Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.03.2003

OLG Düsseldorf: fahrzeug, brief, firma, zugesicherte eigenschaft, arglistige täuschung, halter, kaufpreis, rückgabe, kaufvertrag, tachometer

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 U 45/02
Datum:
12.03.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-3 U 45/02
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 8. Zivilkammer des
Landgerichts Duisburg vom 22. August 2002 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 8.804,45 EUR mit Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 06.06.2001 Zug um Zug
gegen Rückgabe des PKW Audi A 4 Avant, Typ B5 TDI, Fahrzeug-
Identitäts-Nr.: X zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des
Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.
Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 2/5, die
Beklagte 3/5.
Die Kläger tragen 2/5 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten, der
Beklagte trägt 3/5 der außergerichtlichen Kosten der Kläger. Im Übrigen
tragen die Partei-en ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Mit Kaufvertrag vom 23.09.1999 erwarben die Kläger von der Beklagten einen Audi A 4
Avant TDI zum Preis von 29.700 DM. In dem Vertrag heißt es unter Bezeichnung des
Fahrzeugs:
2
1. HD, EZ : 10.02.1997
3
Die Kläger erhielten bei der kurze Zeit später erfolgten Übergabe des Fahrzeugs einen
Fahrzeugbrief (in Kopie) mit der Nr. X1. Aus diesem Brief ging hervor, dass das
Fahrzeug am 10.02.1997 auf die Firma S. GmbH & Co. KG und am 05.08.1997 auf die
Firma S. GmbH jeweils mit dem Kennzeichen K. zugelassen und am 13.04.1999
stillgelegt war.
4
Im April 2001 erhielten die Kläger von der X-Bank ihren KFZ-Brief mit der Nr. X2..
Daraus ergab sich, dass das Fahrzeug am 04.10.1999 auf die Beklagte und am
gleichen Tage auf den klägerischen Ehemann zugelassen worden war, dass der Brief
auf Antrag an die Beklagte ausgegeben war und der bisherige Brief mit der Nr. X1
eingezogen wurde. Außerdem war angegeben: Anzahl Vorhalter: 2.
5
Das Fahrzeug wies am 17.11.1998 eine Fahrleistung von 136.216 km auf. Nach einer
Mitteilung der F.-Bank ist das Fahrzeug - zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt - mit
einem Kilometerstand von 161.554 an die Firma Auto K. in K. verkauft worden.
6
Die Beklagte hat das Fahrzeug nach ihren Angaben "im Jahre 1999" von W.B. aus
Essen erworben. Sie ließ das Fahrzeug am 14.05.1999 beim TÜV in Essen
untersuchen, dort wurde ein Kilometerstand von 64.563 abgelesen. Am 28.10.1999 wies
das Fahrzeug einen Kilometerstand von 66.100 auf.
7
Die Kläger haben mit der Behauptung, sie seien beim Kauf des Fahrzeugs durch die
Beklagte arglistig getäuscht worden, die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug
gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt und dazu vorgetragen, entgegen der Angabe
im Kaufvertrag habe es sich nicht um ein Fahrzeug aus erster Hand gehandelt, ferner
habe die Beklagte den wahren Kilometerstand des Fahrzeugs in arglistiger Weise
verschwiegen.
8
Die Kläger haben beantragt,
9
die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.185,37 EUR (29.700 DM) nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Rückgabe des
Fahrzeugs Audi A 4 Avant Typ B5 TDI, Fahrzeug-Nr. X zu zahlen.
10
Die Beklagte hat beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Sie hat eine arglistige Täuschung der Kläger in Abrede gestellt und angegeben, sie
habe das Fahrzeug mit der damals ausgewiesenen Kilometerleistung ohne weitere
Prüfung an die Kläger übergeben. Hinsichtlich der Voreintragung im KFZ-Brief sei sie
davon ausgegangen, dass es sich nur um einen Vorbesitzer gehandelt habe, da
lediglich die frühere GmbH & Co. KG in eine GmbH umgewandelt worden sei.
13
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kläger nicht arglistig getäuscht
worden seien.
14
Gegen das landgerichtliche Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung. Sie
wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und behaupten, der Beklagten sei bekannt
gewesen, dass das Fahrzeug bei dem Verkauf an sie, die Kläger, bereits einen
fehlerhaften Kilometerstand aufwies. Im Übrigen sei die Beklagte aufgrund der Anzahl
der ihr bekannten Vorbesitzer verpflichtet gewesen, das Fahrzeug daraufhin zu
überprüfen, ob die angegebenen Kilometerzahlen auf dem Tachometer mit den
tatsächlich gefahrenen Kilometern übereinstimmten. Sie geben den Kilometerstand des
Fahrzeugs am 19.02.2003 mit 142.500 an.
15
Die Kläger beantragen,
16
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 22.08.2002 die
Beklagte zu verurteilen, an sie, die Kläger, 15.185,37 EUR nebst 5 % Zinsen hier
aus über Basiszinssatz ab dem 06.06.2001 Zug um Zug gegen Rückgabe des
PKW Audi A 4 Avenat, Typ B5 TDI, Fahrzeug-Ident.-Nr. X, zu zahlen;
17
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges im
Verzug befindet;
18
3. die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen;
19
4. im Unterliegensfalle es ihnen zu gestatten, Sicherheit durch Vorlage einer Bank-
oder Sparkassenbürgschaft zu leisten;
20
5. die Revision zuzulassen.
21
Die Beklagte beantragt,
22
die Berufung zurückzuweisen.
23
Sie wendet ein, abgesehen davon, dass die Kläger aufgrund des ihnen vorgelegten
Briefes die Anzahl der Vorbesitzer hätten erkennen können, stamme das Fahrzeug auch
tatsächlich aus erster Hand. Bei dem Verkäufer B. handele es sich um einen
Zwischenhändler, der nicht in dem Fahrzeugbrief eingetragen worden sei, von wem
dieser das Fahrzeug erworben habe, wisse sie nicht. Auch von evtl. vorgenommenen
Manipulationen am Tachometer habe sie keine Kenntnis gehabt.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.
25
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26
Die zulässige Berufung der Kläger hat teilweise Erfolg. Die Kläger verlangen zu Recht
gemäß §§ 462, 463 Satz 2 BGB a.F. Zug um Zug gegen Rückgabe des verkauften PKW
Audi A 4 Avant Rückzahlung des gezahlten Kaufpreise, der allerdings um den Wert der
von ihnen erlangten Gebrauchsvorteile gemindert werden muss. Dabei kann
dahinstehen, ob die Beklagte beim Verkauf des Fahrzeugs an die Kläger Mängel des
Fahrzeugs arglistig verschwiegen hat, denn jedenfalls fehlte dem verkaufen Fahrzeug
eine zugesicherte Eigenschaft.
27
1. Die von der Beklagten im schriftlichen Kaufvertrag vom 23.09.1999 abgegebene
Erklärung, das Fahrzeug stamme aus "1. Hand (1. Hd.)", war falsch.
28
a) Ob die Angabe der Beklagten "1. Hd." schon deshalb unrichtig war, weil als Halter
des Fahrzeugs ausweislich des KFZ-Briefs bereits zwei verschiedene Rechtsträger,
nämlich zunächst die Firma S. GmbH & Co. KG und sodann die Firma S. GmbH
eingetragen war, oder ob man angesichts der bloß "firmenrechtlichen" Änderung der
Haltereigenschaft darin lediglich "nominell" zwei verschiedene Halter sieht, kann offen
bleiben, denn diese Eintragung war den Klägern beim Vertragsabschluss bekannt, so
dass die Angabe im Kaufvertrag "1. Hand" für sie insoweit keine unrichtige Zusicherung
darstellen konnte, zumal in der bloß firmenrechtlichen Änderung nicht unbedingt ein
29
wertbildender Faktor im Hinblick auf das Fahrzeug gesehen werden kann.
b) Anders verhält es sich jedoch damit, dass das Fahrzeug nach der Stilllegung durch
den zuletzt im KFZ-Brief eingetragenen Halter mehrfach den Besitzer (oder auch den
Eigentümer) gewechselt hat.
30
Laut Auskunft der F.-Kreditbank ist das Fahrzeug mit einer Fahrleistung von mehr als
160.000 km an die Firma Auto K. in K. verkauft worden. Die Beklagte selbst hat das
Fahrzeug auch nicht von einem im KFZ-Brief eingetragenen Vorbesitzer, sondern von
dem als Zeugen benannten W. B., den sie als "Zwischenhändler" bezeichnet hat,
erworben. Auch wenn dieser Eigentümerwechsel sich nicht in dem KFZ-Brief
niedergeschlagen hat, ist doch die Tatsache, dass jeweils der unmittelbare Besitz auf
andere Personen übergegangen war, für den letzten Erwerber eines Fahrzeugs von
wesentlicher Bedeutung. Allein auf die Haltereigenschaft abzustellen, wird der
Bedeutung der Angabe 1. Hand für den Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeuges
nicht gerecht. Er verbindet mit der Angabe aus "1. Hand" nämlich die - verlässliche -
Zusicherung des Verkäufers, dass das Fahrzeug gerade nicht durch mehrere "Hände"
gegangen ist. Für ihn und seine Kaufentscheidung ist es in Bezug auf Kaufpreis und
Beschaffenheit des Fahrzeugs wichtig zu wissen, durch welche und durch wieviele
Hände das Fahrzeug bis zu dem von ihm beabsichtigten Erwerb gegangen ist. Für den
potentiellen Käufer kommt es darauf an, ob er davon ausgehen kann, dass das
Fahrzeug - auch wenn es möglicherweise von anderen Personen wie z. B.
Familienangehörigen oder bei Eintragung einer Firma von Firmenangehörigen benutzt
worden ist - bei der anschließenden Weiterveräußerung jedenfalls noch im
Verantwortungsbereich desjenigen war, der als letzter im KFZ-Brief eingetragen ist.
31
Ist - wie hier - das Fahrzeug innerhalb kurzer Zeit mehrfach veräußert worden, so ist es
von wesentlicher Bedeutung für den Erwerber, dass sein Verkäufer ihn hierüber in
Kenntnis setzt oder aber zumindest davon unterrichtet, dass er das Fahrzeug nicht von
dem zuletzt im Kraftfahrzeugbrief eingetragenen Halter erworben hat. Abgesehen
davon, dass ein mehrfacher Verkauf sich letztlich auch auf den Kaufpreis, den der letzte
Erwerber bezahlen muss, auswirkt, ist auch die Gefahr, dass an dem Fahrzeug
Manipulationen vorgenommen werden, bei mehrfachen schnellen Eigentumswechseln
als erheblich höher einzustufen, als bei einem Erwerb von dem zuletzt im
Kraftfahrzeugbrief eingetragenen Halter, weil der letzte Erwerber von den zahlreichen
"Zwischenverkäufen" keine Kenntnis hat und sein Verkäufer sich lediglich darauf beruft,
er sei von der Richtigkeit z. B. der angegebenen Kilometerleistung ausgegangen.
32
Unterläßt es der gewerbsmäßig mit gebrauchten Kraftfahrzeugen handelnde
"Automobilfachbetrieb" sich zu erkundigen bzw. zu vergewissern, ob derjenige, von dem
er das Auto erworben hat, das Fahrzeug seinerseits von dem zuletzt im Brief
eingetragenen oder von einer weiteren "Zwischenhändler" gekauft hat, so verbietet es
die Redlichkeit, beim Weiterverkauf dieses Fahrzeugs anzugeben, das Fahrzeug
stamme "aus 1. Hand".
33
c) Die Gebrauchsvorteile, welche die Kläger durch die Benutzung des Fahrzeugs
erlangt haben, bemessen sich auf insgesamt 6.380,92 EUR (= 12.480 DM).
34
Die Kläger haben mit dem Fahrzeug bis zum 19.02.2003 rund 76.400 km zurückgelegt.
Nach ihren Angaben im Verhandlungstermin betrug der Kilometerstand an diesem Tag
rund 142.500. Zweifel an dieser Angabe der Kläger bestehen nicht, denn nach der
35
vorliegenden Auftragsbestätigung der Firma K. vom 21.01.2003 wurde am 21.01.2003
ein Kilometerstand von 142.039 abgelesen.
Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages wird die dem Verkäufer zu erstattenden
Nutzungsentschädigung nach unterschiedlichen Kriterien berechnet. Teilweise wird sie
- ausgehend von einer durchschnittlichen Gesamtfahrleitstung von 150.000 km - mit 0,67
% des Bruttokaufpreises pro tausend Kilometer Laufleistung errechnet (vgl. OLG Hamm
in OLGR Hamm 1993, 333; OLG Köln in DAR 1993, 349; OLG Koblenz in NJW-RR
1997, 431; OLG Rostock in DAR 1995, 277). Bei Fahrzeugen der Oberklasse und bei
Dieselfahrzeugen, bei denen eine durchschnittliche Gesamtfahrleistung von mindestens
200.000 km zugrunde gelegt wird geht die Rechtsprechung teilweise von einer
Berechnung von 0,5 % des Bruttokaufpreises pro 1000 km Fahrleistung oder auch
pauschal von 0,15 DM pro gefahrenem Kilometer aus (vgl. OLG Stuttgart in DAR 1998,
393; OLG Celle in DAR 1995, 404; OLG Düsseldorf in NJW-RR 1999, 278; OLG
Dresden in DAR 1999, 68, 69).
36
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht der Senat hier von einer
durchschnittlichen Gesamtfahrleistung eines Audi A 4 TDI von rund 250.000 km und von
der im Grundsatz allgemein angewendeten Formel:
37
Kaufpreis: Restlaufleistung in Kilometern (zu erwartende Gesamtfahrleistung
abzüglich Kilometerstand zur Zeit des Kaufs) x gefahrene Kilometer
38
aus. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Käufer hier von einer unrichtigen
Laufleistung des Fahrzeugs bei Vertragsschluss angesichts der vorgenommenen
Manipulation am Tachometer ausgegangen sind.
39
Der Kaufpreis von 29.700 DM war bemessen nach einem Kilometerstand von rund
66.000 DM. Legt man diesen Kilometerstand der Berechnung zugrunde, so muss
andererseits die Restlaufleistung auch nach dem diesem Preis zugrunde liegenden
Kilometerstand berechnet werden und die - tatsächliche - Laufleistung von rund 160.000
km im Zeitpunkt des Verkaufs außer Betracht bleiben, weil ansonsten die Käufer des
Fahrzeugs unangemessen benachteiligt würden, weil sie einen dem Marktwert des
Fahrzeugs erheblich übersteigenden Kaufpreis gezahlt haben und zudem eine infolge
der unrichtigen Kilometerangabe im Zeitpunkt des Verkaufs erheblich niedrigere
Restlaufleistung in Kauf nehmen müssten (vgl. dazu OLG Düsseldorf in NJW-RR 1999,
278).
40
Würde man der Berechnung die - tatsächliche - Laufleistung von rund 160.000 km im
Zeitpunkt des Verkaufs und damit eine Restlaufzeit von nur 90.000 km zugrundelegen,
ergäbe sich eine anzurechnende Nutzungsentschädigung von rund 25.200 DM = 0,33
DM pro gefahrenen Kilometer.
41
Errechnet man die Nutzungsentschädigung mit 0,67 % des Bruttokaufpreises pro 1000
km Fahrleistung, ergäbe sich eine Nutzungsentschädigung von rund 15.202 DM.
42
Unter diesen Umständen hält der Senat eine Bewertung der Nutzungsentschädigung
gemäß § 287 Abs. 2 ZPO mit rund 12.480 DM für angemessen. Dies entspricht einem
Betrag von 0,55 % des Kaufpreises pro gefahrene tausend Kilometer (29.700 x 0,55 % x
76.400) oder rund 0,16 DM pro Kilometer.
43
2. Auf Antrag der Kläger war auszusprechen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme
des Fahrzeugs in Verzug befindet.
44
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
45
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
46
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.
47