Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.07.2003

OLG Düsseldorf: negative feststellungsklage, aufrechnung, fälligkeit, anschlussberufung, agb, verkäuferin, widerklage, wand, abnahme, rate

Oberlandesgericht Düsseldorf, 23 U 78/02
Datum:
25.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 U 78/02
Leitsätze:
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.7.2003 (23 U 78/02)
Leitsätze:
1. Die folgende, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene
Klausel ist nach § 11 Nr. 5 b) AGBG a. F. unwirksam:
"Rückständige Raten sind ab Fälligkeit - vorbehaltlich weiterer
Ansprüche der Verkäu-ferin - mit 10 % p. a. zu verzinsen."
2. Das AGB-Gesetz ist mit Blick auf die Klauselrichtlinie der EG
richtlinienkonform auszulegen. § 24a AGBG a. F. ist deshalb bereits auf
Vertragsverhältnisse anzu-wenden, die vor In-Kraft-Treten dieser
Vorschrift, aber nach dem 31.12.1994 ab-geschlossen wurden.
3. Balkone einer Eigentumswohnung sind auch hinsichtlich der
Anlegung eines ordnungsgemäßen Gefälles Gegenstand des
Gemeinschaftseigentums, § 5 Abs. 2 WEG.
4. Der Annahmeverzug des Gläubigers beseitigt sein
Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB nicht, sondern gibt dem anderen
Teil nach § 322 Abs. 3, § 274 Abs. 2 BGB nur die Befugnis, aus dem
Urteil ohne Bewirkung der eigenen Leistung die Zwangsvollstreckung zu
betreiben.
5. Das Zurückbehaltungsrecht aus §§ 320, 641 Abs. 3 BGB schließt
einen Schuld-ner-verzug ebenso aus wie die Möglichkeit, mit Erfolg
Prozess- oder Fälligkeitszin-sen geltend zu machen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten und auf die Anschlussberufung der
Klägerin wird das am 5. April 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin
der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve unter Zurückweisung der
weitergehenden Rechtsmittel teilweise geändert und wie folgt neu ge-
fasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.143,69 EUR auf das
Konto der Klägerin bei der VR Volks- und Raiffeisenbank e. G. M....,
Konto-Nr. .............. zu zahlen, Zug um Zug gegen Beseitigung der
Mängel an den beiden Balkonen der Wohnungen Nr. 1 und 6 im Haus
der Klägerin U......Str., 47441 M...., die in dem nicht ausrei-chenden
Gefälle der Balkonoberflächen und in dem nicht ordnungs-gemäßen
Einbau der Bodensenken als Abflüsse in Höhe des Flie-senbelages
bestehen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz
eines Mietausfallschadens für die Zeit vom 1.1.1998 bis zum 31.3.1998
hat.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 44
% und die Beklagte zu 56 %. Die Kosten des Berufungsverfah-rens
tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten und die ebenfalls zulässige Anschlussberufung
der Klägerin haben jeweils zum Teil Erfolg. Die Beklagte schuldet der Klägerin noch die
Zahlung von 9.143,69 EUR Restwerklohn, Zug um Zug gegen Beseitigung der noch
bestehenden Mängel an den beiden Balkonen ihrer Wohnungen. Dabei ist Gegenstand
des Berufungsverfahrens nur noch die Entscheidung des Landgerichts zu den
Klageanträgen zu 1. und 2., der Ausspruch zu 3. (negative Feststellungsklage
hinsichtlich der Verpflichtung der Klägerin, einen Mietausfallschaden der Beklagten zu
ersetzen) ist von der Beklagten mit der Berufung nicht angefochten.
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Soweit es auf die Anwendung von Vorschriften des bürgerlichen Rechts ankommt, ist
das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
3
I.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 599,59 EUR. Bei
diesem Betrag handelt es sich um ausgerechnete Zinsen in Höhe von 10 % auf die
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jeweils 5. Rate der beiden Verträge vom 19.3.1996 und 15.4.1997 für die Zeit vom 1.1.
bis zum 30.3.1998. Das Landgericht hat einen Anspruch aus § 5 der jeweiligen Verträge
angenommen, allerdings - wie die Beklagte mit der Berufung zutreffend rügt - zu
Unrecht.
1. Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob die vertraglichen Voraussetzungen des
Zinsanspruchs vorliegen. § 5 der Verträge bestimmt, dass rückständige Raten ab
Fälligkeit mit 10 % p.a. zu verzinsen sind. Nach derselben Vertragsbestimmung ist
Voraussetzung der Fälligkeit der 5. Rate die "Bezugsfertigkeit und Besitzübergabe". Die
Voraussetzungen, die § 13 der Verträge für die "Berechtigung" der Verkäuferin aufstellt,
die Bezugsfertigkeit "zu erklären", waren für den hier maßgeblichen Zeitraum vom
1.1.1998 bis zum 31.3.1998 aber unstreitig nicht erfüllt. Dazu gehört nämlich ein
"Gebrauchsabnahmeschein bzw. Benutzbarkeitsbescheinigung". Ob man aus dem
tatsächlichen Einzug etwas anderes folgern, also die Bezugsfertigkeit annehmen kann,
ist nicht ganz zweifelsfrei. Jedenfalls ist allerdings eine Fälligkeit der 5. Rate nicht mehr
mangels Vorliegens der Fälligkeitsvoraussetzungen des § 5 der Verträge ab dem
Zeitpunkt verneinen, in dem das Gesamtbauwerk abgenommen wurde. Die Abnahme
fand unstreitig am 23.3.1998 statt, so dass jedenfalls für die Tage vom 23.3. bis
30.3.1998 ein Zinsanspruch in Betracht käme.
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2. Weitere Einzelheiten hierzu können aber offen bleiben, weil die fragliche
Vertragsklausel nach § 11 Nr. 5 b) AGBG unwirksam ist, wie die Berufungsbegründung
zu Recht geltend macht. Die Klausel lautet nämlich:
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"Rückständige Raten sind ab Fälligkeit - vorbehaltlich weiterer Ansprüche der
Verkäuferin - mit 10 % p. a. zu verzinsen."
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Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt dies die Vereinbarung eines pauschalierten
Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz im Sinne des § 11 Nr. 5 b) AGBG dar.
Sie erfasst nämlich auch den Zinsschaden, den die Klägerin - über § 641 Abs. 4, § 246
BGB hinausgehend - sonst nur aus § 286 Abs. 1 BGB verlangen könnte.
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Offen bleiben kann, ob auch dem Umstand, dass die Verzinsungspflicht an die Fälligkeit
und nicht an den Verzug geknüpft wird, eine Bedeutung für die Beurteilung der
Wirksamkeit der Klausel nach § 9 AGBG beizumessen ist. Immerhin sieht die Klausel
damit Fälligkeitszinsen abweichend von § 641 Abs. 4 BGB auch für einen Zeitraum vor
Abnahme vor. Jedenfalls erweckt die Klausel den Anschein, dass der Beklagten der
Nachweis abgeschnitten werden soll, ein Schaden sei nicht oder in geringerer Höhe
entstanden. Anders als nach dem hier noch nicht anwendbaren § 309 Nr. 5 b) BGB n. F.
muss eine entsprechende, den Schaden pauschalierende Klausel zwar nach
bisherigem Recht nicht ausdrücklich den Nachweis eines geringeren Schadens
gestatten (BGH NJW 1985, 320, 321). Es genügt aber, dass die Klausel für den
rechtsungewandten Kunden den Eindruck einer endgültigen, einen Gegenbeweis
ausschließenden Festlegung erweckt (BGH a.a.O.). Das ist hier wegen der
Formulierung "sind ... zu verzinsen" im Zusammenhang mit dem Zusatz "vorbehaltlich
weiterer Ansprüche der Verkäuferin" der Fall. Dadurch wird der Eindruck erweckt, dass
lediglich weitergehende Ansprüche der Verkäuferin, nicht aber eine
Anspruchsminderung durch den Nachweis eines geringeren Zinsschadens möglich sein
soll.
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Die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes scheitert auch nicht daran, dass die Klausel sich
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in einem notariellen Vertrag befindet. Freilich kann in diesen Fällen zweifelhaft sein, ob
eine Vertragspartei die Vertragsklausel einseitig "gestellt" hat und ob letztere für eine
Vielzahl von Verträgen bestimmt ist im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG. Das steht der
Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes aber hier gemäß § 24a Nr. 1 AGBG nicht entgegen.
a) § 24a AGBG ist im vorliegenden Fall anwendbar, obwohl die Vorschrift erst mit
Wirkung vom 25.7.1996 in das AGB-Gesetz eingefügt wurde. Damit gilt die Vorschrift
unmittelbar an sich hier nur für den Vertrag vom 15.4.1997, nicht aber für den Vertrag
vom 19.3.1996. Die Bestimmung beruht indes auf der Klauselrichtlinie der EG, die von
Deutschland eigentlich bereits zum 1.1.1995 in nationales Recht hätte umgesetzt
werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist das AGBG auch schon für die Zeit vor Juli
1996 richtlinienkonform auszulegen (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, § 24a
AGBG Rdnr. 3). Die Vorschriften der Richtlinie sind auch schon vor der Umsetzung in
deutsches Recht zu beachten. § 24a AGBG ist deshalb auch auf Vertragsverhältnisse
anzuwenden, die vor In-Kraft-Treten dieser Vorschrift, aber nach dem 31. 12. 1994
abgeschlossen wurden (OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2000, 1367; s. auch OLG
Düsseldorf NJW-RR 1997, 372).
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b) Im übrigen liegen die Voraussetzungen des § 24a AGBG vor. Die Klägerin als
Bauträgerin ist Unternehmerin, weil der Abschluss der Kaufverträge über die von ihr
erstellten Eigentumswohnungen zu ihrer gewerblichen Tätigkeit gehören, § 24a AGBG,
jetzt § 14 BGB. Anhaltspunkte dafür, dass dies auch für die Beklagte gelten könnte, sind
nicht erkennbar. Sie hat jedenfalls eine der Wohnungen offenbar an ihren Mann
vermietet, der dort ein Gewerbe betreibt. Dass der Kauf von Wohnungen zum Zwecke
der Weitervermietung zur selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit der
Beklagten gehört, folgt daraus aber nicht.
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c) Die von dem Notar entworfenen Klauseln gelten nach § 24a AGBG als von der
Klägerin als Unternehmerin gestellt, weil sie nicht von der Beklagten als Verbraucherin
in den Vertrag eingeführt wurden. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer
Individualvereinbarung sind nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob die Klauseln über den
Einzelfall hinaus für eine Vielzahl von Verträgen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG) bestimmt
waren, kommt es nach § 24a Nr. 2 AGBG nicht an.
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II.
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Im übrigen hat die Klägerin noch einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der
vereinbarten Vergütung in Höhe von 9.143,69 EUR. Insoweit hat die Anschlussberufung
der Klägerin in Höhe von 36,08 EUR Erfolg.
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Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass sich die Restwerklohnforderung der
Klägerin errechnet aus den ausstehenden Raten in Höhe von insgesamt 10.151,96
EUR abzüglich der Kosten für die Beseitigung eines Setzrisses an einer Innenwand der
Wohnung Nr. 1. Die Parteien haben unstreitig die Vereinbarung getroffen, dass die
Beklagte den Riss beseitigen lassen und der Klägerin in Rechnung stellen kann. Für die
Beseitigung des Risses sind Kosten von insgesamt 1.008,27 EUR anzusetzen. Dieser
Betrag ergibt sich aus einer Verdoppelung der Kosten von 986,-- DM brutto, die für die
Beseitigung des Risses auf der einen Seite der Wand tatsächlich anfielen. Als von der
Restforderung der Klägerin abzuziehender Gesamtbetrag ergibt sich 986,-- DM x 2 =
1.972,-- DM = 1.008,27 EUR.
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Die Beklagte hat nämlich den Riss, der auf beiden Seiten der Wand sichtbar und zu
beseitigen ist, bislang nur von einer Seite beseitigen lassen. Dafür hat ihr die Fa. v......
am 22.11.1998 insgesamt 986,-- DM brutto in Rechnung gestellt. Diesen Betrag kann
die Beklagte deshalb nach der getroffenen Vereinbarung von der
Restwerklohnforderung abziehen. Soweit die Parteien sich in der Berufungsinstanz
noch um die Richtigkeit früherer Kostenvoranschläge der Firmen K.... und v...... streiten,
kann dies jedenfalls insoweit nicht maßgeblich sein, als die Arbeiten tatsächlich
ausgeführt wurden. Substantiierte Einwendungen der Klägerin gegen die Rechnung
vom 22.11.1998 sind nicht erkennbar; sie trägt in der Anschlussberufungsbegründung
nur vor, die Rechnung sei überhöht, bezieht sich zur Begründung jedoch allein auf den
Kostenvoranschlag der Firma, der indes nach der tatsächlichen Ausführung der Arbeiten
überholt ist. Die Rechnung ist tatsächlich auch niedriger als die Hälfte des
Kostenvoranschlages.
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Hinsichtlich der noch ausstehenden Arbeiten zur Beseitigung des Setzrisses besteht
zwischen den Parteien kein Streit, dass nach dem Inhalt der Vereinbarung die Beklagte
auch insoweit bereits jetzt, also vor Ausführung der Arbeiten zum Abzug von der
Forderung der Klägerin berechtigt ist. Die Höhe dieser Kosten schätzt der Senat auf den
Betrag (986,-- DM brutto), den die Klägerin bereits für die Beseitigung desselben Risses
auf der anderen Seite der Wand aufzuwenden hatte.
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III.
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Diese restliche Werklohnforderung der Klägerin über 9.143,69 EUR ist nicht in Höhe
von 1.393,12 EUR (= 2.724,70 DM) durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen.
Die Beklagte meint, das Landgericht habe zu Unrecht eine erstinstanzlich erklärte
Aufrechnung nicht berücksichtigt. Dies betrifft einen angeblichen
Schadensersatzanspruch der Beklagten auf Erstattung der Kosten für den von ihr
beauftragten Privatgutachter G......
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Das Landgericht hat eine Aufrechnung indes entgegen der Auffassung der Beklagten zu
Recht nicht berücksichtigt, weil es an einer Aufrechnungserklärung der Beklagten fehlte.
Die Beklagte bezieht sich in der Berufungsbegründung auf ihren erstinstanzlichen
Schriftsatz vom 11.8.1999 (Bl. 61 GA) und im besonderen auf die Bl. 64 GA enthaltenen
Ausführungen. Dort ist bezogen auf den Schadensersatzanspruch aber ausschließlich
die Erhebung einer Widerklage angekündigt. Auch soweit es am Ende des Schriftsatzes
heißt, die Beklagte "stelle" die "vorstehend dargelegten Gegenforderungen ... gegen die
Klageforderung", kann eine Aufrechnung nicht angenommen werden. Auch wenn man
die Äußerung, eine Forderung "gegen" eine andere zu "stellen", als
Aufrechnungserklärung auslegen wollte, so kann sich dies nicht auf die
Schadensersatzforderung betr. die Tätigkeit G..... beziehen. Andernfalls wäre zum einen
der bloße Hinweis darauf, dass die Beklagte diese Ansprüche geltend machen "kann"
(und nicht geltend macht), nicht verständlich und die Ankündigung einer Widerklage
darüber hinaus sinnlos, weil die Ansprüche ja bereits zur Aufrechnung verwendet
worden wären und nicht mehr erfolgreich eingeklagt werden könnten. Die Ankündigung
einer Widerklage betrifft auch nicht allein einen etwaigen die Klageforderung
übersteigenden Teil der Gegenforderungen, sondern ist eindeutig auf diese
Gegenposition bezogen.
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Soweit man den Ausführungen in der Berufungsbegründung entnehmen kann, dass die
Aufrechnungserklärung jedenfalls jetzt in der Berufungsinstanz nachgeholt werde, ist
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dies gemäß § 533 Nr. 2 ZPO nicht zulässig. Für die Aufrechnung sind Tatsachen,
nämlich die Tätigkeit des Gutachters G....., maßgeblich, die nicht ohnehin für die
Entscheidung im übrigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind.
IV.
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Die restliche Werklohnforderung der Klägerin über 9.143,69 EUR besteht aber nur Zug
um Zug gegen Beseitigung der trotz der Nachbesserungsversuche der Klägerin noch
verbliebenen Mängel an den insgesamt zwei Balkonen der beiden Wohnungen. Die
Beklagte macht mit Erfolg ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 i. V. m. §§ 320,
322 BGB geltend.
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1. § 641 Abs. 3 BGB ist im vorliegenden Fall anwendbar, weil die zum 1.5.2000 in Kraft
getretene Vorschrift nach Art. 229 § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB auch Anwendung auf
Verträge findet, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden waren.
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2. Eine Abnahme, die Voraussetzung für die Anwendung des § 641 Abs. 3 BGB ist, fand
im März 1998 statt.
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3. Die Balkone sind immer noch insofern mangelhaft, als sie kein ausreichendes Gefälle
zum Abfluss hin aufweisen und als die Bodensenke in Höhe des Fliesenbelages nicht
ordnungsgemäß eingebaut ist. Das hat der Sachverständige Dr. F...... in seinem vom
Senat eingeholten Gutachten vom 1.5.2003 festgestellt. Die Klägerin hat Einwendungen
hiergegen nicht erhoben. Diese Mängel hat die Klägerin noch zu beseitigen.
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4. Die Beklagte hat das Zurückbehaltungsrecht nicht infolge ihrer Fristsetzung mit
Ablehnungsandrohung vom 5.1.1999 verloren. Auch wenn man trotz der ausdrücklich
erklärten Beschränkung der Ablehnungsandrohung auf die Mängel am Sondereigentum
annehmen wollte, dass sie sich auch auf die Mängel an den Balkonen beziehen sollte,
folgte daraus kein abweichendes Ergebnis.
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Bei den Balkonen handelt es sich jedenfalls mit Blick auf § 5 Abs. 2 WEG um
Gemeinschaftseigentum. Zwar sind Balkone grundsätzlich sondereigentumsfähig. Die
konstruktiven Elemente dieser Gebäudeteile, wie etwa auch die Bodenplatte, gehören
wegen § 5 Abs. 2 WEG jedoch zwingend zum Gemeinschaftseigentum. Das gilt auch für
die Isolierschicht, die diese Teile gegen Durchfeuchtung schützen soll (zu allem BGH
NJW 1985, 1551). Hier geht es um ein nicht ausreichendes Gefälle des Balkonbodens
zum Abfluss hin und um die Bodensenke am Abfluss. Dafür kann nichts anderes gelten
als für die Isolierschicht, zumal die auftretenden Feuchtigkeitsprobleme infolge
unzureichenden Wasserabflusses mit denjenigen einer mangelhaften Isolierung
vergleichbar sind.
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Bezogen auf dieses Gemeinschaftseigentum konnte die Beklagte wirksam eine Frist mit
Ablehnungsandrohung nicht setzen. Allein die Gemeinschaft war und ist befugt, die
Voraussetzungen für die Gewährleistungsansprüche auf Minderung und kleinen
Schadensersatz zu schaffen (BGH NJW 1998, 2967, 2968). Da die Gemeinschaft
bislang noch nicht entsprechend aktiv geworden ist, ist auch das Zurückbehaltungsrecht
der Beklagten noch nicht wegen einer Konzentration auf Gewährleistungsansprüche
erloschen.
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5. Das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten ist auch entgegen der Ansicht der Klägerin
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nicht deshalb erloschen, weil die Beklagte hinsichtlich ihres Nachbesserungsanspruchs
in Annahmeverzug geraten wäre. Zum einen beseitigt der Annahmeverzug des
Gläubigers sein Zurückbehaltungsrecht nicht, sondern gibt dem anderen Teil nach §
322 Abs. 3, § 274 Abs. 2 BGB nur die Befugnis, aus dem Urteil ohne Bewirkung der
eigenen Leistung die Zwangsvollstreckung zu betreiben (BGHZ 116, 244; 90, 354). Zum
anderen liegt in dem Schreiben der Beklagten vom 10.6.2003 noch keine Ablehnung
der sehr kurzfristig angebotenen Leistung der Klägerin. Dass die Beklagte erst mit ihrem
Anwalt sprechen will, stellt keine Ablehnung der angebotenen Leistung dar, sondern ist
angesichts der Vorgeschichte gut nachvollziehbar.
6. Der Höhe nach übersteigt das Dreifache der vom Sachverständigen mit 4.870,-- EUR
geschätzten Mangelbeseitigungskosten die Klageforderung, so dass insgesamt eine
Zug-um-Zug-Verurteilung (§ 322 BGB) auszusprechen ist.
33
V.
34
Nachdem das Zurückbehaltungsrecht bejaht wurde, kommt es auf die von der Beklagten
weiter hilfsweise geltend gemachten Ansprüche nicht mehr an.
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VI.
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Den geltend gemachten Zinsanspruch aus § 5 des Vertrages hat die Klägerin nicht, weil
diese Vertragsbestimmung - wie ausgeführt - unwirksam ist.
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Ein auf Schuldnerverzug der Beklagten gestützter Zinsanspruch der Klägerin aus § 286
Abs. 1 BGB besteht ebenso wenig wie ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen
aus § 291 BGB oder auf Zahlung von Fälligkeitszinsen aus § 641 Abs. 4 BGB, weil das
Zurückbehaltungsrecht aus §§ 320, 641 Abs. 3 BGB einen Schuldnerverzug ebenso
ausschließt wie die Möglichkeit, mit Erfolg Prozess- oder Fälligkeitszinsen geltend zu
machen (Werner/Pastor, Bauprozess, 10. Aufl. 2002, Rdnr. 1285 m. w. Nachw.).
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VII.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Bildung der Kostenquote ist
der unterschiedliche Streitwert erster und zweiter Instanz, die Streitwertermäßigung in
der Berufungsinstanz sowie das Teilunterliegen der Klägerin berücksichtigt, die
lediglich eine Zug-um-Zug-Verurteilung erreicht. Wertmäßig ist die Gegenforderung der
Beklagten mit den vom Sachverständigen geschätzten Mangelbeseitigungskosten von
4.870,-- EUR anzusetzen.
40
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713
ZPO.
41
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
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bis zum 22.6.2003: 10.144,56 EUR (= für die Berufung 599,59 EUR +
9.105,61 EUR = 9.705,20 EUR und 439,36 EUR für die
Anschlussberufung; die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit
angeblichen Schadensersatzansprüchen wegen der Mängel an den
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angeblichen Schadensersatzansprüchen wegen der Mängel an den
Balkonen wirkt nicht streitwerterhöhend, weil über diese
Gegenforderungen nicht entschieden wird);
ab dem 23.6.2003: 7.469,50 EUR (Berufung: 7.030,14 EUR = 599,59
EUR, betr. Klageantrag zu 1, + 1.560,55 EUR, betr.
Klageabweisungsantrag hinsichtlich Antrag zu 2, + 4.870,-- EUR, betr.
Wert der Gegenleistung nach den vom Sachverständigen geschätzten
Mangelbeseitigungskosten hinsichtlich der im übrigen noch erstrebten
Zug-um-Zug-Verurteilung,
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Anschlussberufung: 439,36 EUR).
46
(D...........) (D......) (T.....)
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