. Dezember 2005
86
die erste Kaufpreisrate auf das Anderkonto eingezahlt haben, obwohl die O.... GmbH
noch nicht die Sanierungsarbeiten in Angriff genommen hatte, kann dies somit nicht zu
Lasten des Beklagten gehen.
Weil der Beklagte aufgrund der im Vertrag getroffenen Treuhandauflage verpflichtet war
(und sich hieran auch gehalten hat), über die Kaufpreisrate auf dem Anderkonto erst
dann zu verfügen, wenn der lastenfreie Eigentumserwerb der Kläger gesichert war, ist
es auch in der tatsächlichen Abwicklung der ersten Ratenzahlung nicht zu einer
ungesicherten Vorleistung der Kläger gekommen.
87
C.
88
Ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Kläger über die wirtschaftlichen
Schwierigkeiten der O.... GmbH zu belehren, wenn er gesicherte Erkenntnisse gehabt
hätte, dass diese Firma zum Zeitpunkt der Beurkundung insolvenzreif gewesen ist, aber
eine Insolvenzverschleppung betreibt, oder ob er in diesem Fall die Beurkundung hätte
ablehnen müssen, kann dahinstehen, weil die Kläger weder schlüssig dargetan haben,
dass die O.... GmbH zu diesem Zeitpunkt insolvenzreif gewesen ist, und sie erst recht
nicht beweisen können, dass der Beklagte um diese etwaige Insolvenzreife wusste.
89
Zum Zeitpunkt der Beurkundung lagen dem Beklagten zwar Informationen vor, aus
denen sich ergab, dass die O.... GmbH und ihre Minderheitsgesellschafterin sich quasi
in einem Dauerstreit befanden und die O.... GmbH praktisch die erste Kaufpreisrate der
Käufer benötigte, um das Darlehen der P... AG und den gestundeten Kaufpreis, den die
O.... GmbH an die Eheleute B. zu zahlen hatte, teilweise zu begleichen. Mithin blieben
aus diesen Zahlungen keine liquiden Mittel übrig, die die O.... GmbH zur Erfüllung ihrer
Bauverpflichtungen hätte einsetzen können. Hieraus mag sich für den Beklagten der
Verdacht ergeben haben, dass die Verwirklichung des Bauvorhabens sowohl durch den
Streit innerhalb der Gesellschaft als auch infolge finanzieller Engpässe der O.... GmbH
gefährdet sein könnte. Eine gesicherte Erkenntnis ließ sich hieraus indes nicht
gewinnen, weil der Beklagte keinen Einblick in die wirtschaftliche Situation der O....
GmbH hatte, so dass es aus seiner Sicht jedenfalls nicht ausgeschlossen war, dass ihr
ein Partner zur Seite stand, der die zu erbringenden Bauleistungen vorfinanzierte. Bei
dieser Ausgangslage gab es keine Verpflichtung des Beklagten, die Kläger auf diese
ihm bekannten Verdachtsmomente hinzuweisen, denn nach ständiger Rechtsprechung
des BGH (vgl. BGH WM 2004 2028; BGH RuS 1981, 34) ist der Notar nicht verpflichtet,
auf seine Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines
Vertragspartners hinzuweisen und gegebenenfalls den anderen Vertragspartner vom
Abschluss des Vertrages abzuhalten.
90
D.
91
Schließlich haben die Kläger auch nicht schlüssig dargetan, dass der Beklagte im
Rahmen der sogenannten erweiterten betreuenden Belehrungspflicht verpflichtet
gewesen wäre, sie darauf hinzuweisen, dass der abgeschlossene Vertrag das
wirtschaftliche Risiko beinhaltet, auf einer Bauruine sitzen zu bleiben, wenn die O....
GmbH mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht in der Lage sein wird, das
Bauvorhaben zu verwirklichen beziehungsweise fertig zu stellen.
92
Die gesonderte betreuende Belehrungspflicht des Notars tritt nur dann ein, wenn der
Notar aufgrund besonderer Umstände Anlass zu der Vermutung haben muss, es drohe
93
einem Beteiligten ein Schaden, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis der
Rechtslage oder von Sachumständen, welche die Bedeutung des beurkundeten
Rechtsgeschäfts für seine Vermögensverhältnisse beeinflussen, einer Gefährdung
dieser Interessen nicht bewusst ist. Der Notar muss diese besonderen Umstände aber
nicht ermitteln (BGH WM 1985, 523). Im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht einmal
dargetan, dass sie sich des wirtschaftlichen Risikos nicht bewusst gewesen sind, das
sich verwirklicht, wenn die O.... GmbH vor Fertigstellung des Bauvorhabens insolvent
wird.
E.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
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Mit Rücksicht darauf, dass der Bundesgerichtshof sich bislang – soweit ersichtlich –
noch nicht ausdrücklich mit der Frage auseinander gesetzt hat, ob die Belehrung über
bestehende Grundstücksbelastungen auch den Schutzzweck hat, dem Käufer das
wirtschaftliche Risiko einer etwaigen wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des
Verkäufers zu verdeutlichen, wird gemäß § 543 ZPO zu Gunsten der Kläger die
Revision zuzulassen.
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Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 185.000,- €.
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