Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.04.2000

OLG Düsseldorf: einstweilige verfügung, unbeteiligter dritter, gewerkschaft, begriff, zitat, beitrag, werbung, unternehmen, ermittlungsverfahren, beweislastumkehr

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 198/99
Datum:
19.04.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 198/99
Tenor:
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 6. Oktober 1999
verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
teilweise abgeändert.
Die einstweilige Verfügung - Beschluß vom 28. Juli 1999 - wird bestätigt,
soweit dem Antragsteller unter-sagt worden ist,
wörtlich oder sinngemäß die Behauptungen aufzustellen und/oder zu
verbreiten, mehrere Staatsanwälte ermittel-ten gegen die P.-
Gewerkschaft, bei dem Landgericht Düs-seldorf sei ein Verfahren
anhängig: es solle verboten werden, mit dem Begriff ´P.gewerkschaft´ zu
werben.
Von den Kosten des Eilverfahrens hat die Antragstelle-rin 80 % und hat
der Antragsgegner 20 % zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
Die zulässige Berufung der Antragstellerin, die sich nach der - zulässigen und
wirksamen (vgl. BGH NJW RR 1993, 1470) - Rücknahme der übrigen Anträge auf einen
Teil des ursprünglichen Antrags zu c) beschränkt, hat auch in der Sache Erfolg. Die
einstweilige Verfügung - Beschluß vom 28. Juli 1999 - war zu bestätigen, soweit dem
Antragsgegner untersagt worden war, zu behaupten, mehrere Staatsanwälte ermittelten
gegen die Antragstellerin und bei dem Landgericht Düsseldorf sei ein Verfahren
anhängig: es solle verboten werden, mit dem Begriff ´P.-gewerkschaft´ zu werben, denn
dieses Zitat des Antragsgegners aus der Abmoderation des ZDF enthält unwahre und
ehrenrührige Tatsachenbehauptungen über die Antragstellerin. Im Einzelnen:
2
1.
um die Zulässigkeit von (identischen) Äußerungen des Vorsitzenden des
Antragsgegners auf der homepage sowie in einer gedruckten Publikation des
Antragsgegners (vgl. GA 20). Das Landgericht hat die beantragte einstweilige
Verfügung im Beschlusswege erlassen (GA 12 ff), auf den Widerspruch des
Antragsgegners aber die drei Eilanträge in vollem Umfang abgewiesen (GA 116 ff).
3
Dagegen richtet sich die - aufgrund der Antragsrücknahme vom 23. März 2000 (GA 185)
stark beschränkte - Berufung der Antragstellerin, die nur noch die Untersagung der
Behauptung erstrebt, mehrere Staatsanwälte ermittelten gegen die Antragstellerin und
bei dem Landgericht Düsseldorf sei ein Verfahren anhängig: es solle verboten werden,
mit dem Begriff ´P.-ge werkschaft´ zu werben.
2.1.
Gewerkschaft im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG einem e.V. gleich gestellt (vgl. Palandt,
58. A, § 54 BGB Rzf. 1) und damit grundsätzlich für den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch aktivlegitimiert. Die auf die - hier ersichtlich nicht einschlägige -
Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 GG gestützten Angriffe des Antragsgegners unter I 1 der
Berufungserwiderung stehen dem nicht entgegen. Dass auch nicht-natürliche Personen
wie Gewerkschaften ein allgemeines Persönlichkeitsrecht haben und in ihrer Ehre
verletzt werden können, ist seit langem anerkannt. Der Antragsgegner, ein e.V., ist auch
passivlegitimiert. Die angegriffenen Äußerungen finden sich zwar in einem von einer
dritten (natürlichen) Person namentlich gekennzeichneten Beitrag, dieser Beitrag ist
jedoch auf der homepage des Antragsgegners und im "Landesjournal" des
Antragsgegners veröffentlicht worden. Überdies ist der Verfasser unstreitig der
Vorsitzende des Antragsgegners. Gegen die Dringlichkeit und damit gegen die
Zulässigkeit des Eilverfahrens bestehen ebenfalls keine Bedenken. Der Antragstellerin
kann die ältere Verbreitung der angegriffenen Äußerungen durch das ZDF im Verhältnis
zum Antragsgegner, der damit "nachgezogen" hat, nicht entgegen gehalten werden.
4
2.2.
Antragstellerin und beim Landgericht Düsseldorf sei ein Verfahren mit dem Ziel
anhängig, der Antragstellerin zu verbieten, mit dem Begriff "P.gewerkschaft" zu werben,
ist der Unterlassungsantrag begründet (§ 823 Abs. 2, § 1004 BGB, § 186 StGB), denn
das entsprechende Zitat des Antragsgegners aus der Abmoderation der Sendung des
ZDF enthielt unwahre und ehrenrührige Tatsachenbehauptungen über die
Antragstellerin.
5
Da die Frage, ob mit dem Begriff "P." in rechtlich bedenklicher Weise Anzeigen
eingeworben werden dürfen, als eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage
angesehen werden kann und es sich überdies bei den angegriffenen Äußerungen um
Presseverlautbarungen handelte, finden vorliegend die Grundsätze des
Bundesverfassungsgerichts Anwendung, die das Landgericht in zutreffender Weise
seinen Entscheidungsgründen vorangestellt hat (vgl. auch BVerfG NJW 1999, 2358 f).
Für Tatsachenbehauptungen gilt der Grundsatz, dass im Zweifel das Recht der freien
Rede überwiegt, danach nur eingeschränkt; erwiesen falsche oder bewusst unwahre
Tatsachenbehauptungen sind regelmäßig durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit
nicht mehr gedeckt (BVerfG NJW 1992, 1439, 1441). Bei den zitierten angegriffenen
Aussagen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, denn ob - und gegebenenfalls
wieviele - Staatsanwälte gegen die Antragstellerin ermitteln und ob bei dem Landgericht
Düsseldorf ein Verfahren anhängig ist, durch das der Antragstellerin verboten werden
soll, mit "P.ge- werkschaft" zu werben, ist der sachlichen Klärung als richtig oder falsch
zugänglich. Der Antragsgegner hat sich diese Behauptungen, obwohl der Artikel
wiederholt auf die ZDF-Sendung Bezug nimmt und aus ihr zitiert, im maßgeblichen
Gesamtkontext erkennbar zu eigen gemacht (denn für die GdP steht fest ..., der
Innenminister ist gefordert ... usw.). Deshalb kann er sich nicht darauf berufen, zur
eigenen Recherche nicht verpflichtet zu sein, wie dies z.B. bei Presseberichten über
Mitteilungen anderer seriöser Nachrichtenagenturen oder Verlautbarungen von
6
Behörden anerkannt ist. Das gilt um so mehr, als sich der Antragsgegner nicht als
unbeteiligter Dritter an die Öffentlichkeit gewandt, sondern die Antragstellerin als
"befangener Konkurrent" schwerwiegend belastet hat, obgleich ihm eine Recherche
durch Rückfrage bei der Staatsanwaltschaft oder dem Landgericht unschwer möglich
war.
Der Antragsgegner muss deshalb die Richtigkeit dieser Behauptungen darlegen (und
ggf. beweisen), denn die ansonsten auf § 193 StGB gestützte Beweislastumkehr kann
hier keine Anwendung finden, weil der Antragsgegner jedenfalls in diesem Punkt nicht
hinreichend sorgfältig recherchiert hat. Der Antragsgegner hat zum Beleg der Richtigkeit
seiner Behauptung zwar erstinstanzlich sechs Js-Az. genannt (vgl. GA 84), den Vortrag
der Antragstellerin, diese Ermittlungsverfahren beträfen nicht sie selbst, sondern
allenfalls die werbenden Unternehmen bzw. deren Mitarbeiter (GA 98), dann aber mit
der unkonkreten Formulierung, die Antragstellerin sei von den sechs Verfahren doch
"betroffen", lediglich bestritten (GA 101). In der Berufungserwiderung spricht der
Antragsgegner sogar nur noch davon, dass die genannten Aktenzeichen Verfahren
beträfen, "die im Zusammenhang mit der Anzeigenwerbung geführt werden" (GA 181).
Das allein kann die Behauptung über die Antragstellerin, gegen sie ermittelten mehrere
Staatsanwälte, nicht rechtfertigen. Dass gegen die Antragstellerin beim Landgericht
Düsseldorf ein Verfahren anhängig oder auch nur anhängig gewesen sei mit dem Ziel,
der Antragstellerin die Werbung mit der Bezeichnung "P.-Gewerkschaft" zu verbieten,
zweifellos ebenfalls eine Tatsache, behauptet der Antragsgegner in der
Berufungserwiderung selbst nicht mehr, denn er trägt zu diesem Punkt überhaupt nicht
mehr vor. Diese Tatsachenbehauptung ist überdies unstreitig unzutreffend, weil die
Antragstellerin in dem Verfahren, auf das sich diese Äußerung unstreitig bezieht,
teilweise rechtskräftig obsiegt hat (Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vom 21.01.1999 im Anlagenband): soweit es um die Unterlassung der
Bezeichnung der Antragstellerin als P.-gewerkschaft ging, wurde eine
Unterlassungsklage des Verlages D. P. GmbH abgewiesen. Auch die diesbezügliche
Tatsachenbehauptung war also schlecht recherchiert und unzutreffend und ist vom
Antragsgegner künftig zu unterlassen.
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 (entsprechend) ZPO.
Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es bei dem vorliegenden
Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht, weil ein Rechtsmittel gegen
dieses Urteil nicht gegeben ist (§ 545 Abs. 2 ZPO). Wegen des Charakters des
Verfahrens als Eilverfahren verbot sich auch die vom Antragsgegner nach Schluss der
mündlichen Verhandlung beantragte Wiedereröffnung (GA 187), zumal der nicht
nachgelassene Vortrag bezüglich des noch streitgegenständlichen Antrags nicht
entscheidungserheblich ist.
8