Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.10.2004

OLG Düsseldorf: von geringfügigen, hier nicht interessierenden Modifikationen abgesehen, soweit im hiesigen Verfahren von Interesse, und nicht der Beigeladene zu 4., wie vom Amt angenommen

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 7/04 (V)
Datum:
27.10.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 7/04 (V)
Tenor:
I. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss
des Bundeskartellamtes vom 2. Februar 2004
(B 6 - 22121 - U 120/03) wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1. und der Beigeladene zu 4. haben die bis zum 22.
März 2004 angefallenen Gerichtskosten des Be-schwerdeverfahrens
jeweils zur Hälfte zu tragen. Der Betei-ligten zu 1. fallen außerdem die
weiteren gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last. Sie
hat dar-über hinaus dem Bundeskartellamt und den Beigeladenen zu 1.
und zu 3. die zur zweckentsprechenden Rechtsverfol-gung
entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 10 Mio. EUR festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Beteiligte zu 1. ("G. v. H. GmbH & Co. KG") ist die Holdinggesellschaft der
Verlagsgruppe "G. v. H." (H.), die über ihre Konzern- und Beteiligungsgesellschaften auf
verschiedenen Medienmärkten im In- und Ausland tätig ist. Im Bundesgebiet verlegt H.
unter anderem die Wochenzeitung "D. Z.", die überregionale Tageszeitung "H." sowie
zahlreiche regionale Abonnement-Tageszeitungen. Über die Tochtergesellschaft "G. G.
GmbH & CO." (G.-KG) ist H. auch Verleger der B. regionalen Abonnement-Tageszeitung
"D. T." (T.) und der B. Stadtillustrierten "Z.". Als Mantelausgabe des "T." verlegt die G.-
Gruppe außerdem die in P. erscheinende regionale Abonnement-Tageszeitung "P. N.
N.". Die G.-Gruppe ist ferner mit einem 40 %igen Geschäftsanteil an dem B.
Anzeigenblattverlag "Z. H. Verlagsgesellschaft mbH" beteiligt.
3
Die Beteiligte zu 1. beabsichtigt, von der Beteiligten zu 6. ("G. + J. AG & Co.") die
Beteiligte zu 2. ("B. V. GmbH & Co.") und weitere Beteiligungen zu erwerben. Die
Beteiligte zu 2. verlegt (u.a.) die regionale Abonnement-Tageszeitung "B. Z.", die
Straßenverkaufszeitung "B. K." sowie über eine Tochtergesellschaft die Stadtillustrierte
"T.". Ziel des Zusammenschlussvorhabens ist vor allem die Übernahme der "B. Z."
durch die Beteiligte zu 1.
4
Die Beteiligte zu 1. hatte das Zusammenschlussvorhaben - von geringfügigen, hier nicht
interessierenden Modifikationen abgesehen - bereits im Jahre 2002 beim
Bundeskartellamt angemeldet und erfolglos die Freigabe der Fusion beantragt. Mit
Beschluss vom 10. Dezember 2002 hat das Bundeskartellamt den beabsichtigten
Anteilserwerb untersagt, weil fusionsbedingt mit der Entstehung einer
marktbeherrschenden Position der Beteiligten zu 1. auf den B. Lesermärkten für
regionale Abonnement-Tageszeitungen und für Stadtillustrierte zu rechnen sei. Die
Beteiligte zu 1. hat daraufhin beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit um die
Erteilung einer Ministererlaubnis nach § 42 Abs. 1 GWB nachgesucht. Auch dies blieb
letztlich erfolglos. Die Beteiligte zu 1. hat ihren Antrag zurückgenommen, nachdem sich
im Ministererlaubnisverfahren abzeichnete, dass sich die von ihr geltend gemachte
Unveräußerlichkeit des seit Jahren mit Verlust arbeitenden "T." und das daraus
abgeleitete Argument, den "T." nur mit Hilfe der beabsichtigten Fusion erhalten zu
können, nicht würde nachweisen lassen.
5
In der Folgezeit hat die Beteiligte zu 1. beim Bundeskartellamt erneut um die Freigabe
des Zusammenschlussvorhabens nachgesucht. In der betreffenden Anmeldung hat sie
darauf hingewiesen, durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 12. November
2003 (Kauf- und Abtretungsvertrag) die G.-KG und deren Komplementärin, die "G. G.
Verwaltungsgesellschaft mbH" (G.-GmbH), sowie insgesamt 17 näher bezeichnete
Beteiligungen der G.-KG an Drittunternehmen an den Beigeladenen zu 4. (Dr. G.)
veräußern zu wollen. Der Beigeladene zu 4. war bis vor wenigen Jahren in leitender
Position für H. tätig und erbringt seit seinem altersbedingten Ausscheiden als
Unternehmensberater verlagswirtschaftliche Beratungsleistungen für H.. Er ist mit der
Familie H. darüber hinaus auch freundschaftlich verbunden. Zu den Drittbeteiligungen,
die der Beigeladene zu 4. erwerben soll, gehört unter anderem der 99 %ige
Geschäftsanteil der G.-KG an der "V. D. T. GmbH", der Verlegerin des "T.".
6
Der Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen der Beteiligten zu 1. und dem Beigeladenen
zu 4. ist unter der aufschiebenden Bedingung abgeschlossen, dass vor dem 15. Februar
2004 der Erwerb der "B. Z." durch die Beteiligte zu 1. von der Kartellbehörde
freigegeben wird. Unter Berücksichtigung der Änderungsvereinbarung vom 12.
Dezember 2003 (Änderungsvereinbarung) sieht der Kauf- und Abtretungsvertrag -
soweit im hiesigen Verfahren von Interesse - vor, dass der Beigeladene zu 4. die G.-KG,
die G.-GmbH sowie die erwähnten 17 Geschäftsbeteiligungen mit schuldrechtlicher und
wirtschaftlicher Wirkung ab dem 1. Januar 2004 zu einem Kaufpreis von 10 Mio. EUR
erwirbt. Der Kaufpreis ist in drei Raten zahlbar, und zwar in einer ersten Rate von 2,5
Mio. EUR am 31. März 2004, in einer zweiten Rate über 2,5 Mio. EUR am 1. Oktober
2006 und in einer Schlussrate von 5 Mio. EUR am 1. Oktober 2008. Ziel der
Anteilsveräußerung war es ursprünglich, der Beteiligten zu 1. für den Fall einer
Lockerung des Pressefusionsrechts die Möglichkeit offen zu halten, den "T." und die "B.
Z." gemeinsam verlegen zu können. Zu diesem Zweck war es dem Beigeladenen zu 4.
gemäß § 13 Abs. 1 des Kauf- und Abtretungsvertrages für die Zeit bis zum 30. Juli 2007
7
vertraglich verboten, die Geschäftsanteile der G.-KG und der G.-GmbH sowie die von
der G.-KG gehaltene Beteiligung an der "V. D. T. GmbH" an Dritte zu veräußern. Der
Beteiligten zu 1. war in dem Vertrag hinsichtlich eines 75 %igen Geschäftsanteils an der
G.-KG und der G.-GmbH in § 12 des Vertrages außerdem eine Call-Option eingeräumt.
Die Ausübung dieser Option stand unter der Voraussetzung, dass das
Pressefusionsrecht zwischenzeitlich gelockert worden und die Beteiligte zu 1.
kartellrechtlich nicht (mehr) gehindert ist, den "T." und die "B. Z." gemeinsam zu
verlegen. Die Call-Option musste zudem bis zum 31. Dezember 2006 in Anspruch
genommen sein und konnte spätestens auf den 30. Juli 2007 erklärt werden. Machte der
Beigeladene zu 4. nach dem Ende des Veräußerungsverbots zum Ablauf des 30. Juli
2007 von der Möglichkeit Gebrauch, die ihm übertragenen Geschäftsanteile an der G.-
KG und der G.-GmbH an einen Dritten zu veräußern, sollte die Beteiligte zu 1. nach § 14
des Kauf- und Abtretungsvertrages an einem die Kaufpreissumme von 10 Mio. EUR
übersteigenden Mehrerlös zur Hälfte beteiligt sein. Diese Mehrerlösbeteiligung
verminderte sich für jedes nach dem 31. Dezember 2007 abgelaufene Kalenderjahr um
5 %. Sollte die Beteiligte zu 1. ihre Call-Option ausüben können, schuldete sie dem
Beigeladenen zu 4. für den 75 %igen Geschäftsanteil die darauf anteilig entfallende
Kaufpreissumme von 7,5 Mio. EUR. Sie hatte dem Beigeladenen zu 4. darüber hinaus
eine nach dem 1. Januar 2004 eingetretene Wertsteigerung zu erstatten. Umgekehrt
hatte der Beigeladene zu 4. der Beteiligten zu 1. eine zwischenzeitliche Wertminderung
zu ersetzen. Nach den vertraglichen Absprachen war eine Wertveränderung zwischen
den Vertragsparteien allerdings erst dann auszugleichen, wenn sie mindestens 20 %
beträgt.
Das Bundeskartellamt hat den Anteilserwerb durch den Beigeladenen zu 4. im
Vorprüfverfahren nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB freigegeben.
8
Das Fusionsvorhaben der Beteiligten zu 1. zum Erwerb der "B. Z." hat es
demgegenüber mit Beschluss vom 2. Februar 2004 gemäß § 36 Abs. 1 GWB untersagt.
Es hat angenommen, dass durch den Zusammenschluss auf dem Lesermarkt für
regionale Abonnement-Tageszeitungen in B. sowie auf dem Lesermarkt für
Stadtillustrierte in B. eine marktbeherrschende Stellung der Beteiligten zu 1. entstehen
werde. Was den B. Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen betrifft, hat es
dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die auf den "T." entfallenden Marktanteile
gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 1. Alt. GWB weiterhin der Beteiligten zu 1. zuzurechnen
seien, weil nach der Ausgestaltung des Kauf- und Abtretungsvertrages diese - und nicht
der Beigeladene zu 4. - das mit den Geschäftsanteilen an der G.-KG und G.-GmbH
verbundene wirtschaftliche Risiko im Wesentlichen trage.
9
Gegen die Untersagungsverfügung haben sowohl die Beteiligte zu 1. als auch der
Beigeladene zu 4. Beschwerde eingelegt. Der Beigeladene zu 4. hat sein Rechtsmittel
am 22. März 2004 zurückgenommen. Die Beteiligte zu 1. verfolgt ihre Beschwerde
weiter. Sie nimmt die Marktabgrenzung und die Beurteilung der
zusammenschlussbedingt eintretenden Veränderungen der Wettbewerbsverhältnisse
auf dem B. Lesermarkt für Stadtillustrierte hin. Mit ihrem Rechtsmittel wendet sie sich
zum einen dagegen, dass ihr der "T." trotz des beabsichtigten Verkaufs der Zeitung an
den Beigeladenen zu 4. weiterhin zugerechnet werde. Überdies hält sie die vom
Bundeskartellamt vorgenommene sachliche und räumliche Marktabgrenzung in Bezug
auf die regionalen Abonnement-Tageszeitungen für fehlerhaft. Sie vertritt darüber
hinaus den Standpunkt, dass der Marktanteil einer Abonnement-Tageszeitung nicht -
wie vom Amt angenommen - nach der verkauften Auflage zu bestimmen sei, sondern an
10
Hand des Vertriebs- und Anzeigenumsatzes berechnet werden müsse. Schließlich - so
meint sie - habe das Bundeskartellamt zu Unrecht die Voraussetzungen der
Abwägungsklausel des § 36 Abs. 1 2. Halbsatz GWB verneint. Das
Zusammenschlussvorhaben führe sowohl auf dem B. Anzeigenmarkt als auch auf dem
B. Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen zu einer erheblichen Verbesserung der
Wettbewerbsverhältnisse.
Der Beigeladene zu 4. unterstützt das Rechtsschutzbegehren der Beteiligten zu 1. und
schließt sich dem Beschwerdevorbringen an. Darüber hinaus trägt er zu § 37 Abs. 1 Nr.
3 Satz 2 1. Alt. GWB im Einzelnen vor.
11
Im Verhandlungstermin des Senats haben die Verfahrensbevollmächtigten der
Beteiligten zu 1. und des Beigeladenen zu 4. übereinstimmend erklärt, dass man an
dem - durch Fristablauf mittlerweile wirkungslos gewordenen - Kauf- und
Abtretungsvertrag (in der Fassung der Änderungsvereinbarung) festhalte, den Vertrag
allerdings ohne die in §§ 12 und 13 vorgesehenen Regelungen zum
Veräußerungsverbot und zur Call-Option abschließen wolle. Zum Hintergrund hat der
Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1. ausgeführt, dass das
Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Pressefusionsrechts kurz vor dem
Abschluss stehe und man deshalb das rechtliche Instrumentarium aus
Veräußerungsverbot und Call-Option nicht mehr benötige, um für die Dauer des
Gesetzgebungsverfahrens einen etwaigen Rückerwerb der Geschäftsanteile zu sichern.
12
Die Beteiligte zu 1. und der Beigeladene zu 4. beantragen,
13
den Beschluss des Bundeskartellamts vom 2. Februar 2004 aufzuheben,
14
hilfsweise, den genannten Beschluss insoweit aufzuheben, als er sich nicht auf
die Übernahme der "T. V. GmbH & Co. KG" bezieht.
15
Das Bundeskartellamt, die Beigeladene zu 1. und die Beigeladene zu 3.
beantragen,
16
die Beschwerde zurückzuweisen.
17
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und treten dem Beschwerdevorbringen
mit umfangreichen Sach- und Rechtsausführungen entgegen.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
tatbestandlichen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss, auf die Schriftsätze
der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Amtsakten Bezug genommen.
19
II.
20
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
21
Der angemeldete Anteilserwerb - der gemäß §§ 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 37 Abs. 1 Nr. 2
und Nr. 3 lit. b) GWB der Fusionskontrolle unterliegt - ist zu untersagen. Das
Bundeskartellamt hat mit Recht angenommen, dass das Zusammenschlussvorhaben
die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der Beteiligten zu 1. sowohl auf
dem B. Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen als auch auf dem B.
22
Lesermarkt für Stadtillustrierte erwarten lässt (§§ 36 Abs. 1 1. Halbsatz, 19 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 GWB), ohne dass eine fusionsbedingte Verbesserung von
Wettbewerbsbedingungen nachgewiesen ist, welche die Nachteile dieser
Marktbeherrschung überwiegt (§ 36 Abs. 1 2. Halbsatz GWB). Aus diesem Grund bleibt
die Beschwerde sowohl mit dem Haupt- wie auch mit dem Hilfsantrag erfolglos.
A. Die Untersagungsvoraussetzungen sind zum einen in Bezug auf den B. Lesermarkt
für Abonnement-Tageszeitungen erfüllt.
23
1. Das Bundeskartellamt hat bei der sachlichen Marktabgrenzung nicht nur zwischen
dem Lesermarkt und dem Anzeigenmarkt unterschieden, sondern darüber hinaus auch
einen eigenen Markt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler und regionaler
Berichterstattung angenommen. Zur Rechtfertigung hat es unter Anwendung des
Bedarfsmarktkonzepts zutreffend darauf abgestellt, dass lokale Abonnement-
Tageszeitungen, überregionale Tageszeitungen und Straßenverkaufszeitungen
unterschiedlichen Leserbedürfnissen dienen und sie dementsprechend aus der Sicht
der Nachfrager nicht als funktionell austauschbar angesehen werden. Regionale
Abonnement-Tageszeitungen befriedigen das spezifische Bedürfnis des im
Verbreitungsgebiet der Zeitung wohnenden Lesers, über die lokal und regional
bedeutsamen Ereignisse und Meldungen unterrichtet zu werden. Hierdurch
unterscheiden sie sich von den überregionalen Tageszeitungen. Im Vergleich zu den
Straßenverkaufszeitungen weisen die regionalen Abonnement-Tageszeitungen in der
Breite und Tiefe der Berichterstattung, in der Art der Darstellung sowie in den
Nachrichten- und Berichtsschwerpunkten wesentliche Unterschiede auf. Sie decken von
daher zumindest aus der Sicht eines wesentlichen Teils der Leser einen anderen Bedarf
als die Straßenverkaufszeitungen und gehören folglich zu einem eigenen sachlichen
Lesermarkt. Das entspricht nicht nur der Rechtsprechung des Senats (WuW/E DE-R
647, 655 - OTZ) und des Kammergerichts (WuW/E OLG 4547, 4549 - Lübecker
Nachrichten/Stormarner Tageblatt), sondern auch höchstrichterlicher Judikatur (BGH,
WuW/E BGH 1854, 1856/1857 - Zeitungsmarkt München; WuW/E BGH 2425, 2428 -
Niederrheinische Anzeigenblätter).
24
Die Beschwerde wendet sich gegen diese Marktabgrenzung ohne Erfolg.
25
a) Ihr Argument, dass nach dem Ergebnis einer Studie zum B. Zeitungsmarkt aus den
90er Jahren die Anzahl der Artikel über lokale Themen in den
Straßenverkaufszeitungen "B.Z." (1994: 441 Artikel) und "B. K." (1994: 375 Artikel) nicht
wesentlich geringer gewesen sei als diejenige in den Abonnement-Tageszeitungen "B.
Z." (1994: 589 Artikel) und "T." (1994: 648 Artikel), widerlegt die fehlende funktionelle
Austauschbarkeit zwischen einer regionalen Abonnement-Tageszeitung und einer
Straßenverkaufszeitung nicht. Abgesehen davon, dass nach den Erhebungen von einer
keineswegs nur unerheblichen Differenz in einer Größenordnung von 33 % und mehr
auszugehen ist, ist die Studie auch in der Sache nicht hinreichend aussagekräftig.
Alleine die Anzahl der Artikel mit lokaler Berichterstattung besagt über die funktionelle
Austauschbarkeit von regionalen Abonnement-Tageszeitungen und
Straßenverkaufszeitungen schon deshalb nichts, weil die deutlichen Unterschiede in
der Breite und Tiefe der Berichterstattung, in der Art der Darstellung sowie in den
Nachrichten- und Berichtsschwerpunkten beider Printmedien davon unberührt bleiben.
Auch die Beschwerde bezweifelt im Übrigen diese inhaltlichen und qualitativen
Unterschiede nicht. Sie geht im Zusammenhang mit der räumlichen Marktabgrenzung
ausdrücklich selbst davon aus, dass sich Abonnement-Tageszeitungen und
26
Straßenverkaufszeitungen "(auch) in der Art ihrer Berichterstattung, der äußeren
Aufmachung und im intellektuellen Niveau" (Seite 29 der Beschwerdebegründung, GA
67) unterscheiden. Gerade diese Verschiedenheiten begründen indes die mangelnde
funktionelle Austauschbarkeit von regionalen Abonnement-Tageszeitungen und
Straßenverkaufszeitungen.
b) Ohne hinreichende Aussagekraft ist ebenso, dass in der Vergangenheit Abonnement-
Tageszeitungen montags nicht erschienen und Straßenverkaufszeitungen an diesem
Tag mit deutlich höherer Auflage als an den anderen Wochentagen abgesetzt wurden.
Der Umstand, dass ausschließlich montags der Absatz der Straßenverkaufszeitungen
gesteigert werden konnte, spricht eher gegen eine funktionelle Austauschbarkeit beider
Erzeugnisse. Er legt gerade die Annahme nahe, dass der Leser die
Straßenverkaufszeitung an sich nicht als einen gleichwertigen Ersatz der Abonnement-
Tageszeitung betrachtet, sondern auf sie nur dann zurückgreift, wenn ihm die
Tageszeitung nicht zur Verfügung steht.
27
c) Nicht stichhaltig ist in gleicher Weise der Hinweis der Beschwerde, dass die
Kioskkäufer der Abonnement-Tageszeitung "B. M." zu 17 % fast täglich, zu 8,5 %
mehrmals in der Woche und zu knapp 3 % mindestens einmal wöchentlich auch die
Straßenverkaufszeitung "B.Z." erwerben, dass ferner knapp 2 % der Leser der "B. M."
die "B.Z." sogar abonniert haben und dass schließlich nur 33 % der Bezieher der "B. M."
keine zusätzliche Tageszeitung kaufen. Der parallele Bezug der Abonnement-
Tageszeitung "B. M." und der Straßenverkaufszeitung "B.Z." deutet - entgegen der
Ansicht der Beschwerde - nicht darauf hin, dass beide Druckerzeugnisse aus Lesersicht
funktionell austauschbar sind und miteinander in Wettbewerb stehen. Er legt im
Gegenteil eher die Annahme nahe, dass wegen der geschilderten inhaltlichen und
qualitativen Unterschiede, die zwischen einer Abonnement-Tageszeitung einerseits und
einer Straßenverkaufszeitung andererseits bestehen, die "B. M." und die "B.Z." aus
Sicht der Leser einen unterschiedlichen Informationsbedarf decken und sich einander
ergänzen.
28
d) Der sachlich relevante Markt ist schließlich nicht - unter Verzicht auf eine
Differenzierung nach den verschiedenen Medien - allgemein auf den Markt der lokalen
und regionalen Berichterstattung auszudehnen. Der Senat (a.a.O.) hat eine derart weite
Marktabgrenzung bereits abgelehnt. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass
sich Fernsehen, Videotext und Internet durchweg auf national und international
bedeutsame Nachrichten beschränken und jene Medien den Bereich der Regional- und
Lokalberichterstattung derzeit (noch) nicht abdecken. Lediglich die Lokalrundfunksender
und - soweit vorhanden - die lokalen Fernsehsender (in B. beispielsweise der S.)
berichten auch über regionale Themen und örtliche Ereignisse. Ihre Berichterstattung ist
indes sowohl im Hinblick auf die Informations- und Themenfülle als auch in Bezug auf
die Ausführlichkeit und Tiefe der Darstellung mit einer Abonnement-Tageszeitung nicht
zu vergleichen. Hinzu kommt die unterschiedliche Verfügbarkeit der jeweiligen Medien.
Im Gegensatz zum Fernsehen und Rundfunk sind für den Leser die Informationen aus
seiner Tageszeitung zu jeder Zeit und praktisch an jedem Ort verfügbar. Aus diesen
Gründen scheiden - jedenfalls bislang - das Fernsehen, der Rundfunk und das Internet
als eine mit einer regionalen Tageszeitung austauschbare Informationsquelle aus.
Hieran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest.
29
2. In räumlicher Hinsicht umfasst der Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen das
Gebiet der Stadt B..
30
a) Mit Recht hat das Bundeskartellamt auch bei der räumlichen Marktabgrenzung das
Bedarfsmarktkonzept angewendet und im Ergebnis auf das Verbreitungsgebiet der von
dem Fusionsvorhaben betroffenen Tageszeitungen "B. Z." und "T." abgestellt. Eine
regional orientierte Abonnement-Tageszeitung bietet nur für ihr tatsächliches (oder
angestrebtes) Verbreitungsgebiet eine lokale und regionale Berichterstattung an. Aus
diesem Grund wird sie auch nur von den in ihrem Verbreitungsgebiet ansässigen
Lesern als eine geeignete Informationsquelle über regionale und lokale Ereignisse
angesehen und nachgefragt. Der räumlich relevante Lesermarkt beschränkt sich im
Entscheidungsfall demzufolge auf das Verbreitungsgebiet der von dem
Fusionsvorhaben erfassten Abonnement-Tageszeitungen "B. Z." und "T." (vgl. Senat,
a.a.O. Seite 656). Das Bundeskartellamt hat den betroffenen Markt in räumlicher
Hinsicht dabei richtigerweise auf das Kernverbreitungsgebiet jener beiden
Tageszeitungen - mithin auf das Stadtgebiet von B. - begrenzt. Dem liegt die Erwägung
zugrunde, dass eine Abonnement-Tageszeitung schwerpunktmäßig über lokale und
regionale Ereignisse in ihrem Kernverbreitungsgebiet und daneben nur vereinzelt über
Geschehnisse in ihrem Randverbreitungsgebiet berichtet. Diese Ausrichtung auf das
Kernverbreitungsgebiet hat zur Folge, dass die Tageszeitung aus der Sicht der an einer
lokalen und regionalen Berichterstattung interessierten Leser den nachgefragten Bedarf
lediglich für ihr Kernverbreitungsgebiet zu decken vermag, weshalb die Tageszeitung
ganz überwiegend auch nur von denjenigen Lesern nachgefragt wird, die im
Kernverbreitungsgebiet ansässig sind.
31
Das Bundeskartellamt hat es vor diesem Hintergrund zu Recht abgelehnt, den räumlich
relevanten Lesermarkt deshalb auf das B. Umland auszudehnen, weil die "B. Z." 11,3 %
ihrer Auflage und der "T." 5,3 % seiner Auflage dort absetzen und beide Zeitungen mit
jeweils einer Seite über B. berichten. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts
gehört der östliche und nordöstliche Teil des B. Umlandes zum Kernverbreitungsgebiet
der regionalen Abonnement-Tageszeitung "M. O." mit einer verkauften Auflage von
110.798 Exemplaren und der südliche, westliche und nordwestliche Teil des B.
Umlandes zum Kernverbreitungsgebiet der regionalen Abonnement-Tageszeitung "M.
A." mit einer verkauften Auflage von 183.927 Exemplaren. Der "T." setzt (zusammen mit
der "P. N. N.") im Umland von B. demgegenüber nur rund 15.000 Zeitungen ab. Dies
belegt, dass von der ganz überwiegenden Zahl der im B. Umland ansässigen Leser der
"T." mit seiner nur begrenzten Berichterstattung über dortige Lokalereignisse nicht als
eine Tageszeitung betrachtet wird, die funktionell gegen diejenigen regionalen
Abonnement-Tageszeitungen austauschbar ist, die im Umland von B. hauptsächlich
verbreitet werden und schwerpunktmäßig über lokale Vorkommnisse des Umlands
berichten. Der Hinweis der Beteiligten zu 1., der "T." erreiche mit seiner
Abonnementauflage im Stadtgebiet von B. eine nur geringfügig höhere
Haushaltsabdeckung (4,7 %) als im B. Umland (3,6 %), lässt diese Zusammenhänge
unberührt und führt deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
32
b) Es besteht - anders als die Beschwerde meint - keine Veranlassung, zur Erfassung
der durch das Zusammenschlussvorhaben betroffenen Wettbewerbsverhältnisse das
Bedarfsmarktkonzept zu modifizieren und ergänzend auf die Produktionsflexibilität
abzustellen. Das gilt schon deshalb, weil - wie vorstehend dargestellt - im Streitfall an
Hand des Kriteriums der funktionellen Austauschbarkeit das Nachfrageverhalten auf
dem von der Fusion betroffenen Lesermarkt verlässlich festgestellt werden kann und
sich deshalb auch die Wettbewerbsverhältnisse auf dem relevanten Angebotsmarkt
zuverlässig und realistisch erfassen lassen.
33
Im Übrigen würde der Aspekt der Produktionsflexibilität auch im Ergebnis zu keiner
anderen Marktabgrenzung führen. Aus dem Gesichtspunkt der Produktionsflexibilität
zählen zum relevanten Markt auch solche Anbieter, die zwar bislang die aus
Nachfragersicht zu ein und demselben Markt gehörenden Erzeugnisse noch nicht
produzieren, die ihre Produktion aber kurzfristig und ohne spürbare zusätzliche Kosten
und Risiken auf die betreffenden Erzeugnisse umstellen können.
34
aa) Im Verhältnis zwischen einer regionalen Abonnement-Tageszeitung und einer
Straßenverkaufszeitung besteht eine derartige Angebotsumstellungsflexibilität nicht.
Angesichts der deutlichen Unterschiede, die zwischen den regionalen Abonnement-
Tageszeitungen einerseits und den Straßenverkaufszeitungen andererseits in Bezug
auf die Breite und Tiefe der Berichterstattung, die Art der Darstellung sowie die
jeweiligen Nachrichten- und Berichtsschwerpunkte bestehen, ist der Verleger einer
Straßenverkaufszeitung nicht in der Lage, kurzfristig und ohne spürbare Zusatzkosten
und Risiken sein Verlagssortiment entweder um eine Abonnement-Tageszeitung zu
erweitern oder seine Straßenverkaufszeitung zu einer regionalen Abonnement-
Tageszeitung auszubauen. Die Beschwerde behauptet zwar pauschal das Gegenteil.
Diesem Vorbringen muss indes nicht nachgegangen werden. Denn es ist weder im
Ansatz dargetan noch sonst ersichtlich, aus welchen Gründen trotz der bestehenden
inhaltlichen und qualitativen Unterschiede zwischen den beiden Presseerzeugnissen
eine schnelle und mehr oder weniger kostenneutrale Produktumstellung von der
Straßenverkaufszeitung auf eine regionale Abonnement-Tageszeitung möglich sein
soll.
35
bb) Eine Produktionsflexibilität besteht ebenso wenig zwischen regionalen
Abonnement-Tageszeitungen, die in ihrem Lokalteil entweder schwerpunktmäßig über
das Stadtgebiet oder das Umland von B. berichten. Alleine die mit einer solchen
Änderung in der lokalredaktionellen Ausrichtung der Zeitung regelmäßig verbundene
räumliche Verlagerung der Lokalredaktionen ist mit einem nicht unerheblichen Aufwand
an Zeit und Kosten verbunden und lässt sich deshalb weder kurzfristig noch ohne
nennenswerte Zusatzkosten bewerkstelligen.
36
c) Der relevante Markt ist - entgegen der Ansicht der Beschwerde - schließlich nicht um
Substitutionsgüter zu erweitern. Die Beteiligte zu 1. macht dazu geltend: Bei den B.
Abonnement-Tageszeitungen sei ein fast so hoher Einzelverkaufsanteil zu verzeichnen
wie die Einzelverkaufsauflage der Regionalausgabe der "B." ausmache. Es sei deshalb
davon auszugehen, dass die B. Abonnement-Tageszeitungen unmittelbar an dem
Wettbewerbsgeschehen der Straßenverkaufszeitungen teilnehmen. Ein ähnliches Bild
ergebe sich beim Vertrieb der Abonnement-Tageszeitungen im Stadtgebiet von B. und
im B. Umland. Von den drei B. Abonnement-Tageszeitungen werde im Umland von B.
eine beträchtliche Zahl von rund 65.000 Exemplaren abgesetzt, während umgekehrt
auch die Umlandzeitungen in das Stadtgebiet von B. vertrieben werden. Insgesamt
handele es sich - so meint die Beschwerde - um eine Substitutionskette. Die
Straßenverkaufszeitungen seien durch die B. Abonnement-Tageszeitungen und jene
wiederum durch die regionalen Tageszeitungen des B. Umlandes substituierbar.
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Dem ist nicht zu folgen. Es ist bereits dargelegt worden, dass aus der Sicht eines an
einer regionalen und lokalen Berichterstattung interessierten Lesers weder
Straßenverkaufszeitungen und regionale Abonnement-Tages-zeitungen noch B.
Abonnement-Tageszeitungen und die auf das B. Umland ausgerichteten Abonnement-
38
Tageszeitungen funktionell austauschbar sind. Damit scheidet zugleich auch die von
der Beteiligten zu 1. reklamierte Substitutionskette zwischen den drei genannten
Verlagserzeugnissen aus. Dieser Befund wird nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass
die B. Abonnement-Tageszeitungen einen nennenswerten Anteil ihrer Auflage im
Einzelverkauf absetzen und sie überdies zu einem geringen Prozentsatz ihrer Auflage
von Lesern bezogen werden, die im Umland von B. ansässig sind.
3. Auf dem - nach alledem relevanten - Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit
dem Kernverbreitungsgebiet B. und einer Lokalberichterstattung, die schwerpunktmäßig
auf das Stadtgebiet von B. ausgerichtet ist, wird das Zusammenschlussvorhaben zur
Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der Beteiligten zu 1. im Sinne von § 19
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB führen. Nach der genannten Vorschrift ist ein Unternehmen
marktbeherrschend, wenn es eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende
Marktstellung hat; dabei sind - soweit vorliegend von Interesse - insbesondere sein
Marktanteil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten,
rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der
tatsächliche oder potentielle Wettbewerb sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf
andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen.
39
Im Entscheidungsfall wird die fusionsbedingte Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung der Beteiligten zu 1. bereits vermutet. Die Beteiligte zu 1. erreicht durch das
Zusammenschlussvorhaben mit mehr als 60 % einen Marktanteil, der (weit) oberhalb
der Marktanteilsschwelle von einem Drittel liegt, an die § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB die
Marktbeherrschungsvermutung knüpft (zur Geltung der Vermutungsregeln auch im
Rahmen der Fusionskontrolle vgl.: Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB,
3. Aufl., § 36 Rn. 165 f., 178 ff. m.w.N.). Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Vielmehr ist
als Folge der geplanten Fusion mit einer deutlichen Verschlechterung der
Wettbewerbsbedingungen für die Konkurrenten der Beteiligten zu 1. zu rechnen und zu
erwarten, dass die Beteiligte zu 1. einen durch den Wettbewerb nicht mehr hinreichend
kontrollierten Verhaltensspielraum erlangt. Von daher lässt sich sogar unabhängig von
der Vermutungsregel des § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB positiv feststellen, dass das
Zusammenschlussvorhaben zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der
Beteiligten zu 1. auf dem B. Lesermarkt führen wird. Im Einzelnen gilt dazu:
40
a) Die Beteiligte zu 1. erhöht aufgrund der beabsichtigten Fusion ihren Marktanteil auf
dem B. Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen von unter 30 % (exakt:
...%) auf über 60 % (exakt: ... %). Mit Recht hat das Bundeskartellamt der Beteiligten zu
1. die auf die G.-KG und G.-GmbH entfallenden Marktanteile zugerechnet und der
Marktanteilsberechnung insgesamt die verkaufte Auflage und nicht - wie die
Beschwerde befürwortet - den erzielten Umsatz aus dem Vertriebs- und
Anzeigengeschäft zugrunde gelegt.
41
aa) Der Beteiligten zu 1. sind die Marktanteile, welche auf die G.-KG und G.-GmbH
entfallen, auch nach einer beabsichtigten Veräußerung beider Gesellschaften an den
Beigeladenen zu 4. weiterhin zuzurechnen. Das folgt aus § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 1. Alt.
GWB. Danach rechnen zu den Anteilen eines Unternehmens auch solche, die einem
Dritten für dessen Rechnung gehören. Für die Zurechnung ist nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (WuW/E DE.R 613, 615 f. - Treuhanderwerb) erforderlich, dass
derjenige, für dessen Rechnung gehandelt wurde, das wirtschaftliche Risiko des
Erwerbs ganz oder zumindest im Wesentlichen trägt. Die Frage, ob darüber hinaus die
Möglichkeit bestehen muss, die Leitungsmacht über das erworbene Unternehmen
42
auszuüben, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (dagegen: Mestmäcker/ Veelken,
a.a.O. § 37 Rn. 65; Ruppelt in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und
europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Aufl., § 37 Rn. 37) und kann auch im Streitfall auf
sich beruhen.
(1) Das Bundeskartellamt hat mit Recht angenommen, dass auch nach der
beabsichtigten Veräußerung der Geschäftsanteile der G.-KG an den Beigeladenen zu 4.
die Beteiligte zu 1. das mit jener Beteiligung verbundene wirtschaftliche Risiko im
Wesentlichen trägt. Es ist dabei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der
Anteilserwerb wegen der momentanen Verlustsituation des "T." zwar mit einem nicht
unerheblichen wirtschaftlichen Risiko verbunden ist, die Beteiligte zu 1. den
Beigeladenen zu 4. indes durch die nähere Ausgestaltung des Kaufvertrages,
namentlich durch die Vereinbarung eines sehr niedrigen Kaufpreises und einer
geräumigen Ratenzahlung, im Voraus von diesen Risiken freigestellt hat. Das gilt
sowohl für den Kauf- und Abtretungsvertrag in seiner ursprünglichen Fassung wie auch
für das modifizierte Vertragswerk, wie es die Beteiligte zu 1. und der Beigeladene zu 4.
nunmehr abschließen wollen.
43
(a) Für den Kauf- und Abtretungsvertrag (einschließlich der Änderungsvereinbarung) in
seiner ursprünglichen Fassung gilt:
44
(aa) Ziel dieser Anteilsveräußerung war es nicht, dem Beigeladenen zu 4. die
Geschäftsanteile zur freien Verfügung und zu eigenem Nutzen zu überlassen. Die
Transaktion diente vielmehr den wirtschaftlichen Belangen der Beteiligten zu 1. Die
Anteilsübertragung sollte - wie die Beschwerde einräumt - der Beteiligten zu 1. die
Möglichkeit offen halten, im Falle einer Lockerung des Pressefusionsrechts die "B. Z."
und den "T." gemeinsam verlegen zu können. Zur Erreichung dieses Vertragszwecks
unterwarf der Kauf- und Abtretungsvertrag in § 13 Abs. 1 den Beigeladenen zu 4. für die
Zeit bis zum 30. Juli 2007 einem Veräußerungsverbot. Ihm war es vertraglich untersagt,
bis zu dem genannten Zeitpunkt die von ihm erworbenen Geschäftsanteile der G.-KG
und der G.-GmbH sowie die von der G.-KG gehaltene Beteiligung an der "V. D. T.
GmbH" an Dritte zu veräußern. Gleichzeitig war der Beteiligten zu 1. in § 12 des
Vertrages eine bis zum 30. Juli 2007 befristete Call-Option eingeräumt worden. Unter
der Voraussetzung, dass das Pressefusionsrecht entsprechend gelockert wird und eine
Rückübertragung kartellrechtlich zulässig ist, sollte die Beteiligte zu 1. von dem
Beigeladenen zu 4. durch einseitige Erklärung 75 % der Geschäftsanteile der G.-KG und
der G.-GmbH zurückkaufen.
45
(bb) Entsprechend dieser - den Belangen der Beteiligten zu 1. dienenden - Zielsetzung
haben die Vertragsparteien die Bedingungen der Anteilsübertragung geregelt. Die
vereinbarten Modalitäten des Erwerbsgeschäfts hätten in der Gesamtschau zur
Konsequenz gehabt, dass das mit dem Anteilserwerb verbundene wirtschaftliche Risiko
im Wesentlichen von der Beteiligten zu 1. getragen wird.
46
Der "T." wird auch in naher Zukunft nur mit jährlichen Verlusten in Millionenhöhe verlegt
werden können. Die Beteiligte zu 1. hat in den Jahren 2003 und 2004 mit dem "T."
Fehlbeträge von jeweils deutlich mehr als 3 Mio. EUR (2003: .. Mio. EUR; 2004: .. Mio.
EUR) erwirtschaftet. Eine kurz- und mittelfristige Verbesserung dieser schlechten
Ertragslage ist nicht zu erwarten. Der Beigeladene zu 4. geht zwar davon aus, den
Verlust um 1 Mio. EUR pro Jahr reduzieren zu können. Diese Annahme beruht
allerdings maßgeblich auf der - aus heutiger Sicht unsicheren - Erwartung, dass sich die
47
gesamtwirtschaftliche Lage im Inland spürbar verbessert. Bewahrheitet sich die
optimistische Prognose des Beigeladenen zu 4. nicht, werden bis zum Ende der
Optionsfrist mit Ablauf des 30. Juli 2007 Verluste in zweistelliger Millionenhöhe (nämlich
von bis zu .. Mio. EUR) auflaufen. Die Parteien haben nämlich in §§ 1 und 2 des
Ergänzungsvertrages vereinbart, dass der Verkauf der Geschäftsanteile mit
schuldrechtlicher und wirtschaftlicher Wirkung zum Ablauf des 31. Dezember 2003
erfolgt. Dementsprechend fallen nach der Vertragslage die ab dem 1. Januar 2004
entstehenden Verluste aus dem Vertrieb des "T." dem Beigeladenen zu 4. zur Last. Mit
diesen Verlustbeträgen wäre der Beigeladene zu 4. allerdings im Ergebnis nicht
belastet geblieben. Ihm hätte zur Abdeckung der Verluste zunächst die ganz
überwiegende Zahl der in Anlage 1 des Kauf- und Abtretungsvertrages aufgeführten
insgesamt 17 Beteiligungen der G.-KG zur Verfügung gestanden. Diese Beteiligungen
fielen mit Ausnahme der Geschäftsanteile an der "V. D. T. GmbH" nicht unter das dem
Beigeladenen zu 4. auferlegte Veräußerungsverbot und hätten deshalb bis auf die "V.
D. T. GmbH" jederzeit veräußert werden können, um die Fehlbeträge aus dem Vertrieb
des "T." abzudecken. Ein solcher Verwendungszweck entsprach auch dem Willen der
Parteien. Der Beigeladene zu 4. hat dies in der Besprechung beim Bundeskartellamt
vom 16. Oktober 2003 ausdrücklich bestätigt und angegeben, die veräußerbaren
Beteiligungen seien eine wichtige Reserve, wenn die Konjunktur nicht anziehe. Alleine
der Wert der "Z. V. GmbH" und des Geschäftsanteils der G.-KG an der "Z. H. V. mbH" ist
dabei auf einen Betrag von mehr als 7,5 Mio. EUR zu veranschlagen. Mit
Abschreibungswerten in dieser Größenordnung sind jene Beteiligungen in den
Jahresabschlüssen der Gesellschaften eingestellt worden, und eine übereinstimmende
Wertangabe hat zudem der Beigeladene zu 4. geäußert, indem er den Wert der beiden
Beteiligungen gegenüber dem Bundeskartellamt auf mehr als 3/4 des vereinbarten
Kaufpreises von 10 Mio. EUR veranschlagt hat. Neben den Geschäftsbeteiligungen an
der "Z. V. GmbH" und der "Z. H. V. mbH" hätten dem Beigeladenen zu 4. zur
Veräußerung darüber hinaus weitere 14 Beteiligungen zur Verfügung gestanden. Der
betragsmäßige Anteil der G.-KG am Stammkapital dieser 14 Gesellschaften ist in
Anlage 1 des Kauf- und Abtretungsvertrages mit mehr als 11 Mio. EUR angegeben. Bei
dieser Sachlage wäre der Beigeladene zu 4. in der Lage gewesen, die bis zum Ablauf
der Optionsfrist zum 30. Juli 2007 voraussichtlich auflaufenden Verluste des "T."
vollständig - zumindest aber zu einem ganz wesentlichen Teil - durch den Verkauf der
nicht unter das Veräußerungsverbot fallenden Geschäftsbeteiligungen der G.-KG
abzudecken. Der pauschale Hinweis des Beigeladenen zu 4., die "Z. H. V. mbH"
erwirtschafte "weiterhin nachhaltige Verluste", so dass "weitere Abschreibungen des
Beteiligungswertes erforderlich" seien (Seite 14 des Schriftsatzes vom 12.7.2004, GA
254), zieht diese Beurteilung nicht in Zweifel. Denn es ist weder dargelegt noch sonst
ersichtlich, dass die unverändert bestehende Verlustsituation bei der "Z. H. V. mbH" zu
einer ins Gewicht fallenden Korrektur des dargestellten Beteiligungswertes zwingt.
Ohne hinreichende Aussagekraft ist ebenso die Äußerung der
Verfahrensbevollmächtigten des Beigeladenen zu 4. im Senatstermin, auch die anderen
Geschäftsbeteiligungen der G.-KG würden sich derzeit nicht positiv entwickeln. Der
Beigeladene zu 4. behauptet selbst nicht, dass aus dieser aktuellen wirtschaftlichen
Lage die Notwendigkeit einer nennenswerten und nachhaltigen Wertkorrektur resultiert;
entsprechendes ist auch sonst nicht ersichtlich.
Flankiert wird die finanzielle Absicherung des Beigeladenen zu 4. im Vertragswerk
durch die Abrede zur Fälligkeit des vereinbarten Kaufpreises. Sie stellt sicher, dass der
Beigeladene zu 4. in den ersten Jahren des Erwerbs nur einen geringen Teil des
Kaufpreises zu entrichten hat. Gemäß § 4 des Kauf- und Abtretungsvertrages in der
48
Fassung des Änderungsvertrages ist lediglich eine Kaufpreisrate von 2,5 Mio. EUR
zeitnah bis zum 31. März 2004 zu zahlen. Der überwiegende Teil der Kaufpreisschuld
wird demgegenüber erst geraume Zeit später fällig, und zwar eine Rate von 2,5 Mio.
EUR am 1. Oktober 2006 und die Schlussrate von 5 Mio. EUR am 1. Oktober 2008.
Sollte mit Ablauf des 30. Juli 2007 ein nicht durch Verkaufserlöse gedeckter Fehlbetrag
verblieben sein, wäre der Beigeladene zu 4. nach der Vertragslage auch hiergegen
gesichert gewesen. Das gilt zum einen dann, wenn die Call-Option auf Rückerwerb der
veräußerten Geschäftsanteile nicht hätte ausgeübt werden können. In diesem Fall hätte
für den Beigeladenen zu 4. die Möglichkeit bestanden, die Geschäftsanteile an der G.-
KG und der G.-GmbH sowie die Beteiligung der G.-KG an der "V. D. T. GmbH" an einen
Dritten zu veräußern. Wäre - z.B. wegen einer unverändert schlechten Ertragslage des
"T." - kein Käufer zu finden gewesen, hätte der Beigeladene zu 4. in jedem Fall die
Abonnements des "T." an einen konkurrierenden Zeitungsverleger veräußern können.
Das räumt auch der Beigeladene zu 4. ein. Legt man dabei einen Kaufpreis von 500
EUR pro Jahresabonnement - den der Beigeladene zu 4. selbst für realistisch hält -
zugrunde, wäre schon für 20.000 Abonnements ein Erlös von 10 Mio. EUR zu erzielen
gewesen. Bereits dieser Betrag hätte mit Sicherheit ausgereicht, um einen am 30. Juli
2007 etwaig verbleibenden Fehlbetrag aus dem Vertrieb des "T." auszugleichen.
Tatsächlich ist der durch den Verkauf der Abonnements erzielbare Erlös allerdings
weitaus höher zu veranschlagen. Denn der "T." verfügt derzeit über mehr als 100.000
Jahresabonnements und selbst bei einer vorsichtigen Schätzung kann davon
ausgegangen werden, dass zumindest die Hälfte der Abonnements verkäuflich sind. In
diesem Fall hätte sich ein Betrag von 25 Mio. EUR und damit sogar ein ganz
beträchtlicher Mehrerlös des Beigeladenen zu 4. ergeben. An diesem Mehrerlös wäre
allerdings die Beteiligte zu 1. zu beteiligen gewesen. Nach dem in § 14 des Kauf- und
Abtretungsvertrages vereinbarten Besserungsschein kann die Beteiligte zu 1. dann,
wenn der Beigeladene zu 4. die erworbenen Geschäftsanteile bis Ende 2007 ganz oder
teilweise an einen Dritten veräußert hätte, den die Kaufpreissumme von 10 Mio. EUR
übersteigenden Mehrerlös zur Hälfte beanspruchen. Der Beteiligten zu 1. hätte eine
erhebliche Beteiligung am Mehrerlös darüber hinaus selbst dann zugestanden, wenn
der Beigeladene zu 4. die Geschäftsanteile über den 30. Juli 2007 hinaus zunächst
behalten und sie erst später verkauft hätte. Die Mehrerlösbeteiligung der Beteiligten zu
1. hätte sich in diesem Fall lediglich für jedes nach dem 31. Dezember 2007
abgelaufene Kalenderjahr um 5 % vermindert.
49
In gleicher Weise hätte sich der Beigeladene zu 4. nach dem Kauf- und
Abtretungsvertrag schadlos halten können, wenn das Pressefusionsrecht gelockert
worden wäre und die Beteiligte zu 1. die Call-Option hätte ausüben können. Der Kauf-
und Abtretungsvertrag sieht für diesen Fall in § 12 Abs. 2 lit. a) aa) vor, dass dem
Beigeladenen zu 4. der 25 %ige Geschäftsanteil an der G.-KG und der G.-GmbH zu
einem Kaufpreis von 2,5 Mio. EUR verbleibt. Mit Recht hat das Bundeskartellamt
angenommen, dass es sich um einen besonders günstigen Preis handelt, der den
wirklichen Wert der Anteile deutlich unterschreitet und der für den Beigeladenen zu 4.
deshalb eine finanzielle Reserve bedeutet hätte, um etwaig verbleibende Verluste aus
dem Vertrieb des "T." abzudecken. Bereits die Vereinbarungen zum Besserungsschein
belegen, dass die Beteiligte zu 1. und der Beigeladene zu 4. selbst von einem den
vereinbarten Kaufpreis übersteigenden Wert der Geschäftsanteile ausgehen. Im Übrigen
ist schon im Zusammenhang mit einer Drittveräußerung der Anteile dargelegt worden,
dass alleine durch den Verkauf der Abonnements des "T." ein Mehrfaches des
vereinbarten Kaufpreises zu erzielen ist. Schon diese beiden Aspekte tragen die
50
Annahme, dass der 25 %ige Geschäftsanteil erheblich mehr wert ist als der vom
Beigeladenen zu 4. zu entrichtende Preis von 2,5 Mio. EUR. Es kommt hinzu, dass der
Beigeladene zu 4. von den finanziellen Risiken des Erwerbsvorgangs freigestellt
worden wäre, wenn der Zweck der Anteilsübertragung gescheitert wäre und die Call-
Option von der Beteiligten zu 1. nicht hätte ausgeübt werden können. Wie dargelegt,
hätte sich der Beigeladene zu 4. in diesem Fall nicht nur wegen der Verluste des "T."
schadlos halten, sondern durch die Veräußerung der ihm übertragenen
Geschäftsanteile an der G.-KG und der G.-GmbH sogar einen beträchtlichen Gewinn
erzielen können. Alles spricht dafür, dass der Beigeladene zu 4. nicht dann mit den
Wagnissen des Anteilserwerbs hätte belasten bleiben sollen, wenn das Ziel des
Erwerbsgeschäfts gerade erreicht worden wäre und die Call-Option von der Beteiligten
zu 1. hätte ausgeübt werden können.
Soweit § 12 Abs. 2 lit. a) ab) des Kauf- und Abtretungsvertrages den Beigeladenen zu 4.
verpflichtet, bei Ausübung der Call-Option der Beteiligten zu 1. eine zwischenzeitlich
eingetretene Wertminderung auszugleichen, kommt dem keine entscheidende
Bedeutung zu. Zutreffend hat das Bundeskartellamt dieses Risiko vernachlässigt, weil
nach den Absprachen der Vertragsparteien erst eine Wertveränderung von mindestens
20 % auszugleichen gewesen wäre und bis zum Ende der Optionsfrist ein derart hoher
Wertverlust ernsthaft nicht zu befürchten war.
51
Im Ergebnis ist somit für die ursprünglich vereinbarte Vertragslage festzuhalten: Der
Beigeladene zu 4. sollte die an ihn übertragenen Geschäftsanteile treuhänderisch für
die Beteiligte zu 1. halten. Durch die Gestaltung des Kauf- und Abtretungsvertrages war
dabei sichergestellt, dass er nicht mit Verlusten aus dem Erwerbsgeschäft belastet wird.
Überdies sollte die Beteiligte zu 1. bei einer Drittveräußerung der Geschäftsanteile am
Ende der Optionsfrist paritätisch am Mehrerlös teilnehmen. Bei dieser Sachlage ist das
Bundeskartellamt zutreffend zu dem Resultat gelangt, dass das mit dem
Erwerbsgeschäft verbundene wirtschaftliche Risiko im Wesentlichen nicht von dem
Beigeladenen zu 4., sondern von der Beteiligten zu 1. getragen wird.
52
(b) Dass die Beteiligte zu 1. ihre Geschäftsanteile an der G.-KG und der G.-GmbH
nunmehr zu veränderten Konditionen an den Beigeladenen zu 4. übertragen will, führt
im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung.
53
(aa) Nach den im Senatstermin abgegebenen Erklärungen beabsichtigen die Beteiligte
zu 1. und der Beigeladene zu 4. mittlerweile, den Kauf- und Abtretungsvertrag (in der
Fassung der Änderungsvereinbarung) ohne das - einen Rückerwerb sichernde -
Instrumentarium von Veräußerungsverbot und Call-Option abzuschließen. Anlass für
diese Entscheidung ist die Erwartung, dass noch in diesem Monat mit dem Abschluss
des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Pressefusionsrechts zu rechnen sei
und nach dem aktuellen Stand des Gesetzgebungsvorhabens das Recht der
Pressefusion überdies nicht derart geändert werden solle, dass ein Rückerwerb des "T."
durch die Beteiligte zu 1. kartellrechtlich möglich ist. Das haben die
Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. und des Beigeladenen zu 4. im
Senatstermin übereinstimmend bekundet. Sie haben dazu erläuternd ausgeführt, dass
schon wegen des unmittelbar bevorstehenden Abschlusses des
Gesetzgebungsverfahrens das Instrumentarium von Veräußerungsverbot und Call-
Option nicht mehr benötigt werde. Bleibe es bei dem derzeitigen Reformvorhaben,
scheide der beabsichtigte Rückerwerb des "T." schon aus kartellrechtlichen Gründen
aus. Werde das Pressefusionsrecht wider Erwarten doch noch weitergehend dahin
54
gelockert, dass die Beteiligte zu 1. den "T." und die "B. Z." gemeinsam verlegen dürfe,
seien die Regelungen zum Veräußerungsverbot und zur Call-Option ebenfalls
entbehrlich. In diesem Fall könne nämlich von dem Anteilsverkauf an den Beigeladenen
zu 4. gänzlich abgesehen und das Zusammenschlussvorhaben unter Geltung des
neuen Pressefusionsrechts erneut beim Bundeskartellamt angemeldet werden.
(bb) Vor dem Hintergrund dieser Erklärungen gibt der Verzicht der Vertragsparteien auf
die Regelungen zum Veräußerungsverbot und zur Call-Option keine Veranlassung, der
Beteiligten zu 1. die Marktanteile der G.-KG entgegen den vorstehenden Ausführungen
nicht mehr zuzurechnen. Die Beteiligte zu 1. und der Beigeladene zu 4. haben die
Vereinbarungen zum Veräußerungsverbot und zur Call-Option erklärtermaßen nur
deshalb aufgegeben, weil jene Bestimmungen zur Erreichung des mit dem Kauf- und
Abtretungsvertrag verfolgten Zwecks nicht mehr beitragen können. Der Verzicht auf die
betreffenden Absprachen ist deshalb nicht Ausdruck einer geänderten Zielsetzung der
Vertragsparteien. Er hat vielmehr bloß deklaratorischen Wert, weil die Parteien den
Vertrag lediglich um Klauseln bereinigt haben, die zur Erreichung des Vertragszwecks
ohnehin obsolet geworden sind. Dementsprechend halten die Vertragsparteien auch an
dem Kauf- und Abtretungsvertrag im Übrigen unverändert fest. Sie behalten
insbesondere diejenigen Regelungen, vermöge deren das mit den Geschäftsanteilen
der G.-KG und G.-GmbH verbundene wirtschaftliche Risiko im Wesentlichen auf die
Beteiligte zu 1. verlagert wird, ohne jede Einschränkung bei. Das gilt nicht nur für die
dem Beigeladenen zu 4. zugestandene geräumige Ratenzahlungsmöglichkeit, sondern
vor allem auch für den äußerst günstigen Kaufpreis von 10 Mio. EUR. Obschon - wie
dargelegt - dieser Betrag hinter dem tatsächlichen Wert der zur Übertragung an den
Beigeladenen zu 4. vorgesehenen Geschäftsanteile weit zurückbleibt und - wie der
Beigeladene zu 4. in der Besprechung vom 16. Oktober 2003 dem Bundeskartellamt
gegenüber erklärt hat - sich der niedrige Kaufpreis aus der mit dem Veräußerungsverbot
und der Call-Option verbundenen Belastung des Anteilserwerbs rechtfertigt, werden die
Vertragsparteien keine Kaufpreiserhöhung vornehmen. Eine plausible Erklärung hierfür
haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. und des Beigeladenenen zu
4. im Senatstermin nicht zu geben vermocht. Ihr Hinweis, die Zeit der Ungewissheit über
eine mögliche Lockerung des Pressefusionsrechts habe sich mittlerweile auf wenige
Wochen verkürzt und der Beigeladene zu 4. habe sich zudem auf den niedrigen
Kaufpreis eingerichtet, überzeugt nicht. Er macht nämlich nicht plausibel, wieso die
Geschäftsanteile an der G.-KG und der G.-GmbH weiterhin erheblich unter Wert
veräußert werden sollen, obwohl mit dem Fortfall der Rückerwerbsoption der Grund für
die niedrige Kaufpreishöhe entfallen ist. Die Beibehaltung der dargestellten
Vertragsklauseln zwingt deshalb bei verständiger Betrachtung zu dem Schluss, dass
auch der ursprüngliche Vertragszweck, nämlich die treuhänderische Bindung des
Beigeladenen zu 4. unter Übernahme des wirtschaftlichen Risikos des
Erwerbsgeschäfts durch die Beteiligte zu 1., unverändert fortbesteht. Ziel des Vertrages
war es von Anfang an, der Beteiligten zu 1. den parallelen Vertrieb der "B. Z." und des
"T." zu ermöglichen. Aus diesem Grund hat die Beteiligte zu 1. zunächst den
Hinzuerwerb der "B. Z." betrieben. Nachdem das Bundeskartellamt dieses
Zusammenschlussvorhaben untersagt hatte und auch der anschließende Antrag auf
eine ministerielle Erlaubnis der Fusion erfolglos geblieben war, hat sich die Beteiligte zu
1. um eine Lockerung des Pressefusionsrechts bemüht. Für die Übergangszeit hat sie
den "T." treuhänderisch auf den Beigeladenen zu 4. übertragen wollen, bis ein
Rückerwerb des "T." kartellrechtlich möglich sein würde. Der Rückerwerb sollte dabei
durch das Instrumentarium von Veräußerungsverbot und Call-Option sichergestellt
werden. Auch diese (zweitbeste) Alternative zum Erwerb der "B. Z." wird sich aller
55
Voraussicht nach nicht realisieren lassen. Denn nach dem derzeitigen
(fortgeschrittenen) Stand des Gesetzgebungsverfahrens wird das Pressefusionsrechts
nicht in dem erforderlichen Umfang gelockert werden. Gleichwohl hält die Beteiligte zu
1. an ihrer Absicht fest, die Geschäftsanteile der G.-KG und der G.-GmbH an den
Beigeladenen zu 4. zu veräußern, und zwar zu den Bedingungen des ursprünglich
vorgesehenen Treuhandverhältnisses und mit dem Ergebnis, dass sie selbst das mit
den übertragenen Gesellschaftsanteilen verbundene wirtschaftliche Risiko im
Wesentlichen zu tragen hat. Dies ist nur verständlich, wenn die Beteiligte zu 1. weiterhin
eine treuhänderische Anteilsübertragung auf den Beigeladenen zu 4. beabsichtigt. Es
handelt sich dabei sozusagen um die drittbeste Möglichkeit zur Übernahme der "B. Z.".
Sie besteht darin, dass der Beigeladene zu 4. den "T." auf nunmehr unbestimmte Zeit
und ohne dass für die Beteiligte zu 1. derzeit eine konkrete Aussicht auf den baldigen
Rückerwerb des "T." besteht treuhänderisch verlegt. Die Bereitschaft der Beteiligten zu
1., dem Beigeladenen zu 4. die Geschäftsanteile zu einem äußerst niedrigen Preis auch
ohne das Sicherungsmittel des Veräußerungsverbotes und der Call-Option zu
übertragen, findet ihre Erklärung dabei in der engen beruflichen und privaten
Verbundenheit der Vertragsparteien. Der Beigeladene zu 4. war über mehrere
Jahrzehnte in leitender Stellung bei Konzernunternehmen der Beteiligten zu 1. tätig und
ist mit der Familie H. freundschaftlich verbunden. Er hat - was das gegenseitig
bestehende Vertrauen belegt - außerdem eine Patenschaft für eines der Kinder der
Familie H. übernommen.
Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass, nur deshalb von einer Marktanteilszurechnung
abzusehen, weil der Kauf- und Abtretungsvertrag ohne das - ohnedies entbehrlich
gewordene - Instrumentarium von Veräußerungsverbot und Call-Option abgeschlossen
werden soll.
56
(2) Ob - wogegen aus Sicht des Senats gute Gründe sprechen - für eine Zurechnung
nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 1. Alt. GWB darüber hinaus erforderlich ist, dass die
Beteiligte zu 1. Leitungsmacht über das von dem Beigeladenen zu 4. erworbene
Unternehmen ausüben kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Es entspricht der
Natur des Treuhandverhältnisses und dem mit ihm verfolgten Zweck, dass der
Treuhänder die ihm aufgrund der Anteilsübertragung zustehenden Gesellschafterrechte
im Allgemeinen in Abstimmung mit dem Treugeber und jedenfalls in dessen Interesse
ausübt. Zudem besteht die tatsächliche Vermutung, dass derjenige, der das
wirtschaftliche Risiko einer Beteiligung trägt, auch auf die Ausübung der mit dieser
Beteiligung verbundenen Rechte und Befugnisse Einfluss nimmt und seine Interessen
auch ohne ein rechtlich verbindliches Weisungsrechts berücksichtigt werden (BGH,
a.a.O. Seite 617). Das gilt auch im Streitfall. Entgegenstehende Anhaltspunkte sind
weder von der Beschwerde aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.
57
bb) Durch das Zusammenschlussvorhaben erhöht sich der Marktanteil der Beteiligten zu
1. auf dem Lesermarkt für B. Abonnement-Tageszeitungen von unter 30 % (exakt: ... %)
auf über 60 % (exakt: ... %).
58
(1) Das Bundeskartellamt hat seiner Marktanteilsberechnung zutreffend die verkaufte
Auflage zugrunde gelegt. Denn die Auflagenstärke - und nicht, wie die Beschwerde
meint, der erzielte Umsatz aus dem Vertriebs- und Anzeigengeschäft - spiegelt die
wirtschaftliche Bedeutung einer Zeitung auf dem Lesermarkt wieder (vgl. dazu: BGH,
WuW/E BGH 2150, 2154 - Edelstahlbestecke). Dem lassen sich die bestehenden
Wechselwirkungen, die zwischen dem Leser- und dem Anzeigenmarkt bestehen, nicht
59
entgegen halten. Zwar trifft es zu, dass Werbeeinnahmen zur Deckung der
Redaktionskosten beitragen. Richtig ist auch, dass der Erfolg einer Zeitung bei den
Lesern tendenziell Anzeigenkunden anzieht (Leser-Anzeigen-Spirale) und ein
umfassender Anzeigenteil umgekehrt den Leser zum Kauf der Zeitung veranlassen
kann (Anzeigen-Leser-Spirale). Daraus ist indes nur herzuleiten, dass das
Anzeigengeschäft einer Zeitung deren Vertriebsgeschäft beeinflusst, und dass
demzufolge eine Steigerung des Anzeigenaufkommens erfahrungsgemäß auch den
wettbewerblichen Spielraum des Verlegers auf dem Lesermarkt erweitert (BGH, WuW/E
BGH 2112, 2115/ 2116 - Gruner + Jahr - Zeit). Diese Zusammenhänge ändern aber
nichts an der Tatsache, dass die durch den Marktanteil ausgedrückte aktuelle
wettbewerbliche Bedeutung, die einer Zeitung auf dem Lesermarkt zukommt, durch ihre
verkaufte Auflage und nicht durch den Umsatz im Zeitungs- und Anzeigengeschäft
wiedergegeben wird (BGH WuW/E BGH 1854, 1859 - Zeitungsmarkt München), und
dass die dargestellte Wechselwirkung zwischen Anzeigen- und Lesermarkt erst bei der
Frage der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung Bedeutung
erlangt (BGH, a.a.O. 1856). Es kommt hinzu, dass - wie noch ausgeführt werden wird -
die Wechselwirkung zwischen Anzeigen- und Lesermarkt in B. ohnehin nur sehr
schwach ausgeprägt ist. Das spricht erst recht dagegen, im Streitfall zur Ermittlung der
Marktanteile auf dem B. Lesermarkt nicht auf die verkaufte Auflage, sondern auf den
Umsatz aus dem Zeitungs- und Anzeigengeschäft zurückzugreifen.
(2) Auf der Basis der verkauften Auflage erhöht die beabsichtigte Fusion den Marktanteil
der Beteiligten zu 1. auf dem Lesermarkt für B. Abonnement-Tageszeitungen von unter
30 % (exakt: ... %) auf über 60 % (exakt: .. %). Das ist der "Analyse für Verbreitung von
Werbeträgern" (IVW-Statistik) zu entnehmen. Zwar weist die Statistik nicht nur die
verkaufte Auflage, sondern auch die von den Zeitungsverlagen zu Werbezwecken
kostenlos an Fluggesellschaften, Hotels oder Restaurants abgegebenen Exemplare
aus. Das zieht aber die Aussagekraft der Aufstellung nicht in Zweifel. Die Freiexemplare
machen nur einen ganz geringen Teil der Gesamtauflage aus. Schon aus diesem Grund
lässt die IVW-Statistik trotz der in ihr erfassten Freiexemplare hinreichend sichere
Rückschlüsse auf die Marktposition der B. Abonnement-Tageszeitungen und ihre
jeweiligen Marktanteile zu. Die Ausgabe kostenloser Zeitungsexemplare ist überdies
branchenüblich, weshalb die Ungenauigkeiten der IVW-Statistik nicht nur die Beteiligte
zu 1., sondern gleichermaßen auch ihre Wettbewerber trifft.
60
b) Nach den - von der Beschwerde nicht angegriffenen - Feststellungen des
Bundeskartellamts stellt sich die Marktanteilsverteilung nach der geplanten Fusion wie
folgt dar:
61
Beteiligte zu 1.: = 60 % (exakt: ... %)
62
- T. = 25 % (exakt: ... %)
63
- B. Z. = 35 % (exakt: ... %)
64
Beigeladene zu 1.: = 35 % (exakt: ... %)
65
- B. M. t = 30 % (exakt: ... %)
66
- D. W., Ausgabe B. = 5 % (exakt: ... %)
67
- W. a. S. = 5 % (exakt: ... %)
68
N. D. GmbH: = 5 % (exakt: ... %)
69
t. GmbH: = 5 % (exakt: ... %)
70
Die Beteiligte zu 1. erlangt durch den Zusammenschluss folglich einen Marktanteil, der
nahezu doppelt so hoch ist wie derjenige des nachfolgenden Wettbewerbers. Gegen die
Beteiligte zu 1. greift damit die Vermutung der Marktbeherrschung ein. Denn ihr
Marktanteil übersteigt nach der Fusion die Vermutungsschwelle des § 19 Abs. 3 Satz 1
GWB von einem Drittel.
71
c) Die an den hohen Marktanteil der Beteiligten zu 1. anknüpfende
Marktbeherrschungsvermutung ist nicht widerlegt. Vielmehr rechtfertigt eine
Gesamtschau der durch den Zusammenschluss entstehenden Wettbewerbsverhältnisse
die Prognose, dass die Beteiligte zu 1. fusionsbedingt über einen wettbewerblich nicht
hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum verfügen wird.
72
aa) Die Beteiligte zu 1. wird durch die Fusion mit großem Abstand der auflagenstärkste
Anbieter auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen in B.. Ihr
Marktanteilsvorsprung vor dem nächstgrößten Wettbewerber beträgt nahezu 100 %.
73
bb) Durch das Zusammenschlussvorhaben verbessern sich überdies die strategischen
Möglichkeiten der Beteiligten zu 1. auf dem B. Lesermarkt für regionale Abonnement-
Tageszeitungen.
74
Es steht außer Streit, dass sich die Leserbedürfnisse in W. und O. hinsichtlich der
Themenbereiche und der Art der journalistischen Darstellung nach wie vor deutlich
voneinander unterscheiden. Dementsprechend finden der "T." und die "B. M." ihre
überwiegende Leserschaft in W., während die "B. Z." hauptsächlich in O. gelesen wird,
mittlerweile allerdings auch eine spürbare Präsenz im Westteil der Stadt aufbauen
konnte (vgl. Sondergutachten 36 der Monopolkommission von April 2003, Seite 42 Rn.
85). Durch die Fusion erhielte die Beteiligte zu 1. mit der "B. Z." deshalb nicht nur eine
zweite B. Abonnement-Tageszeitung. Ihr wäre darüber hinaus vor allem die Möglichkeit
eröffnet, den "T." und die "B. Z." speziell auf die Leserbedürfnisse in ihren jeweils
angestammten Verbreitungsgebieten - d.h. den "T." auf die Leserbedürfnisse in W. und
die "B. Z." auf die Leserbedürfnisse in O. - auszurichten. Vermöge dieser
Produktstrategie wiederum wäre die Beteiligte zu 1. in die Lage versetzt, ihre
Wettbewerbsposition gegenüber der "B. M." zu festigen und auszubauen. Während die
"B. M." den Leserbedürfnissen in beiden Stadtteilen B. Rechnung tragen muss, um ihre
bisherige Marktposition in W. zumindest verteidigen sowie O. Leser neu hinzugewinnen
zu können, stünde der Beteiligten zu 1. für W. ("T.") und O. ("B. Z.") jeweils eine eigene,
auf die dortigen Bedürfnisse der Leser ausgerichtete Abonnement-Tageszeitung zur
Verfügung. Die Beteiligte zu 1. könnte überdies beide Zeitungen fortan noch stärker als
bisher den unterschiedlichen Leserbedürfnissen im Westen und Osten B. anpassen und
durch diese Produktausrichtung im West- wie im Ostteil der Stadt ihr Leserpotential
festigen sowie ihre Leserschaft zu Lasten der "B. M." ausbauen. Zu Recht verweist das
Bundeskartellamt dabei auf die erfahrungsgemäß enge Bindung des Lesers an "seine"
Zeitung (sog. Leser-Blatt-Bindung). Sie kann bei einer gezielten Ausrichtung der beiden
Abonnement-Tageszeitungen der Beteiligten zu 1. auf die Leserbedürfnisse in W. und
O. in besonderem Maße gefestigt werden. Die gegenteilige Einschätzung der
75
Beschwerde, der "T." und die "B. Z." seien auch nach dem Zusammenschluss für einen
wirtschaftlichen Erfolg darauf angewiesen, in das jeweils andere Stadtgebiet B. zu
expandieren und ihren redaktionellen Inhalt folglich auf die Käufererwartungen der
Leser in beiden Teilen B. abzustellen, teilt der Senat nicht.
Das Bundeskartellamt hat in diesem Kontext außerdem angenommen, dass die
Beteiligte zu 1. fusionsbedingt auch dann über einen strategischen Vorteil verfügen
werde, wenn sich - was aus seiner Sicht wahrscheinlich sei - langfristig die
Leserbedürfnisse in W.- und O. angleichen. In diesem Fall - so meint das
Bundeskartellamt - könne die Beteiligte zu 1. das Marktpotential mit zwei strategisch
(z.B. nach Bevölkerungsschichten) positionierten Zeitungen besser abschöpfen. Die
Beschwerde wendet dagegen ein, gerade die Beigeladene zu 1. verfüge mit ihren
Presseerzeugnissen über einen Zugang zu nahezu allen Bevölkerungsschichten,
weshalb bei einer Angleichung der Käufergewohnheiten in B. der angenommene
strategische Vorteil keine nennenswerten wettbewerblichen Vorteile entfalten werde. Ob
dieser Einwand berechtigt ist, kann dahin stehen. Für die Überlegungen des
Bundeskartellamts fehlt es nämlich bereits an einer hinreichenden Grundlage. Nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die Auswirkungen einer Fusion zwar nicht nur
anhand der im Zeitpunkt des Zusammenschlusses herrschenden
Wettbewerbsbedingungen zu beurteilen, sondern ist darüber hinaus auch die künftige
Wettbewerbsentwicklung einzubeziehen. Dies gilt allerdings nur, wenn und soweit sich
aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Veränderung der
aktuell herrschenden Wettbewerbsverhältnisse prognostizieren lässt (BGH, WuW/E
BGH 1501, 1507/1508 - Kfz-Kupplungen). An dieser Voraussetzung fehlt es in Bezug
auf die vom Bundeskartellamt angenommene Angleichung der Leserbedürfnisse in B..
Obschon die Wiedervereinigung Deutschlands mittlerweile nahezu 15 Jahre zurückliegt,
bestehen unverändert erhebliche Unterschiede bei den Leserbedürfnissen in W.- und
O.. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sich dieser Zustand in absehbarer Zeit ändern
und das Käuferverhalten in beiden Teilen B. angleichen wird, sind nicht ersichtlich; sie
sind auch vom Bundeskartellamt nicht festgestellt worden.
76
cc) Die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der Beteiligten zu 1. wird durch
den von Straßenverkaufszeitungen ausgehenden Substitutionswettbewerb nicht in
Frage gestellt.
77
Die Beschwerde leitet den von ihr reklamierten erheblichen Substitutionswettbewerb zu
Unrecht aus der Tatsache her, dass der Einzelverkaufsanteil bei den regionalen
Abonnement-Tageszeitungen in B. weit über dem Bundesdurchschnitt von 5 % - und
zwar bei der "B. Z." bei 12,7 %, beim "T." bei 20,8 % und bei der "B. M." bei 16,9 % -
liegt. Aus dem hohen Einzelverkaufsanteil kann lediglich abgeleitet werden, dass sich
ein vergleichsweise hoher Prozentsatz der Leser einer B. Abonnement-Tageszeitung
die tägliche Entscheidungsfreiheit vorbehalten will, ob und gegebenenfalls welche
Zeitung er zu seiner Information heranzieht. Zu der Frage, in welchem Umfang zwischen
den regionalen Abonnement-Tageszeitungen einerseits und den
Straßenverkaufszeitungen andererseits ein Substitutionswettbewerb stattfindet, besagt
der Einzelverkaufsanteil indes nichts. Die Gruppe der Leser einer regionalen
Abonnement-Tageszeitung im Einzelverkauf umfasst Leser mit ganz unterschiedlichen
Lesegewohnheiten und Präferenzen für die eine oder andere Zeitungssparte.
Gemeinsam ist ihnen lediglich, dass sie kein Interesse an dem regelmäßigen Bezug
einer bestimmten regionalen Abonnement-Tageszeitung haben und für sie der
Abschluss eines Abonnementvertrages aus diesem Grund ausscheidet. Unter den
78
Personen, die in B. eine regionale Abonnement-Tageszeitung im Einzelverkauf
erwerben, befinden sich zunächst Leser, die nur vereinzelt oder in unregelmäßigen
Abständen auf eine regionale Abonnement-Tageszeitung zurückgreifen. Erfasst werden
außerdem diejenigen, die zwar regelmäßig eine regionale Abonnement-Tageszeitung
lesen, die aber mehr oder weniger oft zwischen den verschiedenen B. Abonnement-
Tageszeitungen wechseln. In die Gruppe der Leser einer im Einzelkauf erworbenen
regionalen Abonnement-Tageszeitung fallen des weiteren die Personen, die
regelmäßig eine Tageszeitung lesen, dabei jedoch mehr oder weniger häufig zwischen
einer regionalen Abonnement-Tageszeitung und einer Straßenverkaufszeitung
wechseln. Zu den Käufern einer regionalen Abonnement-Tageszeitung im
Einzelverkauf gehören zudem diejenigen Leser, die bloß vereinzelt eine regionale
Abonnement-Tageszeitung lesen, ohne zugleich an anderen Tagen auf eine
Straßenverkaufszeitung auszuweichen. Schließlich zählen zu der genannten
Lesergruppe alle diejenigen, die sowohl eine Straßenverkaufszeitung als auch
zusätzlich - und zwar entweder nur gelegentlich oder mehr oder weniger oft - eine
regionale Abonnement-Tageszeitung lesen. Wie hoch der Anteil derjenigen Käufer
einer B. Abonnement-Tageszeitung im Einzelverkauf ist, der die
Straßenverkaufszeitungen als eine Angebotsalternative zur Abonnement-Tageszeitung
betrachten und dementsprechend zwischen beiden Zeitungssparten wechseln, ist
weder den Feststellungen des Bundeskartellamts noch dem sonstigen Sach- und
Streitstand zu entnehmen. Hierzu trägt auch die Beschwerde Nachvollziehbares nicht
vor. Infolge dessen kann nicht festgestellt werden, dass von den
Straßenverkaufszeitungen ein derart nachhaltiger und erheblicher
Substitutionswettbewerb ausgeht, dass hierdurch die fusionsbedingte Entstehung einer
marktbeherrschenden Position der Beteiligten zu 1. in Zweifel gezogen wird. Das gilt
umso mehr, als der hohe Einzelverkaufsanteil der Abonnement-Tageszeitungen in B.
mit Sicherheit auch darauf zurückzuführen ist, dass in Großstädten der Anteil der
Einpersonen-Haushalte deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt und jene Haushalte
die Abonnement-Tageszeitung tendenziell sporadischer und flexibler nutzen als
Familienhaushalte.
Die Beteiligte zu 1. verweist zur Rechtfertigung des von ihr geltend gemachten
Substitutionswettbewerbs durch die Straßenverkaufszeitungen überdies auf die geringe
Preisdifferenz, die zwischen dem "T." und der "B. Z." auf der einen Seite und den
Straßenverkaufszeitungen auf der anderen Seite bestehe. Auch mit diesem Argument
bleibt die Beschwerde erfolglos. Nach den Angaben der Monopolkommission (a.a.O.
Seite 42 Rn. 86) kosten die Boulevard-Zeitungen zwischen 0,45 EUR und 0,50 EUR,
die "B. M." und die "B. Z." jeweils 0,60 EUR und der "T." 0,75 EUR. Dieser geringe
Preisabstand muss indes nicht Ausdruck eines Substitutionswettbewerbs zwischen
Abonnement-Tageszeitungen und Straßenverkaufs-Zeitungen sein. Er kann ebenso
darauf zurückzuführen sein, dass - bundesweit einmalig - in B. gleich drei Abonnement-
Tageszeitungen im Wettbewerb miteinander stehen und dieser Wettbewerb nach den
Feststellungen des Bundeskartellamtes überdies außergewöhnlich intensiv betrieben
wird (ebenso: Monopolkommission, a.a.O. Seite 37 Rn. 67). Der Wettbewerb unter den
drei Abonnement-Tageszeitungen wird dabei durch den hohen Einzelverkaufsanteil
besonders gefördert, weil der Leser täglich neu darüber entscheiden kann, welche
Zeitung er kaufen will.
79
dd) Die Entstehung einer marktbeherrschenden Position der Beteiligten zu 1. auf dem
Lesermarkt wird gleichfalls nicht durch die Auswirkungen in Zweifel gezogen, die das
Zusammenschlussvorhaben für den B. Anzeigenmarkt mit sich bringen würde.
80
Zwischen Lesermarkt und Anzeigenmarkt besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Wie
bereits dargestellt, stärkt eine hohe Leserzahl auch die Stellung der Zeitung auf dem
Anzeigenmarkt, weil eine große Leserreichweite die Zeitung für die Anzeigenkunden
attraktiver macht (Leser-Anzeigen-Spirale). Umgekehrt fördert ein hohes
Anzeigenaufkommen den Absatz auf dem Lesermarkt und erweitert zudem den
Finanzierungsspielraum der Zeitung für einen hochwertigen redaktionellen Teil, was
sich wiederum auf den Lesermarkt förderlich auswirken kann (Anzeigen-Leser-Spirale).
Angesichts dieser Zusammenhänge hat das Bundeskartellamt in die Beurteilung, ob
durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung der Beteiligten zu 1.
auf dem Lesermarkt entstehen wird, zutreffend auch die zu erwartenden Veränderungen
auf dem Anzeigenmarkt einbezogen. Es hat dabei richtig alleine auf die Frage
abgestellt, ob fusionsbedingt auf dem Anzeigenmarkt mit solchen Wirkungen zu rechnen
ist, die die starke Stellung der Beteiligten zu 1. auf dem Lesermarkt
entscheidungserheblich beeinträchtigen können (vgl. BGH, WuW/E BGH 1854, 1858 -
Zeitungsmarkt München). Demgegenüber spielt es - worauf die Beschwerde abheben
will - keine Rolle, ob die Beteiligte zu 1. aufgrund der ihr fusionsbedingt zuwachsenden
Marktmacht auf dem Lesermarkt (sogar) eine marktbeherrschende Stellung auf dem
Anzeigenmarkt erlangen wird. Denn das Bundeskartellamt hat seine
Untersagungsverfügung alleine mit der zu erwartenden marktbeherrschenden Position
der Beteiligten zu 1. auf dem B. Lesermarkt begründet.
81
Im Entscheidungsfall führt das Zusammenschlussvorhaben nicht zu Veränderungen auf
dem Anzeigenmarkt, welche die Vorrangstellung der Beteiligten zu 1. auf dem
Lesermarkt in ausreichendem Maße beeinträchtigen, d.h. deren fusionsbedingt
zuwachsenden wettbewerblichen Verhaltensspielraum auf dem Lesermarkt wirksam
begrenzen. Dazu genügt die Feststellung, dass schon in der Vergangenheit die
beschriebene Wechselwirkung zwischen Lesermarkt und Anzeigenmarkt in B. nur sehr
schwach ausgeprägt war. Bereits aus diesem Grund ist nicht anzunehmen, dass die
zusammenschlussbedingten Veränderungen auf dem Anzeigenmarkt entscheidenden
Einfluss auf die Marktstruktur und die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Lesermarkt
haben werden. Die B. Verhältnisse sind zum einen dadurch gekennzeichnet, dass die
Marktanteilsverteilung auf dem Anzeigen- und dem Lesermarkt inkongruent ist. Während
die "B. M." auf dem Anzeigenmarkt stärkste Anbieterin ist, liegt sie auf dem Lesermarkt
lediglich an zweiter Stelle. Umgekehrt ist die "B. Z." mit deutlichem Abstand
auflagenstärkste regionale Abonnement-Tageszeitung in B. und damit führend auf dem
Lesermarkt, verfügt demgegenüber auf dem Anzeigenmarkt aber nur über den
zweithöchsten Marktanteil. Lediglich der "T." belegt sowohl auf dem Lesermarkt als
auch auf dem Anzeigenmarkt Rang drei. Gegenläufig war bislang überdies die
Marktanteilsentwicklung der B. Abonnement-Tageszeitungen auf dem Leser- und
Anzeigenmarkt. Die "B. M." und die "B. Z." haben in der Vergangenheit trotz ihrer
starken Stellung auf dem Anzeigenmarkt Leser verloren; in dem gleichen Zeitraum ist
die Auflage des "T." ungeachtet seiner schwachen Stellung auf dem Anzeigenmarkt
angestiegen. Dies rechtfertigt - wovon im Übrigen auch die Beschwerde ausgeht - den
Schluss, dass bei den B. Abonnement-Tageszeitungen weder die Anzeigen-Leser-
Spirale noch die Leser-Anzeigen-Spirale ausgeprägt sind. Bestätigt wird dieser Befund
durch das Vorbringen der Zusammenschlussbeteiligten im Verfahren auf Erteilung einer
Ministererlaubnis. Ausweislich des dazu erstellten Sondergutachtens der
Monopolkommission (a.a.O. Seite 39 Rn. 76) haben sie selbst vorgetragen, die
"Rubrikenmärkte seien nun einmal bei der B. M.: Wer etwas suche, suche dort; wer
inseriere, inseriere dort" und ferner, dass "die langjährige Vernachlässigung der
82
Rubriken durch die früheren Besitzer des Tagesspiegels ... es der B. M. ermöglicht
(habe), hier eine Marktposition aufzubauen, die - weitgehend unabhängig von den
Lesern der Inhalte - die Aufmerksamkeit und die Nachfrage von Inserenten und
Suchenden nach sich (ziehe)".
Auf die von der Beschwerde problematisierte Frage, ob - wie das Bundeskartellamt
angenommen hat - das Zusammenschlussvorhaben sogar zu einer Stärkung der
Marktposition der Beteiligten zu 1. auf dem Anzeigenmarkt führen wird, weil es deren
Marktanteil von über 15 % auf mehr als 40 % erhöhen und ihr darüber hinaus
Wettbewerbsvorteile (Sogwirkung einer Erstzeitung auf das Anzeigengeschäft;
Möglichkeit, die "B. Z." als ein speziell auf das O. Anzeigengeschäft ausgerichtetes Blatt
zu betreiben; Möglichkeit, einen eigenen Anzeigenteil (Zeitungsbuch) für Gesamtb.
anbieten und ihn als Beilage des "T." und der "B. Z." vertreiben zu können) verschaffen
werde, kommt es nach alledem streitentscheidend nicht an.
83
ee) Der wettbewerbliche Handlungsspielraum der Beteiligten zu 1. auf dem B.
Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen wird schließlich nicht
hinreichend durch einen Ressourcenvorsprung der Beigeladenen zu 1. eingeschränkt.
84
Das Bundeskartellamt hat dies zutreffend mit der Erwägung begründet, dass die
Beteiligte zu 1. (2,241 Mrd. EUR) und die Beigeladene zu 1. (2,776 Mrd. EUR) über
einen annähernd gleich hohen Inlandsumsatz verfügen, ferner beide Unternehmen auf
zahlreichen Zeitungsmärkten tätig sind und deshalb gleichermaßen Synergien nutzen
können, und schließlich sowohl die Beteiligte zu 1. als auch die Beigeladene zu 1.
umfangreiches betriebliches und geschäftliches Know-how im Zeitungswesen besitzen.
Die von der Beschwerde dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Die
Differenz beim Inlandsumsatz beider Unternehmen von rund 500 Mio. EUR spielt
angesichts der absoluten Größenordnung der Umsätze keine maßgebliche Rolle. Auch
die Beschwerde vermag nicht nachvollziehbar aufzuzeigen, inwieweit die Beigeladene
zu 1. aufgrund ihres Umsatzvorsprungs in der Lage sein soll, der Beteiligten zu 1. trotz
ihres eigenen Milliardenumsatzes im wettbewerblichen Verhalten auf dem Lesermarkt
für B. Abonnement-Tageszeitungen wirksam Grenzen zu setzen. Aus der gleichen
Erwägung sind auch die weiteren Argumente nicht stichhaltig, dass die Beigeladene zu
1. das größte europäische Zeitungshaus sei, dass ferner die Beigeladene zu 1. am
gesamten inländischen Zeitungsmarkt mit 23,4 % und die Beteiligte zu 1. nur mit 3,4 %
beteiligt sei, dass außerdem die Beigeladene zu 1. den größeren Teil ihres Umsatzes
im Inland erziele, während die Beteiligte zu 1. mehr als die Hälfte des Umsatzes im
Ausland und dort zu einem überwiegenden Teil im Non-Press-Bereich erwirtschafte,
wobei der Umsatz überdies gebunden sei, und dass die Beigeladene zu 1. als
Publikums-Aktiengesellschaft schließlich über bessere Finanzierungsmöglichkeiten
verfüge als die Beteiligte zu 1. Für keinen dieser Aspekte ist nachvollziehbar dargelegt
oder sonst zu erkennen, inwiefern es der Beigeladenen zu 1. möglich sein soll, das
wettbewerbliche Verhalten der Beteiligten zu 1. auf dem relevanten B. Lesermarkt
ungeachtet deren eigener Unternehmensgröße und erheblichen Ertrags- und
Finanzkraft einzuschränken. Überzeugen vermag ebenso wenig der Hinweis der
Beschwerde auf die der Beigeladenen zu 1. zur Verfügung stehenden Beschaffungs-
und Absatzmöglichkeiten (Vorteile beim Papiereinkauf; Beteiligung an zwei B. Presse-
Grossisten). Auch insoweit fehlt jedweder nähere Sachvortrag, welche konkreten
wettbewerblichen Vorteile der Beigeladenen zu 1. hieraus in Bezug auf den in Rede
stehenden B. Lesermarkt erwachsen und wie dies den Handlungsspielraum der
Beteiligten zu 1. auf jenem Markt wirksam begrenzen soll. Zu allem ist auch sonst nichts
85
ersichtlich.
4. Ist nach alledem zu erwarten, dass die Beteiligte zu 1. durch die beabsichtigte Fusion
eine marktbeherrschende Stellung auf dem B. Lesermarkt für regionale Abonnement-
Tageszeitungen erlangen wird, ist das Zusammenschlussvorhaben zu untersagen (§ 36
Abs. 1 1. Halbsatz GWB). Mit Recht hat das Bundeskartellamt die Anwendbarkeit der
Abwägungsklausel abgelehnt und angenommen, von den Zusammenschlussbeteiligten
sei nicht der Nachweis geführt worden, dass durch den Zusammenschluss auch
Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, welche die Nachteile der
Marktbeherrschung überwiegen (§ 36 Abs. 1 2. Halbsatz GWB).
86
Die Nachteile der Marktbeherrschung auf dem genannten Lesermarkt treten hinter die
zusammenschlussbedingt zu erwartenden strukturellen Verbesserungen auf dem B.
Anzeigenmarkt nicht zurück. Zwar kann die Beteiligte zu 1. durch die Fusion ihren
Marktanteil auf dem Anzeigenmarkt von über 15 % auf mehr als 40 % erhöhen.
Hierdurch werden indes die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Anzeigenmarkt nicht
derart wesentlich und dauerhaft verbessert, dass die Nachteile der Fusion auf dem
Lesermarkt überwogen werden. Ob - wie das Bundeskartellamt prognostiziert hat und
die Beschwerde angreift - diese Beurteilung deshalb gerechtfertigt ist, weil die Beteiligte
zu 1. nach der Fusion auf dem B. Lesermarkt die Stellung der Erstzeitung inne haben
und sich die Erstzeitung erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit auch auf dem
Anzeigenmarkt als führende Zeitung durchsetzen wird, kann auf sich beruhen. Es
genügt darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene zu 1. auch nach der Fusion auf dem
B. Anzeigenmarkt mit rund 55 % den deutlich größten Marktanteil hält, und dass - wie
ausgeführt - die Wechselwirkung zwischen Leser- und Anzeigenmarkt in B. nur sehr
schwach ausgeprägt ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass die
Beteiligte zu 1. durch den Hinzuerwerb der "B. Z." ihre Marktposition auf dem
Anzeigenmarkt derart verstärken kann, dass die führende Position der Beigeladenen zu
1. nachhaltig angegriffen wird und sich die Wettbewerbsverhältnisse auf dem
Anzeigenmarkt in einem die Nachteile der Marktbeherrschung auf dem Lesermarkt
überwiegenden Ausmaß dauerhaft verbessern.
87
Ebenso wenig ist nachgewiesen, dass der Zusammenschluss die
Wettbewerbsverhältnisse auf dem B. Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen in einem
die Marktbeherrschung der Beteiligten zu 1. überwiegenden Umfang verbessern wird.
Das Zusammenschlussvorhaben führt auf dem B. Lesermarkt für
Straßenverkaufszeitungen unmittelbar nur zu einem Wechsel des Verlegers. Während
die Straßenverkaufszeitung "B. K." bislang von der Beteiligten zu 6. verlegt wird, würde
nunmehr die Beteiligte zu 1. Verlegerin sein. Dass dieser Wechsel die Marktstrukturen
auf dem B. Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen nachhaltig und in erheblichem
Umfang verbessert, ist weder plausibel dargelegt noch bewiesen. Die Beschwerde
begnügt sich in diesem Zusammenhang mit der pauschalen Behauptung, die
marktbeherrschende Stellung der Beteiligten zu 1. auf dem Lesermarkt für regionale
Abonnement-Tageszeitungen werde direkte "spill-over"- Effekte auf den Lesermarkt für
Straßenverkaufszeitungen nach sich ziehen sowie durch redaktionelle und vertriebliche
Kooperationen mit dem "T." könne die Verbreitung des "B. K." in W. besser als bislang
vorangetrieben werden. Damit ist eine die Nachteile der Marktbeherrschung
überwiegende Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse auf dem B. Markt für
Straßenverkaufszeitungen weder nachvollziehbar dargelegt noch nachgewiesen.
88
B. Die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB sind zum anderen in Bezug
89
auf den B. Lesermarkt für Stadtillustrierte erfüllt. Das hat das Bundeskartellamt in dem
angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt. Es hat auf der Grundlage einer richtigen
Marktabgrenzung einen fusionsbedingt eintretenden Marktanteilszuwachs der
Beteiligten zu 1. auf 84,56 % festgestellt und daraus zutreffend die Entstehung einer
marktbeherrschenden Stellung abgeleitet. Die Beschwerde erhebt hiergegen auch
keinerlei Einwendungen.
III.
90
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB.
91
Die Beteiligte zu 1. hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die
Gerichtskosten zu tragen sowie dem obsiegenden Bundeskartellamt die ihm in der
Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten (Satz 2). Der
Beteiligten zu 1. fallen aus Gründen der Billigkeit zudem die außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen zu 1. und zu 3. zur Last, die einen eigenen (erfolgreichen) Sachantrag
gestellt sowie sich durch umfangreichen schriftsätzlichen und/oder mündlichen Vortrag
am Beschwerdebegehren beteiligt haben (Satz 1). Der Beigeladene zu 4., der sein
Rechtsmittel am 22. März 2004 zurückgenommen hat, ist an den bis zu diesem
Zeitpunkt angefallenen gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte zu
beteiligen.
92
IV.
93
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 74 Abs. 2 GWB.
94
Rechtsmittelbelehrung: Diese Beschwerdeentscheidung kann mit der
Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist
von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3,
40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser
Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim
Beschwerdegericht oder beim Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof)
einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Diese Frist beginnt mit
der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des
Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und
ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerde kann nur
darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung
müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt
unterzeichnet sein.
95
a. Dr. M.
96
97