Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.05.2006

OLG Düsseldorf: schiedsgericht, ohne aussicht auf erfolg, auflösung der gesellschaft, schiedsverfahren, gemeinschaftspraxis, wirkung ex nunc, anfechtung, verwertung, widerklage, kündigung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 86/05
Datum:
03.05.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 86/05
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve
vom 15. April 2005 1 O 391/04 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
I.
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Der Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin. Ab 01. April 2002 erhielt er die Zulassung,
als Vertragsarzt im Planungsbereich Wesel tätig zu werden. Unter dem 14. Februar
2002 schlossen der Kläger und Frau A. einen Gemeinschaftsarztpraxisvertrag ab,
wonach die Vertragsparteien ab dem 01. April 2002 die bis dahin von Frau A. mit einem
Partner betriebene Praxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts fortführen wollten.
Gemäß § 4 brachte Frau A. das materielle und immaterielle Betriebsvermögen in die
Praxis ein, welches mit 230.081,34 € bewertet wurde. Der Kläger erbrachte im
Gegenzug eine Zahlung in Höhe von 115.040,67 € an Frau A., wobei je die Hälfte auf
den materiellen und den immateriellen Praxiswert entfielen. Nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 – 3
des Gesellschaftsvertrags konnte ein Gesellschafter unter anderem durch ordentliche
Austrittskündigung, außerordentliche Austrittskündigung oder Ausschließung
ausscheiden. Für diese drei Gründe sah § 25 Abs. 3 Satz 1 vor, dass der verbleibende
Gesellschafter eine ordentliche Anschlusskündigung erklären kann und die Gesellschaft
dann aufgelöst und nach § 32 auseinandergesetzt würde. Die Zahlung einer Abfindung
nach § 29 wurde für diesen Fall ausgeschlossen. Das Recht des Klägers zur
außerordentlichen Kündigung wurde für die Zeit, in der Frau A. Gesellschafterin war, in
§ 26 Abs. 2 ausgeschlossen. § 32 sah für die Auseinandersetzung eine Realteilung vor.
Zum Auseinandersetzungsstichtag sollte eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung
erstellt werden; Zahlungsansprüche sollten mit der Festsetzung in der Abrechnung fällig
sein. Das immaterielle Gesellschaftervermögen sollte durch Übernahme der dem
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jeweiligen Gesellschafter folgenden Patienten auseinandergesetzt werden. Schließlich
sah § 37 für Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit dem Vertrag ein
Schiedsgerichtsverfahren vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags wird auf
Bl. 17-53 GA Bezug genommen.
Nachdem es zu Differenzen zwischen dem Kläger und Frau A. gekommen war, suchte
der Kläger am 06. September 2002 die Rechtsanwaltssozietät auf, in der auch der
Beklagte tätig ist. Er suchte anwaltlichen Rat, wie er ohne Schaden aus der Gesellschaft
aussteigen könne. Zunächst übernahm der Sozius Rechtsanwalt B. die Beratung. Der
Kläger teilte diesem mit, dass A. - wovon er vor Vertragsschluss nichts gewusst habe –
Schwarzgeldzahlungen an nicht ärztliche Mitarbeiter der Praxis leiste und
Abrechnungsbetrug zu Lasten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein begehe und
dass dies bereits vor Gründung der Gemeinschaftspraxis der Fall gewesen wäre. Weiter
teilte er Rechtsanwalt B. mit, dass Frau A. eine leistungsmindernde Herzerkrankung
verschwiegen habe. Auf Anraten des Rechtsanwalts B. mahnte der Kläger Frau A.
wegen dieser und weiterer Verstöße ab. Nachdem auf einer Gesellschafterversammlung
vom 23. September 2002 keine Möglichkeit für die gemeinsame Fortsetzung des
Praxisbetriebs gefunden worden war, beriet nunmehr der Beklagte den Kläger, der jetzt
endgültig aus der Gemeinschaftspraxis ausscheiden wollte. Auf Anraten des Beklagten
erklärte der Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2002 die Anfechtung des
Gesellschaftsvertrags wegen arglistiger Täuschung "bezüglich der rechtmäßig zu
erzielenden Umsätze und Gewinne" und hilfsweise die außerordentliche Kündigung
wegen "Abrechnungsbetruges, unerlaubter gewerblicher Tätigkeit und Aufforderung zur
Schwarzgeldzahlung". Frau A. wies die Anfechtung und die Kündigung unter dem 30.
Oktober 2002 zurück und erklärte hilfsweise ihrerseits gemäß § 25 Abs. 3 des
Gesellschaftsvertrags die Anschlusskündigung. Der Kläger stellte durch Schreiben vom
24. Oktober 2002 seine Kassenarztzulassung ruhend, was von dem Beklagten unter
dem 25. Oktober 2002 als sinnvoll bewertet wurde. Ab dem 01. Januar 2003 arbeitet der
Kläger als Krankenhausassistenzarzt. Zuvor verzichtete er auf seine Zulassung zur
vertragsärztlichen Versorgung.
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Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2002 nahm der Kläger, vertreten durch den Beklagten,
Frau A. im Wege der Schiedsklage auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Im
Termin zur mündlichen Verhandlung des Schiedsverfahrens vom 23. Juli 2003 machte
er Zahlung iHv. 183.852,52 € und die Feststellung geltend, dass die noch ausstehenden
Regressforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein an die
Gemeinschaftspraxis für die Abrechnung der ersten drei Quartale 2002 ausschließlich
Frau A. zur Last fallen. Durch Schiedsspruch vom 24. September 2003 wies das
Schiedsgericht die Zahlungsklage als derzeit unbegründet und die Feststellungsklage
als unzulässig zurück. Das Schiedsgericht begründete dies damit, dass die
Zahlungsansprüche einer Durchsetzungssperre unterfielen, da die Gesellschaft infolge
der Anschlusskündigung aufgelöst werden müsse. Da dem Kläger aus dem
Praxisbetrieb auch Vorteile erwachsen seien, ließe sich jedenfalls derzeit auch kein
Mindestanspruch beziffern. Der Feststellungsantrag sei mangels hinreichender
Bestimmtheit der Regressforderungen unzulässig.
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Der Kläger wurde mit den Kosten des Schiedsverfahrens in Höhe von 19.951,02 €
(Kosten des Schiedsgerichts: 13.423,36 €; Rechtsanwaltsgebühren der Gegenseite :
4.277,66 €; an den Beklagten gezahlter Vorschuss: 2.250,-- €) belastet. Der Beklagte
stellte unter dem 20. Oktober 2003 seine außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit für
den Kläger mit insgesamt 5.895,18 € zuzüglich 45,95 € Auslagen in Rechnung, auf die
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der Kläger den Vorschuss von 2.250,-- € gezahlt hatte. Der Restbetrag ist Gegenstand
der Widerklage des Beklagten.
Der Kläger hat behauptet, er habe sich von Anfang an in die anwaltliche Beratung
begeben, um aus der Gemeinschaftspraxis auszusteigen. Diesen Wunsch habe er mit
der Bedingung verknüpft, dass für ihn kein Schaden entstünde. Der Beklagte habe ihm
erläutert, er sei infolge der Anfechtung finanziell so zu stellen, wie wenn der
Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Dabei habe er die von der
Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Wirkung der Anfechtung bei in Vollzug
gesetzten Gesellschaften übersehen. Er hat die Ansicht vertreten, wegen der
Durchsetzungssperre habe der Beklagte zunächst auf die Klärung des
Auflösungszeitpunktes der Gesellschaft und anschließend auf die Erstellung einer
Auseinandersetzungsabrechnung hinwirken müssen.
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Weiter hat er behauptet, dass der Beklagte hinsichtlich der Kündigungswirkung die
vertraglich vorgesehene Realteilung übersehen habe. Wäre der Kläger hierauf
hingewiesen worden, hätte er auf die Kassenarztzulassung nicht verzichtet. Diesen
Verzicht habe er nach Rücksprache mit dem Beklagten erklärt. Er habe den Beklagten
auch darüber informiert, dass nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung
Nordrhein die Zulassung nur drei Monate zum Ruhen habe gebracht werden dürfen. Der
Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte ihm zur Durchführung eines
Praxisnachfolgeverfahrens nach §§ 99 SGB V habe raten müssen, da er nur auf diese
Weise durch den Verkauf seines Praxisanteils an den öffentlich-rechtlich zu
bestellenden Nachfolger den immateriellen Wert seines Praxisanteils habe realisieren
können. Er hat behauptet – was vom Beklagten erstinstanzlich nicht bestritten worden ist
- im Zuge dieser Vorgehensweise hätte er einen Verkehrswert von 57.520,34 €
realisieren können.
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Der Kläger hat die Aufrechnung gegenüber dem mit der Widerklage geltend gemachten
Honoraranspruch des Beklagten in Höhe von 2.111,21 € erklärt, soweit sich das
Honorar auf der Tätigkeit des Beklagten im Schiedsgerichtsverfahren bezieht.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 19.951,02 € nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. August 2004 zu zahlen;
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu
ersetzen, die aus der fehlerhaften anwaltlichen Beratung durch den Beklagten im
Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers aus der gemeinsam mit Frau
C. betriebenen Gemeinschaftspraxis, L. Str., M., entstanden sind oder zukünftig
entstehen werden.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend hat er beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an die Partnerschaftsgesellschaft D., 3.691,13 € nebst
Zinsen in Höhe von 8% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. November
2003 zu zahlen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Der Beklagte hat behauptet, der Kläger sei zunächst an einer Fortsetzung der
Gemeinschaftspraxis interessiert gewesen. Nach Erhalt eines Schreibens der
Bevollmächtigten von Frau A. vom 24. Oktober 2002 sei er fest entschlossen gewesen,
die Arbeit in der Gemeinschaftspraxis zu beenden. Der Beklagte habe ihn auf § 25 Abs.
3 des Gesellschaftsvertrags und darauf, dass der Anfechtung keine Rückwirkung
zukomme, hingewiesen. Auch die Realteilung habe er dem Kläger erläutert und ihm
hierzu geraten. Der Kläger habe jedoch in dem Planungsbereich Wesel nicht mehr
selbständig praktizieren wollen und sich zur Beendigung der Gesellschaft
eigenverantwortlich entschlossen. Er habe dem Kläger erklärt, ihm helfen zu wollen,
ohne größeren Schaden die Gemeinschaftspraxis verlassen zu können, wobei dem
Kläger insbesondere an der Rückzahlung des Kaufpreises gelegen gewesen sei. Er
habe den Kläger auch darauf hingewiesen, dass es zur Bezifferung der
Zahlungsansprüche einer Abschichtungsbilanz bedürfe. Der Kläger habe erklärt, für
diese sorgen zu wollen. Die von ihm mit Schreiben vom 27. Januar 2003 überreichte
Aufstellung sei jedoch ungenügend gewesen, worauf er den Kläger hingewiesen habe.
Dieser habe daraufhin kurz vor dem Termin im Schiedsgerichtsverfahren eine
betriebswirtschaftliche Auswertung vorgelegt
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Um gegebenenfalls eine Realteilung zu ermöglichen, sei ausdrücklich nur das Ruhen
der Kassenarztzulassung vereinbart worden; die Rückgabe der Zulassung sei ohne
Wissen des Beklagten erfolgt. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er habe darauf
vertrauen dürfen, dass dem Kläger die kassenarztrechtliche Lage bekannt sei. Er hat
schließlich behauptet, den Kläger über den Wert einer kassenärztlichen Zulassung
unterrichtet zu haben. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, mangels
Ausschlusskündigung finde § 25 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags keine Anwendung.
Vielmehr bewende es bei der Regelung des § 723 BGB. Im Übrigen sei es möglich
gewesen, die Gesellschaft rückabzuwickeln, jedenfalls aber Schadensersatzansprüche
auf der Grundlage einer Abschichtungsbilanz bzw. auch ohne eine solche Bilanz als
Mindesbeträge geltend zu machen. Dem Kläger sei wegen der Kosten für das
Schiedsgerichtsverfahren kein Schaden entstanden, da das Verfahren noch nicht
beendet sei.
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Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 15. April 2005 bis auf einen Teil des
geltend gemachten Zinsanspruchs stattgegeben. Der Widerklage hat es in Höhe von
1.579,92 € entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, der Beklagte schulde dem Kläger Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB
wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung. Das angestrengte Schiedsgerichtsverfahren
sei für den Beklagten erkennbar ohne Aussicht auf Erfolg gewesen. Die gegen Frau A.
geltend gemachten Ansprüche unterlägen im Abwicklungsstadium der GbR einer
Durchsetzungssperre. Denn die Anfechtung des Gesellschaftsvertrags durch den Kläger
habe nur Wirkung für die Zukunft entfaltet, da die Grundsätze der fehlerhaften
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Gesellschaft anwendbar seien. Daher sei die Anfechtung als Kündigung aus wichtigem
Grund anzusehen, die wegen der ordentlichen Anschlusskündigung der Frau A. gemäß
§ 25 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags die Folge habe, dass die GbR aufzulösen sei.
Ansprüche bestünden nur im Rahmen der zu erstellenden
Auseinandersetzungsrechnung.
Einzelforderungen könnten allenfalls dann ausnahmsweise vor Feststellung der
Schlussrechnung geltend gemacht werden, wenn die Mindesthöhe des
Auseinandersetzungsguthabens schon feststehe. Das sei jedoch vom Schiedsgericht zu
Recht verneint worden. Dieses habe nachvollziehbar ausgeführt, dass dem Kläger
durch die Beteiligung an der Praxis auch Vorteile entstanden seien, die er zur
substantiierten Darlegung eines Schadens den Nachteilen hätte gegenüberstellen
müssen. Auch der vom Kläger entrichtete Kaufpreis und ein angemessener Arbeitslohn
könnten ohne Erstellung einer solchen Gegenüberstellung als Einzelforderungen nicht
schon vor Erstellung der Auseinandersetzungsabrechnung ausgekehrt werden.
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Der vor dem Schiedsgericht verfolgte Feststellungsantrag sei mangels Bestimmtheit
bereits unzulässig gewesen, da die Art der Regressforderung nicht klar bestimmt
worden sei. Regressansprüche hätten sich auch aus – unbewussten –
Abrechnungsfehlern des Klägers selbst ergeben können. Entgegen der Ansicht des
Beklagten sei das Schiedsgerichtsverfahren infolge des Schiedsspruchs auch beendet,
obwohl die Ansprüche dort als "derzeit unbegründet" abgewiesen worden seien. Wegen
der anfänglichen Aussichtslosigkeit des Schiedsgerichtsverfahrens habe der Beklagte
dem Kläger dessen sinnlos aufgewandte Kosten zu erstatten.
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Der Feststellungsantrag sei zulässig, da unsicher sei, ob der Kläger im Hinblick aus der
andauernden Auseinandersetzung mit Frau A. noch Ersatz wegen des Verlustes des
immateriellen Wertes der Praxis erlangen könnte. Zum Ersatz dieses Schadens sei ihm
aber der Beklagte ebenfalls wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung aus § 280 Abs. 1
ZPO verpflichtet. Dem Kläger könne ein Schaden daraus entstehen, dass er von der
Neuausschreibung seines Vertragsarztsitzes abgesehen habe. Der Beklagte habe ihn
dahingehend beraten müssen, dass er auf die Erhaltung des Vertragsarztsitzes
angewiesen sei, um im Rahmen eines Praxisnachfolgeverfahrens den immateriellen
Wert seines Praxisanteils verwerten zu können. Denn der Beklagte sei zur umfassenden
Beratung verpflichtet gewesen und habe ihm diejenigen Schritte anraten müssen, die
zur Verfolgung seiner Ziele geeignet seien und Nachteile für den Kläger vermieden
hätten. Unstreitig habe der Beklagte jedoch nicht dargelegt, wie der immaterielle Wert
hätte realisiert werden können. Der Beklagte habe auch nicht darauf vertrauen dürfen,
dass der Kläger diesen Teil der Angelegenheit selber regeln würde, da bei dem Kläger
als Mediziner die erforderlichen rechtlichen Kenntnisse nicht vorauszusetzen gewesen
seien. Der Beratungspflicht stehe nicht entgegen, dass über die Zulassung als
Vertragsarzt öffentlich-rechtlich entschieden werde, da im Rahmen des
Praxisnachfolgeverfahrens der Praxisanteil veräußert werde, nicht die
Vertragsarztzulassung. Bei ordnungsgemäßer Beratung sei nach den Grundsätzen des
beratungskonformen Verhaltens auch davon auszugehen gewesen, dass der Kläger
nicht auf seine Zulassung verzichtet hätte, sondern eine Ausschreibung vorgenommen
hätte. Die Möglichkeit, sich erneut um eine Zulassung zu bewerben, wäre für die
Realisierung des immateriellen Werts des Praxisanteils nicht zielführend gewesen.
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Die Widerklage sei nur in Höhe von 1.579,92 € begründet. Insoweit sei der Kläger zu
Zahlung einer Besprechungsgebühr nach einem Wert von 187.716,74 € verpflichtet, da
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schlüssig dargelegt sei, dass bereits bei den Besprechungen mit den Anwälten der Frau
A. alle Punkte, die Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens gewesen seien, zur
Sprache gekommen seien. In Höhe weiterer 2.111,21 € sei der Gebührenanspruch
infolge der von dem Kläger erklärten Aufrechnung mit seinem Schadensersatzanspruch
untergegangen.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 08. und 16. Februar sowie vom
02. März 2005 (Kläger) bzw. vom 08. und 22. Februar sowie 11. März 2005 (Beklagter)
seien kein Grund gewesen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, da sie nur
Rechtsansichten bzw. nicht entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag enthielten.
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Der Zinsanspruch des Klägers sei nur in der ausgeurteilten Höhe begründet, da § 288
Abs. 2 BGB auf Schadensersatzansprüche nicht anwendbar sei.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerechten Berufung, mit
der er die Abweisung der Klage und die vollständige Stattgabe der Widerklage verfolgt.
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Er bezweifelt, dass eine etwaige Beratungspflichtverletzung kausal für einen Schaden
des Klägers geworden sei und vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass
Schadensersatz- und Auseinandersetzungsansprüche nur bei berechtigter Anfechtung
bzw. Kündigung bestanden hätten, deren Gründe indes weder unstreitig noch bewiesen
seien. Er behauptet, den Kläger auf die Durchsetzungssperre hingewiesen zu haben;
dieser habe aber an sein Geld kommen wollen Er hält an seiner Auffassung fest, dass
das Schiedsgericht falsch entschieden habe, da die Ansprüche des Klägers auf
Verschulden bei Vertragsverhandlungen beruhten und deshalb der
Durchsetzungssperre nicht unterfielen. Jedenfalls habe das Schiedsgericht als "minus"
zum geltend gemachten Leistungsantrag feststellen müssen, dass die geltend
gemachten Einlagen und Auslagen des Klägers bei der Auseinandersetzung zu
berücksichtigen seien. Wegen des im Schiedsgerichtsverfahren geltend gemachten
Feststellungsantrags habe das Schiedsgericht seine Hinweispflicht verletzt.
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Der Beklagte bestreitet, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, seinen Praxisanteil
zu verkaufen, da die Frage der Auseinandersetzung – insoweit unbestritten – zwischen
dem Kläger und Frau A. im Streit gestanden habe und sich bei pflichtgemäßer
Aufklärung über die gegen Frau A. erhobenen Vorwürfe kein Kaufinteressent gefunden
hätte. Deshalb sei auch - was vom Kläger nicht bestritten wird - der Zeuge E., der –
ebenfalls unbestritten – die Praxis im August 2003 von Frau A. erworben habe, über die
Vorwürfe nicht unterrichtet worden. Der Beklagte wiederholt seine Behauptung, dass der
Kläger eigenmächtig und ohne ihn zu informieren die Kassenarztzulassung
zurückgegeben habe. Ein etwaiger good will habe sich jedenfalls bis zur Klärung der
vollständigen Auseinandersetzung verflüchtigt. Er ist im Übrigen der Ansicht, der
Feststellungsantrag sei zu unbestimmt.
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Der Beklagte beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils
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1. die Klage abzuweisen und
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2. den Kläger auf die Widerklage zu verurteilen, an die Partnerschaftsgesellschaft D.,
weitere 2.111.21 € nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 21. November 2003 zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er vertritt die Ansicht, dass die Schiedsgerichtsentscheidung zutreffend gewesen sei;
jedenfalls aber könne der Beklagte sich hinsichtlich seiner Beratungsfehler nicht mit
Bezug auf eine angeblich falsche Schiedsgerichtsentscheidung entlasten. Der
Geltendmachung von Ersatzansprüchen habe die Klärung, ob und zu welchem
Zeitpunkt eine Auflösung der Gesellschaft erfolgt sei, zwingend vorangehen müssen.
Eine entsprechende Umdeutung der im Schiedsverfahren geltend gemachten
Leistungsanträge habe sich bereits mangels Benennung eines Auflösungszeitpunkts
verboten. Die Durchsetzungssperre finde allenfalls bei stillen Gesellschaften keine
Anwendung, sehr wohl aber bei einer GbR.
37
II.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
39
1.
40
Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 19.951,02 € verurteilt. Der
Kläger hat gegen den Beklagten einen entsprechenden Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz
1 BGB wegen anwaltlicher Falschberatung. Zu Recht ist das Landgericht davon
ausgegangen, dass die Geltendmachung der Zahlungsansprüche und des
Feststellungsanspruches in dem Schiedsgerichtsverfahren erkennbar keine Aussicht
auf Erfolg hatte. Auch nach Auffassung des Senats stellt sich der Schiedsspruch vom 24
September 2003 als richtig dar, was der Beklagte bei Anwendung der erforderlichen
Sorgfalt hätte erkennen können. Der Beklagte ist daher zur Erstattung der dem Kläger
entstandenen Kosten verpflichtet.
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a.
42
Ansprüche des Klägers auf Erstattung seiner Einlage iHv. 115.040,67 €, von
Finanzierungskosten iHv. 7.195,90 €, Arbeitslohn iHv. 65.450,00 €, Erstattung des
Vertragsarztsitzes iHv. 57.520,30 € sowie Auslagen iHv. 1.345,65 € abzüglich der
Entnahmen iHv. insgesamt 62.700,-- €, wie sie zuletzt Gegenstand des
schiedsgerichtlichen Verfahrens waren (vgl. Bl. 5 und 9 des Schiedsspruchs = Bl. 82
und 86 GA), waren zum Zeitpunkt der Geltendmachung im Schiedsverfahren ersichtlich
(noch) nicht begründet.
43
aa.
44
Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass die Ansprüche überhaupt nur dann
entstanden sein könnten, wenn die seitens des Klägers gegen Frau A. erhobenen
45
Vorwürfe inhaltlich zutreffend gewesen wären. Soweit der Beklagte indes in der
Berufungsbegründung mit Bezug hierauf seine Haftung in Frage stellen will, ist dies aus
Sicht des Senats nicht nachvollziehbar. Denn der Beklagte hat nicht bestritten, dass die
von dem Kläger gegen Frau A. erhobenen Vorwürfe inhaltlich zutreffend waren. Aus
seinem Vorbringen ergibt sich auch kein Anhaltspunkt dafür, dass hinsichtlich der
Vorwürfe ein Beweisrisiko bestanden habe. Vielmehr geht aus den Schriftsätzen, die
der Beklagte im Schiedsverfahren gefertigt hat, hervor, dass die Vorwürfe gegen die
Beklagte mit umfangreichen Beweismitteln zu untermauern waren. Dass ein
ernstzunehmendes Beweisrisiko bestanden habe, lässt sich der Berufungsbegründung
nicht entnehmen, da der Beklagte nur auf die Selbstverständlichkeit hinweist, dass
bestrittene Vorwürfe gegebenenfalls vom Kläger hätten bewiesen werden müssen. Es
würde auch an seiner Haftung im Ergebnis nichts ändern. Denn zum einen sähe er sich
so dem Vorwurf ausgesetzt, ein möglicherweise aus tatsächlichen Gründen
aussichtsloses Schiedsverfahren angestrengt zu haben. Zum anderen hätte er in
diesem Fall den Kläger auf die Risiken der Beweislage hinweisen müssen; dass er dies
getan hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
bb.
46
Wie das Schiedsgericht zutreffend ausgeführt hat, unterlagen die Zahlungsansprüche im
Hinblick auf das Abwicklungsstadium, in das die GbR zwischen dem Kläger und Frau A.
eingetreten war, einer Durchsetzungssperre.
47
(1)
48
Die von dem Kläger unter dem 24. Oktober 2002 erklärte Anfechtung des
Gesellschaftsvertrags hat - unterstellt, ein Anfechtungsgrund lag vor - nach den
Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft nicht zur Folge gehabt, dass der
Gesellschaftsvertrag als anfänglich unwirksam anzusehen sei mit der Folge, dass das
gesamte Gesellschaftsverhältnis rückabzuwickeln wäre. Es entspricht vielmehr
ständiger Rechtsprechung des BGH und der nahezu einhelligen Auffassung der
Literatur, dass die Anfechtungsfolgen wegen der Rückwirkung auf den Abschluss von
Gesellschaftsverträgen grundsätzlich nicht passen. Die Anfechtung entwickelt daher nur
Wirkung ex nunc. Das wird von Beklagtenseite auch grundsätzlich nicht in Zweifel
gezogen und muss im Hinblick auf die inhaltlich überzeugenden Ausführungen des
Schiedsgerichts und des Landgerichts zu dieser Frage hier nicht mehr vertieft werden.
49
Da die Parteien des Gesellschaftsvertrags den Abschluss eines solchen Vertrags
angestrebt hatten und die Gesellschaft auch in Vollzug gesetzt worden ist, finden die
Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung. Ein Vorrang sonst
schutzwürdiger Interessen ist nicht gegeben. Insbesondere ist die Anwendung dieser
Grundsätze nicht ausgeschlossen, weil der Kläger arglistig getäuscht worden sei. Denn
auch Fälle, in denen der Beitritt aufgrund arglistiger Täuschung erfolgt und deshalb die
Anfechtung erklärt worden ist, unterfallen den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft
(BGH, Urteil vom 19. Dezember 1974, Az: II ZR 27/73, www.jurisweb.de Rdn. 24 =
BGHZ 63, 338ff.; BGH NJW 2001, 2718[2720]), da den Belangen des getäuschten
Gesellschafter mit anderen Ansprüchen – z.B. § 826 BGB, Vertragsanpassung u.ä. –
ausreichend Rechnung getragen werden kann (vgl. Münchener Kommentar zum BGB –
Ulmer, 4. Aufl, Rdn. 340 zu § 705 BGB m.w.Nw.).
50
(2)
51
Als Rechtsfolge der fehlerhaften Gesellschaft sind nach Beendigung einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts die früheren Gesellschafter grundsätzlich gehindert, ihre jeweiligen
Ansprüche gegen die Gesellschaft oder gegeneinander isoliert geltend zu machen.
Diese jeweiligen Forderungen sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in
eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, ein Zahlungsanspruch besteht nur
hinsichtlich des abschließenden Saldos (st. Rspr. vgl. BGHZ 37, 299, 304 f.; BGH ZIP
1993, 919 f. = WM 1993, 1340 m. Anm. Müller, BGH ZIP 1993, 1307 m. Anm. Crezelius
EWiR 1993, 971; BGH NJW 1995, 188;).
52
Dieser Durchsetzungssperre unterfallen grundsätzlich alle gesellschaftsvertraglichen
Ansprüche und insbesondere auch Schadensersatzansprüche (Ulmer in: Münchener
Kommentar zum BGB, Rdn. 52 zu § 730 BGB), also auch Ansprüche aus Verschulden
bei Vertragsverhandlungen. So hat der BGH mit Urteil vom 29. Juni 1970 (II ZR 158/69,
www.jurisweb.de Rdn. 40 = NJW 1971, 375[377]) entschieden, dass die Grundsätze der
fehlerhaften Gesellschaft auch Anwendung finden, wenn ein Gesellschafter durch
betrügerisches Verhalten des allein vertretungsberechtigten Gesellschafters zum
Abschluss des Gesellschaftsvertrags bestimmt worden ist.
53
Denn wie bereits ausgeführt, wird den Interessen des Gesellschafters in den Fällen, in
denen sich Mitgesellschafter ihm gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht haben,
durch die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund und dem hieraus folgenden
Schadensersatzanspruch bei der Auseinandersetzung ausreichend Rechnung getragen
(BGH a.a.O.). Diese Fallkonstellation ist mit der vorliegenden vergleichbar, da das
betrügerische Verhalten vor Vertragsschluss Schadensersatzansprüche aus
Verschulden bei Vertragssschluss ebenso begründen kann wie der hier
streitgegenständliche Vorwurf, nicht über alle vertragsrelevanten Umstände aufgeklärt
zu haben.
54
Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, die vom BGH entwickelten Grundsätze zur
Durchsetzungssperre der Ansprüche stiller Gesellschafter (vgl. BGH Urteil vom 19. Juli
2004 – II ZR 354/02, NJW-RR 2004, 1407[1408]; NJW-RR 2005, 627; BGH NJW 2005,
1784 [1786]) seien entsprechend anwendbar, verkennt er, dass – worauf der Kläger
mehrfach hingewiesen hat – die Entscheidungen sich auf die "Besonderheiten der
stillen Gesellschaft im Gegensatz zu einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts"
stützen, also auf die GbR in der Form, wie sie der Kläger mit Frau A. praktizierte, gerade
nicht anwendbar sind. Dass die GbR vorliegend zweigliedrig war, steht dem nicht
entgegen, da die dargestellten Grundsätze nach der Rechtsprechung des BGH auch für
die zweigliedrige GbR gelten (BGH NJW 1992, 2757[2758]; NJW 1999, 3557).
55
Im Übrigen kann der Beklagte sich bei der Beurteilung, ob das von ihm angestrengte
Schiedsverfahren Aussicht auf Erfolg hatte, auf die Rechtsprechung des BGH zur stillen
Gesellschaft bereits deshalb nicht stützen, weil sie erstmals aus dem Jahr 2004 datiert
und sich gegensätzlich zu der bis dahin herrschenden obergerichtlichen
Rechtsprechung verhielt (vgl. Nachweise in den genannten Entscheidungen). Diese
Rechtsprechung konnte mithin für das in den Jahren 2002/2003 laufende
Schiedsverfahren noch keine Berücksichtigung finden. Zumindest aber war der
Beklagte gehalten, den für den Kläger sichersten Weg zur Durchsetzung der
Rechtsschutzziele zu wählen und sich mithin auf dem Boden der bis zum Jahr 2003
geltenden Rechtsprechung zu bewegen (BGH NJW 1993, 3324; NJW-RR 1990, 205).
Die Schadensersatzpflicht besteht auch dann, wenn der Rechtsanwalt eine später als
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unrichtig erkannte Rechtsprechung der zuständigen Gerichte nicht beachtet hat (BGHZ
145, 256 = NJW 2001, 146 = ZIP 2000, 2168[2171]). Dass für das Schiedsgericht bzw.
den Beklagten die Rechtsprechung des BGH aus den Jahren 2004 und 2005 absehbar
war, ist nicht zu erkennen. Insbesondere nehmen die von dem Beklagten gefertigten
Schriftsätze aus dem Schiedsverfahren, soweit sie vorgelegt worden sind, diese
Rechtsprechung nicht vorweg. Vor diesem Hintergrund war die Durchsetzungssperre
beachtlich.
Der Kläger war auch nicht ausnahmsweise berechtigt, trotz der Durchsetzungssperre
bereits isolierte Zahlungsansprüche geltend zu machen. Zwar ist in der Rechtsprechung
anerkannt, dass der einzelne Gesellschafter Ansprüche schon vor Erstellung einer
abschließenden Auseinandersetzungsrechnung jedenfalls dann isoliert geltend machen
kann, wenn die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des
Auseinandersetzungsverfahrens, der durch die genannte Rechtsprechung des BGH
begegnet werden soll (vgl. BGHZ 37, 299, 304 f.; Ulmer a.a.O. § 730 Rdn. 49), nicht
besteht. Das ist u.a. dann der Fall, wenn bereits vor Abschluss der Auseinandersetzung
feststeht, dass einem Gesellschafter ein bestimmter Betrag in jedem Fall zusteht, oder
wenn es nur noch um die Verteilung des letzten Aktivpostens geht (vgl. BGH.NJW 1995,
188).
57
Beide Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor. Insbesondere von einem
Mindestbetrag ist bereits deshalb nicht auszugehen, weil – wie das Schiedsgericht
zutreffend ausgeführt hat – dem Kläger auch Vorteile aus der Tätigkeit in der
Gemeinschaftspraxis erwachsen sind. Insoweit kann der Beklagte nicht pauschal darauf
verweisen, dass die Praxis einen Wertzuwachs erlangt habe. Denn zumindest war vor
diesem Hintergrund und der Tatsache, dass die Bewertung des
Gesellschaftsvermögens zwischen den Vertragsparteien streitig war, ein Mindestbetrag
der Höhe nach nicht feststellbar. Bezeichnenderweise nennt auch der Kläger keine
Mindestsumme, die sich unabhängig von der weiteren Auseinandersetzung zu seinen
Gunsten hätte ergeben sollen. Die von ihm im Schiedsverfahren genannten Beträge
sind es jedenfalls aus den genannten Gründen nicht, wobei darauf hinzuweisen ist,
dass der immaterielle Wert des Praxisanteils des Klägers offenbar zweimal in der
Schiedsgerichtsklage geltend gemacht worden ist. Denn er machte zum einen die
Erstattung der Einlage in Höhe von 115.040,67 € geltend, die sich zu 50% auf den
immateriellen Wert bezog, und zum anderen einen Betrag von 57.520,30 € für die
Erstattung des Vertragsarztsitzes, was der Sache nach ebenfalls auf eine Erstattung des
immateriellen Wertes hinauslief. In Höhe von 57.520,30 € war die Schiedsklage daher
schon aus diesem Grund unschlüssig.
58
(3)
59
Soweit der Beklagte sich offenbar darauf berufen möchte, das Schiedsgericht habe die
Zahlungsansprüche unter allen rechtlichen Gesichtspunkten prüfen müssen und mithin
auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, vermag dies deshalb nicht zu
überzeugen, weil die Ansprüche jedenfalls zunächst auf die Rückabwicklung des
Gesellschaftsvertrags gestützt worden sind. Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen,
dass das Schiedsgericht an diese rechtliche Beurteilung nicht gebunden war.
Unabhängig von der Frage, ob Frau A. dem Kläger dem Grunde nach auf
Schadensersatz haftete, konnte aber ein Schaden jedenfalls der Höhe nach nicht
bestimmt werden. Denn im Wege der Vorteilsausgleichung hätte der Kläger sich die
Vorteile, die ihm aus der Tätigkeit im Rahmen der Gemeinschaftspraxis erwuchsen,
60
anrechnen lassen müssen. An einer Bezifferung dieser Vorteile fehlte es indes; diese
wäre nur durch Vorlage der Auseinandersetzungsbilanz möglich gewesen.
(4)
61
Die Durchsetzungssperre greift unabhängig von der Frage, ob gemäß der Regelung in §
25 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrag Frau A. wirksam die Anschlusskündigung erklärt hat
oder der Kläger infolge der Kündigung gemäß § 29 des Gesellschaftsvertrags Anspruch
auf Abfindung gehabt hätte oder ob statt der gesellschaftsvertraglichen Regelungen die
gesetzlichen Vorschriften der §§ 723, 730-735 BGB anzuwenden sind.
62
In ersterem Fall greift nach § 32 des Gesellschaftsvertrags die Realteilung.
63
Im zweiten Fall fehlt es an der nach § 29 erforderlichen Ermittlung des
Abfindungsguthabens.
64
Im letzteren Fall schließlich gelten die dargelegten Grundsätze unmittelbar. Da – wie
dargelegt – die Durchsetzungssperre auch bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus
einer zweigliedrigen GbR Geltung hat, kann der ausscheidende Gesellschafter auch
hier keine isolierten Ansprüche geltend machen, sondern nur den aus der
Schlussabrechnung folgenden Anspruch (BGH NJW 1992, 2757[2758]; NJW 1999,
3557).
65
(5)
66
Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das
Schiedsgericht habe die gebotene Umdeutung der Leistungsanträge in
Feststellungsanträge unterlassen. Insoweit ist dem Beklagten zuzugeben, dass die
Geltendmachung isolierter Zahlungsansprüche, denen die Durchsetzungssperre
entgegensteht, einen Feststellungsantrag des Inhalts umfasst, dass die geltend
gemachten Ansprüche in die vorzunehmende Auseinandersetzungsabrechnung mit
aufzunehmen sind (BGH Urteil vom 24. Oktober 1994, Az: II ZR 231/93
www.jurisweb.de Rdn. 8 = NJW 1995, 188). Das Schiedsgericht hat dies auch
zutreffend erkannt und sich unter Ziff. V der Entscheidungsgründe mit der Frage, ob eine
Umdeutung in Betracht komme, befasst. Es hat jedoch ausgeführt, dass die geltend
gemachten Zahlungsansprüche jedenfalls derzeit unbegründet seien, so dass sie auch
in eine Auseinandersetzung nicht einzustellen gewesen wären. Den diesbezüglichen
Ausführungen (Bl. 17/18 des Schiedsspruchs = Bl. 94/95 GA) ist der Beklagte nicht
entgegengetreten. Die Ausführungen des Schiedsgerichts sind aus Sicht des Senats
nicht zu beanstanden. Denn zutreffend hat das Schiedsgericht ausgeführt, dass die
Zahlung der Einlage mit Rechtsgrund – dem Gesellschaftsvertrag – erfolgte. Als
Schadensersatz konnte diese Position ebenso wenig wie die Finanzierungskosten bzw.
die Vergütung für die Arbeitstätigkeit geltend gemacht werden, da jedenfalls die Höhe
eines dem Kläger entstandenen Schadens mangels Gegenüberstellung der
wirtschaftlichen Vor- und Nachteile seiner Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis nicht
festzustellen war. Dem Vertragsarztsitz kommt als unveräußerliches Recht kein
Veräußerungswert zu. Dass in der Praxis hier entgegen der Rechtslage Zahlungen
erbracht werden mögen, steht dem nicht entgegen, da in die
Auseinandersetzungsabrechnung nur Beträge eingehen können, auf die ein
Rechtsanspruch besteht.
67
b.
68
Ebenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Schiedsgericht entschieden, dass der im
Schiedsverfahren geltend gemachte Feststellungsantrag ohne Erfolgsaussicht war.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es dem Feststellungsantrag tatsächlich an der
erforderlichen Bestimmtheit ermangelte, was allerdings nach Auffassung des Senats
deshalb zweifelhaft ist, weil sich der Antrag nach seinem konkret gestellten Inhalt auf
alle Regressforderungen für einen bestimmten Zeitraum bezog. In dieser Form war der
Feststellungsantrag allerdings unbegründet. Wie das Schiedsgericht und das
Landgericht zutreffend festgestellt haben, wurden durch die Fassung des Antrags auch
Regressforderungen erfasst, die auf einem Verhalten des Klägers beruhten bzw. solche,
die auch im Innenverhältnis der Gemeinschaftspraxis zur Last hätten fallen sollen. Für
beide denkbaren Fallgestaltungen gab es keinen Rechtsgrund für eine Alleinhaftung der
Frau A.. Im Gegenteil enthielt § 32 Abs. 5 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags für den Fall
der Auseinandersetzung eine Haftungsregelung, die eine anteilige Haftung vorsah.
69
War der gestellte Antrag in dieser Form jedenfalls offensichtlich unbegründet, so ließ er
sich auch nicht auf ein möglicherweise begründetes Maß zurückführen. Denn insoweit
wäre es nun allerdings Aufgabe des Beklagten gewesen, aus der Fülle denkbarer
Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein diejenigen
herauszugreifen und zu bezeichnen, hinsichtlich derer eine Alleinhaftung der Beklagten
etwa unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten in Betracht gekommen wäre.
70
In diesem Zusammenhang kann sich der Beklagte nicht damit entlasten, dass das
Schiedsgericht ihn auf die aus seiner Sicht gegebene Unzulässigkeit des
Feststellungsantrags hätte hinweisen müssen. Unabhängig von der Frage, ob eine
solche Hinweispflicht bestand, unterbricht das Unterlassen eines gebotenen Hinweises
nicht den Zurechnungszusammenhang. Wenn das Schiedsgericht einen Fehler
begangen hätte, ist der Beklagte hierfür mitverantwortlich. Hat der Anwalt eine ihm
übertragene Aufgabe nicht sachgerecht erledigt und auf diese Weise zusätzliche
tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hervorgerufen, sind die dadurch
ausgelösten Wirkungen ihm grundsätzlich zuzurechnen. Folglich haftet er für die Folgen
eines gerichtlichen Fehlers, sofern dieser auf Problemen beruht, die der Anwalt durch
eine Pflichtverletzung erst geschaffen hat oder bei vertragsgemäßem Arbeiten hätte
vermeiden müssen (BGH NJW 1998, 2048[2049]; BGH, NJW 1996, 48 [51]; BGH NJW
1996, 2648 [2650] ). Hier hätte das Schiedsgericht bei sachgerechter Stellung des
Feststellungsantrags die Zulässigkeit der Klage anders beurteilt und möglicherweise zu
Gunsten des Klägers entschieden. Die Pflichtverletzung der Beklagten hat daher erst
das Problem entstehen lassen, welches das Schiedsgericht nach Auffassung des
Beklagten nicht sachgerecht bewältigt hat. Daher ist der Nachteil, den der Kläger erlitten
hat, auch vom Schutzzweck der verletzten Anwaltspflicht gedeckt.
71
c.
72
Die Annahme eines Beratungsfehlers scheitert nicht daran, dass der Beklagte den
Kläger auf die Problematik der Durchsetzungssperre hingewiesen habe. Der Vortrag
eines expliziten Hinweises ist erstmals in der Berufungsbegründung (dort Seite 9 = Bl.
334 GA) erfolgt und daher gemäß § 531 Abs. 2 nicht zuzulassen. Denn das Vorbringen
ist streitig, da der Kläger vorgetragen hat, der Beklagte habe die Durchsetzungssperre
übersehen. Im Übrigen lässt sich aber auch diesem Vorbringen nicht entnehmen, dass
der Kläger entgegen dem anwaltlichen Rat die Durchführung des Schiedsverfahrens
73
gewünscht hätte, was allerdings einen Beratungsfehler entfallen lassen könnte. Der
Beklagte hat auch in der Berufung nicht vorgetragen, dass er den Kläger auf die
voraussichtliche Erfolglosigkeit des Schiedsverfahrens und insbesondere auf die dem
Begehren des Klägers entgegenstehende Rechtsprechung hingewiesen habe. Er hat
lediglich vorgetragen, dass er aus Gründen der Vorsorge "zweigleisig gefahren" sei und
den Kläger auf das Erfordernis einer Auseinandersetzungsabrechnung hingewiesen
habe. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass er dem Kläger zur Durchführung des
Verfahrens geraten hat.
Soweit er quasi hilfsweise auf die Vorlage einer Auseinandersetzungsbilanz gedrungen
hat, stützt auch dieses Vorbringen die Annahme eines Beratungsfehlers. Denn zum
einen waren bei der Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz die
gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen der §§ 29 Abs. 3, 32 Abs. 2 zu beachten, die
die Erstellung dieser Auseinandersetzungsabrechnung durch einen Schiedsgutachter
regelte. Dass der Beklagte den Kläger auf Vorlage einer diesen Erfordernissen
genügenden Bilanz hingewiesen hätte, ist nicht vorgetragen. Zum anderen war die
Einleitung des Schiedsverfahrens ohne diese vom Beklagten angeblich erkannte
Notwendigkeit aus den genannten Gründen fehlerhaft. Schließlich aber hätte der
Beklagte vor Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz zunächst – gegebenenfalls
durch Einleitung eines entsprechenden Schiedsverfahrens – die Frage klären müssen,
ob überhaupt ein Fall der Auseinandersetzung vorlag, da letzteres zwischen den
Gesellschaftern streitig war und auf welches Datum der Auseinandersetzungsstichtag
anzusetzen war. Wegen des Vorhandenseins zweier Kündigungen kamen hier nämlich
mehrere Zeitpunkte in Betracht, die von dem Beklagten vorab zu klären gewesen wären.
Die Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Zeitpunkten ist nicht dem Gericht
zu überlassen (OLG München NJW-RR 1995, 485[486]). Dass die Bestimmung des
Auseinandersetzungsstichtags schließlich unmittelbar Auswirkungen auf die Höhe der
etwaigen Zahlungsansprüche hat und damit unabweisbar notwendig ist, ist unmittelbar
einsichtig.
74
d.
75
Infolge des Beratungsfehlers durch den Beklagten ist dem Kläger ein Schaden in Form
der Kosten des Schiedsverfahrens entstanden. Denn bei Aufklärung darüber, dass das
Schiedsverfahren ohne Erfolgsaussicht sei, ist davon auszugehen, dass der Kläger
hiervon – wenigstens bis zur Vorlage einer den gesellschaftsvertraglichen
Anforderungen genügenden Auseinandersetzungsbilanz – abgesehen hätte.
76
Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Schiedsverfahren nicht
beendet worden sei und deshalb Aussicht bestünde, die Ansprüche kostenneutral durch
Fortsetzung des Schiedsverfahrens doch noch erfolgreich geltend zu machen. Das
Schiedsverfahren endet nach § 1056 Abs. 1, 1. Alternative ZPO mit dem endgültigen
Schiedsspruch. Einen solchen hat das Schiedsgericht am 24. September 2003
verkündet. Dem steht nicht entgegen, dass die Ansprüche als "derzeit unbegründet"
bzw. unzulässig abgewiesen worden sind. Gleichwohl liegt eine instanzbeendende
Entscheidung des Schiedsgerichts vor, die lediglich Beschränkungen hinsichtlich der
materiellen Rechtskraft unterliegt. Zugleich ist gemäß § 1056 Abs. 3 ZPO das Amt des
Schiedsgerichts beendet. Einer der dort genannten Ausnahmefälle ist ersichtlich nicht
gegeben.
77
Die Höhe der Kosten steht außer Streit. Zu den erstattungsfähigen Schadenspositionen
78
gehört auch der Vorschuss iHv. 2.250,-- €, den der Kläger an den Beklagten für dessen
Tätigkeit gezahlt hat. Die außergerichtliche Tätigkeit des Beklagten ist nämlich mit der
rechtskräftigen Verurteilung des Klägers auf die Widerklage hin entlohnt. Die Tätigkeit
des Beklagten im Rahmen des Schiedsverfahrens war nach dem oben Gesagten völlig
unbrauchbar und daher nicht geeignet, überhaupt einen Vergütungsanspruch
auszulösen. Die Aufwendung der Kosten stellt sich damit nicht nur als Schaden dar,
sondern die Kosten sind auch nach § 812 Abs. 1 BGB zu kondizieren.
2.
79
Der Berufung bleibt auch der Erfolg versagt, soweit der Beklagte sich gegen die
Feststellungsverurteilung wendet.
80
a.
81
Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere kommt ihr das erforderliche
Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zu.
82
Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO hinsichtlich eines
Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklage geltend
gemacht werden kann, ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner
seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und durch die
Klageerhebung einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll. Geht es
dabei wie hier um den Ersatz erst künftig befürchteten Schadens aufgrund einer nach
Behauptung der Kläger bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, so setzt das
Feststellungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus; diese ist
zu verneinen, wenn aus der Sicht der Kläger bei verständiger Würdigung kein Grund
besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. z.B.
BGHZ 116, 60, 75 m.w.N.;); im Rahmen der Zulässigkeit kann nicht darüber hinaus eine
hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit gefordert werden (BGH NJW 2001, 1431).
83
Nach diesen Grundsätzen ist wegen des Bestreitens des Beklagten hinsichtlich seiner
Eintrittspflicht und der sich aus Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, § 195 BGB n.F.
ergebenden dreijährigen Verjährungsfrist das Feststellungsinteresse zu bejahen.
Insbesondere ist ungewiss, ob bzw. inwieweit der Kläger Schadensersatzansprüche
gegenüber Frau A. wird realisieren können. Der Möglichkeit eines Schadenseintritts
steht auch nicht entgegen, dass der immaterielle Wert der Praxis nicht verwertbar
gewesen wäre. Es ist dem Beklagten zwar zuzugestehen, dass die Verwertung des
good will der Praxis auf Schwierigkeiten gestoßen wäre, wenn ein Kaufinteressent über
die Vorwürfe gegen Frau A. und die laufende Auseinandersetzung informiert worden
wäre. Erstinstanzlich ist jedoch das Vorbringen des Klägers, er habe aus der
Verwertung einen Betrag von 57.520,34 € realisieren können, unbestritten geblieben.
Das Bestreiten des Beklagten in zweiter Instanz ist wegen § 531 Abs. 2 ZPO
unbeachtlich. Darüberhinaus standen die genannten Umstände einer Veräußerung
nicht grundsätzlich im Wege, sondern hätten allenfalls eine Verwertung zu dem von dem
Kläger entrichteten Preis verhindert. Dass die Praxis jedoch gar keinen immateriellen
Wert mehr gehabt hätte, ist nicht anzunehmen, zumal sie – wenn auch ohne Information
über die Umstände der Praxisauseinandersetzung – im August 2003 veräußert worden
ist und seitdem offenbar weiterbetrieben wird. Daher ist davon auszugehen, dass der
Patientenstamm, der im Wesentlichen den good will ausmachen wird, zumindest in
Teilen erhalten geblieben ist und folglich werthaltig hätte veräußert werden können.
84
b.
85
Der Feststellungsantrag ist auch begründet.
86
Ein in der vorbeschriebenen Weise zulässig gestellter Feststellungsantrag ist
begründet, wenn die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des
Schadensersatzanspruchs vorliegen, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden
führen kann. Darüber hinaus ist im Rahmen der Begründetheit eine gewisse
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen (vgl. dazu z.B. BGH VersR 1997,
1508, 1509 m.w.N.; BGH NJW 1991, 2707 [2708]). Beide Voraussetzungen sind
vorliegend erfüllt.
87
aa.
88
Der Beklagte hat sich dadurch, dass er den Kläger nicht hinsichtlich der
Verwertungsmöglichkeiten des immateriellen Praxisanteils beraten hat, aus § 280 Abs.
1 BGB dem Grunde nach schadensersatzpflichtig gemacht.
89
(1).
90
Zu der von dem Beklagten geschuldeten anwaltlichen Beratung gehörte auch die
Problematik der Verwertung des good-will der Praxis, die nur in Form der Veräußerung
des Praxisanteils in Verbindung mit der Durchführung eiens Praxisnachfolgeverfahrens
hätte erfolgen können. Diese Beratungspflicht bestand unabhängig von der Frage, ob
der Kläger dem Beklagten hierzu ausdrücklich einen Auftrag erteilt hatte oder nicht.
91
Der Anwalt ist zu einer umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung seines
Mandanten verpflichtet, soweit dieser nicht unzweideutig zu erkennen gibt, dass er des
Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf. Er muss auch über die konkreten
wirtschaftlichen Gefahren des beabsichtigten Vorgehens und die erforderlichen
Vorsichtsmaßnahmen aufklären, wobei die Beratungspflicht auch besteht, wenn der
Mandant rechtskundig ist (allg. Meinung, vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., Rdn.
76 zu § 280 BGB m.w.Nw.). Diesen Grundsätzen ist der Beklagte vorliegend nicht
gerecht geworden.
92
Zum Inhalt der geschuldeten Beratung hätte auch gerade Prüfung und Information über
die Möglichkeiten der Verwertung der kassenärztlichen Zulassung gehört. Dies ergibt
sich bereits aus den dargelegten Grundsätzen zur anwaltlichen Beratung, zumal der
Kläger dem Beklagten nach eigenem Vorbringen keinen begrenzten Auftrag erteilt hat.
Zum anderen folgt es aus den weiteren Angaben des Beklagten, wonach er sich bereit
erklärt habe, dem Kläger zu helfen, aus der Gesellschaft ohne größeren Schaden
auszusteigen. Da nach dem Vortrag des Beklagten das vorrangige Ziel des Klägers die
Wiedererlangung des Kaufpreises war, und dieser Kaufpreis sich auf den materiellen
wie immateriellen Wert der Praxis bezog (vgl. § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags),
schuldete der Beklagte gerade auch Beratung hinsichtlich der Frage, wie dieser
immaterielle Wert realisiert werden könnte.
93
(2)
94
Unstreitig hat der Beklagte insoweit eine Beratung nicht erteilt und den Kläger
95
insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass die Rückgabe der Kassenarztzulassung
die Verwertung des immateriellen Wertes des Praxisanteils vereiteln würde. Dem steht
nicht entgegen, dass der Beklagte erstinstanzlich mit nicht nachgelassenem Schriftsatz
vom 22. Februar 2005 (dort Seite 2 = Bl. 260 GA) vorgetragen hat, er habe den Kläger
über den Wert einer kassenärztlichen Zulassung belehrt. Zum einen ist das
entsprechende Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. Denn es erfolgte
ohne Schriftsatznachlass nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung und
unterfällt mithin § 296a ZPO. Solches Vorbringen ist in der Berufung nur in den Grenzen
des § 531 Abs. 2 ZPO beachtlich (Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., Rdn. 3 zu § 296a ZPO).
Ein Ausnahmefall der § 531 Abs. 2 Nr. 1-3 ZPO ist indes nicht erkennbar.
Zum anderen ist das Vorbringen – selbst wenn man es berücksichtigen wollte –
unbeachtlich, weil der Beklagte widersprüchlich vorträgt. Mit Schriftsatz vom 10. Januar
2005 (dort Seite 1 = Bl. 219 GA) hat er nämlich vorgetragen, dass "die Art und Weise der
Verwertung ...im einzelnen (noch) nicht besprochen worden" sei und mit ebenfalls nicht
nachgelassenem Schriftsatz vom 11. März 2005 (dort Seite 1 = Bl. 277 GA) hat er weiter
vorgetragen, dass eine Aufklärung bzw. Bewertung über die Kassenärztliche Zulassung
nicht stattgefunden habe. Diesen Widerspruch zu dem Vortrag im Schriftsatz vom 22.
Februar 2005 hat der Beklagte nicht aufgeklärt. Da er zudem in der Berufung den
Vortrag aus dem Schriftsatz vom 22. Februar 2005 nicht noch einmal wiederholt hat, ist
von dem zuletzt erfolgten Sachvortrag auszugehen, jedenfalls aber ist das Vorbringen
wegen des aus der Widersprüchlichkeit folgenden Verstoßes gegen die Erklärungs- und
Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO außer Betracht zu lassen.
96
(3)
97
Ob der Kläger erst nach Rücksprache oder – wie vom Beklagten behauptet – ohne
Rücksprache und zum Entsetzen des Beklagten die kassenärztliche Zulassung
zurückgegeben hat, kann dahinstehen. Denn spätestens am 24. Oktober 2002 und
damit zeitlich vor der Rückgabe der Zulassung bestand dringender Anlass, den Kläger
hinsichtlich der Bedeutung der kassenärztlichen Zulassung zu beraten. An diesem Tag
ist nämlich der Beklagte von dem Kläger über den Antrag auf Ruhen der Zulassung
unterrichtet worden. Da dem Beklagten die Bedeutung der Kassenartzulassung und die
nachteiligen Folgen eines längeren Ruhens für die wirtschaftliche Verwertbarkeit nach
seinem eigenen Vorbringen bekannt gewesen sind, lag es angesichts der Mitteilung des
Klägers auf der Hand, den Kläger hierüber zu informieren und ihn vor weiteren
Handlungen im Zusammenhang mit der Zulassung eindringlich zu warnen. Eine solche
Beratung hat der Beklagte nicht vorgetragen; sie lässt sich insbesondere nicht dem
Sachvortrag im Schriftsatz vom 10. Januar 2005 entnehmen. Nach dem
Gesamtzusammenhang des dortigen Sachvortrags bezog sich nämlich die Beratung in
Bezug auf die kassenärztliche Zulassung nicht auf die Verwertung, sondern nur darauf,
dass der Kläger selbst nicht mehr als Kassenarzt im Planungsbereich tätig werden
wollte und deshalb ein Ruhen beantragt werden sollte.
98
(4)
99
Als unstreitig ist zwischen den Parteien anzusehen, dass ohne die kassenärztliche
Zulassung der good will der Praxis, der in den vom Kläger gezahlten Kaufpreis
eingeflossen ist, nicht zu realisieren war. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die
Verwertung nur über das von dem Kläger detailliert geschilderte
Praxisnachfolgeverfahren hätte erfolgen können oder ob die Zulassung als solche hätte
100
"versilbert" werden können, wie der Beklagte anführt. Jedenfalls scheiterte eine
wirtschaftliche Realisierung des immateriellen Praxisanteils an der fehlenden
Zulassung.
(5)
101
Der Beratungsfehler des Beklagten war kausal für das Handeln des Klägers. Wenn der
Kläger nämlich über die wirtschaftliche Bedeutung der Kassenarztzulassung informiert
worden wäre, hätte er auf die Kassenarztzulassung nicht verzichtet. Dies entspricht - wie
das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - den Grundsätzen beratungskonformen
Verhaltens. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich vorliegend anders verhalten
hätte, liegen nicht vor. Es bestand für ihn kein Grund, die wirtschaftlich werthaltige
Kassenarztzulassung zurückzugeben. Insbesondere hat er durch Vorlage des
Arbeitsvertrags nachgewiesen, dass er erst Ende Dezember 2002 eine Stelle als
Assistenzarzt im Krankenhaus gefunden hatte.
102
(6)
103
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass dem Kläger die Nachteile, die
ihm aus der Rückgabe der Zulassung erwachsen würden, selbst beurteilen konnte.
Dabei vermag der Senat schon nicht nachzuvollziehen, dass solch rechtlich schwierige
Gestaltungen wie die Verwertung eines immateriellen Praxisanteils überhaupt zum
Kenntnisstand eines Arztes gehören, der regelmäßig nur alltägliche Rechtsfragen aus
der ärztlichen Tätigkeit näher kennen wird. Auch der Beklagte erkennt im Grunde, dass
entsprechende Rechtskenntnisse auf Seiten der Ärzte regelmäßig nicht vorhanden sein
werden, da er vorträgt, bereits zahlreiche Abwicklungen der
verfahrensgegenständlichen Art für Ärzte vorgenommen zu haben. Darauf kommt es
aber noch nicht einmal entscheidend an, weil – wie bereits ausgeführt – die
Beratungspflichten des Rechtsanwalts auch gegenüber rechtskundigen Personen
bestehen. Denn aus dem Abschluss eines uneingeschränkten Anwaltsvertrages will
auch ein solcher Mandant die Sicherheit schöpfen, dass jedenfalls der Anwalt die
Sache erschöpfend und umfassend bearbeiten wird. Da diese Erwartung für den Anwalt
erkennbar ist, sind an seine Sorgfaltspflichten grundsätzlich keine geringeren
Anforderungen zu stellen als bei einem Mandatsverhältnis mit einer rechtsunkundigen
Partei (BGH NJW 1992, 820).
104
bb.
105
Schließlich kann der Beklagte sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass seine
Beratungspflichtverletzung nicht zu einem Schaden des Klägers geführt habe. Insoweit
ist – wie bereits ausgeführt – nach ständiger Rechtsprechung des BGH ausreichend,
dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
Ansprüche entstanden sind oder entstehen können (vgl. etwa BGH Urteil vom 15 Juli
1997 – VI ZR 184/96, www.jurisweb.de Rdn. 7 = VersR 1997, 1508). Dies ist – wie
bereits oben zu Ziff. 2.a. dargelegt – vorliegend der Fall. Insbesondere steht auch
insoweit die möglicherweise durch das Verhalten der Frau A. geminderte wirtschaftliche
Werthaltigkeit des immateriellen Praxisanteils aus den genannten Gründen der
Annahme eines Schadens nicht entgegen, der – was hier nicht abschließend
entschieden zu werden braucht – eventuell deutlich unter den vom Kläger genannten
57.520,34 € liegen wird.
106
3.
107
Aus den Darlegungen zu Ziff. 1.d. folgt, dass die Widerklage des Beklagten wegen
seines restlichen Gebührenanspruchs iHv. 2.111,21 € zu Recht von dem Landgericht
abgewiesen worden ist.
108
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
109
Es besteht kein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
110
.
111
Streitwert: 45.070,37 € (Klageantrag zu 1): 19.951,02 €; Klageantrag zu 2): 23.008,14 €;
Widerklageantrag: 2.111,21 €)
112