Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.07.2005

OLG Düsseldorf: wohnsitz im ausland, wohnung, gerichtsstand, ausführung, auszug, form, rechtshängigkeit, geschäftsbedingung, gleichheit, minderung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 U 202/04
Datum:
07.07.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-10 U 202/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. November 2004 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf - 41 C 7003/03 - wird zurückgewie-
sen.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
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Die Parteien streiten u.a. über restliche Mietzins- und Schadensersatzansprüche in
Höhe von insgesamt 4.460,83 EUR aus einem beendeten Mietverhältnis über eine im 4.
Obergeschoss des Hauses F. 113 in D. gelegene Wohnung der Klägerin. In § 8 MV
("Instandhaltung und Instandsetzung der Mieträume") heißt es auszugsweise wie folgt:
"2. (1) Der Mieter hat insbesondere die Verpflichtung auf seine Kosten alle
Schönheitsreparaturen in den Mieträumen...fachmännisch auszuführen bzw. ausführen
zu lassen...(4) Schönheitsreparaturen umfassen das Tapezieren, Streichen der Wände
und Decken, das Streichen der Fußböden einschl. Leisten, der Heizkörper einschl.
Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster, Außentüren von innen und sonstiger
innenliegender Holzteile. (5) Diese Arbeiten sind ab Mietbeginn in der Regel in Küchen,
Bädern und Toiletten spätestens nach drei Jahren, in Wohnräumen, Schlafräumen,
Dielen, Flure, Treppenhäuser in Alleinbenutzung und in mitvermieteten gewerblichen
oder freiberuflich genutzten Räumen spätestens nach fünf Jahren und in sonstigen
Räumlichkeiten, wie Abstellräumen, innenliegenden Balkonflächen oder Kellerräumen,
spätestens nach sieben Jahren zu tätigen". Im Übrigen wird wegen der getroffenen
Feststellungen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (GA 139 ff.). Das
Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der
Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Ansprüche weiterverfolgt.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht
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weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO)
noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§
520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Beurteilung. Der Senat folgt
den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe der folgenden durch das
Berufungsvorbringen veranlassten Ausführungen.
1.
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Die Berufung zum Oberlandesgericht ist zulässig, obwohl kein Fall des § 119 Abs. 1 Nr.
1 b GVG vorliegt, sondern die Berufung gemäß §§ 23 Nr. 2 a, 72 GVG bei dem
zuständigen Landgericht Düsseldorf hätte eingelegt werden müssen. Nach § 119 Abs. 1
Nr. 1 b GVG sind die Oberlandesgerichte für die Verhandlung und Entscheidung über
das Rechtsmittel der Berufung gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts (nur)
zuständig, wenn eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der
Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes
hatte. Der Anwendungsbereich des § 119 GVG ist im Streitfall nicht schon deshalb
eröffnet, weil der im Rubrum des angefochtenen Urteils fälschlicherweise als Kläger zu
1) aufgeführte Gesellschafter der Klägerin Rolf W. bereits im Zeitpunkt der
Rechtshängigkeit einen ausländischen Wohnsitz hatte. Zwar reicht es zur Begründung
der Sonderzuständigkeit des Oberlandesgerichts grundsätzlich aus, wenn einer von
zwei Streitgenossen seinen Wohnsitz im Ausland hat. Entgegen der unrichtigen
Bezeichnung in der Klage und im Rubrum des angefochtenen Urteils handelt es sich
aber nicht um einen Streitgenossenprozess. Klagen mehrere Gesellschafter einer BGB-
Gesellschaft - wie hier - eine Gesamthandsforderung ein, sind nicht die - hier - als
Kläger zu 1) und 2) bezeichneten Gesellschafter als Kläger aufzuführen, sondern die
GbR ist selbst Klägerin.
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Nach der neuen Rechtsprechung des BGH (BGHZ 146, 341 ff.) besitzt die (Außen-)
GbR Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und
Pflichten begründet. Das bedeutet, dass sie in der jeweiligen Zusammensetzung der
Gesellschafter Vertragspartner werden kann und dass ihre Stellung als Vertragspartner
durch einen Gesellschafterwechsel nicht berührt wird. In diesem Rahmen ist sie im
Zivilprozess parteifähig, kann also als Gesellschaft klagen und verklagt werden. Machen
die Gesellschafter einer GbR - wie hier - als notwendige Streitgenossen eine
Gesamthandsforderung geltend, ist trotz äußerlich unrichtiger Bezeichnung
grundsätzlich das Rechtssubjekt als Partei anzusehen ist, das durch die fehlerhafte
Bezeichnung nach deren objektivem Sinn betroffen ist. Diese Grundsätze gelten auch,
wenn sich die klagende Partei selbst fehlerhaft bezeichnet hat (BGH, NJW 1988, 1585).
Die fehlerhafte Parteibezeichnung ist durch Rubrumsberichtigung der tatsächlichen
Rechtslage anzupassen, d.h. von den ursprünglich klagenden Gesellschaftern auf die
Gesellschaft zu berichtigen (BGH, Urt. v. 23.10.2003, IX ZR 324/01; NZM 2003, 235;
WPM 2003, 795).
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Ob für die Berufung über eine Entscheidung des Amtsgerichts nach § 119 GVG das
Oberlandesgericht zuständig ist, richtet sich in diesem Fall nicht nach dem allgemeinen
Gerichtsstand der Gesellschafter, sondern gemäß § 17 ZPO nach dem allgemeinen
Gerichtsstand der klagenden BGB-Gesellschaft, die - wie aus dem erstinstanzlichen
Vortrag, insbesondere aus der Bezeichnung der Gesellschaft "GbR F. ..." hervorgeht -
ihren Sitz in D. hat (BGH, NZM 2005, 147 = WM 2005, 67).
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Hat einer von mehreren Streitgenossen seinen Wohnsitz im Ausland hat und kann der
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klagende Mieter nicht sicher abschätzen, ob die beklagten Vermieter eine GbR bilden,
mit der möglichen Konsequenz einer Berufungszuständigkeit des LG, so ist die
Berufung nach der Rechtsprechung des BGH (NZM 2004, 219 = WM 2004, 220) in
Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes in jedem Fall zulässig ist, wenn der
Kläger die Berufung sowohl zum OLG als auch zum LG einlegt, die Berufung bei
letzterem aber zurücknimmt, weil das OLG auf Nachfrage mitgeteilt hat, es sei zuständig.
Dies muss erst recht dann gelten, wenn die als Kläger bezeichneten Gesellschafter die
von ihnen bei dem zuständigen Landgericht Düsseldorf fristgerecht eingelegte Berufung
auf dessen unzutreffenden Hinweis, dass Oberlandesgericht sei gemäß § 119 Abs. 1 Nr.
1 b GVG zuständig, zurückgenommen und - fristgerecht - erst im Anschluss hieran die
Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt haben.
Das Meistbegünstigungsprinzip greift zunächst in den Fällen inkorrekter
Entscheidungen ein. Hat das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung
gewählt, steht den Parteien dasjenige Rechtsmittel zu, welches nach der Art der
ergangenen Entscheidung statthaft ist, und außerdem das Rechtsmittel, das bei einer in
der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre. Das
Meistbegünstigungsprinzip stellt eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen
Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes
dar (BGHZ 90, 1, 3; BGH, WM 1986, 1098). Über die Fälle inkorrekter Entscheidung
hinaus kommt es daher immer dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer
eine Unsicherheit, das einzulegende Rechtsmittel betreffend, besteht, sofern diese auf
einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht (BGH,
WuM 2005, 25, 26; WuM 2003, 353). Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor, weil es
zum einen das Amtsgericht versäumt hat, die tatsächlich klagende BGB-Gesellschaft im
Rubrum des angefochtenen Urteils als Klägerin auszuweisen und das Landgericht zum
anderen seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat, so dass im Sinne der
vorgenannten BGH-Rechtsprechung für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit
darüber bestand, ob die Berufung zum Landgericht oder zum Oberlandesgericht
Düsseldorf einzulegen war.
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2.
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Die Berufung ist allerdings unbegründet.
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a) Schadensersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen in Höhe von
2.168,04 EUR kann die Klägerin schon deshalb nicht verlangen, weil die vertragliche
Endrenovierungsklausel (§ 12 MV: "Der Mieter verpflichtet sich, die Wohnung bei
Auszug malermäßig instandzusetzen") jedenfalls in Verbindung mit der dem Beklagten
gemäß § 8 Nr. 2 MV formularmäßig auferlegten Pflicht zur Ausführung der laufenden
Schönheitsreparaturen unwirksam ist (BGH, NJW 2003, 2234; BGH, Urt. v. 6.4.2005, XII
ZR 308/02). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich im Streitfall bei der in § 12
getroffenen Regelung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, wovon der
Senat in Ermangelung eines ein Aushandeln belegenden Vorbringens der Klägerin
ausgeht, oder wegen der handschriftlichen Eintragung um eine Individualvereinbarung
handelt. Jedenfalls ist in diesem Fall nach der Rechtsprechung des BGH zum
Summierungseffekt, davon auszugehen, dass beide Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu
einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten führen (BGH, WuM 2003, 561;
NJW 1993, 532).
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Im Übrigen hat das Amtsgericht den Anspruch zu Recht auch daran scheitern lassen,
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dass sich der Erfüllungsanspruch mangels konkreter Leistungsaufforderung nicht in
einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung umwandeln konnte. Die
inhaltsleere Aufforderung, "die vertraglich vereinbarten Schönheitsreparaturen
auszuführen", konnte den Beklagten schon im Hinblick auf die unterschiedliche
Fristenregelung in § 8 Nr. 2 Satz 5 MV weder hinsichtlich der laufenden Ausführung
noch hinsichtlich einer Endrenovierung in Verzug setzen.
Nur ergänzend verweist der Senat darauf, dass die in § 8 Nr. 2 Satz 5 MV hinsichtlich
der laufenden Schönheitsreparaturen getroffene Regelung nach der Rechtsprechung
des Senats (WuM 2004, 603 = ZMR 2005, 187) eine "starre" Fristenregelung enthält und
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.
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b) Mahnkosten für 30 Mahnungen in Höhe von 505,05 EUR sind auch in zweiter Instanz
weder dem Grund noch der Höhe nach spezifiziert.
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c) Rückständige Miete bis einschließlich Mai 2002 kann die Klägerin nicht verlangen.
Der Senat geht mit dem Amtsgericht davon aus, dass die Klägerin dem Beklagten bis zu
dessen Auszug den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung nicht wieder gewährt
hat. Die Klägerin hat zweitinstanzlich eingeräumt, dass sie die - von wem auch immer -
gewaltsam aufgebrochene Wohnungseingangstür im Wege einer Notmaßnahme
ausgetauscht hat, um sie wieder verschließbar zu machen (GA 196). Allerdings hat sie
es unbestritten versäumt, dem Beklagten einen Schlüssel für die ausgetauschte Tür
auszuhändigen, so dass diesem die Nutzung der Wohnung während des
streitgegenständlichen Zeitraums nicht gewährt worden ist. Dies führt gemäß § 536 Abs.
1 BGB zu einer Minderung der geltend gemachten Miete auf Null, so dass der Beklagte
zur Zahlung der Miete einschließlich der vereinbarten Nebenkostenvorauszahlungen
(BGH, Urt. v. 6.4.2005, XII ZR 225/03) nicht verpflichtet war. Rechtserhebliches hierzu ist
der Berufung nicht zu entnehmen.
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d) Soweit das Amtsgericht die Klage auch hinsichtlich der Positionen
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Fensterreparatur 156,00 EUR
Glasmaterialkosten 100,00 EUR
Entrümpelungskosten 624,00 EUR
Kosten Müllverbrennung 112,00 EUR
Kosten 2002 130,27 EUR
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abgewiesen hat (insgesamt: 1.122,27 EUR ), hat die Klägerin hiergegen keine
konkreten Einwände erhoben, so dass es hierbei sein Bewenden hat.
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen
nicht vor.
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Streitwert: 4.460,83 EUR
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