Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.04.2006

OLG Düsseldorf: bürgschaft, allgemeine geschäftsbedingungen, firma, treu und glauben, rückzahlung, positive vertragsverletzung, bürge, rückgabe, verwertung, muster

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-5 U 115/05
Datum:
06.04.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-5 U 115/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.08.2005 verkündete Ur-
teil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
- Az: 41 O 69/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstre-
ckenden Betrages geleistet hat.
Die klagende S... verlangt im Urkundsprozess von der Beklagten aus eigenem Recht
hilfsweise aus abgetretenem Recht Rückzahlung einer auf erstes Anfordern an die
Beklagte ausgezahlten Bürgschaftssumme. Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der
K... S....
1
Die Beklagte hatte von der F... GmbH den Auftrag für die technische
Gebäudeausrüstung im Zusammenhang mit der Erweiterung eines Terminals erhalten.
2
Mit Unternehmervertrag vom 30.01.1998 gab die Beklagte das Gewerk Sanitär an die
Firma B GmbH aus T... weiter. Zu den vereinbarten Vertragsgrundlagen zählten auch
die besonderen Vertragsbedingungen der F... GmbH (BVB-FKB). Hierin wurde eine
Vertragserfüllungsbürgschaft von 10 % der Nettoauftragssumme vereinbart. Gleichzeitig
wurde ein Gewährleistungseinbehalt von 5 % der Nettoschlussrechnungssumme als
Sicherheit während der Gewährleistungsfrist festgelegt. Die Sicherheit könne auch
durch Bürgschaft abgelöst werden. Gleichzeitig müsse dann die
Vertragserfüllungsbürgschaft zurückgegeben werden. Die Bürgschaft hatten einem
bestimmten Muster zu entsprechen. Dieses Muster enthält eine Bürgschaft auf erstes
Anfordern. Abweichend von der entsprechenden Regelung in der BVB-FKB ist in § 6
des Unternehmervertrages festgelegt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft
betragsmäßig auf 20 % der Bruttoauftragssummen lauen solle.
3
Die Firma B... nahm im Frühjahr 1998 ihre vertragsgemäßen Arbeiten auf.
4
Am 22.04.1998 übergab die Firma B... der Beklagten die ersten
Vertragserfüllungsbürgschaften vom 17.04.1998. Die zweite
Vertragserfüllungsbürgschaft datiert vom 12.05.1998. Beide
Vertragserfüllungsbürgschaften wurden von der Rechtsvorgängerin der Klägerin
ausgegeben.
5
Unter dem 20.12.2000 übersandte die Firma B... ihre Schlussrechnung an die Beklagten
über 4.804.367,30 DM. Unter Berücksichtigung von Akontozahlungen in Höhe von
4.182.172,14 DM verlangte die Firma B... mit der Schlussrechnung noch einen
Restwerklohn von 622.795,16 DM. Gleichzeitig mit der Schlussrechnung übersandte sie
eine von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellte Gewährleistungsbürgschaft in
Höhe von 240.248,37 DM, die die Beklagte zurücksandte verbunden mit der Rüge, die
Schlussrechnung sei nicht prüfbar. Eine Woche später übersandte die Firma B... ein
weiteres Mal die Schlussrechnung nebst der Gewährleistungs-bürgschaft an die
Beklagte und erhielt von dieser beides wieder zurück.
6
Am 24.01.2001 wurden die Leistungen der Firma B... durch die Beklagte mit
Abnahmeprotokoll vom selben Tage abgenommen. Mit Anwaltsschreiben vom
26.01.2001 forderte die Firma B... die Rückgabe der überlassenen
Vertragserfüllungsbürgschaften und gleichzeitig die Annahme der
Gewährleistungsbürgschaft. Nach einem erfolglosen Versuch Anfang Februar 2001, der
Beklagten die Gewährleistungsbürgschaft zu übersenden, behielt die Beklagte
schließlich die ihr mit Schreiben vom 06.02.2001 erneut zugeleitete
Gewährleistungsbürgschaft, ohne jedoch die Vertragserfüllungsbürgschaften
zurückzusenden.
7
Der von der Firma B... im April 2001 unternommene Versuch, im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes der Beklagten untersagen zuzulassen, die beiden
Vertragserfüllungsbürgschaften auf erstes Anfordern in Anspruch zu nehmen, scheiterte.
8
Am 21.05.2001 forderte die Beklagte die Klägerin auf, aus den beiden Bürgschaften
Zahlung über insgesamt 730.000 DM an sie zu leisten. Dies begründete sie damit, dass
der Bürgschaftsfall wegen Überzahlung eingetreten sei. Die Klägerin zahlte beide
Bürgschaftsbeträge in Höhe von insgesamt 730.000 DM aus.
9
Im September 2001 beantragte die Firma B... die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über ihr Vermögen.
10
Unter dem 20.06.2001 machte die Firma B... eine Schiedsklage unter Darlegung einer
Schiedsvereinbarung geltend und forderte Schadensersatz in Höhe von 730.000 DM.
Am 03.07.2002 stellte das Schiedsgericht durch Beschluss die Beendigung des
Schiedsverfahrens fest, weil beide Parteien trotz Aufforderung das Verfahren nicht
weiter haben betreiben wollen.
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Die Firma B... hat der Klägerin die Ansprüche aus dem Bauvertrag vom 30.01.1998
sicherungshalber abgetreten. Dies wurde der Beklagten bereits mit Schriftsatz vom
01.08.2001 offen gelegt.
12
Die Klägerin
Zinsen seit dem 01.06.2001 mit der Begründung geltend gemacht, die Beklagte sei
unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zur Rückzahlung der
Bürgschaftssumme verpflichtet. Die Beklagte habe schon die Bürgschaftsurkunden
ohne rechtlichen Grund erlangt. Das gleiche gelte jedenfalls für die auf der Grundlage
der Bürgschaften erzwungene Zahlung der Klägerin. Die Sicherungsabrede, durch die
die Firma B... verpflichtet worden sei, die Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, sei
unwirksam. Einer Aufrechterhaltung dieser unwirksamen Klausel im Wege einer
inhaltlichen Änderung sei nicht möglich. Die Beklagte sei nicht mehr berechtigt, die
Bürgschaft in Händen zu halten oder in Anspruch zu nehmen, weil sie auch die
Gewährleistungsbürgschaft behalten habe.
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Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Sie hat sich auf die Einrede des
Schiedsvertrages gestützt und anderweitige Rechtskraft eingewandt. Die Klägerin klage
dieselbe Forderung ein, die die Firma B... im Schiedsverfahren geltend gemacht habe.
Durch den Schiedsspruch sei auch die Klägerin an der Verfolgung der Klageforderung
gehindert.
14
Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass es sich bei den Vertragsbedingungen um
Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Sie hat eingewandt, zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Bauvertrages im Jahre 1998 sei die neuere Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes zu Bürgschaften auf erstes Anfordern auch nicht bekannt
gewesen. Die Inanspruchnahme der Klägerin aus der Bürgschaft sei außerdem
gerechtfertigt gewesen, weil die Firma B... überzahlt gewesen sei.
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Das Landgericht, Kammer für Handelssachen, hat im Urkundsprozess die Beklagte
antragsgemäß verurteilt. Wegen der Einzelheiten der hierzu von dem Landgericht
angestellten Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
(UA 9ff) verwiesen.
16
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr prozessuales Ziel der
Klageabweisung weiterverfolgt.
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Zur Begründung verweist die Beklagte zum einen auf die bereits erstinstanzlich
herangezogene Schiedsvereinbarung.
18
Die Beklagte stellt weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Vertragsbedingungen, in
denen die in Rede stehende Sicherungsabrede enthalten ist, um Allgemeine
Geschäftsbedingungen handele. Wenn besondere Vertragsbedingungen vom
Generalunternehmer an eine Nachunternehmerin durchgestellt würden, seien diese
nicht für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt. Die Beklagte sei durch die Weitergabe
der BVB-FKB an die Firma B... nicht zur Verwenderin im Sinne des AGBG geworden.
Auch handele es sich deshalb bei den besonderen Vertragsbedingungen nicht um AGB,
weil sie in ihrer Tragweite begrifflich von der Firma B... verstanden und entsprechend in
dem Vertrag eingeführt worden sei. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die
Firma B... von der F... GmbH zunächst als unmittelbarer Vertragspartner ausersehen
worden sei. Die Firma B... habe also gewusst, dass die BVB-FKB Vertragsbestandteil
werden müsste, weil der F... dies als Unternehmer der öffentlichen Hand verlangt habe.
Vor dem Hintergrund habe die Firma B... auch auf ein Aushandeln keinen Wert gelegt
mit der Folge, dass das AGBG nicht greife.
19
Die BVB-FKB unterlägen auch deshalb nicht der Inhaltskontrolle des AGBG, weil sie
wie kollektiv anerkannte, von den beteiligten Verkehrskreisen als ausgewogen
anerkannte Bedingungen anzusehen seien, so dass deren Einbeziehung keine
unangemessene Benachteiligung darstellen könne.
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Zwar seien Bürgschaften auf erstes Anfordern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
grundsätzlich unwirksam. Die Gläubigerin – die Beklagte – habe jedoch einen Anspruch
auf Austausch gegen eine selbstschuldnerische Bürgschaft gehabt. Ohnehin sei der
Beklagten die neue Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Klägerin
unbekannt gewesen. Diese – die Klägerin – habe im Übrigen gezahlt ohne sich
gegenüber der Beklagten auf § 768 BGB zu berufen oder wegen einer angeblichen
Austauschverpflichtung ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen. Hierin läge ein
Einredeverzicht.
21
Einen Austausch habe sie – die Beklagte – nicht anbieten können, da ihr die
höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei.
Außerdem sei der Auftraggeber nicht verpflichtet, einen Austausch vorzunehmen.
22
Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Vertragsauslegung
nicht mehr in Betracht komme, da die Beklagte gezahlt habe. Die Beklagte habe auf die
von ihr als wirksam angesehene Erklärung oder auf die in selbstschuldnerische
Bürgschaften umzudeutenden Erklärungen gezahlt.
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Auch sei der Rechtsgrund zur Inanspruchnahme der Bürgschaften am 21.05.2001 nicht
entfallen, da – bei richtiger Interpretation der Klauseln – die
Vertragserfüllungsbürgschaft nur dann zurückzugeben gewesen sei, wenn nur noch
Gewährleistungsansprüche, die durch die Gewährleistungsbürgschaft abgedeckt seien,
im Raum stünden.
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Nach alledem beantragt die Beklagte,
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unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung.
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Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie
die angefochtene Entscheidung gegen die Berufungsangriffe.
28
Eine Rechtskrafterstreckung sei nicht gegeben, weder sei ein Schiedsgerichtsverfahren
noch eine Schiedsgerichtsvereinbarung zwischen den Parteien dieses Rechtsstreites
anhängig noch sei der Hauptklageanspruch Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens
gewesen.
29
Das AGBG sei hier einschlägig. Ein Aushandeln im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG sei
nicht gegeben.
30
Es könne keine Rede davon sein, dass die BVB-FKB kollektiv anerkannte, von den
beteiligten Verkehrskreisen als ausgewogen anerkannte Bedingungen sein sollten.
31
Die Unkenntnis von der BGH-Rechtsprechung ändere nichts an der Unwirksamkeit der
AGB. In der Zahlung durch die Klägerin könne kein Verzicht auf die Geltendmachung
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der AGB-rechtlichen Unwirksamkeit verbunden sein.
Eine ergänzende Vertragsauslegung komme bei einer unwirksamen Klausel über eine
Bürgschaft aus erstes Anfordern grundsätzlich nicht in Betracht, unabhängig davon, ob
die BGH-Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer Bürgschaft auf erstes Anfordern
bekannt gewesen sei oder nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen
Feststellungen des landgerichtlichen Urteils sowie auf den Inhalt der im
Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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B.
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Die formell unbedenkliche, insbesondere den Form- und Fristvorschriften der §§ 517,
519, 520 ZPO genügende Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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I.
37
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die
Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu
legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Keine der beiden
Alternativen für eine begründete Berufung ist im vorliegenden Fall gegeben.
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Auf das vorliegende Vertragsverhältnis ist nach Art. 229 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB das
alte – bis zum 31.12.2001 geltende Schuldrecht anwendbar.
39
II.
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Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Rückzahlung der von der
Klägerin an die Beklagte gezahlten Bürgschaftssummen von insgesamt 730.000,-- DM =
373.243,07 € nebst Zinsen verurteilt. Die von der Berufung in weitgehender
Wiedderholung des erstinstanzlichen Prozessvortrages gegen die Leistungsklage
erhobenen Zulässigkeitsbedenken greifen ebenso wenig durch wie die gegen die
Begründetheit vorgebrachten Einwände.
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1. Die Klägerin hat durch Urkunden ihre Aktivlegitimation bzw. ihre
Prozessführungsbefugnis nachgewiesen, dh. sie macht eigene Ansprüche aus eigenem
Recht im eigenem Namen geltend. Entsprechende Angriffe gegen die Feststellungen im
Urteil des Landgerichts enthält die Berufungsbegründung nicht.
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2. Das Landgericht hat die von der Beklagten vor dem Hintergrund der in dem Vertrag
zwischen der Beklagten und der Fa. B... enthaltenen Schiedsgerichtsklausel und des
Beschlusses des Schiedsgerichts vom 03.07.2002 eingewandten Einrede der
anderweitigen Rechtskraft bzw. der Schiedsgerichtsabrede nach § 1032 ZPO zu Recht
nicht durchgreifen lassen. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht darauf abgestellt, dass
zwischen der Klägerin und der Beklagten weder eine Schiedsgerichtsvereinbarung
bestanden habe, noch die Klägerin an dem Schiedsgerichtsverfahren zwischen der
Beklagten und der Firma B... beteiligt gewesen ist. Eine Bindung des Bürgen an einen
von dem Hauptschuldner mit dem Gläubiger geschlossenen Schiedsvertrag besteht
nicht, da der Bürge als Dritter nicht an diesem Schiedsvertrag beteiligt ist (vgl. BGH,
Urteil vom 12.11.1990, II ZR 249/89, NJW-RR 1991, 423ff; ebenso OLG Düsseldorf,
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Urteil vom 13.11.2003, 12 U 55/03, BauR 2004, 874 = IBR 2004, 13). Rechtserhebliches
hiergegen hat die Beklagte in der Berufung nicht vorgebracht.
Hinzu kommt, dass der Streitgegenstand des von der Fa. B... GmbH gegen die Beklagte
angestrengten und dann von dem Insolvenzverwalter der Fa. B... GmbH und der
Beklagten nicht weiter betriebenen Schiedsgerichtsverfahrens (vgl. insoweit den
Beschluss des Schiedsgerichts vom 03.07.2002, dort Seite 2, K 21), und der
Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens nicht identisch sind. In dem
schiedsgerichtlichen Verfahren hatte die Fa B... GmbH beantragt, die Beklagte zur
Zahlung von 730.000 DM an sich zu verurteilen. Zur Begründung hat sie sich auf eine
positive Vertragsverletzung wegen unberechtigter Inanspruchnahme von Bürgschaften
auf erstes Anfordern durch die Beklagte berufen. Im vorliegenden Verfahren begehrt die
Klägerin als in Anspruch genommene Bürgin die Rückzahlung der von ihr ausgezahlten
Bürgschaftsbeträge (beantragt also Verurteilung der Beklagten zur Zahlung an sich) aus
ungerechtfertigter Bereicherung im Wesentlichen mit der Begründung, die zwischen der
Beklagten und der Firma B... GmbH geschlossene Sicherungsabrede sei unwirksam.
Damit sind Parteien und Streitgegenstand unterschiedlich.
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3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die in dem zwischen der Firma Bernd
B... GmbH und der Beklagten enthaltene Verpflichtung der Auftragnehmerin zur Stellung
einer Vertragserfüllungsbürgschaft, die als Bürgschaft auf erstes Anfordern ausgeprägt
sein sollte, nicht bereits deshalb unwirksam, weil sie als Allgemeine
Geschäftsbedingung der Beklagten die Fa. Bernd B... unangemessen benachteiligte.
Dennoch steht der Klägerin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf
Rückzahlung der Bürgschaftssumme zu, weil der von der Beklagten zur Begründung für
die Inanspruchnahme behauptete Anspruch auf Rückzahlung von überbezahltem
Abschlagszahlungen nicht mehr von der Sicherheitsabrede umfasst war.
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a) Der Senat hat keinen Zweifel an der Qualifikation der von der Beklagten in dem mit
der Firma B... GmbH eingeführten und zur Vertragsgrundlage erhobenen besonderen
Vertragsbedingungen des F... (BVB-FKB), die unter § 12 die Verpflichtung der
Auftragnehmerin zur Stellung der Vertragserfüllungsbürgschaft festlegt, als Allgemeine
Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG, deren Verwenderin die Beklagte ist.
Den ihr obliegenden Nachweis, dass diese Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG
ausgehandelt worden sind und dementsprechend als Individualvereinbarung nicht der
Inhaltskontrolle der §§ 9ff AGBG a. F. unterliegen, hat die Beklagte nicht erbracht. Es
fehlt bereits an entsprechendem Sachvortrag der Beklagten, der den Rückschluss auf
ein Aushandeln erlaubt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH,
Versäumnisurteil vom 23. Januar 2003, Az: VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 321 = NJW
2003, 1805 = BauR 2003, 870ff = NZBau 2003, 321ff) erfordert Aushandeln mehr als
Verhandeln. Von einem Aushandeln kann danach nur gesprochen werden, wenn der
Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen
"gesetzesfremden Kerngehalt", also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen
Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur
Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung
eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche
Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich
und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Diese
Bereitschaft schlägt sich in der Regel auch in erkennbaren Änderungen des formulierten
Textes nieder. Demgegenüber ist der Umstand, dass die Parteien die Klauseln erörtert
und sie gemeinsam gelesen haben, noch kein Aushandeln in diesem Sinne. Dazu
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hätten die Beklagte vortragen müssen, dass über Möglichkeiten, die Auftragnehmerin
anderweitig abzusichern, gesprochen worden ist. Eine allgemein geäußerte
Bereitschaft, Vertragsklauseln auf Anforderung des Vertragspartners zu ändern, erfüllt
nicht die Voraussetzung eines Aushandelns der konkreten Klausel im Sinne des § 1
Abs. 2 AGBG (vgl. ausdrücklich noch BGH, Urteil vom 14. April 2005, VII ZR 56/04,
NJW-RR 2005, 1040; Urteil vom 18.03.2002, VII ZR 192/01, BGHZ 150, 299ff = NJW
2002, 2388; OLG Celle, Urteil vom 7. Juli 2005, 14 U 23/05, BauR 2005, 1944).
Vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlich gefestigten Rechtsprechung vermag der
Senat der von der Berufung vertretenen Auffassung, dass Allgemeine
Geschäftsbedingungen bereits deshalb nicht gegeben seien, weil die Firma B...
zunächst von der Bauherrrin, der F... GmbH zunächst Auftragnehmerin vorgesehen
gewesen sei und zwischen diesen auch bereits Vertragsverhandlungen stattgefunden
hätten, auf Grund derer der Fa. B... GmbH die BVB/FKB der F... GmbH bereits bekannt
gewesen seien, nicht zu folgen. Vielmehr spricht der zwischen den Parteien unstreitige
Umstand, dass die Beklagte der Fa. B... GmbH ebenso wie allen anderen
Subunternehmern im Verlaufe der Vertragsverhandlungen deutlich gemacht hat, eine
Beauftragung als Subunternehmer der Beklagten werde es dann nicht geben, wenn die
von der Bauherrin der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen
nicht auch im Verhältnis zu der Beklagten akzeptiert würden.
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b) Es entspricht nunmehr gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass eine
Sicherungsabrede in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, nach
der der Auftraggeber eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen
hat, unwirksam ist, weil hiermit nicht nur ein anerkennenswertes Interesse des
Auftraggebers auf Absicherung seiner Ansprüche bei unzureichender Vertragserfüllung
durch den Auftragnehmer befriedigt wird, sondern der Auftraggeber auch die Möglichkeit
erhält, sich liquide Mittel zu verschaffen (und dem Auftragnehmer diese zu entziehen),
ohne dass der Sicherungsfall eingetreten ist und der Auftragnehmer in diesem Fall für
die Durchsetzung der Rückforderungsansprüche das Insolvenzrisiko trägt (vgl. BGH,
Urteil vom 18.04.2002, VII ZR 192/01, BGHZ 150, 299 = BauR 2002, 935 = NJW 2002,
2388 = NZBau 2002, 494 = IBR 2002, 414 mit Anm. Hickl; Urteil vom 04.07.2002; VII ZR
502/99, BGHZ 151/299; Urrteil vom 10.04.2003, VII 314/01, BauR 2003, 1385; Urteil
vom 25.03.2004, VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143 = NJW-RR 2004, 880f).
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Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Landgerichts (nicht: OLG) Frankfurt/aM
vom 20.03.2003, - 3/10 O 179/02 , NZBau 2004, 44 = IBR 2003, 602 mit kritischer
Anmerkung Schwenker ist – soweit ersichtlich – nicht rechtskräftig und gibt auch nichts
anderes für den vorliegenden Fall her, da die von dem Landgericht Frankfurt
aufgestellten Voraussetzungen für eine Wirksamkeit einer Verpflichtung zur Stellung
einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern, namentlich dass es sich bei
dem Hauptschuldner um ein wirtschaftlich erfahrenes Großunternehmen gehandelt
habe, von der Beklagten nicht dargetan werden; im Gegenteil lässt sich dem
Parteivortrag – wie oben bereits berücksichtigt – entnehmen, dass die Fa. B... GmbH auf
die BVB-FKB einlassen musste, ansonsten es nicht zur Auftragserteilung gekommen
wäre.
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c) Die hiernach für die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten
enthaltene Klausel, nach der die Fa. B... GmbH die Vertragserfüllungsbürgschaft
beizubringen hat, folgende Unwirksamkeit führt jedoch nicht dazu , dass für die
Auftragnehmerin keine Verpflichtung bestand, eine Bürgschaft zu stellen. Der durch den
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Wegfall der Sicherungsklausel lückenhafte Vertrag ist ergänzend für einen
Übergangszeitraum dahin auszulegen, dass der Bauunternehmer eine unbefristete,
selbstschuldnerische Bürgschaft schuldet (BGH, Urteil vom 04.07.2002 - VII ZR 502/99 -
BGHZ 151, 229 = BauR 2002, 1533 = NJW 2002, 3098 = NZBau 2002, 559, 560 = IBR
2002, 543).
Eine derartige ergänzende Vertragsauslegung ist jedoch nach der ebenfalls ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichshofes nur bis zum Bekanntwerden der oben
erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.07.2002, VII ZR 502/99,
angängig, wobei als maßgeblicher Zeitpunkt der 01.01.2003 gilt (vgl. BGH, Urteil vom
25.03.2004, VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143 = NJW-RR 2004, 880f). Diese zeitliche
Begrenzung der ergänzenden Vertragsauslegung für einen Übergangszeitraum ergibt
sich aus folgenden Erwägungen: Dem im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
nach § 6 Abs. 2 AGBG a.F. gefundenen Ergebnis liegt maßgeblich die Erwägung
zugrunde, die nach § 9 Abs. 1 AGBG a.F. unwirksame Klausel führe zu einer
planwidrigen, von den Vertragsparteien nicht bedachten Unvollständigkeit des
Vertrages. Eine solche Lücke wird allerdings dann nicht anzunehmen sein, wenn die in
der Klausel enthaltene Regelung bei objektiver Betrachtung als vom Verwender
bewusst abschließend gewählt anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1985 - IVb
ZR 17/84, NJW 1985, 1835 f; MünchKomm/Basedow, 4. Aufl., AGBG § 6 Rdn. 13).
Diese Annahme ist geboten, wenn der Auftraggeber nach Bekanntwerden der
Entscheidung des BGH vom 04.07.2002 in alsdann zu geschlossenen Bauverträgen an
der Klausel festhält und sie damit weiterverwendet. In diesen Fällen wird regelmäßig
davon auszugehen sein, dass der Klauselverwender ausschließlich Wert auf eine
Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern legt, und deshalb bei Unwirksamkeit
der Klausel eine ergänzende Vertragsauslegung zur Wahrung seines
Sicherungsinteresses nicht mehr in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 04.07.2002 - VII
ZR 502/99 - BGHZ 151, 229 = BauR 2002, 1365 = NJW 2002, 3098 = NZBau 2002, 559,
560).
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Diese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, da der
Bauvertrag, in dem die unwirksame Sicherungsabrede enthalten gewesen ist, im Jahre
1998, also vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Entscheidung des
BGH vom 04.07.2002, geschlossen wurde. In Anbetracht dessen ist die
Sicherungsklausel, auf deren Grundlage die Fa. B... GmbH die
Vertragserfüllungsbürgschaften vom 17.04.1998 gestellt hat, die die Klägerin wiederum
nach Inanspruchnahme bedient hat (§ 12 Abs. 1 BVB-FKB in Verbindung mit Ziffer 6.22
des Nachunternehmervertrages), zwar unwirksam gewesen, jedoch bestand nach
ergänzender Auslegung des Vertrages eine entsprechende Verpflichtung der Fa. B...
GmbH zur Stellung einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft.
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d) In Anbetracht dieser grundsätzlichen – ergänzenden – Auslegung des Vertrages
zwischen den Parteien in Richtung der Stellung einer selbstschuldnerischen,
unbefristeten Bürgschaft durch den Auftraggeber hat der Bundesgerichtshof für die
Fallkonstellationen, in denen der Bürge auf das erste Anfordern des Gläubigers die
Bürgschaftssumme gezahlt hat, folgendes im Hinblick auf ein mögliches
Rückzahlungsbegehren des Bürgen entschieden (BGH, Urteil vom 23.01.2003 – VII ZR
210/01 – BauR 2003, 670 = NJW 2003, 1805 = NZBau 2003, 321):
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aa) Der Bürge, der auf erstes Anfordern die Bürgschaftssumme an den Gläubiger zahlt,
hat einen Rückforderungsanspruch, wenn und soweit der Gläubiger nach materiellen
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Bürgschaftsrecht keinen Anspruch auf die erhaltene Leistung hat. Dies folgt daraus,
dass dem Bürgen gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einwendungen des Schuldners
aus der Sicherungsabrede mit dem Gläubiger zustehen. Hat der Bürge eine Sicherung
gewährt, zu deren Beibringung der Hauptschuldner sich nicht oder nicht wirksam
verpflichtet hatte, so kann der Bürge gegenüber dem Leistungsverlangen des
Gläubigers auf den Inhalt der Sicherungsabrede zwischen Gläubiger und
Hauptschuldner berufen. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des
Akzessorietätsgedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht
mehr zu leisten hat als der Hauptschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1989, IX ZR
212/88, BGHZ 107, 210 [214] = NJW 1989, 1853; Urteil vom 8. März 2001, IX ZR
236/00, BGHZ 143, 381 [384] = NJW 2000, 1563; Urteil vom 8. März 2001, IX ZR
236/00, BGHZ 147, 99 [102] = NJW 2001, 1857 = NZBau 2001, 311ff = BGHReport
2001, 401ff).
bb) Die Bürgin kann sich danach grundsätzlich darauf berufen, dass die Firma B...
GmbH lediglich eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schuldete, nicht
jedoch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern. Der Einwand wirkt sich nach Zahlung auf
erstes Anfordern jedoch nicht in der Weise aus, dass die ausgezahlte
Bürgschaftssumme ungeachtet der Frage, ob nach der Sicherungsvereinbarung eine
unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft geschuldet war, zurückzuzahlen wäre.
Denn die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist kein Sicherungsmittel eigener Art, sondern
lediglich eine den Gläubiger besonders privilegierende Form der
Bürgschaftsverpflichtung (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999, IX ZR 24/98, NJW 1999,
2361 [2363], WM 1999, 895f). Daraus folgt, dass ein Rückforderungsrecht des
Hauptschuldners nach erfolgter Zahlung auf erstes Anfordern aus der Sicherungsabrede
nur besteht, wenn der Sicherungsfall nicht eingetreten ist, dagegen nicht schon wegen
Verletzung der bei der Anforderung der Bürgenleistung einzuhaltenden Förmlichkeiten
(BGH, NJW 2003, 352 = WM 2002, 2498).
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Daraus folgt aber auch, dass der Hauptschuldner die Rückzahlung nicht allein deshalb
verlangen kann, weil nach der Sicherungsabrede die Bürgschaft nicht unter den
privilegierenden Voraussetzungen hätte angefordert werden dürfen. Denn nach der
Sicherungsabrede schuldete er eine Sicherung als unbefristete, selbstschuldnerische
Bürgschaft. Er hätte dem Gläubiger eine solche Bürgschaft stellen müssen, wobei davon
auszugehen ist, dass mit der Bürgschaft auf erstes Anfordern im Zweifel gleichzeitig
eine Bürgschaft gestellt ist, mit der sich der Bürge zur Zahlung auch dann verpflichten
wollte, wenn eine erste Anforderung unzulässig war (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar
1999, IX ZR 24/98, NJW 1999, 2361 [2363]). Es wäre mit Treu und Glauben nicht zu
vereinbaren, wenn der Gläubiger zur Rückzahlung der auf erstes Anfordern
ausgezahlten Bürgschaftssumme verpflichtet würde, obwohl fest steht, dass der
Gläubiger den Bürgen aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch nehmen
kann. Eine Rückforderung scheidet deshalb aus, wenn die selbstschuldnerische
Bürgschaft den geltend gemachten Anspruch sichert und der Gläubiger einen fälligen
Anspruch gegen den Bürgen hat. Der Umstand, dass die Bürgschaft abredewidrig auf
erstes Anfordern geltend gemacht wurde, kann Schadensersatzansprüche gegen den
Gläubiger oder den Bürgen auslösen, rechtfertigt allein jedoch nicht das
Rückzahlungsverlangen.
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cc) Damit ist für die Begründetheit des Rückzahlungsbegehren der Klägerin allein von
Bedeutung, ob die Beklagte einen Anspruch auf Verwertung der Bürgschaft besitzt. An
dieser Verwertungsbefugnis fehlte es auf der Grundlage der in § 12 der BVB-FKB
57
enthaltenen Regelungen, nachdem die Beklagte die von der Fa. B... GmbH übersandte
Gewährleistungsbürgschaft angenommen und einbehalten hatte.
(1) Wie oben bereits erwähnt, bestimmt § 12 Abs. 1 Satz 1 der zum Vertragsinhalt
erhobenen BVB-FKB die Verpflichtung des Auftragnehmers, also der Fa. B... GmbH, zur
Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Nettoauftragssumme.
(Die in der soeben genannten Regelung der BVB-FKB genannte Höhe der
Vertragserfüllungsbürgschaft von 10% der Nettoauftragssumme wird durch Ziffer 6.2 des
Nachunternehmervertrages vom 30.01.1998 zu Lasten des Auftragnehmers auf 20% der
Brutto-Auftragssumme modifiziert.) § 12 Abs. 2 Satz 1 BVB- FKB wiederum berechtigt
den Auftraggeber, damit die Beklagte, 5 % von der Nettoschlussrechnungssumme als
Sicherheit während der Gewährleistungsfrist einzubehalten. Gleichzeitig eröffnet § 12
Abs. 2 Satz 2 BVB-FKB dem Auftragnehmer die Möglichkeit, diesen
Gewährleistungseinbehalt durch eine Bürgschaft abzulösen. Mit der in dem folgenden
Satz in § 12 Abs. 2 BVB-FKB enthaltenen Regelung "Gleichzeitig ist die
Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben" wird der Auftraggeber in dem Falle, dass
der Auftragnehmer nach Beendigung der Arbeiten und Abrechnung zur Ablösung des
Gewährleistungseinbehalts nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BVB-FKB eine
Gewährleistungsbürgschaft entsprechend § 12 Abs. 2 Satz 2 BVB-FKB gestellt hat, zur
Rückgabe der bereits nach § 12 Abs. 1 BVB-FKB gestellten
Vertragserfüllungsbürgschaft verpflichtet. Aus der Verpflichtung des Auftraggebers zur
Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nach diesen Regularien folgt zwangsläufig,
dass gleichzeitig der Auftraggeber nicht mehr zur Verwertung dieser Bürgschaft
berechtigt ist, ihm also ab der nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BVB-FKB erfolgten Stellung der
Gewährleistungsbürgschaft zum Zwecke der Ablösung des Gewährleistungseinbehalts
durch den Auftragnehmer die Verwertungsbefugnis im Hinblick auf die
Vertragserfüllungsbürgschaft nicht mehr zusteht.
58
Ein solches Auslegungsergebnis der dargestellten Bestimmungen zu den Sicherheiten
und ein solches Verständnis vom dem durch den Parteiwillen getragenen
Zusammenspiel und Verhältnis von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft
entspricht auch den wohlverstandenen Interessen beider Parteien. Der Auftragnehmer
ist erst nach Herstellung des Werkes und deren Abnahme dazu berechtigt, durch die
Stellung der Gewährleistungsbürgschaft den Gewährleistungseinbehalt abzulösen, da
er erst dann seine Leistungen durch die Schlussrechnung abrechnen kann und darf.
Das Sicherungsinteresse der Beklagten auf Erfüllung ihrer vertraglichen
Herstellungsansprüche, das durch die Vertragserfüllungsbürgschaft abgedeckt werden
soll, ist damit im Wesentlichen erfüllt. Diesem Ansatz steht auch nicht entgegen, dass
die Vertragserfüllungsbürgschaft nach dem Wortlaut des Musters in Anlage 6 der BVB-
FKB (dem nach § 12 Abs. 3 BVB-FKB die von dem Auftragnehmer zu stellende
Bürgschaft zu entsprechen hat) auch an die Stelle der Erfüllungsansprüche tretende
Ersatzansprüche (z.B. Schadensersatzansprüche, Rückzahlungsansprüche usw.)
sichern soll. Denn auch mit Blick auf ihre sekundären Erfüllungsansprüche ist die
Auftraggeberin nach Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nicht sicherungslos
gestellt. Dies folgt daraus, dass nach dem Muster der von dem Auftragnehmer zu
stellenden Gewährleistungsbürgschaft entsprechend Anlage 7 der BVB-FKB die
"Erfüllung sämtlicher Gewährleistungs- und Schadensersatzverpflichtungen des
Auftragnehmers" gesichert werden. Damit ist der wesentliche Teil der mit der
Vertragserfüllungsbürgschaft zu sichernden Ansprüche des Auftraggebers zum
Zeitpunkt der Rückgabeverpflichtung entweder bereits erfüllt oder wird anderweitig
nämlich durch die Gewährleistungsbürgschaft nach § 12 Abs. 2 BVB-FKB gesichert.
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Lediglich im Hinblick auf in Betracht kommende Rückzahlungsansprüche wegen
aufgrund von Abschlagszahlungen erfolgter Überzahlung des Auftragnehmers bestände
nach Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft keine Sicherung des Auftraggebers
mehr, da die Gewährleistungsbürgschaft nach § 12 Abs. 2 BVB-FKB in Verbindung mit
dem Muster der Anlage 7 derartige Ansprüche nicht umfasst. Diese Sicherungslücke
belastet den Auftraggeber jedoch nicht unangemessen, da er durch entsprechende
sorgfältige Prüfung der Berechtigung der Akontoanforderungen des Auftragnehmers und
daraus folgender Zahlung von Abschlagsbeträgen lediglich in Höhe des Wertes der
tatsächlich erbrachten Leistungen das Entstehen einer Überzahlung verhindern kann.
Dieses Verständnis des zeitlichen und inhaltlichen Zusammenwirkens der beiden
Sicherungen des Auftraggebers nach § 12 BVB-FKB steht auch nicht in Widerspruch zu
Ziffer 6.3 des Nachunternehmervertrages, wo es heisst, dass die
Gewährleistungsbürgschaft über 5 % der Brutto-Schlussrechnungssumme nach § 12
BVB-FKB zum gegebenen Zeitpunkt zu stellen ist. Einen eigenen Regelungsinhalt, der
Vorrang gegenüber den Bestimmungen in § 12 Abs. 2 und insbesondere § 12 Abs. 3
BVB-FKB für sich in Anspruch nimmt, vermag der Senat nicht zu erkennen.
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(2) Nach Maßgabe und auf Grundlage der obigen Auslegung des § 12 Abs. 2 Satz 3
BVB-FKB hat die Beklagte ihre Befugnis zur Verwertung der
Vertragserfüllungsbürgschaft verloren. Die Leistungen der Fa. B... GmbH wurden durch
die Beklagte mit Abnahmeprotokoll vom 24.01.2001 abgenommen. Bereits mit
Schreiben vom 20.12.2000 hatte die Fa. B... GmbH der Beklagte ihre Schlussrechnung
übermittelt und gleichzeitig eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2
BVB-FKB übersandt. Nachdem die Beklagte die Gewährleistungsbürgschaft zunächst
mit Schreiben vom 09.01.2001 zurückgewiesen hatte, behielt sie diese schließlich nach
weiterer bzw. nochmaliger Übersendung der Bürgschaft mit Schreiben vom 06.02.2001,
ohne jedoch die Vertragserfüllungsbürgschaft an die Fa. B... GmbH zurückzugeben.
Damit stand der Beklagten spätestens mit Erhalt und Annahme der
Gewährleistungsbürgschaft nicht mehr die Befugnis zur Verwertung der
Vertragserfüllungsbürgschaft zu. Folglich kann die Klägerin, die auf die
Vertragserfüllungsbürgschaft geleistet hatte, obwohl der Beklagten nach materiellem
Bürgschaftsrechts kein Anspruch auf eine derartige Sicherung mehr zustand, die
gezahlte Bürgschaftssumme zurück verlangen, ohne dass es darauf ankommt, ob und in
welchem Umfang die von der Beklagten behauptete Überzahlung der Fa. B...GmbH
eingetreten ist.
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C)
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf der Anwendung der
§§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
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Anlass, aus den Gründen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen,
besteht nicht, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die
Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Im Gegensatz zu der Auffassung der
Beklagten bewegt sich der Senat mit sämtlichen Begründungselementen seiner
Entscheidung auf der Linie der gesicherten und ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer des Beklagten: € 373.243,07
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J...
L...
B...
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