Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.03.2004

OLG Düsseldorf: bfa, anpassung, umrechnung, thüringen, auskunft, unterhalt, eherecht, anwartschaft, höchstbetrag, form

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-5 UF 77/02
Datum:
02.03.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-5 UF 77/02
Tenor:
Auf die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der
Länder wird das Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht -
Grevenbroich vom 18.01.2002 - Az.: 13 F 213/98 - hinsichtlich des Aus-
spruchs zum Versorgungsausgleich - Ziff. 2.) des Urteilstenors - ab-
geändert und wie folgt neu gefasst:
Vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der Landesversiche-
rungsanstalt Rheinprovinz werden auf das Versicherungskonto der
Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
monatliche Rentenanwartschaften von 37,36 EUR, bezogen auf den
31.12.1998, übertragen.
Zu Lasten der bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
bestehenden Anwartschaften des Antragstellers auf Leistungen aus der
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes werden auf dem Ver-
sicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungs-
anstalt für Angestellte Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich
17,83 EUR, bezogen auf den 31.12.1998, begründet.
Die Monatsbeträge der jeweils übertragenden und zu begründenden
Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben und
die Kostenentscheidung des Amtsgerichts bestätigt.
Beschwerdewert: 500 EUR.
Die Parteien waren miteinander verheiratet. Ihre am 17.11.1994 geschlossene Ehe ist
im vorliegenden Verfahren durch das Urteil des Amtsgerichts vom 18.01.2002, das
hinsichtlich des Ausspruches zur Scheidung mittlerweile rechtskräftig geworden ist,
geschieden worden. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin
am 06.01.1999 zugestellt worden.
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Innerhalb der nach § 1587 Abs. 2 BGB berechneten Ehezeit vom 01.11.1994 bis
31.12.1998 haben beide Parteien Anwartschaften auf Altersversorgung in der
gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Ziff. 2 BGB erworben.
Der Antragsteller hat darüber hinaus Anwartschaften auf Altersversorgung aus der
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Zum Ende der Ehezeit und noch bis zum
31.07.2002 zahlte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz - im folgenden LVA -
an den Antragsteller eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, des weiteren bezog er bis
zum 31.07.2002 Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes.
Mittlerweile hat der Antragsteller einen erneuten Rentenantrag wegen
Erwerbsminderung gestellt.
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Das Amtsgericht hat mit dem Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden, den
nachehelichen Unterhalt und den Versorgungsausgleich geregelt. In der Folgesache
nachehelicher Unterhalt, dessen Regelung der Antragsteller mit der Berufung
angegriffen hatte, haben sich die Parteien mit am 16.07.2003 vor dem Senat
geschlossenen Vergleich geeinigt. In der Folgesache Versorgungsausgleich hat das
Amtsgericht von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der LVA auf das
Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte - im folgenden BfA - im Wege des Rentensplittings Rentenanwartschaften
von monatlich 36,48 EUR übertragen und zu Lasten der Anwartschaften des
Antragstellers aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zugunsten der
Antragsgegnerin Rentenanwartschaften in Höhe von 18,71 EUR monatlich auf deren
Versicherungskonto bei der BfA begründet.
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Gegen diesen Teil der Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte
und begründete Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder - im
folgenden VBL -, die beanstandet, wegen der Änderung des Rechtes der öffentlichen
Zusatzversorgung seien diese Anwartschaften des Antragstellers nicht als dynamisch,
sondern als statisch zu behandeln. Bei der dann gebotenen Umrechnung ermittele sich
ein auszugleichendes Anrecht von 38,75 DM = 19,81 EUR.
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Der Senat hat bei der LVA und der VBL neue Auskünfte eingeholt. Auf die Auskunft der
LVA vom 20.08.2003 - Bl. 238 - 247 GA - und der VBL vom 16.10.2003 - Bl. 253 - 257
GA i.V. mit dem Schreiben vom 03.02.2004 - Bl. 265, 266 GA - wird verwiesen.
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Auf das zulässige Rechtsmittel ist die angefochtene Entscheidung im Ausspruch zum
Versorgungsausgleich abzuändern.
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Nach den vorliegenden Auskünften der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung
haben beide Parteien Anwartschaften auf Altersversorgung aus der gesetzlichen
Rentenversicherung in der Ehezeit vom 01.11.1994 bis 31.12.1998 erworben, und zwar
der Antragsteller in Höhe von monatlich 90,03 EUR und die Antragsgegnerin in Höhe
von monatlich 29,96 DM = 15.32 EUR - vgl. Auskunft der LVA vom 20.08.2003 und der
BfA vom 20.09.1999.
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Die von dem Antragsteller in der obigen Ehezeit erworbenen Anwartschaften aus der
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes belaufen sich nach Auskunft des
Versorgungsträgers vom 16.10.2003 auf monatlich 35,66 EUR.
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind diese Anwartschaften sowohl im
Anwartschafts- wie im Leistungsstadium dynamisch, d.h. sie steigen in gleicher oder
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nahezu gleicher Weise, wie der Wert der in § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB
bezeichneten Versorgungen und Anwartschaften. Einer Umrechnung mittels der
Barwertverordnung gemäss § 1587 a Abs. 3 Ziff. 2 BGB bedarf es nicht.
Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes hat eine grundlegende Änderung
erfahren. Das bisherige Gesamtversorgungssystem unter Anrechnung gesetzlicher
Renten ist durch ein sogenanntes Punktemodell abgelöst worden ( vgl. im einzelnen:
Glockner, FamRZ 2002, 287; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587 a
Rn. 204 - 214 g; Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., § 1587 a Rn. 81, Wick, Der
Versorgungsausgleich, Rn. 146 - 155). Nach den Übergangsvorschriften erhalten am
31.12.2001 beitragsfrei Versicherte eine Startgutschrift an Versorgungspunkten auf
Basis ihrer auf den 31.12.2001 ermittelten unverfallbaren Anwartschaften auf
Versicherungsrente. Arbeitnehmer, die am 31.12.2001 bereits Leistungen aus der
Zusatzversorgung bezogen haben, erhalten diese als Besitzstandsrente weiter.
Entsprechend den Ausführungen der VBL ist bei dem Antragsteller trotz lediglich
befristetem Rentenbezug als Startgutschrift zumindest von dem Betrag auszugehen, den
er am 31.12.2001 als Besitzstandsrente erhalten hatte, mithin 35,66 EUR monatlich.
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Der künftigen fiktiven Kapitaldeckung liegt ein Rechnungszins von 3,25 % zugrunde, im
Leistungsstadium erfolgt eine festgeschriebene Anpassung von 1 % pro Jahr. Diese
Steigerungszahlen rechtfertigen die Annahme einer Volldynamik. Eine Anwartschaft ist
als volldynamisch zu bewerten, wenn nach der prognostizierten Entwicklung die
durchschnittliche Abweichung von der Dynamik gesetzlicher Renten/beamtenrechtlicher
Anrechte nicht mehr als 1 % beträgt ( BGH FamRZ 2003, 40). In der Zeit von 1995 bis
einschließlich 2004 beträgt die Anpassung der gesetzlichen Renten durchschnittlich
1,059 % ( vgl. Gutdeutsch, FamRZ 2003, 737 und Glockner, FamRZ 2003, 1235). Auch
bei der gebotenen Prognose der weiteren Entwicklung, jedenfalls bis zum 31.05.2006,
dem Zeitpunkt des außer Krafttretens der Barwertverordnung, ist nach derzeitigem
Stand nicht von höheren Steigerungszahlen auszugehen. Vergleicht man die
durchschnittliche Anpassung der gesetzlichen Renten von 1,059 % mit dem der
künftigen fiktiven Kapitaldeckung zugrundeliegenden Rechnungszins von 3,25 % und
der Anpassung im Leistungsstadium von 1 % pro Jahr, kann eine Volldynamik
angenommen werden ( für Dynamik im Anwartschaftsstadium auch
Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 1587 a Rn. 214 g; Bordt, FamRZ 2003, 893;
Glockner FamRZ 2002, 287; OLG Thüringen, FamRZ 2003, 1929, 1930; für Volldynamik
der Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes auch AG
Tempelhof-Kreuzberg, FamRZ 2003, 1932; dagegen OLG Nürnberg, FamRZ 2003, 314
und OLG Thüringen, FamRZ 2003, 1929, 1930; vgl. auch Wick, a.a.O., Rn. 177; für
Dynamik im Leistungsstadium: OLG Schleswig, MDR 2004, 215 ).
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Diese Bewertungsgrundsätze sind auf die Übergangsversorgungen entsprechend
anzuwenden ( vgl. Glockner, FamRZ 2002, 287).
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Insgesamt hat der Antragsteller in der Ehezeit Versorgungsanrechte im Sinne des §
1587 Abs. 1 BGB von 125,69 EUR (90,03 EUR + 35,66 EUR) erworben, die
ehezeitbezogenen Versorgungsanrechte der Antragsgegnerin betragen 15,32 EUR. Die
Differenz der Anwartschaften beträgt 110,37 EUR. In Höhe der Hälfte dieses
Wertunterschiedes, also 55,19 EUR, ist die Antragsgegnerin ausgleichsberechtigt, §
1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Zunächst sind die jeweiligen gesetzlichen Rentenanwartschaften der Parteien
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gegenüber zu stellen und im Wege des Splittings auszugleichen, § 1587 b Abs. 1 Satz 1
BGB. Es ergibt sich folgende Berechnung: 90,03 EUR - 15,32 EUR = 74,71 EUR : 2 =
37,36 EUR.
In dieser Höhe sind Rentenanwartschaften von dem Versicherungskonto des
Antragstellers, geführt bei der LVA Rheinprovinz, auf das Versicherungskonto der
Antragsgegnerin, geführt bei der BfA, zu übertragen.
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Der Ausgleich der Anwartschaften des Antragstellers aus der Zusatzversorgung des
öffentlichen Dienstes erfolgt durch analoges Quasisplitting gemäss § 1 Abs. 3 VAHRG.
Es ergibt sich nachstehende Berechnung: 35,66 EUR : 2 = 17,83 EUR.
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In dieser Höhe sind monatliche Rentenanwartschaften zu Lasten der Anwartschaften
des Antragstellers bei der VWL auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin,
geführt bei der BfA, zu begründen.
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Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB, der laut Mitteilung der BfA 367,12 DM =
187,71 EUR beträgt, wird hierdurch nicht überschritten.
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Die Entscheidung über die Umrechnung der Anwartschaften in Entgeltpunkte beruht auf
§ 1587 b Abs. 6 BGB.
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Da die Bewertung von Versorgungsanrechten aus der öffentlichen Zusatzversorgung
einschließlich der Übergangsversorgungen grundsätzliche Bedeutung hat und die
Entscheidung insoweit von dem Beschluss des OLG Nürnberg vom 15.10.2002, FamRZ
2003, 314 und des OLG Thüringen vom 20.08.2003, FamRZ 2003, 1929, 1930
abweicht, ist gemäss § 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
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Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 93 a Abs. 1 ZPO.
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