Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.11.2005

OLG Düsseldorf: rentabilität, geschäftsführer, erfüllung, aufklärungspflicht, vertragsschluss, abrechnung, verwaltung, meinung, verwalter, erlass

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 103/05
Datum:
03.11.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 103/05
Vorinstanz:
Landgericht Kleve, 7 O 90/04
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Be-
schlussverfahren zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu
den Gründen binnen einer Frist von z w e i W o c h e n schriftsätzlich
Stellung zu nehmen.
2. Der geplante Senatstermin am 14. Februar 2006 entfällt.
G r ü n d e
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I. Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht. Das Landgericht hat die Beklagte
(Pächterin) zu Recht zur Zahlung der Pacht für die Parkgarage für die Zeit von
September bis Dezember 2004 verurteilt (4 Mon x 9.628,00 EUR/Mon = 38.512,00 EUR
nebst gesetzlicher gestaffelter Zinsen). Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe
rechtfertigen keine günstigere Entscheidung.
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1. Die Beklagte schuldet die Pacht gemäß §§ 535 Satz 2, 581 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit § 5 Abs. 1 Pachtvertrag (PV, GA 10). Die Forderung ist unstreitig nicht
bezahlt.
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2. Die Beklagte hat auch keine Gegenrechte, die den Anspruch der Klägerin zu Fall
bringen könnten.
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a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, ihr seien Schadensersatzansprüche aus
Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282, 311 Abs. 2 Nr.
1 BGB) gegen die Klägerin erwachsen, mit welchen sie gegen die Pacht aufrechnen
könne. Die Klägerin hat bei den Vertragsverhandlungen in feststellbarer Weise nicht
gegen sie treffende Pflichten verstoßen.
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aa) Die Beklagte sieht eine erste Pflichtverletzung darin, dass es die Klägerin vor
Vertragsschluss versäumt habe, die Rentabilität der Parkgarage unter besonderer
Berücksichtigung des Parkkonzepts (kostenlose Überlassung von 100 Stellplätzen
zeitlich begrenzt für einen Einkaufzentrum-Mieter und von 20 Stellplätzen zeitlich
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unbegrenzt für einen Grundstücksnachbarn) eingehend zu prüfen und Pacht nur in der
Höhe zu verlangen und zu vereinbaren, dass das Objekt von der Pächterin auch
wirtschaftlich betrieben werden könne. Eine solche Aufklärungspflicht hatte die Klägerin
gegenüber der Beklagten nicht zu beobachten, und zwar selbst dann nicht, wenn der
Klägerin (was die Beklagte nicht einmal behauptet) Rentabilitätsrisiken überhaupt
bekannt gewesen wären.
(1) Jedem Vertragspartner obliegt es selbst, die wirtschaftlichen Chancen und Risiken
einer rechtlichen Bindung zu prüfen und einzuschätzen. Bis zu den Grenzen der
Sittenwidrigkeit und des Wuchers (§ 138 BGB) bleibt es den Vertragsparteien deshalb
überlassen, welchen Preis sie für die vereinbarte Leistung vereinbaren (vgl. BGH NJW-
RR 2002, 8; NJW 2002, 55 und NJW 2004, 3553). Für den Verpächter besteht deshalb
grundsätzlich selbst dann keine Pflicht zur Offenlegung der marktüblichen Pacht, wenn
diese erheblich unter der geforderten Pacht liegt. Im Regelfall muss der Verpächter den
Pächter auch nicht auf ein für diesen ungünstiges Geschäft hinweisen. Er darf vielmehr
davon ausgehen, dass sich sein künftiger Vertragspartner selbst über Art und Umfang
seiner Vertragspflichten im eigenen Interesse Klarheit verschafft hat, insbesondere auch
darüber, ob sich das Pachtobjekt mit Blick auf die vereinbarte Pacht wirtschaftlich
betreiben lässt; denn den Verpächter trifft nur das Verpachtungsrisiko, den Pächter
dagegen das Verwendungsrisiko einschließlich des Risikos, mit der Pachtsache
Gewinn zu erwirtschaften (BGH NJW 2000, 1417 und NJW-RR 2000, 1535; Senat
OLGR Düsseldorf 2005, 79). Das gilt erst recht mit Blick darauf, dass sich der
marktübliche Pachtpreis nicht an den erwarteten oder erwirtschafteten Umsätzen im
konkreten Pachtobjekt, sondern daran orientiert, welche Pacht für vergleichbare Objekte
erzielt wird (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1521; NJW-RR 2004, 1454; Senat OLGR
Düsseldorf 2005, 79).
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(2) Aufklärungspflichten sind vom Verpächter nur dann zu erfüllen, wenn der Pächter vor
oder bei Vertragsschluss konkrete Fragen zu den Geschäftsumständen, etwa zur
Rentabilität stellt. Dazu erteilte Auskünfte müssen stets richtig sein, und zwar auch
dann, wenn ohne Nachfrage keine Offenbarungspflicht bestehen würde. Es geht in
solchen Fällen nämlich nicht um die Verlagerung des Geschäftsrisikos auf den
Verpächter, sondern um den Schutz der Vertragsfreiheit des Pächters in Gestalt der
Entschließungsfreiheit. Deshalb macht sich der Verpächter bei falscher Beantwortung
für einen dadurch verursachten Schaden ersatzpflichtig (vgl. BGH NJW RR 1997, 144;
NJWE-MietR 1997, 150 und BGHZ 136, 102 = NJW 1997, 2813). Im Streitfall finden
diese Grundsätze keine Anwendung, weil die Beklagte (unstreitig) keine Fragen zur
Rentabilität gestellt hat.
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bb) Eine zweite Pflichtverletzung sieht die Beklagte darin, dass die Klägerin die
Betriebskostenvorauszahlungen bewusst oder leichtfertig zu niedrig angesetzt habe, um
so über die Gesamtbelastung des Pachtobjekts und seine Wirtschaftlichkeit zu
täuschen. Auch eine solche Pflichtverletzung kann nicht festgestellt werden.
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Allein der Umstand, dass die vom gewerblichen Verpächter verlangten
Betriebskostenvorauszahlungen die später entstandenen Kosten deutlich
unterschreiten, führt noch nicht zur Annahme einer Verletzung der Aufklärungspflicht.
Eine solche ist vielmehr nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die einen
Vertrauenstatbestand beim Pächter begründen, zu bejahen (BGH NJW 2004, 1102 und
2674). Solche besonderen Umstände werden von der Beklagten nicht vorgetragen,
insbesondere keine Tatsachen, die den Schluss auf Vorsatz oder Leichtfertigkeit der
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Klägerin zuließen.
b) Ohne Erfolg macht die Beklagte ferner geltend, ihr seien Schadensersatzansprüche
gegen die Klägerin aus der Verletzung von Nebenpflichten bei der
Vertragsdurchführung entstanden, mit welchen sie gegen die Pacht aufrechnen könne.
Die Klägerin hat auch bei der Vertragsabwicklung in feststellbarer Weise nicht gegen
sie treffende Pflichten verstoßen.
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aa) Die Beklagte sieht eine erste Pflichtverletzung darin, dass die
Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003 (GA 18) falsch erstellt worden sei. Die
Richtigkeit dieser Behauptung muss hier nicht geprüft werden. Sollte die
Betriebskostenabrechnung falsch sein, kann sich die Beklagte weigern, die dort
ausgewiesene Betriebskostennachzahlung auszugleichen. Es mag dann in einem
besonderen Zivilprozess geklärt werden, ob die Betriebskostenabrechnung richtig oder
falsch ist. Die als falsch beanstandete Betriebskostenabrechnung könnte im
vorliegenden Verfahren nur dann relevant werden, wenn der Beklagten aus der
angeblich unrichtigen Abrechnung ein aufrechenbarer Folgeschaden entstanden wäre.
Ein solcher wird von der Beklagten indes nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
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bb) Schließlich sieht die Beklagte zahlreiche weitere Pflichtverletzungen darin, dass die
Beauftragte, der sie vertraglich die Verwaltung der Parkgarage übertragen hat, den in
Rede stehenden Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 611, 675 BGB) nicht oder schlecht
erfüllt hat und erfüllt. Diese Auseinandersetzungen sind für den vorliegenden
Rechtsstreit unerheblich. Die der Beauftragten vorgeworfenen Vertragswidrigkeiten
mögen die Beklagte berechtigen, gegen jene Erfüllungs- und/oder
Schadensersatzansprüche zu erheben. Die Klägerin und das hier relevante
Pachtverhältnis betrifft das nicht, und zwar ohne jede Rücksicht darauf, dass der
Geschäftsführer der Beauftragten identisch ist mit dem Geschäftsführer jener
Grundstücksverwaltungsgesellschaft, die für die Klägerin als Verwalterin des
verpachteten Grundstücks tätig ist. Selbst wenn es richtig wäre, dass die Beauftragte
vorsätzlich zum Nachteil der Beklagten die Parkgarage verwaltet hat, wird dadurch das
hier zu prüfende Pachtverhältnis nicht berührt. Es geht gerade nicht um
Vertragsverletzungen des Pachtvertrags. Das Wissen des Geschäftsführers der
Beauftragten, das dieser in Erfüllung des (angeblich verletzten)
Parkgaragenverwaltungsvertrags erlangt hat, wird nämlich entgegen der Meinung der
Beklagten nicht der Klägerin gemäß § 166 BGB zugerechnet. Eine solche
Wissenszurechnung zu Lasten der Klägerin könnte nur dann erfolgen, wenn die
Beauftragte gerade als Gehilfin der Klägerin zur Erfüllung des Pachtvertrags gehandelt
hätte (vgl. BGH NJW 2005, 365; 1988, 204; Senat OLGR Düsseldorf 2001, 2 jew. zum
Leasingrecht; vgl. dazu auch Friedrich/Koch DB 2000, 2205). Abgesehen davon, dass
die Beauftragte schon nach dem Vortrag der Beklagten stets nur als ihre eigene
Erfüllungsgehilfin, nämlich im Rahmen des Parkgaragenverwaltungsvertrags
vermögensschädigend gehandelt haben soll, scheidet eine Wissenszurechnung auch
aus, weil die Verwalter als unterschiedliche Gesellschaften tätig sind.
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II. Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass eines
Beschlusses nach § 522 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.
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Z. T. H.
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Vors. Richter am OLG Richter am OLG Richterin am OLG
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