Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.10.2006

OLG Düsseldorf: wiedereinsetzung in den vorigen stand, verfügung, geschäftsführer, kapitalerhöhung, form, liquidität, kreditierung, rückführung, sacheinlage, zahlstelle

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 141/05
Datum:
26.10.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 141/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Juni 2005 verkündete
Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Zinsausspruch dahin
klargestellt wird, dass die Beklag-te zur Zahlung von Zinsen in Höhe von
4 % für die Zeit vom 28. August 2003 bis zum 11. März 2004 und von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. März 2004
verurteilt wird.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
Kosten der Streithilfe zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages leistet.
G r ü n d e:
1
A.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf die tatsächlichen
Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung mit der Änderung Bezug
genommen, dass die von der Beklagten gezahlten 25.000,00 € dem Kontokorrentkonto
der GmbH mit Wertstellung zum 2. Dezember 2003 gutgeschrieben wurden. Darüber
hinaus ist zu ergänzen, dass die Beklagte behauptet hat, die Streithelferin habe sich in
Gesprächen vom 30. Juni und 25. Juli 2003 damit einverstanden erklärt, dass sie (die
Beklagte) 25.000,00 € im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die GmbH einbringe und
anschließend aus ihrer Bürgschaftsverpflichtung entlassen werde; außerdem habe der
Dispositionsrahmen der GmbH auf dem Kontokorrentkonto erhöht werden sollen; zu
keinem Zeitpunkt sei abgesprochen worden, dass die Zahlung von 25.000,00 €
unmittelbar auf ein Darlehen der GmbH erfolgen solle.
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Wegen der zur Verurteilung der Beklagten führenden Erwägungen wird auf die
Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.
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Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie verspätet
begründet hat. Wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist ihr durch
Senatsbeschluss vom 4. Mai 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt
worden. In der Sache macht die Beklagte insbesondere geltend:
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Das Landgericht habe sowohl verkannt, dass die Gutschrift des Betrages von 25.000,00
€ der Abbuchung von 25.957,75 € um einen Tag vorangegangen sei, als auch, dass der
Inhalt der der Zahlung zugrundeliegenden Absprachen in erster Instanz streitig gewesen
sei und sie (die Beklagte) vorgetragen habe, es sei ihrerseits mit der Streithelferin nie
vereinbart gewesen, dass sie eine – vorzeitige – Tilgungsleistung auf das der
Gesellschaft auf dem Darlehenskonto gewährte Darlehen erbringen solle; vielmehr sei
die GmbH in ihrer Entscheidung darüber, in welcher Weise sie das "frische" Kapital
habe verwenden wollen, frei gewesen. Im Einzelnen hätten die Dinge so gelegen, dass
– was unstreitig ist – die Streithelferin der GmbH einen Dispositionskredit von
25.000,00 € ein-geräumt gehabt und ihr einen darüber hinaus gehenden
Duldungsrahmen von weiteren 25.000,00 € fest zugesagt, das heißt dauerhaft eine
weitere Überziehung bis zum Gesamtsaldo von 50.000,00 € gestattet habe; noch
weitergehende Überziehungen hätten hingegen grundsätzlich der gesonderten
Abstimmung mit der Streithelferin bedurft. Wegen des Kreditbedarfs der Gesellschaft
hätten daher, so die Beklagte weiter, im Jahre 2003 gegen Ende jedes Monats
Besprechungen mit dem zuständigen Mitarbeiter der Streithelferin stattgefunden, in
deren Rahmen die GmbH der Streithelferin betriebswirtschaftliche Unterlagen vorgelegt
habe, aufgrund deren der genannte Mitarbeiter der Gesellschaft jeweils einen anhand
des aktuellen Bedarfs und der Geschäftslage bestimmten, über 50.000,00 €
hinausgehenden weiteren Duldungsrahmen zugesagt habe. Im daran anschließenden
Monat habe die Streithelferin sodann sämtliche Zahlungsanweisungen der Gesellschaft,
die sich in jenem zusätzlich vereinbarten Duldungsrahmen gehalten hätten, ohne
Einzelabstimmungen ausgeführt. Der vorbezeichnete zusätzliche Duldungsrahmen
habe für die erste Septemberwoche 80.000,00 € betragen. Bei der diesbezüglichen
Besprechung sei zwischen dem Geschäftsführer der GmbH und dem Mitarbeiter der
Streithelferin auch abschließend besprochen worden, dass die von ihr (der Beklagten)
zu erwartende Zahlung auf die Stammeinlage von 25.000,00 € nach Eingang zur
Tilgung des Darlehens habe verwendet werden sollen. Überwiesen habe sie den
Betrag auf das bei der Streithelferin geführte Konto auf ausdrückliche Anforderung des
Geschäftsführers der GmbH. Nicht hingegen sei zwischen ihr und der Streithelferin eine
Abrede dahin getroffen worden, dass die Zahlung von 25.000,00 € eine solche
unmittelbar an die Streithelferin zur Tilgung des Darlehens, das Girokonto der
Gesellschaft mithin allein eine Zahlstelle habe sein sollen. Die Verwendung des
überwiesenen Geldes durch die GmbH sei deren eigene, freie unternehmerische
Entscheidung gewesen. Im Anschluss an den Zahlungsvorgang sei – was wiederum als
solches unstreitig ist – der Dispositionskredit der GmbH bei der Streithelferin auf
50.000,00 € erhöht worden.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005 die
Klage abzuweisen,
8
sowie hilfsweise,
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das vorbezeichnete Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht
zurückzuverweisen.
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Der Kläger und seine Streithelferin beantragen,
11
die Berufung zurückzuweisen.
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Kläger und Streithelferin verteidigen das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Streithelferin legt namentlich dar:
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Eine dauerhafte "pauschale" Erhöhung des Kontokorrentkredits über den Betrag von
50.000,00 € hinaus sei zu keiner Zeit erfolgt. Aufgrund der monatlichen Besprechungen
sei der GmbH "wochengenau" eine Kreditlinie vorgegeben worden, in deren Rahmen
sich ihre Dispositionen hätten halten müssen. Auch seien ihrem (der Streithelferin)
zuständigen Mitarbeiter täglich Überziehungslisten vorgelegt worden. Die aufgrund der
Besprechung von Ende August 2003 für den Monat September 2003 eingeräumten
Kreditlinien seien von ihr nur unter der Voraussetzung gewährt worden, dass
entsprechend der Vereinbarung der Beteiligten in jener Unterredung die Zahlung der
Beklagten von 25.000,00 € zur Tilgung des Darlehens Verwendung finde. Mit anderen
Worten hätten durch diese Zahlung ihre (der Streithelferin) Gesamtforderungen gegen
die GmbH um 25.000,00 € reduziert werden sollen und habe das Girokonto der
Gesellschaft hierbei lediglich als Zahlstelle gedient. Angesichts dessen habe von der
Möglichkeit einer freien Verfügung der GmbH über den Betrag von 25.000,00 € keine
Rede sein können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge
und die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Gründen zu B. Bezug
genommen.
15
B.
16
Das nach Gewährung der Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist zulässige Rechtsmittel der Beklagten bleibt in der Sache
ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht sie zur Zahlung von 25.000,00 €
nebst Zinsen verurteilt.
17
1.
18
Die Klage ist begründet, weil die Beklagte die von ihr zu erbringende Bareinlage auf das
neue Stammkapital nicht gemäß §§ 56 a, 7 Abs. 2, 19 GmbHG geleistet hat.
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Die Einzahlung nicht nur auf die Mindesteinlage, sondern auf die Einlage insgesamt ist
so zu bewirken, dass die Gesellschaft durch ihren Geschäftsführer endgültig frei über
den Betrag verfügen kann. Diese Verfügungsmöglichkeit ist es gerade, die die
Bareinlage von einer Sacheinlage namentlich in Form der Befreiung der Gesellschaft
von der Forderung eines Dritten durch den Gesellschafter mit anschließender Einlage
der Regressforderung gegen die GmbH unterscheidet und die die Privilegierung der
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Bareinlage gegenüber einer Sacheinlage im Hinblick auf die zu beachtenden
Voraussetzungen rechtfertigt. Erfolgt im Falle der Verpflichtung zur Erbringung einer
Bareinlage die Zahlung auf ein debitorisches Bankkonto, wirkt sie befreiend, wenn der
Geschäftsführer innerhalb einer nicht gekündigten Kreditlinie – sei es aufgrund eines
"förmlich" eingeräumten Kreditrahmens, sei es aufgrund einer ausdrücklichen oder
stillschweigenden Gestattung (Duldung) einer Überziehung durch die Bank – über den
Betrag frei verfügen kann (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 19
Rdnr. 9 i.V.m. § 7 Rdnr. 8, jeweils mit weiteren Nachweisen auf die den Parteien
ausweislich des beiderseitigen Vorbringens im Einzelnen bekannte Rechtsprechung).
Die Leistung einer Bareinlage aus einer Kapitalerhöhung, durch die der Debetsaldo
eines Bankkontos zurückgeführt wird, kann aber auch dann zur freien Verfügung erfolgt
sein, wenn das Kreditinstitut der Gesellschaft mit Rücksicht auf die Kapitalerhöhung auf
einem anderen Konto einen Kredit zur Verfügung stellt, der den Einlagebetrag erreicht
oder übersteigt (BGHZ 150, 197 ff.).
Derartige Sachverhaltsgestaltungen liegen nach dem beiderseitigen Parteivorbringen
insbesondere im Berufungsverfahren hier nicht vor.
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Selbst wenn man davon ausgeht, zur Zeit der Überweisung der 25.000,00 € auf das
Girokonto der Gesellschaft durch die Beklagte Anfang September 2003 habe dieses
Konto aufgrund ausdrücklicher Gestattung durch die Streithelferin über den "förmlichen"
Kontokorrentkredit von (gerundet) 25.000,00 € hinaus um bis zu 80.000,00 € überzogen
werden können, bestand für den Geschäftsführer der GmbH keineswegs die Möglichkeit
einer freien Verfügung über die von der Beklagten gezahlte Summe. Denn eine andere
Verwendung der durch die infolge der Überweisung zunächst erfolgte Rückführung des
Debetsaldos auf dem Kontokorrentkonto gewonnenen Liquidität durch die GmbH als
eine Ablösung des weiteren Darlehens der Gesellschaft bei der Streithelferin hätte
letztere weder zugelassen noch zulassen müssen. Dies folgt nicht nur aus dem Vortrag
der Streithelferin, sondern auch aus den eigenen Darlegungen der Beklagten. Denn
auch danach wurde in derjenigen Unterredung, in der der Duldungsrahmen für die erste
Septemberwoche festgelegt wurde, zwischen der Streithelferin und der GmbH
"abschließend besprochen", dass der zu erwartende Eingang der 25.000,00 € zur
Tilgung des Darlehens verwendet werden solle. Nichts spricht dafür, dass die
Streithelferin der Gesellschaft einen "Überziehungsrahmen" in derselben Höhe gewährt
hätte, wenn die 25.000,00 € nicht zur Reduzierung ihrer Gesamtforderungen gegen die
GmbH – nämlich in Form der Ablösung des anderweitig bestehenden Darlehens –
verwendet worden wären. Mit anderen Worten hätte sich das Kontokorrentkonto der
GmbH, denkt man die Abrede der bestimmten Verwendung der 25.000,00 € hinweg, zur
Zeit der Gutschrift jener Summe und der folgenden Abbuchung von 25.957,75 €
außerhalb jeglicher Kreditierung, in welcher Form auch immer, befunden. (Der
Debetsaldo auf dem Kontokorrentkonto zur Zeit der Überweisung durch die Beklagte ist
jedenfalls aufgrund der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze zum
Prozessstoff und damit zur Grundlage des vorliegenden Urteils geworden.)
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Der GmbH stand infolge der Leistung durch die Beklagte aber auch nicht auf andere
Weise "frische" Liquidität – nämlich auf einem anderen, dem Darlehenskonto – zur
Verfügung. Dort wurde nur der negative Saldo verringert (wenngleich auf beinahe Null),
ohne dass indes eine neue Kreditierung erfolgt wäre. Vielmehr hatte die Rückführung
des Darlehens lediglich die der GmbH wirtschaftliche günstige Folge, dass ihr
"förmlicher" Überziehungskredit auf 50.000,00 € erhöht wurde, wodurch sie nunmehr für
Debetsalden auf dem Kontokorrentkonto von 25.000,00 € bis 50.000,00 € niedrigere als
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die vorherigen Überziehungszinsen zahlen musste. Diese Verringerung der Zinslast ist
mit der Ausreichung eines neuen Kredits, damit der zur Verfügungstellung "frischer"
Liquidität aber nicht vergleichbar.
Die vorstehende Beurteilung lässt – anders, als die Beklagte meint – auch nicht
berechtigte Interessen der Beklagten unberücksichtigt.
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Zum einen sollte die Gesellschaft auch ihr gegenüber durchaus keine Möglichkeit freier
Verfügung über die überwiesene Summe haben. Denn der Beklagten kam es, wie sie in
beiden Rechtszügen betont hat, wesentlich darauf an, aus ihrer
Bürgschaftsverpflichtung entlassen zu werden, und diese Entlassung machte die
Streithelferin davon abhängig, dass die Gesellschaft die "Kapitalzufuhr" zur Ablösung
des Darlehens verwenden würde (so die Beklagte selbst, Schriftsatz vom 4. April 2006,
S. 5, Bl. 175 GA). Auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 25. Juli 2003 (Anlage B
2, Bl. 69 GA), das sie ihrer Behauptung nach der Streithelferin übergeben hat, wird
deutlich, dass sie die Erfüllung der Einlageverpflichtung als Mittel zur Entlassung aus
der Bürgschaft ansah. Dann aber unterschied sich die Lage aus ihrer Sicht nicht
relevant von derjenigen, dass sie unmittelbar eine Gläubigerin der GmbH befriedigte
und dies zur Grundlage einer (Sach-)Einlage machte. Dementsprechend hatte die
Überweisung auf ein Girokonto der GmbH auch aus ihrer Sicht lediglich "technischen"
Charakter.
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Zum anderen liegt eine Unbilligkeit nicht darin, dass sich die Beklagte wirtschaftlich
besser gestanden hätte, hätte sie seinerzeit die aus einer Erbschaft erlangten 25.000,00
€ ertragreich angelegt und für den Eintritt des Bürgschaftsfalles vorgehalten. Denn in
diesem Fall wäre sie in keiner Weise an der GmbH beteiligt worden.
26
2.
27
Die zuerkannten Zinsen sind aus den in der Klageschrift (Ziffer II., S. 5, Bl. 5 GA)
bezeichneten Gründen gerechtfertigt. Die unrichtige rechtliche Begründung im
Schreiben des Klägers vom 24. Februar 2004 war unschädlich.
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C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1; 101 Abs. 1, 1. Halbs. ZPO. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und
2, 709 Satz 2 ZPO.
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Ein Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht. Die für die Entscheidung
maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren und für die Streithilfe wird auf 25.000,00 €
festgesetzt.
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