Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.02.2008

OLG Düsseldorf: stille reserven, geschäftsführer, vertrag zugunsten dritter, abgabe, gesellschafter, sanierung, darlehen, firma, unterbilanz, unternehmen

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 10/07
Datum:
20.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 10/07
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 12.
Zi-vilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 2006 – 12
O 244/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1
I.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von
232.755,22 € nebst Zinsen wegen Insolvenzverschleppung Zug um Zug gegen
Abtretung der klägerischen Insolvenzforderung in dem Verfahren AG Düsseldorf 504 IN
50/04 in Anspruch.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:
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Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 232.755,22 €
aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 130 a Abs. 1 Satz 1 HGB Zug um Zug gem.
§ 255 BGB gegen Abtretung der klägerischen Insolvenzforderung in dem Verfahren AG
Düsseldorf 504 IN 50/04.
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Der Beklagte habe seine aus seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der
organschaftlichen Vertreterin der D. KG aus §§ 130 a Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB folgende
Pflicht zur Beantragung des Insolvenzverfahrens verletzt und damit gegen ein
Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verstoßen, in dem er in Vertretung der D.
KG trotz deren bereits eingetretener Insolvenzreife mit der Klägerin die
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streitgegenständlichen Verträge geschlossen habe. Nach §§ 130 a Abs. 1, 161 Abs. 2
HGB habe der organschaftliche Vertreter einer KG, bei der wie im Falle der D. KG kein
Gesellschafter eine natürliche Person sei, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu
beantragen.
Der Schutzbereich der genannten Vorschriften sei auch für die Klägerin als sog.
Neugläubigerin eröffnet.
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Die D. KG sei bereits bei Abschluss des ersten streitgegenständlichen Vertrages am
19.02.2004 überschuldet gewesen.
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Nach dem gemäß § 19 Abs. 3 InsO für die D. KG geltenden § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO
liege Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden
Verbindlichkeiten nicht mehr decke, was mittels einer Überschuldungsbilanz zu
ermitteln sei. Stelle sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, sei nach § 19
Abs. 2 Satz 2 InsO eine Fortführungsprognose zu erstellen. Falle diese negativ aus,
stehe zugleich die rechtliche Überschuldung fest; falle sie positiv aus, sei eine zweite
Überschuldungsbilanz zu erstellen, in der die Aktiva mit den Betriebsfortführungswerten,
d.h. einschließlich etwaiger stiller Reserven und des good will, anzusetzen seien.
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Eine rechnerische Überschuldung der D. KG habe am 19.02.2004 vorgelegen.
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Die unstreitige buchmäßige Überschuldung der D. KG zum 31.12.2002 in Höhe von
rund 1 Mio. €, die bis zum 31.01.2002 (Anmerkung des Senats: gemeint sein muss der
31.12.2003) auf rund 2,5 Mio. € angestiegen gewesen sei, habe den Beklagten im
Rahmen seiner sekundären Darlegungslast dazu gezwungen, Umstände darzulegen,
aus denen sich ergebe, dass trotz der feststehenden bilanzmäßigen Überschuldung am
31.12.2003 und eines von der D. KG am 27.04.2004 vorgelegten Überschuldungsstatus
von fast 5 Mio. € am 19.02.2004 keine rechnerische Überschuldung vorgelegen habe,
da der Geschäftsführer hierzu weitaus besser in der Lage sei als ein außenstehender
Gläubiger.
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Zudem spreche eine tatsächliche Vermutung für die Überschuldung der KG am
19.02.2004, da die streitgegenständlichen Verträge ca. 9 Wochen vor Stellung des
Insolvenzantrages am 27.04.2004 geschlossen worden seien, mithin das Eingehen in
die Gläubigerstellung in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens stehe. Umstände, die die Überschuldensvermutung durch
Darlegung eines ernsthaft denkbaren atypischen Geschehensverlauf erschütterten,
trage der Beklagte nicht vor.
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Insbesondere berufe der Beklagte sich zu Unrecht auf Finanzierungsmittel und
Eigenkapital der D. H. GmbH, da die Überschuldung der D. KG trotz des Cash-Pools der
D.-Gruppe isoliert betrachtet werden müsse. Etwaige Zahlungen auf das Konto der D.
KG, die aber an die D. H. GmbH gerichtet gewesen seien, müssten zudem als
Verbindlichkeiten der D. KG gegenüber der D. H. GmbH zu beurteilen und damit im
Überschuldungsstatus der D. KG zu passivieren sein. Anderes könne nur gelten, wenn
die D. H. GmbH bezüglich der Forderungen aus dem Cash-Pool
Rangrücktrittserklärungen abgegeben hätte, wozu der Beklagte indes nicht vorgetragen
habe. Selbst unter Berücksichtigung der von dem Beklagten behaupteten erforderlichen
Vermögensberichtigungen durch kapitalersetzende Darlehen und stille Reserven
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ergebe sich ein Schuldenüberhang der D. KG zum 31.12.2003 von -1.900.368,00 €, der
entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als Verbindlichkeit der D. KG gegen die D. H.
GmbH zu verbuchen sei.
Die Grundsätze des faktischen Konzerns griffen zugunsten des Beklagten nicht ein, der
schon nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe, woraus sich die behauptete
generelle Verlustausgleichspflicht der D. H. GmbH ergebe.
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Auch aus dem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 21.11.2003 ergebe sich keine
Forderung der D. KG gegen die D. H. in Höhe ihres Schuldenüberhangs. Insbesondere
stelle § 6.1. des Vertrages keine sog. "harte" Patronatserklärung dar, da ein solcher
Patronatsvertrag ein einseitig verpflichtender Vertrag zwischen dem Patron und den
Gläubigern, nicht aber dem Tochterunternehmen sei. Es könne sich hier demnach nur
um eine bloß intern abgegebene Patronatserklärung handeln, die keine unmittelbaren
Ansprüche der D.KG gegen die Vertragsparteien begründe.
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Zum einen diene der Vertrag vom 21.11.2003 ausweislich der Präambel vornehmlich
der Sanierung der D. H. GmbH und der Vermeidung ihrer Insolvenz, nicht aber der
gesamten D.-Gruppe, was auch in den später zu Gunsten der D. H. GmbH – nicht aber
der D. KG – abgegebenen Rangrücktrittserklärungen hinsichtlich der ihr gewährten
Darlehen zum Ausdruck komme. Selbst wenn aber, wie von dem Beklagten
vorgetragen, die Finanzierungszusagen gegenüber der gesamten D.-Gruppe gelten
sollten, fehle es zum anderen an der für eine umfassende
Verlustausgleichsverpflichtung erforderlichen Bestimmbarkeit des Inhalts der
Verpflichtungserklärung. Weder die Bedingung einer Finanzierung durch die
Vertragsparteien noch der Umfang einer solchen Finanzierung lasse sich der
Vertragsklausel entnehmen.
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Zudem könnten etwaige Finanzierungsmittel durch die Vertragsparteien nur dann in der
Überschuldungsbilanz der D. KG auf der Passivseite unberücksichtigt bleiben, wenn die
Vertragsparteien hinsichtlich ihrer Rückforderungsansprüche qualifizierte
Rangrücktrittserklärungen gegenüber der D. KG abgegeben hätten, was der Beklagte
nicht dargelegt habe. Auch der Insolvenzverwalter weise in seinem Bericht daraufhin,
dass solche Erklärungen fehlten. Allein eine mögliche Verpflichtung zur Abgabe von
Rangrücktrittserklärungen reiche nicht aus, um zu Lasten der Gläubiger
Berücksichtigung zu finden.
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Ob ein unechter Vertrag zugunsten Dritter vorliege, könne an dieser Stelle dahinstehen,
weil der D. KG in diesem Fall keine eigene Forderung zustünde, die den
Überschuldungsstatus zu ihren Gunsten beeinflusste. Auch könne offen bleiben, ob am
21.11.2003 bereits eine Überschuldung der D. KG bestanden habe, da diese jedenfalls
durch den Vertrag keine Forderungen erworben habe, die den Überschuldensstatus zu
ihren Gunsten veränderten und die geeignet wären, die durch die bilanzmäßige
Überschuldung indizierte rechnerische Überschuldung zu widerlegen. Unerheblich sei
auch, ob die tatsächliche Überschuldung im April 2004 höher gewesen sei als im
Überschuldungsstatus angegeben. Ebenso könne dahinstehen, ob die D. KG auf die
von der Klägerin durchgeführten Aufträge von ihren Auftraggebern noch keine Zahlung
erhalten habe, da für die Überschuldung und damit die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB
die isolierte Sicherung der auftragsbezogenen Forderungen im Hinblick auf den
Gläubigerschutz nicht maßgeblich sei.
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Eine positive Fortführungsprognose im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO habe nicht
bestanden. Zwar müsse der Beklagte insoweit entgegen der Ansicht der Klägerin keine
Überschuldungsbilanz für den streitgegenständlichen Zeitraum vorlegen. Jedoch müsse
er Tatsachen darlegen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit
rechtfertige, die D. KG werde in Zukunft zahlungsfähig sein, wobei ein
Prognosezeitraum von etwa ein bis zwei Jahren maßgeblich sei.
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Bloße Expansionsvorhaben wie von dem Beklagten in Bezug auf das Japangeschäft
behauptet, genügten hierfür ohne Darlegung konkreter finanzieller, personeller und
konzeptioneller Grundlagen nicht. Zu der behaupteten gutachterlichen Stellungnahme
der D. GmbH habe der Beklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, ebenso
wenig dazu, warum er aufgrund der Finanzierungszusage der F. in § 6.2. des Vertrages
vom 21.11.2003 von einer realisierbaren Fortführung der Geschäfte der D. KG in der
Zukunft ausgehen durfte.
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Die Einzahlung der F. in Höhe von 500.000,- € an die D. H. GmbH begründe ebenso
wenig eine positive Fortführungsprognose, da keine Leistung an die D. KG selbst
vorgelegen habe.
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Mithin sei mangels positiver Fortführungsprognose auch von einer rechtlichen
Überschuldung der D. KG im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO auszugehen.
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Auf die Frage der Zahlungsfähigkeit komme es nach § 130 a HGB bei Vorliegen der
Überschuldung nicht an.
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Die Rechtswidrigkeit der Handlung des Beklagten werde durch den Verstoß gegen das
Schutzgesetz indiziert.
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Der Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Da für die Haftung gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern eine Verschuldensvermutung bestehe, habe der Beklagte als
Geschäftsführer mangelndes Verschulden zu beweisen. Hierfür habe er nichts dargetan.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Verkennung der wirtschaftlichen Situation der
D. KG am 19.02.2004 und die damit verbundene Fehleinschätzung der
Fortführungsmöglichkeit zumindest auf Fahrlässigkeit des Beklagten beruht habe.
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Soweit der Beklagte sich auf das Gutachten der D. GmbH berufe, genüge dies nicht zur
Beurteilung der Insolvenzreife.
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Insbesondere die negativen Jahresabschlüsse der beiden Vorjahre hätten
Krisenwarnsignale dargestellt, auf die der Beklagte, was nicht geschehen sei, mit
entsprechenden Sanierungsplänen hätte reagieren müssen. Auch der Vertrag vom
21.11.2003 indiziere in § 2.4, dass der Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt um die
Überschuldung der D. KG gewusst habe. Ferner könne der Beklagte sich nicht darauf
berufen, die kaufmännische Leitung sei von einem nachgeordneten Mitarbeiter
wahrgenommen worden. Die von dem Beklagten zu seiner Entlastung vorgelegten
Saldenlisten und Bankstatuten stünden, da sie keinen Gesamtüberblick über das
Vermögen der D. KG lieferten, in keinem Bezug zu einer rechnerischen Überschuldung
und begründeten ebenso wenig ein berechtigtes Vertrauen des Beklagten auf eine
positive Fortführungsprognose.
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Der Beklagte habe der Klägerin den Vertrauensschaden zu ersetzen, den sie dadurch
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erlitten habe, dass sie auf die fehlende Überschuldung der D. KG vertraut habe, mithin
die ihr nach Abzug der bereits vom Insolvenzverwalter geleisteten Zahlung
verbliebenen vergeblich getätigten Aufwendungen in Höhe von 232.755,22 €.
Schadensersatz könne die Klägerin allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung ihrer
Insolvenzforderung erlangen.
Schließlich treffe die Klägerin auch kein Mitverschuldensvorwurf. Insbesondere habe
der Beklagte einen besonders hohen Wert der unter dem Pfandrecht stehenden Ware
nicht hinreichend substantiiert.
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Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, mit
der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
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Er trägt vor:
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Das Landgericht habe seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO verletzt. Trotz des tatsächlich
und rechtlich schwierigen Streitgegenstandes habe das Landgericht nicht auf die
Notwendigkeit weiteren Vortrags durch ihn – den Beklagten – und die erforderliche
Vorlage von Urkunden hingewiesen. Insbesondere habe in der mündlichen
Verhandlung keine Erörterung der Sache, geschweige denn ein Rechtsgespräch
stattgefunden.
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Soweit das Landgericht in seiner Entscheidung auf eine "mehrjährige negative
Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der KG" verwiesen habe, sei dies falsch, da
eine bilanzielle Überschuldung erstmals zum 31.12.2002 aufgetreten sei, was sich auch
aus dem Prüfungsbericht der EK & P GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergebe
(Anlage BB 1). Zudem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die
Prüfungsberichte zu den Jahresabschlüssen selbstverständlich erst zeitverzögert
vorgelegen hätten und es auch erst dann ihm möglich gewesen sei, sich ein
abschließendes Bild der Vermögens- und Finanzlage zu machen.
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Die Firma F. habe verbindliche Zahlungszusicherungen gegenüber der D.-Gruppe
abgegeben. Die in Konsequenz des Erhalts und der Sicherung der Gesellschaften der
D.-Gruppe gemäß Ziffer II.2.4. des not. Vertrages vom 21.11.2003 vereinbarte
Verpflichtung der Vertragsparteien zur Abgabe von Rangrücktrittserklärungen habe
auch gegenüber der KG gegolten.
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Die D. H. GmbH habe auch gegenüber der KG entweder im Februar oder im März 2004
eine Rangrücktrittserklärung abgegeben, die dem Insolvenzverwalter vorliegen müsse.
Soweit der Insolvenzverwalter in seinem Bericht erklärt habe, er habe keine
diesbezüglichen Rangrücktrittserklärungen vorgefunden, bedeute dies nicht, dass
solche nicht gleichwohl vorhanden seien.
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Aus dem Überschuldungstatus (Anlage BB 8), der nach Vorlage der vorläufigen Bilanz
zum 31.12.2003 am 15.04.2004 erstellt worden sei, ergebe sich auch, dass
Rangrücktrittserklärungen zugunsten der KG vorgelegen haben müssten. Bei einem
Treffen am 20.04.2004 habe auch nochmals geprüft werden sollen, ob die Rangrücktritte
gemäß Notarvertrag vom 21.11.2003 mittlerweile vorliegen bzw. dann unmittelbar zu
fertigen seien. Dazu verhalte sich auch die Notiz zum Vermögensstatus der
Gesellschaften (Anlage BB 9). Dieses Skript beweise, dass an diesem Tag über die
Rangrücktritte gegenüber der KG u.a. seitens der H. GmbH nicht nur gesprochen
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worden sei, sondern dass auch beschlossen worden sei, sie durchzuführen.
Selbst eine bloße Verpflichtung zum Rangrücktritt ohne eine entsprechende Erklärung
würde indes dazu führen, dass damit in Zusammenhang stehende Darlehen nicht mehr
in der Bilanz zu passivieren seien. Zudem entspreche die Rechtsprechung hinsichtlich
der Notwendigkeit qualifizierter Rangrücktritte nicht mehr den Erwägungen des
Gesetzgebers zu dem MoMiG, nach dem Gesellschafterdarlehen künftig von Gesetzes
wegen als Quasi-Kapital zu behandeln seien.
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Die Firma F. habe seit dem Kauf der Anteile mit not. Vertrag vom 02.07.2002 die D.-H.
und die D.-Gesellschaften dominiert und zu eigenen Zwecken eingesetzt; insbesondere
auch Kosten für geschäftliche Maßnahmen zu Unrecht auf die D.-Gruppe und die KG
abgewälzt. Aus einem gemeinsamen L.-Geschäft von F. und der KG stünde dieser noch
ein Betrag von 450.000,- € zu.
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Für die rechtliche Beurteilung sei es von eminenter Bedeutung, welche
gesellschaftsrechtliche Aufgabenstellung die D. H. GmbH wahrgenommen habe. Diese
habe einen Cash-Pool unter Einschluss aller direkten deutschen Tochtergesellschaften
eingerichtet gehabt und sei selber mangels Tätigkeit im operativen Bereich nicht auf
Finanzmittel, gewährt auch von Bankinstituten, angewiesen gewesen, sondern habe der
D.-Gruppe als reines Finanzierungselement gedient. Dementsprechend ergebe sich aus
den mit F. geschlossenen Verträgen bei sachgerechter Auslegung, dass der Vertrag
vom 21.11.2003 zum Ziel gehabt habe, die einzelnen D.-Gesellschaften zu finanzieren
und deren Überschuldung zu vermeiden. Gelder an die D. H. GmbH seien sofort in den
operativen Bereich der D.-Gruppe weitergeleitet worden. Teilweise seien aber auch
Zahlungen der Gesellschafter unmittelbar an die D.-Gesellschaften geflossen, so
beispielweise die Zahlungen von F. in Höhe von 300.000,- € am 26.03.2004 und von
200.000,- € am 30.03.2004 auf das Konto der KG (Anlagen B 19 u 20). Aus diesen
Zahlungen ergebe sich im übrigen, dass eine etwaige Überschuldung der KG zu diesem
Zeitpunkt den Gesellschaftern jedenfalls nicht bekannt gewesen sei, da sich ansonsten
eine Zahlung der 500.000,- € nicht erklären ließe, da nicht davon auszugehen sei, dass
ein solcher Betrag an eine nicht weiter existenzfähige Gesellschaft geleistet werde.
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Alle Finanzierungsbeiträge seien immer für die KG und die D. GmbH bestimmt
gewesen, was sich auch beispielsweise aus der Email Anlage BB 10 ergebe.
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Wäre die Firma F. ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der D.-Gruppe in
Millionenhöhe nachgekommen, so hätten die Insolvenzanträge hinsichtlich der
einzelnen D.-Firmen nicht gestellt werden müssen. Hätte er, der Beklagte, schon zu
einem früheren Zeitpunkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die KG beantragt,
so hätte er sich demnach gegenüber der D. H. und den Gesellschaftern
schadensersatzpflichtig gemacht.
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Sollte sich aus den Verträgen zwischen F. und der D. H. GmbH tatsächlich nur ein
Anspruch der GmbH gegenüber F. ergeben, so sei er, der Beklagte, insoweit einem
entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen.
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Sämtliche Beteiligten seien nicht von einer Insolvenzreife der KG ausgegangen, dies
umso mehr, als seinerzeit Umstrukturierungsmaßnahmen bereits eingeleitet gewesen
seien und Großaufträge vorgelegen hätten, die bei ihrer Abarbeitung zu nicht
unerheblichen Erlösen geführt hätten.
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Die Fortführungsprognose für die KG sei positiv gewesen, was sich auch aus dem
Bericht der D. GmbH aus März 2004 ergebe (Anlage BB 11). Andernfalls hätte doch
auch F. zeitlich nach dem Bericht nicht weitere Zahlungen in Höhe von 500.000,- €
erbracht.
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Für die Annahme einer positiven Fortführungsprognose sei entscheidend, ob das
Unternehmen für den angenommenen Prognosezeitraum zahlungsfähig sein werde.
Dass dies für die KG der Fall gewesen sei, sei im ersten Rechtszug dokumentiert
worden und könne auch nicht ernsthaft angezweifelt werden, wenn F. nur den ihr
obliegenden Zahlungsverpflichtungen nachgekommen wäre. Die Zahlungsfähigkeit der
KG sei jederzeit gegeben gewesen.
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Zudem habe die KG hohe, sich steigernde Umsätze getätigt, weshalb der
Insolvenzverwalter zunächst auch eine Sanierung der KG angestrebt habe, die nur
wegen einer Kündigungswelle im Personal nicht habe erfolgen können.
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Eine Liquiditätsplanung habe seit dem 01.01.2003 für die D.-Gruppe existiert. Tägliche
Bankstatute seien erstellt worden.
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Die Verluste im zweiten Halbjahr 2002 und im ersten Halbjahr 2003 hätten ihre Ursache
darin gehabt, dass in erheblichem Umfang Projektgeschäfte, die von Kunden der KG
fest abgeschlossen gewesen seien, wegen der Krisensituation in der G. zurückgestellt,
gestrichen oder zurückgefahren worden seien. Auch in Südostasien seien Projekte
ausgefallen. Für 2004 seien indes schon wieder lukrative Projekte abgeschlossen
worden. Die bei der KG eingetretenen Verluste hätten daher einen einmaligen Vorgang
dargestellt und habe die KG gesichert davon ausgehen können, dass sich dies in den
folgenden Jahren nicht wiederholen werde. Im Zeitraum 15. - 19.04.2004 sei zudem mit
F. noch eine Ausweitung des Geschäftsbereiches der D.-Gruppe nach Japan
besprochen worden, auch da sei mithin noch nicht absehbar gewesen, dass F. sich
zurückziehen werde. Dem entspreche es auch, dass von Seiten der Firma F. stets
mündlich zugesichert worden sei, dass die KG weiter existieren und dass Gelder fließen
würden. Warum F. sich dann plötzlich von den Verpflichtungen gelöst habe, sei nicht
nachzuvollziehen.
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Liquiditätszusagen eines Gesellschafters einer GmbH seien auch nichts
Ungewöhnliches und als aufschiebend bedingte Darlehensversprechen zu qualifizieren.
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Die D. H. GmbH hafte der KG zudem unter dem Gesichtspunkt des faktischen Konzerns
und da sie ein reines Finanzierungsinstrument gewesen sei. Der Beklagte habe
demnach finanzielle Hilfestellungen erwarten dürfen.
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Ihn, den Beklagten, treffe kein Verschulden.
getan, um die Gesellschaft zu retten und die Arbeitsplätze zu erhalten. Ohne die
Rückendeckung von F. hätte er, der Beklagte, es nicht riskieren können, einen
Insolvenzantrag zu stellen, ohne sich erheblichen Schadensersatzforderungen seitens
seiner Mitgesellschafter ausgesetzt zu sehen. Herr M. von F. habe den gesamten
Konzern "durchregiert" und sei er, der Beklagte, weder befugt, ermächtigt noch personell
in der Lage gewesen, von sich aus maßgebliche Entscheidungen, insbesondere
hinsichtlich eines Insolvenzantrags, zu treffen.
52
Zudem habe er keine Veranlassung gehabt, einen Antrag auf Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens zu stellen, solange F. sich an das Finanzierungsversprechen
gehalten habe.
53
Die Forderung der Klägerin sei zudem von Anfang an gesichert gewesen durch die
Forderung der KG gegen deren Auftraggeber; Probleme seien erst aufgetreten, als die
Klägerin ihr Pfandrecht geltend gemacht habe.
54
Diese treffe zudem ein eklatantes Mitverschulden, da sie das ihr zustehende Pfandrecht
nicht dazu genutzt habe, ihre ganze Forderung durchzusetzen. Allein auf den
Materialwert der transportierten Güter sei insoweit nicht abzustellen, sondern auch der
Zeitfaktor als erhebliches Druckmittel zu berücksichtigen.
55
Die Klageforderung sei jedenfalls um einen Betrag von 35.964,80 € zu ermäßigen, da
eine Rechnung der Klägerin vom 16.02.2004 in dieser Höhe beglichen worden sei.
56
Der Beklagte beantragt,
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unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen nebst Beweisantritten trägt sie
ergänzend vor:
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Das Landgericht habe keine Hinweispflichten verletzt. Zum Überschuldungsbegriff gebe
es eine gesetzliche Definition, die einen Hinweis erübrige; zudem habe die Klägerin zu
der Darlegungs- und Beweislast Stellung bezogen. Hinsichtlich fehlender Unterlagen
wie dem Status-Report der D. GmbH habe dem Beklagten selbst bewusst gewesen sein
müssen, dass dies zur Substantiierung seines Vorbringens erforderlich sei, zumal die
Nichtvorlage auch durch sie, die Klägerin, gerügt worden sei.
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Eine rechnerische Überschuldung der KG, die unabhängig von der D. H. GmbH zu
betrachten sei, habe vorgelegen.
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Durch die Zuzahlungen in die Kapitalrücklage der D. H. GmbH wie in der
Zusatzvereinbarung vom 26.06.2003, Anlage BB 4, vorgesehen habe eine
Überschuldung der KG nicht überwunden werden können, da in der Insolvenz jeder
einzelne Unternehmensträger gesondert zu betrachten sei. Zudem seien die
Zuzahlungen auf der Ebene der GmbH fehlgeschlagen, da die eingebrachten Darlehen
bereits dem Eigenkapitalersatzrecht unterfielen, was sich auch aus der Schiedsklage,
Anlage BB 7, ergebe.
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Eine bloße Verpflichtung zur Abgabe von Rangrücktrittserklärungen genüge nicht, um
die betroffenen Forderungen von der Passivierungspflicht zu entbinden.
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Zudem habe die H. GmbH gegenüber der KG keine entsprechende Verpflichtung
abgegeben, da letztere an den Verträgen vom 21.11.2003 nicht beteiligt gewesen sei.
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Rangrücktrittserklärungen zugunsten der KG hätten, wie sich aus dem Bericht des
Insolvenzverwalters v. 30.07.2004 (Anlage K 4, dort S. 7) ergebe, nicht vorgelegen. Der
unter Vorlage von Anlage BB 8 gehaltene neue Vortrag des Beklagten hierzu sei
verspätet. Zudem sei das Vorliegen der dort aufgeführten stillen Reserven und
Rangrücktrittserklärungen zu bestreiten.
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Der Beklagte sei gehalten gewesen, schon nach dem negativen Jahresabschluss zum
31.12.2002 einen Überschuldungsstatus zu erstellen.
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Für eine positive Fortsetzungsprognose sei der Beklagte darlegungs- und
beweisbelastet.
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Die Vorlage des Statusreports der D. GmbH sei als verspätet zurückzuweisen. Zudem
enthalte der Report nur allgemein gehaltene Empfehlungen, die nicht in einem Ertrags-
und Finanzplan für die KG mündeten. Es fehle auch bereits an einem schlüssigen
Unternehmenskonzept und einer systematischen Gegenüberstellung von Einnahmen
und Ausgaben. Auch den Anlagen BB 20 und BB 21 fehle jegliche Aussagekraft.
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Ein Sanierungsversuch im Insolvenzverfahren habe mit der Fortsetzungsprognose
nichts zu tun.
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Den Beklagten treffe auch ein Verschulden, da er bereits im November 2003 zur
Stellung eines Insolvenzantrags aufgrund der Überschuldung der KG verpflichtet
gewesen wäre, dennoch aber Rangrücktrittserklärungen nicht eingeholt oder in seiner
Eigenschaft als Geschäftsführer der Holding GmbH abgegeben habe.
72
Der Beklagte sei für die Nichteinholung von Rangrücktrittserklärungen verantwortlich
gewesen. Er könne sich nicht von der ihn als Geschäftsführer im allgemeinen treffenden
Verantwortung entlasten, indem er auf andere handelnde Personen verweise. Zudem
sei nichts dafür ersichtlich, dass die Berater dem Beklagten etwa glaubhaft versichert
hätten, dass die Überschuldung der KG auch ohne Abgabe der
Rangrücktrittserklärungen überwunden sei. Der Beklagte habe demnach fahrlässig
gehandelt, indem er zum einen die Rangrücktrittserklärungen nicht eingeholt und zum
anderen in Konsequenz der andauernden Überschuldung keinen Insolvenzantrag
gestellt habe.
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Ein Verweis auf das MoMiG könne den Beklagten nicht entlasten, da dieses kein
geltendes Recht darstelle.
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Seine Schiedsklage gegen F. und die Brüder G. begründe der Insolvenzverwalter nicht
mit einer Haftung der GmbH gegenüber der KG aus faktischem Konzern.
75
Ein Mitverschulden treffe die Klägerin nicht. Der Insolvenzverwalter habe nicht mehr als
die mit ihm ausgehandelte Summe zahlen wollen; eine eigenhändige Verwertung der
Waren, die einen Wert von nur 40.000,- € gehabt hätten, durch die Klägerin hätte zu
einem schlechteren Ergebnis geführt. Zudem werde die Höhe der Forderungen der KG
gegen ihre Auftraggeber ebenso bestritten wie die Behauptung, die Fa. T. sei auf die
dem Pfandrecht der Klägerin unterliegenden Materialien dringend angewiesen
gewesen.
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Die an sie erfolgte Zahlung vom 22.04.2004 habe nicht die streitgegenständlichen
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Aufträge betroffen.
II.
78
Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.
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I. Der Beklagte haftet der Klägerin als Geschäftsführer der D. GmbH & Co. KG (im
folgenden: KG) auf Schadensersatz, da er entgegen der aus §§ 130 a Abs. 1, 161 Abs. 2
HGB folgenden Pflicht trotz Vorliegen der Voraussetzungen es versäumt hat, die
Einleitung eines Insolvenzverfahrens über die KG zu beantragen.
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Die Vorschriften des §§ 130 a Abs. 1, 162 Abs. 2 HGB stellen Schutzgesetze im Sinne
des § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten von Gesellschaftsgläubigern dar (vgl. nur Palandt-
Sprau, BGB, 66. A., § 823 Rz 62) mit der Folge, dass der Beklagte der Klägerin
gegenüber schadensersatzpflichtig ist, da er mit ihr Verträge geschlossen hat zu einem
Zeitpunkt, in dem er nach den genannten Vorschriften Insolvenzantrag hätte stellen
müssen.
81
1. Nach § 130 a Abs. 1 Satz 1 1. Hs HGB, der gemäß § 161 Abs. 2 HGB auf die KG
Anwendung findet, ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Gesellschaft zu
beantragen, wenn eine Gesellschaft, bei der keine natürliche Person Gesellschafter ist,
zahlungsunfähig oder überschuldet ist.
82
Bei der KG ist weder die Komplementärin, die D. I. T. GmbH, noch die D. H. GmbH (im
folgenden: H. GmbH), die sämtliche Kommanditanteile hielt, eine natürliche Person, so
dass die Vorschrift des § 130 a Abs. 1 HGB auf die KG Anwendung findet.
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2. Antragspflichtig sind gem. § 130 a Abs. 1 Satz 2 HGB u.a. die organschaftlichen
Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter, mithin u.a. der
Beklagte als (Mit-) Geschäftsführer der Komplementärin der KG (vgl. nur Münchener
Handbuch des Gesellschaftsrechts-Gummert, 2004, Bd. 2, § 55 Rz 9).
84
3. Der Antrag hat weiter nach § 130 a Abs. 1 Satz 3 HGB ohne schuldhaftes Zögern zu
erfolgen, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der
Überschuldung als absolute Grenze für ein Handlungsermessen der Antragspflichtigen
(vgl. MünchKomm-Schmidt, HGB, Stand 2007, § 130 a Rz 25) .
85
4. Mithin ist entscheidend, ob die KG schon bei Abschluss der streitgegenständlichen
Verträge mit der Klägerin zahlungsunfähig oder überschuldet im Sinne von § 19 InsO
war.
86
Zu einer Zahlungsunfähigkeit trägt die Klägerin nichts vor, sondern beruft sich zur
Begründung ihres Anspruchs gegen den Beklagten allein auf das Vorliegen einer
Überschuldung der KG. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann Überschuldung im
Sinne des § 19 InsO auch trotz Zahlungsfähigkeit vorliegen. Die Insolvenzantragspflicht
kann alternativ – was sich schon aus dem Wortlaut der Regelung ergibt – aus dem
Vorliegen eines der beiden Merkmale folgen (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. A., § 64
Rz 44).
87
(1) Vom Grundsatz her liegt Überschuldung dann vor, wenn das Aktivvermögen der
Gesellschaft die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Die rechnerische Überschuldung ist
88
hierbei von der schlichten Unterbilanz zu unterscheiden. Während es für das Bestehen
einer Unterbilanz bereits genügt, dass bei Zugrundelegung der Handelsbilanz die
Passiva der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Stammkapitalziffer ihre Aktiva
übersteigen, liegt rechnerische Überschuldung erst dann vor, wenn das Vermögen der
Gesellschaft auch bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen
Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (vgl. statt vieler nur BGH,
Urteil vom 13.07.1992, II ZR 269/91, BGHZ 119, 201, in: www.juris.de, Rz 14 m.w.N.).
Zur Darlegung einer Überschuldung genügt es demnach nicht, auf einen
Jahresabschluss mit Unterbilanz und dessen Fortschreibung zu verweisen. Der
Unterbilanz kommt allenfalls indizielle Bedeutung zu, sie kann aber nur Ausgangspunkt
für die Ermittlung der wahren Werts des Gesellschaftsvermögens sein. Zur Darlegung
der rechnerischen Überschuldung ist vielmehr grundsätzlich die Vorlage eines
Überschuldungsstatus erforderlich, mit dem ermittelt wird, ob das Vermögen der
Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen
Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (BGH, Urteil vom 07.03.2005, II
ZR 138/03, ZInsO 2005, 486, in: www.juris.de, Rz 6; BGH, Urteil vom 02.04.2001, II ZR
261/99, NZI 2001, 300; OLG Stuttgart, Urteil vom 13.03.2002, 20 U 67/01, GmbHR 2002,
1072, in: www.juris.de, Rz 44; MünchKomm-Stodolkowitz, InsO, 1. A., §135 Rz 49). In
der Überschuldungsbilanz sind auf der Aktivseite alle Vermögenswerte anzusetzen, die
im Falle der Konkurseröffnung zu den verwertbaren Bestandteilen der Masse gehören
(vgl. Urteil vom 27.10.1982, VIII ZR 187/81, NJW 1983, 676, 677; Baumbach/Hueck-
Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. A., § 64 Rdnr. 14ff; OLG Düsseldorf, Urteil vom
31.03.1999, 12 U 176/97, NZG 1999, 944, 946).
89
Den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der
Konkursantragspflicht hat grundsätzlich der Gläubiger zu erbringen (BGH, Urteil vom
06.06.1994, II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2224). Bei feststehender bilanzmäßiger
Überschuldung ist es allerdings zunächst Sache des Geschäftsführers, diejenigen
Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass trotz ausgewiesener Unterbilanz
keine rechnerische Überschuldung vorliegt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.1999, 12
U 176/97, NZG 1999, 944, 946; LG München I, Urteil vom 22.09.1999, 30 O 7336/99, BB
2000, 428, 429). Hierzu ist er weit besser in der Lage als ein außenstehender Gläubiger,
der in aller Regel keinen hinreichenden Überblick über die für die Bewertung des
Gesellschaftsvermögens maßgebenden Umstände hat (BGH, Urteil vom 06.06.1994, II
ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2224; Luttermann, "Konkursantragspflicht,
Schadensersatz und Beweislast -- Kommentar zu HansOLG Hamburg, NZG 2000, 606",
NZG 2000, 583, 584).
90
Die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1
InsO stellt nach dessen Aufbau hierbei den Regelfall dar; die Überschuldungsprüfung
nach Fortführungswerten gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO, die eine positive
Fortbestehensprognose voraussetzt, den Ausnahmefall. Im Haftungsprozess wegen
Insolvenzverschleppung hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und
notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen
Zeitraum ergibt (BGH, Beschluss vom 09.10.2006, II ZR 303/05, GmbHR 2006, 1334, in:
www.juris.de, Rz 3; KG, Urteil vom 01.11.2005, 7 U 49/05, GmbHR 2006, 374, in:
www.juris.de, Rz 26).
91
(2) Nach diesen Kriterien ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, von einer
Überschuldung der KG im maßgeblichen Zeitraum – Februar 2004 – auszugehen.
92
Die Klägerin ist zunächst ihrer oben dargestellten Darlegungslast hierzu in
ausreichendem Maße nachgekommen.
93
Unstreitig ergab der Jahresabschluss zum 31.12.2002 eine bilanzmäßige
Überschuldung der KG von rund 1 Mio €, die sich zum 31.12.2003 auf rund 2,5 Mio. €
erhöht hat. Damit besteht jedenfalls zunächst schon zumindest ein Indiz für eine auch
rechtliche Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO.
94
Der von der KG selbst mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beigefügte
Überschuldungsstatus zum 27.04.2004 ergab nach dem Bericht des
Insolvenzverwalters vom 30.07.2004 (Anlage K 4, dort Seite 8) sogar eine
Überschuldung in Höhe von rund 5 Mio. € (deren Höhe nach Einschätzung des
Insolvenzverwalters zudem noch zu niedrig angegeben sein dürfte). Demnach spricht
zunächst der Anschein dafür, dass die finanzielle Lage der KG sich kontinuierlich
verschlechtert hat, und es ist anzunehmen, dass die KG auch zwischen dem 31.12.2003
und dem Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages bilanziell und auch im Sinne des
§ 19 Abs. 2 InsO rechtlich überschuldet war. Der Überschuldungsstatus vom 17.04.2004
ist nur rund neun Wochen nach Abschluss der streitgegenständlichen Verträge erfolgt
und es ist nicht anzunehmen, dass sich eine derart hohe Überschuldung über diesen
geringen Zeitraum hin entwickelt hat.
95
Aufgrund dieser starken Indizien hätte es folglich dem Beklagten oblegen, substantiiert
darzulegen, dass trotz der bilanziellen Überschuldung zum 31.12.2003 und trotz der von
der KG im Überschuldungstatus vom 27.04.2004 angegebenen rechtlichen
Überschuldung von fast 5 Mio. € im Februar 2004 - also im Zeitpunkt des Abschlusses
der streitgegenständlichen Verträge mit der Klägerin - keine rechtliche Überschuldung
der KG im Sinne von § 19 Abs. 2 InsO vorgelegen hat.
96
Erst wenn ihm dies gelungen wäre, hätte die Klägerin die Beweislast dafür getroffen,
dass die KG rechtlich überschuldet war.
97
Im weiteren wäre es dann wiederum an dem Beklagten, im einzelnen darzulegen und zu
beweisen, dass eine positive Fortsetzungsprognose für die KG gegeben war und bei der
Frage der rechtlichen Überschuldung im Sinne von § 19 Abs. 2 InsO daher eine
Bewertung der Gesellschaft nicht nach Liquidationswerten, sondern nach sog. going-
concern Werten vorzunehmen sei (vgl. Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung-
Schmerbach, 3. A., § 19 Rz 8ff, Rz 19ff; Harmeyer/Wutzke/Förster, Hd.buch zur InsO, 3.
A., Kap. 1, Rz 98; Haas, "Aktuelle Rechtsprechung zur Insolvenzantragspflicht des
GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG; DStR 2003, 423, 425).
98
Der Beklagte hat schon zu dem ersten Schritt - nämlich dass trotz der bilanziellen
Überschuldung der KG nicht von einer rechnerischen Überschuldung im Sinne von § 19
Abs. 2 InsO auszugehen sei - nicht hinreichend vorgetragen.
99
Insoweit hätte es ihm oblegen, eine übersichtliche Zusammenstellung der relevanten
Vermögenswerte der KG im Sinne einer Überschuldungsbilanz vorzulegen, jedenfalls
hinsichtlich derjenigen Vermögenswerte, bezüglich derer er das Vorliegen stiller
Reserven behauptet.
100
a) Die von dem Beklagten vorgelegten Anlagen BB 8 und BB 9 genügen dem in keiner
101
Weise, da aus ihnen die einzelnen auf Aktivseite und Passivseite anzusetzenden
Vermögenswerte der KG nicht hinreichend ersichtlich sind. Zudem ist der Stichtag, auf
den sie bezogen sind, nicht eindeutig ersichtlich. Insbesondere fehlt es auch an näheren
Darlegungen zu den behaupteten Rangrücktritten (dazu näher unten unter c 1)). Ohne
substantiierte Darlegung zu den einzelnen im Rahmen einer Überschuldungsbilanz
anzusetzenden Aktiv- und Passivposten, wozu Anlagen BB 8 und BB 9 keine konkreten
Anhaltspunkte liefern, sind diese von dem Beklagten vorgelegten Berechnungen mithin
nicht geeignet, die für eine Überschuldung der KG im Februar 2004 sprechenden
Indizien zu entkräften.
Ohnehin ist der diesbezügliche Vortrag des Beklagten, der diese Anlagen erstmals in
der Berufungsinstanz vorgelegt hat, neu und nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.
102
Die Frage der Überschuldung der KG ist schon im ersten Rechtszug eingehend
zwischen den Parteien erörtert worden und betrifft keinen Gesichtspunkt, der vom
Gericht des ersten Rechtszugs erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten
worden ist, § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Auch ist dieser Vortrag nicht etwa infolge eines
Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden, § 531 Abs. 2
Nr. 2 ZPO. Die Frage der Überschuldung der KG lag offen auf der Hand und es ist dazu
von dem Beklagten eingehend vorgetragen worden, so dass es keines Hinweises des
Landgerichts bedurfte, hierzu noch näher auszuführen. Vielmehr beruht es auf einer
Nachlässigkeit des Beklagten im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, wenn er nicht
schon in erster Instanz alle möglicherweise zur Beurteilung der Überschuldung der KG
relevanten Umstände dargelegt und hierzu verfügbare Unterlagen vorgelegt hat, da
auch für ihn erkennbar dieser Punkt wesentlich für einen Erfolg des klägerischen
Begehrens bzw. für seine Verteidigung gegen die Klageforderung war.
103
b) Auch die von dem Beklagten erstinstanzlich in der Klageerwiderung angestellten
Berechnungen zum Vermögensstand der KG zum 30.09.2003 bzw. zum 31.12.2003
sind nicht geeignet, die Indizien für das Vorliegen einer Überschuldung im Februar 2004
zu entkräften. Zum einen fehlt es schon an einer Berechnung zum streitgegenständlich
interessierenden Zeitraum, also dem 19.02.2004 bzw. die drei Wochen davor, innerhalb
derer der Beklagte bei Vorliegen einer rechtlichen Überschuldung spätestens hätte
einen Insolvenzantrag stellen müssen. Zudem lassen die Berechnungen nicht
hinreichend erkennen, auf welchen tatsächlichen Grundlagen sie beruhen. Soweit stille
Reserven aus Grundstücken angegeben sind, fehlt hierzu jeglicher näherer Vortrag, wie
genau der angesetzte Wert von 300.000,- € insgesamt für die beiden Grundbesitze in B.
und D. ermittelt worden ist. Zudem würde allein die Auflösung dieser behaupteten stillen
Reserven rein rechnerisch nicht zu einer Auflösung der Unterbilanz genügen. Was die
Rücktrittsvereinbarung der D.-. GmbH & Co. KG und die Kapitalreserve von F. betrifft, ist
schon nicht hinreichend dargetan, dass qualifizierte Rangrücktrittserklärungen (zu deren
Erfordernis s. unter c) 1)) insoweit tatsächlich vorgelegen haben.
104
c) Letztlich entscheidend für die Beurteilung der Überschuldung der KG ist, worauf auch
der Beklagte selbst wesentlich abstellt, ob der KG gegen die D. H. GmbH und/oder F.
Verlustausgleichsansprüche zugestanden haben, die ggf. in einer
Überschuldungsbilanz zu aktivieren wären und zu dem Ergebnis führen könnten, dass
die KG nicht überschuldet war.
105
Insoweit hat das Landgericht zunächst zu Recht darauf hingewiesen, dass auch
verbundene Unternehmen hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes
106
grundsätzlich rechtlich selbständig zu betrachten sind (Uhlenbruck-Hirte, InsO, 12. A., §
11 Rz 394).
Allerdings könnten der KG ggf. zustehende Verlustausgleichsansprüche als Aktivposten
in der Überschuldungsbilanz zu verbuchen und diese dann dementsprechend zu
korrigieren sein.
107
So sind als Aktiva zu verbuchen u.a. vertragliche Verlustdeckungs- und
Garantieansprüche wie z.B. aus Gewinn- oder Verlustübernahmeverträgen oder sog.
"harten" Patronatserklärungen, Werthaltigkeitsgarantien und konzernrechtliche
Ansprüche auf Verlustdeckung (so zur GmbH, was auch für eine Überschuldungsbilanz
einer KG gleichermaßen gelten muss: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise,
Sanierung und Insolvenz, 2. A., Rz 606; vgl. auch Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. A., §
63 Rz 42; Baumbach/Hueck- Schulze – Osterloh, GmbHG, 18. A., § 64 Rz 18;
Kübler/Prütting-Pape, InsO, Stand Juli 2007, § 19, Rz 11; Gottwald,
Insolvenzrechtshandbuch, 3. A., § 6 Rz 37). Dabei sind Ansprüche aus
Verlustausgleichsverpflichtungen aber nur zu aktivieren, wenn sie auch werthaltig sind,
also mit ihrer Durchsetzung auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu rechnen ist
(Jaeger-Müller, InsO, 1. A., § 19 Rz 66; Heidelberger Kommentar zur InsO - Kirchhof, 4.
A., § 19 Rz 21).
108
Für Verlustdeckungsansprüche im qualifizierten faktischen Konzern – soweit der
Beklagte dies überhaupt geltend machen möchte, da er in seinem Schriftsatz vom
15.05.2006 noch selbst dargelegt hat, es gehe vorliegend nicht um solche
Verlustausgleichsansprüche – ist indes, nachdem der BGH von seinem auf eine
entsprechende Anwendung der §§ 291ff, 311ff AktG gestützten Haftungssystem
abgerückt ist, kein Raum mehr (Jaeger-Müller, InsO, 1. A., § 19 Rz 66; vgl. auch
Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. A., Anh. § 13 Rz 24, 25), so dass die Frage, inwieweit
diese Grundsätze überhaupt auf eine GmbH & Co. KG zu übertragen wären,
dahinstehen kann. So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 17.09.2001 (II ZR
178/99, BGHZ 149, 10, in: www.juris.de, dort Rz 11) ausdrücklich klargestellt, dass der
Schutz einer abhängigen GmbH gegenüber Eingriffen ihres Alleingesellschafters nicht
dem Haftungssystem des Konzernrechtes des Aktiengesetzes (§§ 291 ff. AktG) folgt,
sondern sich auf die Erhaltung ihres Stammkapitals im Sinne der §§ 30f GmbHG
beschränkt, für die im Rahmen des § 43 Abs. 3 GmbHG auch ihre Geschäftsführer
haften, und die Gewährleistung ihres Bestandsschutzes in dem Sinne, dass ihr
Alleingesellschafter bei Eingriffen in ihr Vermögen und ihre Geschäftschancen
angemessene Rücksicht auf ihre seiner Disposition entzogenen eigenen Belange zu
nehmen hat.
109
1) Der Beklagte beruft sich zum einen auf einen Ausgleichsanspruch der KG gegen die
H. GmbH aus einem eingerichteten sog. Cash-Pool.
110
Insofern fehlt es aber schon an konkreten Darlegungen des Beklagten dazu, wie genau
die Finanzierung innerhalb der D.-Gruppe in dem eingerichteten Cash-Pool erfolgt ist,
da ein Cash-Management bei verbundenen Unternehmen in unterschiedlichen
Ausprägungen vorliegen kann (vgl. etwa Sieger/Hasselbach, "Konzernfinanzierung
durch Cash Pools und Kapitalerhöhung", BB 1999, 645). Der Beklagte behauptet nicht
einmal, dass zwischen den einzelnen Unternehmen der D.-Gruppe Verträge hinsichtlich
des Cash-Pools geschlossen worden sind, noch zeigt er konkret auf, wie die genaue
Handhabung erfolgte. Der Vortrag des Beklagten legt vielmehr nahe, dass vertragliche
111
Vereinbarungen nicht bestanden und die H. GmbH "nach Bedarf" der KG Kapital
zugeführt hat. Hieraus allein kann indes eine rechtliche und werthaltige Verpflichtung
der H. GmbH gegenüber der KG nicht hergeleitet werden.
Sollte bei der D. H. GmbH ein zentrales Konto eingerichtet gewesen sein, auf dem alle
liquiden Mittel der einzelnen D.-Unternehmen konzentriert worden sind –, der Vortrag
des Beklagten Bl. 141f GA ist hierzu nicht eindeutig; die vorgelegten Kontoauszüge B
19 und B 20 betreffen allerdings ein Konto der KG –, so käme es zur Beurteilung eines
Ausgleichsanspruchs zunächst darauf an, ob auf diesem Konto Beträge verbucht waren,
die eigentlich der KG zustehen. In diesem Fall könnte ein solcher Posten ohne
Einschränkungen als Anspruch auf Auszahlung gegen die H. als Aktivposten der KG zu
verbuchen sein. Dies allerdings auch nur dann, wenn der Auszahlungsanspruch der KG
auch werthaltig wäre, also die H. über ausreichend liquide Mittel verfügte, um den
Anspruch zu erfüllen. Diese Voraussetzung ist schon nicht dargetan, da für die H. GmbH
auch ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist und deren
ebenfalls schon im Jahr 2003 bestehende schlechte finanzielle Situation sich auch aus
dem Vertrag vom 21.11.2003 ergibt, so beispielsweise dort unter I. 6. und II. 4..
112
Indes ist der Vortrag des Beklagten dahingehend zu verstehen, dass die H. GmbH nicht
eigentlich der KG zustehende Beträge bei sich verbucht hat, sondern dass die H. GmbH
als Finanzierungsinstrument nach den vertraglichen Beziehungen in der D.-Gruppe
verpflichtet sein sollte, bei einer Überschuldung der KG dieser Ausgleichszahlungen
zukommen zu lassen. Ein solcher Anspruch ist nicht als Aktiva zu verbuchen. Solche
bloßen Ausgleichszahlungen im Rahmen des Cash-Pooling würden nämlich stets eine
entsprechende Verbindlichkeit der KG gegenüber der H. GmbH begründen. Der
Ausgleichsanspruch wäre demnach nur dann nicht zu passivieren – und dies ist
entscheidend für die Frage der Überschuldung der KG – wenn qualifizierte
Rangrücktrittserklärungen vorgelegen hätten.
113
Etwaige Finanzierungsmittel von Gesellschaftern könnten nämlich entgegen der Ansicht
des Beklagten nur dann, worauf das Landgericht zutreffend hinweist, in einer
Überschuldungsbilanz der KG auf der Passivseite unberücksichtigt bleiben, wenn
qualifizierte Rangrücktrittserklärungen vorliegen; ist dies nicht der Fall, ist die
Passivierung von Gesellschafterforderungen für den Überschuldungsstatus erforderlich
(BGH, Urteil vom 08.01.2001, II ZR 88/99, NJW 2001, 1280, 1281 m.w.N.; OLG
Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.03.2005, 7 U 166/03, GmbHR 2005, 1124, in:
www.juris.de, Rz 13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2000, 6 U 36/99, NZG 2001,
133, 134; Gottwald-Uhlenbruck, Insolvenzrechtshandbuch, 3. A., § 6 Rz 51).
114
Inwieweit sich diesbezüglich nach der geplanten Einführung des MoMiG Änderungen
ergeben könnten, ist für den vorliegenden Fall, der allein nach dem derzeit geltenden
Recht zu entscheiden ist, unbeachtlich.
115
Dass solche Rangrücktrittserklärungen vorlagen, hat der Beklagte zwar mit seiner
aber nicht zu folgen, da der zugrundeliegende Vortrag des Beklagten widersprüchlich
und damit unbeachtlich ist. So hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 13.04.2007
beispielsweise ausgeführt, dass ausweislich des Übersichtsblatts Anlage BB 8 dem
Controller W. und dem Buchhalter J. Rangrücktrittserklärungen zugunsten der KG
"vorgelegen haben müssen", folgert deren tatsächlich erfolgte Abgabe mithin allein aus
dem Umstand, dass auf dem Übersichtsblatt Anlage BB 8 Rangrücktritte aufgelistet sind.
116
Dies stellt also ersichtlich eine reine Mutmaßung des Beklagten dar. Die Aufstellung von
Zahlen in der Spalte "Rangrücktritte" auf einem solchen Arbeitspapier besagt nichts
darüber, ob Rangrücktritte erklärt worden sind oder ob vielmehr die Abgabe solcher
Erklärungen nur für die Zukunft beabsichtigt war. Weiter führt der Beklagte sodann in
diesem Schriftsatz selber aus, dass bei einem für den 20.04.2004 vereinbarten Treffen
überprüft werden sollte, ob die Rangrücktritte mittlerweile erklärt worden sind oder ob
diese dann unmittelbar gefertigt würden. Zu der von F. an die KG geleisteten Zahlung in
Höhe von 500.000,- € Ende März 2004 führt der Beklagte sodann selber aus, dass
diesbezüglich auch nicht zeitgleich ein Rangrücktritt erklärt worden ist, sondern nur
geplant war und dann infolge der "hektischen Ereignisse" unterblieben sei. Auch aus
der Anlage BB 9 ergibt sich nicht, ob die dort erwähnten Rangrücktritte tatsächlich
vorlagen oder deren Abgabe nur beabsichtigt war.
Aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 30.07.2004 (Anlage K 4, dort Seite 7
unten) ergibt sich dem gegenüber, dass dieser davon ausgeht, dass es keine
Rangrücktrittserklärungen gegeben hat. Soweit der Beklagte behauptet, solche
Erklärungen seien im Februar oder März 2004 erfolgt und müssten dem
Insolvenzverwalter vorliegen, stellt dies eine reine Spekulation dar.
117
Insgesamt geht zudem aus dem Vortrag des Beklagten nicht hinreichend deutlich
hervor, ob und in welcher Höhe die KG gegen die H. GmbH einen Anspruch auf
Verlustausgleich bzw. einer insolvenzvermeidenden Konzernbinnenfinanzierung hätte.
118
Weiter hätte es, um beurteilen zu können, ob die D. H. GmbH überhaupt über
ausreichende Mittel verfügte, um der KG die benötigten Finanzmittel zur Abwendung der
Überschuldung zur Verfügung zu stellen, einer umfassenden Darlegung zu der
Vermögenssituation der H. und sämtlicher verbundenen Unternehmen der D.-Gruppe
bedurft. Auch dazu hat der Beklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Soweit
der Beklagte erstinstanzlich Berechnungen zu dem freien Vermögen der H. angestellt
hat, fehlt es zum einen an einer solchen Berechnung bezogen auf Ende Januar 2004
und zum anderen an einer Bilanz bezüglich aller der D.-Gruppe verbundenen
Gesellschaften, um beurteilen zu können, ob genügend freies Vermögen der D.
existierte, um sämtlichen Gesellschaften der D.-Gruppe die erforderlichen Finanzmittel
zur Verfügung zu stellen. Denn nur wenn dies der Fall gewesen wäre, könnte davon
auszugehen sein, dass die H. in der Lage gewesen wäre, den Schuldenüberhang der
KG, den der Beklagte selbst zum 31.12.2003 auf rund -1,9 Mio. € beziffert, tatsächlich
auszugleichen.
119
2) Der Beklagte beruft sich weiter darauf, dass eine Überschuldung der KG deshalb
nicht vorgelegen habe, weil sich aus den verbindlichen Zahlungszusicherungen der Fa.
F., Ziffer 6 des Vertrages vom 21.11.2003, Anlage B 22, ein Anspruch auf
Ausgleichszahlungen auch zugunsten der KG ergebe.
120
Inwieweit sich aus dem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 21.11.2003 (Anlage B 22)
überhaupt Ansprüche auf Finanzierungsmittel auch zugunsten der KG ergeben, kann
indes dahinstehen, da es auch insoweit jedenfalls an Rangrücktrittserklärungen der H.
GmbH sowie der Firma F. gegenüber der KG fehlt.
121
Im übrigen ist insoweit den Ausführungen des Landgerichts zu folgen, auf die im
einzelnen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (Urteil Seite 11ff, Bl.
219ff GA), dass die Klausel in Ziffer 6. des Vertrages schon nicht hinreichend bestimmt
122
ist, um eine umfassende Verlustausgleichsverpflichtung zu begründen. Die Klausel
dient vielmehr ersichtlich dazu, das eingebrachte Finanzkapital zwischen Käufer (F.)
und Verkäufern (Brüder G.) auszugleichen; in welchem konkreten Umfang die einzelnen
Gesellschaften der D.-Gruppe finanziert werden sollten, ist indes aus der Regelung nicht
ersichtlich. Insbesondere ergibt sich auch hieraus keine sog. "harte Patronatserklärung",
für deren Vorliegen u.a. Voraussetzung wäre, dass sie im Hinblick auf sämtliche
Verbindlichkeiten der Schuldnerin abgegeben wird (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. A., § 35
Rz 65).
Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass die nach Ziffer 6 des Vertrages vom
21.11.2003 angestrebte finanzielle Gleichheit zwischen den Gesellschaftern der H.
GmbH erst zum 31.12.2006 erreicht sein sollte. Ziffer 6.2 (a) des Vertrages, wonach
Finanzierungsmaßnahmen "im jeweiligen Geschäftsjahr" erfolgen sollen, wenn die
Finanzsituation dies erforderlich mache, ist zu unbestimmt, um daraus einen konkreten
Verlustausgleichsanspruch herleiten zu können.
123
Auch wenn die von dem Beklagten behaupteten zu leistenden Finanzierungsbeiträge in
Höhe von insg. 13,8 Mio. Euro seitens der Fa. F. tatsächlich zu leisten gewesen wären,
ist hieraus mangels übersichtlicher Darstellung sämtlicher Vermögensverhältnisse der
einzelnen Gesellschaften der D.-Gruppe nicht zu ersehen, welches konkrete
Finanzierungsvolumen sich hieraus für die KG ergeben hätte und insbesondere auch
nicht, zu welchem Zeitpunkt die KG konkret Anspruch auf Ausgleichszahlungen gehabt
hätte, d.h. also insbesondere auch nicht, dass sie im Zeitpunkt ihrer Überschuldung im
Februar 2004 einen werthaltigen Ausgleichsanspruch gehabt hätte.
124
Aus den von dem Beklagten in seiner Berufungsbegründung behaupteten mündlichen
Zusicherungen von Seiten F. lässt sich, da diese sehr vage gehalten sind und bloße
Absichtserklärungen hinsichtlich einer bestimmten ins Auge gefassten Geschäftspolitik
darstellen, ebenfalls kein Ausgleichsanspruch der KG gegen F. herleiten (vgl. dazu OLG
Frankfurt, Urteil vom 19.09.2007, 4 U 22/07, in: www.juris.de, Rz 14).
125
(3) Mithin hätte es dem Beklagten - ausgehend von einer Überschuldung der KG -
oblegen, darzulegen und zu beweisen, dass eine positive Fortführungsprognose
bestand (OLG Köln, Urteil vom 19.12.2000, 22 U 144/00, NZG 2001, 411, in:
www.juris.de, Rz 31) und deshalb ein Überschuldungsstatus nicht nach
Liquidationswerten, sondern nach going-concern-Werten zu erstellen sei
(Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur InsO, 3. A., Kap. 1 Rz 98).
126
Bei der anzustellenden Fortsetzungsprognose ist dem Geschäftsführer ein gewisser
Beurteilungsspielraum zuzubilligen (Haas, "Aktuelle Rechtsprechung zur
Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG"; DStR
2003, 423, 425).
127
Für eine solche Prognose ist zu fordern, dass die wirtschaftliche Lebensfähigkeit und
Schuldendeckung nach Fortführungswerten substantiiert dargelegt und dokumentiert ist
(Haas, Fragen zur Insolvenzverschleppungshaftung des GmbH-Geschäftsführers, NZG
1999, 373, 379). Es muss also eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
durchzuführende Ertrags- und Finanzplanung vorgenommen und dokumentiert werden
(KG Berlin, Urteil vom 01.11.2005, 7 U 49/05, GmbHR 2006, 374, in: www.juris.de, Rz
27; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.08.2003, 5 U 67/03, in:
www.juris.de, Rz 20; Bork, "Wie erstellt man eine Fortbestehensprognose?", ZIP 2000,
128
1709, 1710). Eine solche sinnvollerweise schriftlich zu erstellende
Fortführungsprognose erfordert demnach, dass die einzelnen maßgeblichen Positionen
bewertet und einander gegenübergestellt werden, so dass ein Sachverständiger in der
Lage wäre, innerhalb angemessener Zeit die Bewertungsprämissen nachzuvollziehen,
woraus folgt, dass auch die Tatsachen, die für die Bewertung maßgeblich sind, und die
Schlussfolgerungen dokumentiert werden müssen (Uhlenbruck, InsO, 12. A., § 19 Rz
79).
Allerdings besteht, worauf das Landgericht in seiner Entscheidung zu Recht hinweist,
keine rechtliche Pflicht zur schriftlichen Dokumentation der Fortführungsprognose. Indes
ist der Beklagte im Haftungsprozess gehalten, sämtliche den obigen Kriterien
entsprechende Umstände darzulegen, damit verlässlich beurteilt werden könnte, ob
eine positive Fortsetzungsprognose anzunehmen war.
129
Die von dem Beklagten nunmehr vorgelegte Stellungnahme der D. GmbH (Anlage BB
11) ist nicht konkret genug gefasst, um eine positive Fortsetzungsprognose begründen
zu können.
130
Die Stellungnahme beschreibt zunächst den Status der D., dies allerdings auch, ohne
dass aus den tabellarisch aufgelisteten Zahlen eindeutig hervorgeht, woraus diese
gewonnen sind; an einer systematischen und nachvollziehbaren Aufstellung sämtlicher
Vermögenswerte der KG fehlt es. Sodann enthält die Stellungnahme im Sinne eines
ersten Schrittes unternehmensberaterischer Tätigkeit zahlreiche "Empfehlungen", die
der "tatsächlichen Situation" gegenübergestellt werden. Indes genügt dies zur Belegung
einer konkreten Fortsetzungsprognose nicht. Inwieweit die "Empfehlungen" konkret
tatsächlich umgesetzt werden könnten, ist nicht näher dargelegt. Insbesondere fehlt es
zur genauen Beurteilung der zukünftigen wirtschaftlichen Situation der KG im Sinne
einer positiven Fortsetzungsprognose an konkreten Daten beispielsweise zu
zukünftigen Aufträgen und darauf erwarteten Erträgen.
131
Soweit der Beklagte erstinstanzlich und in der Berufungsbegründung zu erwarteten
Aufträgen und Umstrukturierungsmaßnahmen vorgetragen hat, ist dies ebenfalls nicht
konkret genug, um als verlässliche Grundlage zur Beurteilung für eine positive
Fortführungsprognose zu dienen, insbesondere mangels einer übersichtlichen und
detaillierten Aufstellung zu sämtlichen Aktiva und Passiva der KG und realistisch
bezifferter Ertragsmöglichkeiten.
132
So ergibt sich auch aus dem Status-Report der D. selbst, dass eine Liquiditätsplanung
zu diesem Zeitpunkt gerade noch nicht vorgelegen hat und die Erstellung einer solchen
empfohlen wird. Angesichts der schon seit 2003 schlechten wirtschaftlichen Lage der
KG hätte es aber dem Beklagten oblegen, eine solche schon zu einem früheren
Zeitpunkt erstellen zu lassen.
133
Soweit der Beklagte sich zur Annahme einer positiven Fortführungsprognose auf die
vertraglichen Zahlungsverpflichtungen der Firma F. beruft, nach denen diese die D.-
Gruppe bis 2006 mit Eigenkapital auszustatten hatte, gilt das oben Dargelegte
gleichermaßen. Zwar wäre, wenn den Zahlen des Beklagten insoweit zu folgen wäre,
die D.-Gruppe insgesamt mit einem beträchtlichen Eigenkapital ausgestattet worden.
Indes fehlt es dann immer noch an konkreten Darlegungen des Beklagten dazu,
inwieweit sich hieraus ein verbindlicher Anspruch der KG gegen die D. H. GmbH auf
Verlustausgleich ergeben hätte. Hätten der KG lediglich Darlehen gewährt werden
134
sollen (so der Vortrag des Beklagten selbst), wäre wiederum zu berücksichtigen, dass
dann auch entsprechende Rangrücktrittserklärungen vorliegen müssten, damit derartige
Forderungen nicht in einer Überschuldungsbilanz zu passivieren wären. Zudem hat der
Beklagte nicht hinreichend dazu Stellung genommen, dass, wie von der Klägerin
vorgetragen, schon die beabsichtigten Finanzierungsleistungen von F. an die H. GmbH
dem Eigenkapitalersatzrecht unterfallen wären.
Soweit der Beklagte auf aus einem schädigenden Verhalten seitens F. etwaig
resultierenden Schadensersatzansprüche der KG gegen F. rekurrieren möchte, fehlt
hierzu jegliche nähere Konkretisierung, um beurteilen zu können, ob sich hieraus etwa
werthaltige Forderungen der KG gegen F. ergeben könnten. Der Vortrag des Beklagten
zeigt im Gegenteil, dass eine positive Fortsetzungsprognose der KG eher fraglich
schien, wenn F. bei Abschluss der Verträge mit der D.-Gruppe, wie von dem Beklagten
selbst behauptet, im Wesentlichen an den "Auslandfähnchen" interessiert war, mithin
daran, sich nützliche Geschäftszweige der D.-Gruppe anzueignen, nicht aber, alle
Gesellschaften der D.-Gruppe zu erhalten.
135
Auch allein aus dem von dem Beklagten angeführten Umstand, dass F. noch am
26.03./30.03.2004 insgesamt 500.000,- € an die KG gezahlt hat, kann nicht auf eine
positive Fortsetzungsprognose geschlossen werden, zumal - wie die darauf folgenden
Geschehnisse zeigen - diese Zahlung allein nicht geeignet war, eine Insolvenz der KG
abzuwenden. Aus welchen Motiven F. diese Zahlung geleistet hat und ob man seitens
F. hierbei von einer positiven Fortsetzungsprognose für die KG ausging, ist nicht
ersichtlich.
136
Ebenso wenig ist der Umstand, dass der Insolvenzverwalter ausweislich seines
Berichtes zunächst eine Sanierung der KG ins Auge gefasst hatte, geeignet, eine von
dem Beklagten nachvollziehbar dargelegte und nachprüfbar dokumentierte
Fortsetzungsprognose zu ersetzen. Laut Bericht des Insolvenzverwalters (Anlage K 4,
dort Bl. 8 GA) hat er eine übertragende Sanierung angedacht, die keine Sanierung im
Sinne einer "Heilung" darstellt, sondern durch die der Geschäftsbetrieb als solcher
durch Veräußerung des Unternehmens oder Teilen hiervon erhalten werden soll. Das
Erwägen dieser Möglichkeit eines sog. "Asset Deal" durch den Insolvenzverwalter
bedeutet mithin in keiner Weise, dass dieser hierbei von einer positiven
Fortführungsprognose für die KG als solche ausgegangen ist.
137
Es ist mithin mangels übersichtlicher und nachvollziehbarer Darlegung und Nachweis
einer positiven Fortsetzungsprognose davon auszugehen, dass die KG zum Zeitpunkt
des Abschlusses der streitgegenständlichen Verträge mit der Klägerin im Sinne von §
19 InsO überschuldet war.
138
5. Die Rechtswidrigkeit des Handelns des Beklagten wird durch den Verstoß gegen das
Schutzgesetz des § 130 a HGB indiziert.
139
6. Der Beklagten hat auch schuldhaft gehandelt.
140
Dafür, dass mangelndes Verschulden vorgelegen hat, ist der Beklagte beweispflichtig
(BGH, Urteil vom 06.06.1994, II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2224; Haas, "Fragen zur
Insolvenzverschleppungshaftung des GmbH-Geschäftsführers", NZG 1999, 373, 379
m.w.N.). Diesen Nachweis hat er nicht erbracht.
141
Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass "sämtliche Beteiligten" nicht von einer
Insolvenzreife, insb. der KG, ausgegangen seien, ist dies nicht geeignet, ihn zu
entlasten. Als verantwortliches Organ ist er nämlich verpflichtet, selber fortlaufend die
wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu beobachten (BGH, Urteil vom 06.06.1994, II
ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2224).
142
Der Beklagte hat es offensichtlich unterlassen, trotz Anzeichen einer Krise schon durch
die negative Bilanz zum 31.12.2002 einen aussagekräftigen Überschuldungsstatus
aufzustellen. Die von ihm behauptete vorliegende Liquiditätsplanung wird von ihm nicht
näher konkretisiert; auch aus der Vorlage eines täglichen Bankstatus allein ergibt sich
nicht, inwieweit der Beklagte hieraus auf eine positive Fortsetzungsprognose hätte
schließen dürfen. Soweit er allein auf die Zusage der Zuführung von Kapital seitens der
Gesellschafter der H. GmbH vertraut haben sollte, kann mangels konkreter Darlegungen
dazu, inwieweit dies zwingend der KG zugute gekommen wäre, auch nicht auf eine
positive Prognose für die KG geschlossen werden (s.o.). Insoweit kann der Beklagte
sich auch nicht darauf berufen, dass er für den Fall, dass die KG keinen durchsetzbaren
Anspruch gegen die Gesellschafter auf Kapitalzufluss habe, einem entschuldbaren
Rechtsirrtum unterlegen sei. In einer Krise muss sich ein Geschäftsführer nämlich
notfalls intensiv von Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten beraten lassen, um ein
schuldhaftes Zögern mit dem Konkursantrag und damit seine persönliche Haftung
ausschließen zu können (BGH, Urteil vom 06.06.1994, II ZR 292/91, NJW 1994, 2220,
2224; BGH, Urteil vom 15.04.2007, II ZR 48/06, DB 2007, 1455, in: www.juris.de, Rz 16;
OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.1999, 12 U 176/97, NZG 1999, 944, in: www.juris.de,
Rz 42). Dass der Beklagte entsprechenden konkreten Rat eingeholt habe, hat er nicht
substantiiert dargelegt.
143
Die von dem Beklagten vorgelegten Anlagen BB 8 und 9 stellen ebenfalls kein
aussagekräftiges Sanierungskonzept dar, das von einem Sachverständigen hinsichtlich
einer Fortsetzungsprognose zuverlässig beurteilt werden könnte.
144
Soweit der Beklagte sich mit der Einholung des Status – Report der D. entlasten will,
greift dies schon deshalb nicht, da dieser Bericht auf den 11. März 2004 datiert, also auf
einen Zeitpunkt, als "das Kind schon in den Brunnen gefallen" war; der Beklagte wäre
aber schon früher gehalten gewesen, sich nach den negativen Jahresbilanzen zum
31.12.2002 und zum 31.12.2003 bzw. der Zwischenbilanz zum 30.09.2003 einen
gesicherten Überblick über die wirtschaftliche Lage der KG zu verschaffen.
145
Insbesondere - und hieran liegt hauptsächlich das Verschulden des Beklagten - hätte es
ihm oblegen, sogleich nach Abschluss der Verträge vom 21.11.2003 auf die Abgabe
von qualifizierten Rangrücktrittserklärungen gegenüber der KG hinzuwirken. Zur
Gewährleistung einer nachhaltig insolvenzvermeidenden Finanzierung der KG durch
die H. GmbH oder F. durfte der Beklagte sich nicht allein auf die vertraglichen
Abmachungen der Gesellschafter der H. GmbH verlassen; vielmehr musste er die
Finanzierung gerade durch die rechtzeitige Sicherung einschlägiger
Rangrücktrittserklärungen insbesondere der H. selbst bezüglich der im Rahmen des
Cash-Pooling bereit gestellten Darlehen insolvenzfest gestalten und damit aus der
Passivierungspflicht befreien.
146
Allein der Umstand, dass die Abgabe solcher Rangrücktrittserklärungen in den
Verträgen vom 21.11.2003 vorgesehen war, belegt, dass sämtliche Beteiligten selbst
davon ausgingen, dass solche erforderlich waren, um eine Überschuldung der
147
Gesellschaften zu vermeiden. Dann aber hätte es dem Beklagten oblegen, auch auf die
Abgabe solcher Erklärungen hinzuwirken.
Soweit der Beklagte vorträgt, alle Beteiligten seien von einer positiven
Fortsetzungsprognose ausgegangen, entbindet ihn dies nicht von dieser ihm als
Vertretungsorgan der KG obliegenden Verpflichtung. Insbesondere hat auch der
Beklagte selbst schon nicht dazu vorgetragen, dass seine Berater etwa die
Notwendigkeit solcher Rangrücktrittserklärungen verneint hätten, noch, dass er sich in
Kenntnis der Überschuldung der KG zum streitgegenständlichen Zeitpunkt überhaupt
zur Überprüfung der von ihm nunmehr als Vertretungsorgan der KG vorzunehmenden
notwendigen Schritte, um der Überschuldung entgegenzuwirken, rechtlichen Rat zu der
Frage eingeholt habe, ob Rangrücktrittserklärungen einzuholen seien oder ob zu einer
Aktivierung der Forderungen in einem Überschuldungsstatus eine bloße Verpflichtung
der Gläubiger zur Abgabe von Rangrücktrittserklärungen genüge. Soweit der Beklagte
sein Verschulden deswegen verneinen möchte, dass die schwierige rechtliche Lage für
ihn nicht überschaubar gewesen sei, trägt dies demnach nicht. In diesem Falle hätte es
ihm oblegen, sich problembezogenen Rechtsrat einzuholen und danach zu handeln.
Nur für den Fall, dass er bei einem Fachmann tatsächlich bezüglich dieser Frage Rat
eingeholt hätte und im Vertrauen auf dessen Aussage sich entsprechend verhalten
hätte, könnte ein Verschulden des Beklagten zu verneinen sein. Hierzu aber hat er, wie
ausgeführt, schon nichts Konkretes vorgetragen. Vielmehr scheint es so, als habe der
Beklagte sich – wie auch die übrigen Beteiligten – darauf verlassen, dass die Sanierung
der D.-Gruppe durch die Finanzhilfe seitens F. gelingen werde. Dies entbindet ihn aber
nicht von der ihm obliegenden Verpflichtung, eine konkret zu Tage tretende
Überschuldung der KG durch entsprechende Schritte – wie die Einholung von
Rangrücktrittserklärungen – insolvenzvermeidend abzuwenden oder, falls ihm dies nicht
gelinge, innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist Insolvenzantrag zu stellen.
148
Insofern verfängt auch der Einwand des Beklagten, bei Stellung eines
Insolvenzantrages in dem streitgegenständlichen Zeitraum hätte er sich gegenüber
seinen Mitgesellschaftern haftbar gemacht, schon deshalb nicht, weil sein Verschulden
schon früher ansetzt, nämlich in dem Zeitpunkt, in dem er es verabsäumt hat,
Rangrücktrittserklärungen anzufordern. Hätte auch dies nicht genügt, um die
Überschuldung der KG abzuwenden, so hätte der Beklagte entweder die
Mitgesellschafter zur Zuführung von Kapital bewegen oder sonstige Maßnahmen
ergreifen müssen oder, wenn solches nicht möglich bzw. nicht erfolgreich gewesen
wäre, Insolvenzantrag stellen müssen.
149
Im übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem
erstinstanzlichen Urteil, dort Seite 18f, verwiesen.
150
7. Der Anspruch der Klägerin besteht auch in der geltend gemachten Höhe.
151
Bei der Unterscheidung zwischen Alt- und Neugläubigern geht es um die Art und den
Umfang des ihnen durch eine Insolvenzverschleppung entstandenen Schadens. Nach
dem Urteil des BGH vom 6. Juni 1994 (BGH,
Neugläubiger diejenigen Gläubiger, die ihre Forderungen gegen eine GmbH nach
Eintritt der Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers erworben haben; sie haben
Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in
Rechtsbeziehungen zu der insolvenzreifen GmbH getreten sind. Soweit § 64 Abs. 1
GmbHG potentielle Neugläubiger schon vor der Eingehung von Geschäftsbeziehungen
152
mit einer insolvenzreifen GmbH schützen soll, geschieht dies nur zu dem Zweck, sie
davor zu bewahren, einer solchen GmbH noch Geld- oder Sachkredit zu gewähren -
oder, wie hier, was damit gleichzustellen ist - Leistungen zu erbringen und dadurch
einen Schaden zu erleiden. Anders als der Quotenschaden der Altgläubiger, der in der
durch Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht,
liegt der Schaden eines Neugläubigers darin, dass er der GmbH im Vertrauen auf deren
Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen
entsprechend werthaltigen Gegenanspruch zu erlangen (vgl. BGH, Urteil vom
05.02.2007, II ZR 234/05, BGHZ 171, 46, in: www.juris.de, Rz 13; BGH,
NJW 1995, 2220, 2222ff, Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30.11.1999, 11
U 18/97, NZG 2000, 606, in: www.juris.de, Rz 40). Der Neugläubiger ist danach so zu
stellen wie er ohne den Vertragsschluss stehen würde; ihm ist mithin das volle negative
Interesse als Vertrauensschaden zu ersetzen (vgl. BGH,
2224; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 28.11.2001, 4 U 234/01, GmbHR 2002,
112, in: www.juris.de, Rz 3 m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 19.12.2000; 22 U 144/00, NZG
2001, 411, in: www.juris.de, Rz 51; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil
vom 10.03.2005, 7 U 166/03, GmbHR 2005, 1124, in: www.juris.de, Rz 8).
Die Höhe des Schadens entspricht hierbei im Rahmen von Verträgen, soweit
Leistungen – wie hier – schon erbracht worden sind, dem ausstehenden und nicht
einbringlichen Zahlungsanspruch des Neugläubigers (Thüringer OLG, Urteil vom
28.11.2001, 4 U 243/01, GmbHR 2002, 112, in: www.juris.de, Rz 9).
153
Soweit der Beklagte einwendet, dass eine Zahlung in Höhe von 35.964,80 € vom
22.04.2004 an die Klägerin erbracht worden sei, die anspruchsmindernd zu
berücksichtigen sei, wurde diese auf eine Rechnung der Klägerin vom 16.02.2004
geleistet und betraf mithin ersichtlich nicht die streitgegenständlichen Forderungen,
bzgl. derer der erste Auftrag erst am 19.02.2004 erteilt worden war.
154
Die Höhe des Ersatzanspruchs eines Neugläubigers ist weiter nicht unter Abzug der auf
ihn entfallenden und erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
der Gesellschaft feststehenden Insolvenzquote zu errechnen . An der gegenteiligen
Auffassung im Urteil vom 6. Juni 1994 (BGHZ 126, 181, 201) hat der BGH nicht
festgehalten. Der gegen § 64 Abs. 1 GmbHG verstoßende Geschäftsführer ist nämlich
verantwortlich dafür, dass es zu der Kreditgewährung des Neugläubigers an die
insolvenzreife Gesellschaft überhaupt gekommen ist. Es wäre deshalb sachlich nicht
gerechtfertigt, den Neugläubiger darauf zu verweisen, dass er mit der Geltendmachung
seines Schadensersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer bis zum Abschluss des
Insolvenzverfahrens zuwarten müsse. Vielmehr ist dem in voller Höhe ersatzpflichtigen
Geschäftsführer entsprechend § 255 BGB - Zug um Zug gegen Zahlung seiner
Ersatzleistung - ein Anspruch auf Abtretung der Insolvenzforderung des Neugläubigers
gegen die Gesellschaft zuzubilligen, um dem schadensersatzrechtlichen
Bereicherungsverbot Rechnung zu tragen. Die Abtretung der dem Erfüllungsinteresse
entsprechenden Insolvenzforderung des Neugläubigers rechtfertigt sich daraus, dass
diese bei pflichtgemäßem Verhalten des Geschäftsführers nicht entstanden wäre und er
dem Neugläubiger nur Ersatz seines negativen Interesses schuldet (BGH, Urteil vom
05.02.2007, II ZR 234/05, BGHZ 171, 46, in: www.juris.de, Rz 20). Gleiches wie für
einen gegen § 64 Abs. 1 GmbHG verstoßenden Geschäftsführer gilt für den gegen § 130
a HGB verstoßenden Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG (BGH, Urteil vom
07.11.1994, II ZR 138/92, GmbHR 1995, 130).
155
8. Ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens gemäß § 254 Abs. 1 BGB ist
der Klägerin nicht anzulasten.
156
Die Klägerin hat ihr Pfandrecht ausgeübt und sodann mit dem Insolvenzverwalter
verhandelt. Dass sie hierbei in der Lage gewesen wäre, von diesem höhere Zahlungen
als ausgehandelt zu erhalten, ist auch nach dem weiteren Vortrag des Beklagten in der
Berufungsbegründung nicht zu erkennen. Insbesondere kann nicht unterstellt werden,
dass die Klägerin von den vertraglichen Beziehungen der KG mit deren Auftraggebern
nähere Kenntnis hatte. Soweit der Insolvenzverwalter in der Lage gewesen wäre, die
Auftraggeber der KG stärker unter Druck zu setzen und erhaltene Zahlungen an die
Klägerin weiterzuleiten, kann dieser ein etwaiges Verschulden des Insolvenzverwalters
nicht angelastet werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin schon in
ihrem eigenen Interesse versucht hat, eine möglichst hohe Zahlung in Ausübung ihres
Pfandrechtes zu erwirken.
157
II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
158
III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
159
IV. Die dem Beklagten nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 16.01.2008, 22.01.2008
und 12.02.2008 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung. Den der Klägerin nachgelassenen Schriftsatz vom 22.01.2008, der
innerhalb der bis zum 23.01.2008 verlängerten Schriftsatzfrist eingegangen ist, hat der
Senat bei seiner Entscheidung hingegen berücksichtigt.
160
V. Begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 543 ZPO).
161
Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts.
162
Die Frage, ob Rangrücktrittserklärungen abgegeben werden müssen, damit
eigenkapitalsersetzende Darlehen nicht zu passivieren sind, ist höchstrichterlich ebenso
entschieden wie die Frage einer Haftung eines Gesellschafters im faktischen Konzern
und die Frage, welche Anforderungen an eine Fortsetzungsprognose zu stellen sind.
163
In der Frage, ob ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft seine
Insolvenzantragspflicht schuldhaft verletzt, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde
zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft fachmännischen Rat
einholt, weicht die Entscheidung des Senats von den von dem BGH entwickelten
Grundsätzen nicht ab, sondern bewertet vielmehr das Verhalten des Beklagten,
ausgehend von diesen Grundsätzen, auf der tatsächlichen Ebene.
164
Die Entscheidung des Senats weicht entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht
von der des KG Berlin vom 22.12.2005 (23 U 160/04, NZI 2006, 596) ab. In der
genannten Entscheidung hat das KG darüber befunden, ob ein – der dortigen
Entscheidung zugrundeliegender tatsächlich erklärter – Rangrücktritt auch hinsichtlich
der Forderungen von Mitgesellschaftern erklärt werden muss oder ob die Erklärung,
dass der kreditgebende Gesellschafter mit seiner Forderung hinter alle anderen
Insolvenzgläubiger zurücktrete, insoweit genüge, hat aber keine Aussage darüber
getroffen, ob allein auch eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Abgabe von
165
Rangrücktritten zur Abwendung der rechnerischen Überschuldung genüge.
Inwieweit sich aus der geplanten Einführung des MoMiG zukünftig Änderungen in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben werden, ist, da dieses noch kein geltendes
Recht darstellt, zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes unerheblich.
166
Wert für das Berufungsverfahren: 232.755,22 €.
167