Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.06.2010

OLG Düsseldorf (allgemeine geschäftsbedingungen, kommentar, haftung, kläger, zpo, mietvertrag, abschluss, auflage, wohnung, zeitpunkt)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 210/09
Datum:
24.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 210/09
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 3 O 443/08
Tenor:
1. Das am 7. Oktober verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivil-
kammer des Landgerichts Duisburg wird insoweit berichtigt, als die
Beklagten zu 1. und 2. nach Ziffer 1.) a) des Tenors Zinsen aus EUR
250,-- ab dem 04.09.2006 schulden.
2. Die Berufung der Beklagten zu 1. und 3. gegen das am 7. Oktober
2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Duisburg wird mit der Maßgabe der unter Ziffer 1. erfolgten
Berichtigung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte zu 2. ist des Rechtsmittels der Berufung verlustig und
hat nach Maßgabe der Ziffer 4. die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen, weil er seine Berufung gegen das am 7. Oktober 2009
verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Duisburg zurückgenommen hat.
4. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu
1. zu 50 %, der Beklagte zu 2. zu 19 % und die Beklagte zu 3. zu 31 % in
gesamtschuldnerischer Haftung. Die außergerichtlichen Kosten des
Klägers tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
G r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. und 3. hat keinen Erfolg. Zur Begründung
verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 27. Mai 2010.
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A.
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In diesem Beschluss hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Berufungen der Beklagten haben keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche
Urteil ist – bis auf einen Teil des Zinsanspruchs - richtig und aus der
Berufungsbegründung ergeben sich keine Gründe für die beantragte Abänderung.
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I.
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Im Hinblick auf die Berufungsangriffe wird auf folgendes hingewiesen:
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1.
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Der Beklagte zu 1. ist passiv legitimiert. Der Abschluss des Mietvertrages vom 5.
November 2004 lag zeitlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20. April
2004. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass der Beklagte als Insolvenzschuldner
nicht gehindert ist, durch den Abschluss von Verträgen neue Verbindlichkeiten zu
begründen. Infolgedessen kann er aus den daraus entstehenden Verbindlichkeiten auch
in Anspruch genommen werden (vgl. nur OLG Celle NZI 2003, 201 m.w.N.). Zwar wird
nach der Insolvenzeröffnung vom Insolvenzschuldner erworbenes Vermögen ebenfalls
von der Insolvenzmasse erfasst (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung-
Lwowski/Peters, 2. Auflage, § 35 InsO Rn. 13 und 43). Der Insolvenzbeschlag führt
indes nur dazu, dass der Schuldner die Befugnis verliert, über sein Vermögen zu
verfügen und dieses zu verwalten (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung-
Lwowski/Peters, a.a.O., § 35 InsO Rn. 22 m.w.N.). Schließt der Insolvenzschuldner nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vertrag, so ist eine Klage des Vertragspartners
gegen den Insolvenzschuldner möglich und zulässig, wobei als Haftungsmasse das bis
dahin insolvenzfreie Vermögen zur Verfügung steht (vgl. Münchener Kommentar zur
Insolvenzordnung-Lwowski/Peters, a.a.O., § 35 InsO Rn. 63 und § 80 InsO Rn. 11
m.w.N.). Die Geschäftsfähigkeit des Insolvenzschuldners wird nicht berührt, ebenso
wenig wie seine Partei- und Prozessfähigkeit (Münchener Kommentar zur
Insolvenzordnung-Lwowski/Peters, a.a.O., § 80 InsO Rn. 11 m.w.N.). Im Übrigen hat der
Beklagte zu 2. durch seine Unterzeichnung den Eintritt des Beklagten zu 1. genehmigt
(§ 185 BGB).
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2.
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Entgegen der von ihm vertretenen Ansicht ist der Beklagte zu 2. auch zur Begleichung
der Forderungen verpflichtet, die mit der Anmietung der Wohnung zusammenhängen.
Ohne Belang ist dabei, ob die Wohnung überhaupt dem Insolvenzbeschlag unterlag.
Die Verpflichtung des Beklagten zu 2. folgt schon daraus, dass er den Mietvertrag vom
5. November 2004 mitunterzeichnet hat. Dieser umfasste sowohl den Gewerberaum als
auch den Wohnraum. In § 1 Ziffer 1. des Mietvertrages ist zudem ausdrücklich geregelt,
dass die Vermietung des Gaststättenraums und der Betriebswohnung eine Einheit
bilden. Unbeachtlich ist ebenfalls, dass die für den Gewerberaum und den Wohnraum
jeweils bezifferten Mieten in getrennten Überweisungen erfolgten. Selbst wenn man
daraus ableiten würde, dass zwei Mietverträge vorlägen so änderte dies nichts an der
Verpflichtung des Beklagten zu 2. zur Zahlung der Mietzinsen für beide Objekte, zu der
er sich mit seiner Unterschrift durch den Mietvertrag verpflichtet hat.
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Ob der Beklagte zu 2. mit Abschluss dieses einheitlichen Mietvertrages seine
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis überschritten hat, bedarf keiner Festlegung durch
den Senat, zumal diese prinzipiell nicht durch den Zweck des Insolvenzverfahrens
begrenzt ist. Vielmehr ist dem Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und
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Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen ohne
Einschränkung übertragen (§ 80 Abs. 1 InsO). Rechtshandlungen des
Insolvenzverwalters sind grundsätzlich auch dann wirksam, wenn er die ihm
obliegenden Pflichten verletzt hat (vgl. Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung-
Ott/Vuia, a.a.O., § 80 InsO Rn. 60 m.w.N.). Das Risiko pflichtwidriger Handlungen des
Insolvenzverwalters fällt auch grundsätzlich nicht Dritten zur Last, mit denen der
Insolvenzverwalter Rechtsgeschäfte abschließt (Münchener Kommentar zur
Insolvenzordnung, a.a.O., § 80 InsO Rn. 61 m.w.N.).
3.
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Die Höhe der Nutzungsentschädigung wurde vom Landgericht zutreffend auf Grundlage
der bis zur Beendigung des Mietverhältnisses geschuldeten Miete festgesetzt.
Insbesondere war bei Beendigung des Mietverhältnisses zum 25. September 2006
keine Mietminderung eingetreten, die zu einer reduzierten Nutzungsentschädigung hätte
führen können (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1990, 884; Palandt/Weidenkaff, BGB, 69.
Auflage, § 546 a Rn. 11). Der Beklagte zu 1. hat während der Dauer des
Mietverhältnisses zwar unter dem 24. Januar 2006 Mängel der Stromversorgung im
Kinderzimmer und einen defekten Heizkörper in der Küche beanstandet. Nach § 6 Nr. 1
des Mietvertrages vom 5. November 2004 kann er sich jedoch gegenüber dem
Vermieter auf eine Minderung nur berufen, wenn er sich mit seinen Mietzahlungen nicht
in Rückstand befindet. Gegen diese Vereinbarung bestehen keine Bedenken, zumal die
Beklagten schon nicht hinreichend darzulegen vermochten, dass es sich hierbei um
vom Kläger gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 BGB
handelt (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast auch Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 305 Rn.
24 m.w.N.). Zudem entspricht es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass sich nur
derjenige auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen darf, der sich selbst vertragstreu
verhalten hat. Insbesondere darf kein Leistungsverzug vorliegen (vgl.
Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 320 Rn. 6 f.). Wie der Aufstellung im Urteil des Senats in
dem Verfahren I-24 U 177/07 (S. 7) zu entnehmen ist, befand sich der Beklagte zu 1. im
Januar 2006 mit den Mietzinszahlungen in Verzug, so dass er sich schon deshalb nicht
auf eine Mietzinsminderung berufen darf. Zudem hat der Beklagte zu 1. im fraglichen
Zeitraum, wenn auch stets verspätet, den Mietzins in voller Höhe entrichtet. Dies lässt
erkennen, dass er sich weder auf eine Minderung noch auf ein Zurückbehaltungsrecht
berufen wollte.
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4.
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Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Kläger die hälftigen
Kosten für die Reparatur der Kühlanlage zugesprochen hat (EUR 599,33). Zwischen
den Parteien ist unstreitig, dass die Kühlanlage zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Mietvertrages defekt war und der Beklagte zu 1. dies wusste. Es ist auch weder
vorgetragen noch ersichtlich, dass sich der Beklagte zu 1. seine Rechte bezüglich
dieses Mangels vorbehalten hat (§ 536 b BGB). Ohne Belang ist, dass der Beklagte zu
1. sich bereit erklärt hat, die Kühlanlage auf seine Kosten zu reparieren. Daraus folgt
beim – wie hier wohl eingetretenen – Fehlschlagen der Reparatur nicht, dass nunmehr
der Kläger als Vermieter eine einwandfrei funktionierende Kühlanlage zur Verfügung zu
stellen hatte. Vielmehr lag das Funktionsrisiko allein beim Beklagten zu 1., weshalb es
ohnehin ein Entgegenkommen des Klägers darstellen dürfte, dass er seinerseits die
hälftigen Kosten getragen hat.
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5.
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Soweit sich der Beklagte zu 2. auf den mit der Beklagten zu 3. geschlossenen
Kaufvertrag über das Catering-Unternehmen des Beklagten zu 1. beruft, hat dies keinen
Einfluss auf seine Haftung für die ab diesem Zeitpunkt entstandenen Verbindlichkeiten.
Da das mietvertragliche Verhältnis zum Zeitpunkt der Übernahme im Dezember 2006
aufgrund der zum 25. September 2006 wirksamen Kündigung schon beendet war,
kommt eine Vertragsübernahme gemäß § 415 BGB schon deshalb nicht in Betracht.
Denn ein zu übernehmender Mietvertrag bestand nicht mehr. Dem Vorbringen des
Beklagten zu 2. lässt sich auch nicht entnehmen, aus welchen Rechtsgründen und
aufgrund welcher tatsächlichen Umstände er durch den mit der Beklagten zu 3.
geschlossenen Kaufvertrag von der Haftung für die Nutzungsentschädigungsansprüche
hätte befreit werden können. Vielmehr ist dem Vorbringen der Beklagten zu 1. und 3. zu
entnehmen, dass der Kläger mit einer Entlassung des Beklagten zu 2. aus der Haftung
auch nicht einverstanden war (vgl. Schriftsatz vom 22. Dezember 209, S. 3, GA 291).
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6.
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Die vom Landgericht angenommene Haftung der Beklagten zu 3. für die ab Dezember
2006 entstandenen Ansprüche auf Nutzungsentschädigung einschließlich der
Nebenkostennachzahlung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagte zu 3. als
Ehefrau des Beklagten zu 1. nutzte mit diesem die Wohnung und betrieb ab Dezember
2006 in den Räumen des Klägers das ihr von dem Beklagten zu 2. übertragene
Cateringunternehmen. Es muss davon ausgegangen werden, dass sie von der fristlosen
Kündigung des Mietvertrages vom 25. September 2006 (Akte 6 O 50/07, LG Duisburg)
und ihrem daraus folgenden fehlenden Besitzrecht Kenntnis hatte. Gleichwohl nutzte sie
die Räume weiter. Ein Zahlungsanspruch folgt in diesem Fall aus §§ 987, 990, 991 BGB
(vgl. BGH NJW 1968, 197; OLG Hamburg GE 1997, 489; Staudinger/Rolfs, BGB,
Neubearbeitung 2006, § 546 a Rn. 12 m.w.N.). Die zugesprochenen Zinsen und die
vorgerichtlichen Anwaltskosten folgen aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 286,
288 BGB).
20
II.
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Die landgerichtliche Zinsentscheidung ist gemäß § 319 ZPO geringfügig abzuändern,
da anstatt der beantragten Zinsen gemäß dem Klageantrag zu 2. ("seit dem
04.09.2006") wohl aufgrund eines Zahlendrehers oder Schreibfehlers Zinsen seit dem
04.06.2006 zuerkannt wurden. Der mit dem Rechtsmittel befasste Senat darf diese
Änderung vornehmen (BGHZ 106, 373; 133, 191; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage,
§ 319 Rn. 22 m.w.N.).
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B.
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Der Schriftsatz der Beklagten zu 1. und 3. vom 21. Juni 2010 gibt keinen Anlass zu einer
abweichenden Beurteilung. Aus ihrem Vorbringen lassen sich schon keine Einzelheiten
zu den Vertragsverhandlungen entnehmen, die der Beklagte zu 1. im Übrigen im
"Beistand" des Beklagten zu 2., der nicht nur Insolvenzverwalter, sondern auch
Rechtsanwalt ist, geführt hat. Es wird auch nichts darüber ausgeführt, wer den
Mietvertrag aufgesetzt hat. Zudem wurde kein Formular verwendet. Auch lässt der
Vertrag nicht erkennen, dass er zu mehrfacher Verwendung vorgesehen war. Derartiges
liegt bei dem hier klagenden Fußballverein auch nicht ohne weiteres auf der Hand.
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Darüber hinaus trägt die Klausel in § 6 des Mietvertrages einem allgemeinen
Rechtsgedanken Rechnung, dass sich nur derjenige auf ein Zurückbehaltungsrecht
berufen darf, der sich selbst vertragstreu verhalten hat, dass insbesondere kein
Zahlungsverzug vorliegen darf (vgl. oben A. I. 3. m.w.N.). Anhaltspunkte für eine
Unwirksamkeit der Klausel als AGB gemäß §§ 307 ff. BGB liegen auch deshalb nicht
vor.
C.
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Da auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 Nrn. 2 und 3 ZPO vorliegen, war
die Berufung der Beklagten zu 1. und 3. durch Beschluss zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO (zur
gesamtschuldnerischen Haftung vgl. Zöller/Herget aaO, § 97 Rn. 5).
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Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es im
Hinblick auf § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht.
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Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt bis EUR 30.000,--.
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