Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.06.2008

OLG Düsseldorf: örtliche zuständigkeit, unerlaubte handlung, grobe fahrlässigkeit, bedingter vorsatz, gefahr, beihilfe, handlungsort, anleger, missbrauch, form

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 146/07
Datum:
26.06.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 146/07
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 14c O 27/06
Nachinstanz:
Bundesgerichtshof, XI ZR 394/08
Rechtskraft:
Revision der Beklagten zurückgewiesen durch Urteil des BGH vom
12.10.2010.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. Mai 2007 verkündete
Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise
abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung
insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verur-
teilt, an den Kläger 31.162,05 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus
5.000,00 € vom 25. Mai 2002 bis 07. Juni 2002, aus 13.000,00 € vom 08.
Juni 2002 bis 10. Juni 2002, aus 15.000,00 € vom 11. Juni 2002 bis 13.
Juni 2002, aus 17.550,00 € vom 14. Juni 2002 bis 18. Juni 2002, aus
27.550,00 € vom 19. Juni 2002 bis 20. Juni 2002, aus 28.120,00 € vom
21. Juni 2002 bis 30. Juni 2002, aus 27.681,03 € vom 01. Juli 2002 bis
16. August 2002, aus 32.681,03 € vom 17. August 2002 bis 10.
September 2002, aus 32.327,01 € vom 11. September 2002 bis 03.
Oktober 2002 und aus 31.162,05 € vom 04. Oktober 2002 bis 30. März
2006 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
31.162,05 € seit dem 31. März 2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Kläger nimmt die Beklagte, ein Brokerhaus mit Sitz in A., auf Schadensersatz im
Zusammenhang mit der Durchführung von Börsentermingeschäften in Anspruch.
3
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen und zur
Klageabweisung führenden Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das
Landgericht die auf die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 31.162,05 € nebst
Zinsen in der im Einzelnen aus dem Urteilstatbestand ersichtlichen Höhe gerichtete
Klage abgewiesen.
4
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er macht
geltend, er sei von dem Finanzdienstleister B. telefonisch als Kunde angeworben und
betreut worden. B. und die Beklagte hätten bei der Akquisition deutscher Kunden
systematisch zusammengewirkt. Zu diesem Zweck hätten sie sogar eigens ein
entsprechendes "Introducing Broker Agreement" vom 12. Juli 2001 (Anlage KK 9)
miteinander getroffen. Nach seiner Ansicht ist ihm die Beklagte sowohl wegen
unzureichender Aufklärung über die Risiken der von ihm getätigten Geschäfte wie auch
wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet, wobei
sie sich das Verhalten des mit ihr kooperierenden Finanzdienstleisters entsprechend
zurechnen lassen müsse. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten sei sowohl unter
dem Gesichtspunkt des sog. "Churning" wie auch deshalb begründet, weil zwischen B.
und der Beklagten eine unzulässige "Kick-Back-Vereinbarung" zur Aufteilung der von
ihm geleisteten – ohnehin weit überhöhten – Provisionszahlungen bestanden habe.
5
Der Kläger beantragt,
6
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten entsprechend seinem
erstinstanzlichen Klageantrag zu verurteilen.
7
Die Beklagte beantragt,
8
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
9
hilfsweise
10
die Berufung zurückzuweisen.
11
Sie meint, die Berufung sei bereits unzulässig, weil sie den gesetzlichen Anforderungen
des § 520 Abs. 1 und 3 ZPO nicht genüge. Außerdem rügt sie die internationale und die
örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf und macht geltend, zwischen den
Parteien sei die Geltung englischen Rechts vereinbart, weshalb sämtliche – auch
deliktischen – Ansprüche, die zugunsten des Klägers in Betracht kämen, sich
ausschließlich nach englischem Recht richteten; ein Anspruch des Klägers sei auf
dieser Grundlage nicht ersichtlich.
12
Im Ergebnis nichts Anderes gelte aber auch für den Fall der Anwendung deutschen
Rechts. Als Executive Only-Broker sei sie nur für die ordnungsgemäße Ausführung der
bei ihr in Auftrag gegebenen Börsentermingeschäfte zuständig gewesen. Zur Aufklärung
über die Risiken dieser Geschäfte sei nur B. als das von dem Kläger eigens zur
Beratung und Vermittlung bei den getätigten Termingeschäfte beauftragte Unternehmen
13
verpflichtet gewesen, wobei sie sich darauf habe verlassen dürfen, dass B. als in
Deutschland staatlich zugelassenes und kontrolliertes Unternehmen seine
Vertragspflichten ordnungsgemäß erfüllen werde. Tatsächlich sei die Aufklärung des
Klägers durch B. auch ordnungsgemäß und in ausreichendem Umfang erfolgt.
Eine "Kick-Back-Vereinbarung" zwischen ihr und B. habe nicht bestanden, vielmehr
habe sie nur in rechtlich unbedenklicher B. als Zahlstelle für die Provisionen von B.
fungiert, was dem Kläger im Übrigen auch mitgeteilt worden sei. Auch ein Churning sei
weder ersichtlich, noch könne sie ggf. für ein solches verantwortlich gemacht werden.
Insgesamt seien nur fünf – jeweils einmalige – Transaktionen mit Optionsgeschäften
erfolgt, wobei die Aufträge dazu jeweils auch noch vom Kläger persönlich erteilt worden
seien. Die von ihr für ihre eigenen Dienstleistungen erhobenen Gebühren seien der
Höhe nach angemessen und marktüblich. Ob dies auch für die Gebühren von B.
zutreffe, könne sie nicht abschließend überschauen, weil sie nicht wisse, welche
Leistungen im Einzelnen zwischen B. und dem Kläger vereinbart und durch die
erhobenen Gebühren abgegolten seien.
14
Auch die Höhe des von dem Kläger behaupteten Schadens müsse bestritten werden,
weil dieser nicht darlege, ob er nicht einen Teil seiner Verluste bereits von anderer Seite
ersetzt erhalten habe. Sollte ein Anspruch des Klägers zu bejahen sein, meint sie
außerdem, dieser sei zumindest unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens zu
kürzen. Hilfsweise erhebt die Beklagte außerdem die Einrede der Verjährung.
15
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden
Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden
tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
16
II.
17
Die zulässige Berufung hat weitestgehend Erfolg.
18
1.
Berufung ordnungsgemäß begründet und die deutschen Gerichte sind für die
Entscheidung international zuständig.
19
a)
4 ZPO. Die Gründe, auf welche die Berufung gestützt wird, werden hinreichend deutlich.
20
b)
zuständig, als der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO
gegeben ist. Von der Klägerin, deren Vortrag in diesem Zusammenhang als zutreffend
zu unterstellen ist, wird eine unerlaubte Handlung der Beklagten behauptet und der Ort,
an dem das schädigende Ereignis aus dieser unerlaubten Handlung eingetreten ist,
liegt in Deutschland.
21
aa)
EuGVVO (EuGH NJW 1988, 3088, 3089; NJW 2002, 3617, 3618) liegt der "Ort des
schädigenden Ereignisses" im Sinne dieser Vorschrift sowohl am Ort des
Schadenseintritts (Erfolgsort) als auch an dem Ort des für den Schaden ursächlichen
Handelns bzw. Unterlassens (Handlungsort), so dass der Schädiger nach Wahl des
22
Geschädigten an jedem dieser beiden Orte verklagt werden kann (EuGH NJW 1977,
493; NJW 2004, 2441, 2442; BGH NJW 2003, 426ff).
bb)
sich in Deutschland. Denn nach dem – im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung auch in
dieser Hinsicht zu unterstellenden – Vortrag des Klägers haben der in Deutschland
ansässige B. und die in Großbritannien ansässige Beklagte bei der Schädigung des
Beklagten systematisch als Mittäter zusammengewirkt, zumindest jedoch hat die
Beklagte zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch B.
Beihilfe geleistet. Hiervon ausgehend muss sie sich aber auch die von B. erbrachten
Tatbeiträge und somit den gesamten Vorgang der Anwerbung des Klägers durch B. in
Deutschland ebenso wie auch eine dort unterlassene Risikoaufklärung des Klägers
gemäß § 830 Abs. 1 BGB als eigene zurechnen lassen, wobei es auf die Form der
Beteiligung (Mittäterschaft oder nur Beihilfe) gemäß § 830 Abs. 2 BGB im Ergebnis nicht
ankommt. Die Zurechnungsmaßstäbe der materiellrechtlichen Vorschrift des § 830 BGB
sind dabei in gleicher B. auch prozessual für die Beurteilung der Zuständigkeit
maßgeblich (BGH NJW 1990, 604; NJW 1995, 1225, 1226).
23
c)
2 ZPO.
24
2.
Sache Erfolg. Die Klägerin kann von dem Beklagten gemäß den §§ 826, 830 Abs. 2
BGB Schadensersatz in der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Höhe verlangen, denn
die Beklagte und B. haben den Kläger gemeinsam vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.
25
a)
41 EGBGB nach deutschem Recht.
26
aa)
Handlung dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat
(Handlungsort), wahlweise kann der Verletzte stattdessen gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2
EGBGB auch verlangen, dass anstelle dieses Rechts das Recht des Staates
angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist (Erfolgsort).
27
Soweit es um Ansprüche aus einer von B. und der Beklagten gemeinschaftlich
begangenen, vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers geht, ist
Deutschland aus vergleichbaren Gründen, wie sie bereits zur Begründung des
Gerichtsstands der unerlaubten Handlung gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO führen, auch
Handlungsort im Sinne des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Zwar ist bei der Haftung von
Mittätern grundsätzlich auf den Ort abzustellen, an dem der in Anspruch genommene
Mittäter gehandelt hat. Etwas anderes gilt aber dann, wenn eine gemeinsame engere
Beziehung zu dem Recht eines anderen Staates besteht (Art. 41 Abs. 1 EGBGB;
Palandt/Heldrich, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Auflage, Art. 40 EGBGB Rn 3). Das ist
hier der Fall. Wurde der Kläger – was auch in diesem Zusammenhang zu unterstellen ist
– von B. und der Beklagten gemeinschaftlich vorsätzlich geschädigt, so lag der
Schwerpunkt dieser gemeinschaftlichen Schädigungshandlung in Deutschland, denn
hier wurde der Kläger von B. angeworben und zur Einzahlung seines Geldes auf das
Konto der Beklagten bei der C-Bank in XY bewegt. Dass dieses Geld danach noch nach
Großbritannien transferiert werden musste, um dort die den Kläger schädigenden
28
Wertapiergeschäfte ausführen zu können, ändert daran nichts. Die entscheidende
Hürde, die bei der Ausführung der unerlaubten Handlung zu überwinden war, bestand
darin, den Kläger zu den verlustbringenden Geschäften zu bewegen; dies geschah in
Deutschland.
bb)
entgegen. Nach dieser Vorschrift ist anstelle des nach den Artt. 38 bis 40 Abs. 2 EGBGB
maßgeblichen Rechts – hier also des deutschen Rechts – vorrangig das Recht eines
anderen Staates anzuwenden, wenn mit diesem Recht eine wesentlich engere
Verbindung als mit dem gemäß den Artt. 38ff. EGBGB maßgeblichen Recht besteht.
Gemäß Art. 40 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB kann – nicht muss – sich eine wesentlich engere
Verbindung zu einem anderen Recht in diesem Sinne insbesondere aus einer
besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im
Zusammenhang mit dem bestehenden Schuldverhältnis ergeben. Sinn und Zweck
dieser Regelung ist es, grundsätzlich zu einem Gleichklang von Vertrags- und
Deliktsstatut zu gelangen. Dieser Gesetzeszweck führt aber im vorliegenden Fall selbst
dann nicht zur Anwendung englischen Deliktsrechts, wenn man mit der Beklagten
davon ausgehen wollte, dass das Vertragsverhältnis der Parteien seinerseits dem
englischen Recht unterliegt. Denn bei der wegen der gemeinschaftlichen Tatbegehung
von B. und der Beklagten gebotenen einheitlichen Betrachtung der unerlaubten
Handlung wird die durch ein denkbares englisches Vertragsstatut begründete Bindung
an den englischen Rechtskreis dadurch überlagert, dass im Verhältnis des Klägers zu
dem primär handelnden B. unzweifelhaft deutsches Recht Anwendung findet (siehe
bereits Senatsurteil vom 14. September 2006 – I 6 U 170/05, Seite 8).
29
cc)
Parteien wirksam abbedungen worden. Die Rechtswahlklausel in Ziffer 30.1 des Private
Customer Dealing Agreement umfasst schon nach ihrem Wortlaut nur "diese
Bestimmungen und ihre Auslegung", wovon ein Anspruch aus unerlaubter Handlung
nicht mit umfasst ist; das Gleiche gilt auch für Ziffer 12.1 des ergänzenden Netting
Agreement der Parteien. Eine Derogation des deutschen Rechts wäre außerdem auch
nach Art. 42 Satz 1 EGBGB unwirksam, da die Vereinbarungen der Parteien schon vor
dem Eintritt des schädigenden Ereignisses geschlossen worden sind.
30
b)
Klageforderung aus §§ 826, 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 249ff. BGB.
31
Die Beklagte hat den Kläger gemeinschaftlich mit B. sittenwidrig geschädigt. Dabei
kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die Beklagte selbst dem Kläger gegenüber
aufklärungspflichtig war. Entscheidend ist vielmehr, dass sie sich (aa) an der
vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch B. (bb) objektiv beteiligt hat
sowie (cc) mindestens bedingt vorsätzlich handelte, weil sie zumindest die Augen vor
dieser sich ihr aufdrängenden Tatbeteiligung verschlossen hat.
32
aa)
33
aaa)
Optionsvermittlungsgesellschaft dem Kunden gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz,
wenn er Spekulationsgeschäfte der vorliegenden Art ohne gehörige Aufklärung des
Kunden abschließt, den Abschluss veranlasst oder bewusst nicht verhindert und
34
dadurch seine geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger B. missbraucht (vgl. BGHZ
105, 108, 109 f.; BGH, NJW 1994, 997; WM 1994, 1746, 1747).
Dasselbe gilt, wenn das von einem Geschäftsführer bewusst nicht verhinderte Verhalten
von Mitarbeitern der Optionsvermittlungsgesellschaft statt der Schädigung eigener
Kunden die Mitwirkung bei Schädigungshandlungen eines anderen Unternehmens
gegenüber deren Kunden zum Gegenstand hat (BGH, WM 1999, 540 = juris Rn 12 ff.).
Dem entspricht die Haftung des ausländischen Brokers bei der Durchführung von
Kundenaufträgen, wenn der Broker die auf Täuschung und Schädigung der Kunden
angelegten Geschäftspraktiken der Optionsvermittlungsgesellschaft gekannt oder
leichtfertig die Augen vor sich aufdrängenden Bedenken verschlossen hat und an dem
sittenwidrigen Verhalten des gewerblichen Vermittlers zum eigenen Vorteil mitgewirkt
hat (BGH, WM 1989, 1407 = juris Rn 30; WM 1990, 462 = juris Rn 22; WM 2004, 1768 =
juris Rn 30ff. ; auch BGH, WM 2005, 28 = juris Rn 12).
35
bbb)
hat B., indem er den Abschluss der verlustbringenden hochriskanten
Spekulationsgeschäfte veranlasst oder bewusst nicht verhindert hat. Von der
geschäftlichen Überlegenheit und dem Missbrauch derselben ist auszugehen, weil der
aufklärungsbedürftigen Kläger nicht in gehöriger B. aufgeklärt wurde und er wegen
seiner von B. ausgenutzten Unkenntnis und Unerfahrenheit die zu deren Vorteil
gereichenden verlustbringenden Geschäfte getätigt hat.
36
(1)
geschäftlich unterlegen und aufklärungsbedürftig. Gegenteiliges hat die Beklagte, die
insoweit zumindest eine sekundäre Darlegungslast trägt, nicht hinreichend dargetan
und ist auch nicht in sonstiger B. dem Sachverhalt zu entnehmen.
37
Maßgeblich ist, ob der Kläger im Zeitpunkt der ersten Vertragsanbahnung die
notwendigen Kenntnisse über die Mechanismen und Risiken von Optionsgeschäften
hatten (BGH, WM 1991, 982, 984; 1992, 479, 481; 1993, 1457, 1458; 1997, 309, 311).
Bezogen auf diesen Zeitpunkt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger
vorerfahren war.
38
(2)
die Risiken von Optionsgeschäften aufgeklärt worden zu sein, war der Kläger der
geschäftlichen Überlegenheit von B. ausgeliefert. Um dieses Ungleichgewicht zu
beheben, hätten ihm die Kenntnisse vermittelt werden müssen, die ihn in die Lage
versetzten, den Umfang des ihm aufgebürdeten Verlustrisikos und die durch die Höhe
der Vermittlungsprämie eingetretene Verringerung seiner Gewinnchancen zutreffend
einzuschätzen.
39
(a)
dass jeder Aufschlag auf die Optionsprämie die Gewinnerwartung verschlechterte, weil
ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene
notwendig war, um in die Gewinnzone zu kommen, ein Aufschlag also nicht nur zu
einem höheren Preis für dasselbe Objekt führte, sondern das Verhältnis von Chancen
und ohnehin schon großen Risiken aus dem Gleichgewicht brachte (vgl. hierzu BGHZ
105, 108, 110 = NJW 1988, 2882 = WM 1988, 1255; BGH, NJW-RR 1988, 554 =
WM 1988, 291, 293; NJW-RR 1991, 1243 = WM 1991, 1410, 1411; NJW 1993, 257 =
40
WM 1992, 1935, 1936; NJW 1994, 512; NJW 1994, 997).
Ferner war unmissverständlich und in auch für flüchtige Leser auffälliger Form
darzulegen, dass höhere Vermittlungsprovisionen zu einer weitgehenden Ausgrenzung
der Gewinnchance des Kunden führten und die geringere Wahrscheinlichkeit,
insgesamt einen Gewinn zu erzielen, mit jedem Optionsgeschäft abnahm. Die
Aussagekraft dieses Hinweises durfte weder durch Beschönigungen noch durch
Werbeaussagen noch auf andere B. beeinträchtigt werden (vgl. BGH, NJW 1994, 512 =
WM 1994, 149, 150; BGH, NJW 1994, 997).
41
Ob im Einzelfall ein schonungsloser Hinweis zu den Auswirkungen eines
Prämienaufschlages entbehrlich ist, wenn der Aufschlag nur einen geringen Einfluss auf
das Risiko des Anlegers hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn dies kann allenfalls bei
Aufschlägen in Betracht kommen, welche die Gewinnchance des Anlegers nur
geringfügig verschlechtern (BGH, WM 2006, 84 = juris Rn 20). Schon ein Aufschlag von
11 % ist aber nicht mehr geringfügig, weil er das Gleichgewicht zwischen Chancen und
Risiken deutlich verschiebt (BGH aaO). Für die von B. erhobenen - siehe unten -
wesentlich höheren Aufschläge gilt dies erst recht.
42
(b)
Gleichgewichts kann nicht angenommen werden. Denn den dargestellten
Anforderungen an die Aufklärung des Optionskäufers genügten die dem Kläger erteilten
Informationen nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm auch nur vor einem
getätigten Geschäft in der erforderlichen Schonungslosigkeit vor Augen geführt wurde,
in welchem konkreten Verhältnis die anfallenden Kosten zur Optionsprämie standen
und wie sehr damit das Verhältnis von Chancen und ohnehin schon großen Risiken aus
dem Gleichgewicht gebracht wurde.
43
Weder das dem Kläger von B. noch das ihm von der Beklagten selbst überlassene
Informationsmaterial waren für die notwendige Aufklärung des Klägers ausreichend.
44
Das gilt zunächst für die Risikohinweise in Ziffer 9 des Vertrages mit B. über die
Vermittlung von Börsengeschäften vom 27./28. Mai 2002 (Anlage K 1). Die dort
enthaltenen Hinweise sind nicht nur im "Kleingedruckten" versteckt, sondern auch
sprachlich so verklausuliert, dass die notwendige darin enthaltene Warnung, dass
angesichts der anfallenden Kosten der Totalverlust des eingesetzten Geldes fast sicher
zu erwarten, beim Leser im Ergebnis nicht mehr ankommt (ebenso zB LG Düsseldorf ,
Urteil vom 05. Februar 2008 - 13 O 215/07- = Anlage KK 8).
45
Ebenso reicht auch die dem Kläger von B. übergebene Schrift "Basisinformationen über
Termingeschäfte" aus dem Bank-Verlag Köln (Anlage B 7) für die erforderliche
Aufklärung nicht aus. Bei dieser Schrift handelt es sich um ein umfassendes Buch mit
Informationen aller Art über die verschiedensten Arten von Termingeschäften, das als
auf das konkrete Vertragsverhältnis der Parteien bezogene Risikoaufklärung des
Beklagten schon deshalb nicht geeignet ist, weil sich dieser daraus die verhältnismäßig
wenigen Informationen, welche überhaupt die von ihm beabsichtigten Geschäfte
betrafen, erst aufwendig hätte heraussuchen müssen (BGH NJW 2004, 3628, 3630;
NJW-RR 1997, 176, 177).
46
An der nicht hinreichenden Aufklärung des Klägers ändert sich auch nichts, wenn man
das diesem von der Beklagten selbst überlassene Informationsmaterial in die
47
Beurteilung mit einbezieht. Auch deren Merkblatt "Wichtige Informationen über
Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften" (Anlage K 18) reichte - unabhängig von der
Frage, ob es überhaupt rechtzeitig ausgehändigt wurde - zur notwendigen Aufklärung
nicht aus. Mit seinen nur abstrakten und typisierten Risikohinweisen genügte es nicht
den speziellen Anforderungen einer an den individuellen Kenntnissen und Erfahrungen
des Klägers und den Besonderheiten der vermittelten Geschäfte orientierten Aufklärung
(BGH NJW 1997, 2171, 2172; NJW-RR 1997, 176, 177). Nicht anderes gilt im Ergebnis
auch für die "Hochglanzbroschüre" der Beklagten (Anlage K 16), die nur der Werbung
dient und Risikohinweise überhaupt nicht enthält, sowie für die "allgemeine
Risikoerklärung über den Termin- und Optionshandel" (Generic Risc Disclosure
Statement) und die weitere "Risikoerklärung für den Handel mit Optionsscheinen (Risc
Disclosure Statement) – jeweils Anlage K 17 -, die beide dem Customer Dealing
Agreement der Parteien beigefügt waren. Um einen Handel mit Optionsscheinen geht
es hier ohnehin nicht und auch die "allgemeine Risikoerklärung" beinhaltet zwar den
Rat, an den Anleger, dieser solle "berechnen, in welchem Ausmaß der Wert der
Optionen steigen muss", damit seine "Position gewinnbringend wird, wobei die Prämie
und sämtliche Transaktionskosten zu berücksichtigen sind", enthält aber dazu keine
konkreten Berechnungsbeispiele und nennt auch die Höhe der anfallenden Kosten
nicht, so dass der Anleger tatsächlich gar nicht in die Lage versetzt wird, die ihm
anempfohlene Berechnung auch durchzuführen. Eine konkrete Einschätzung des
Verlustrisikos auf dieser Grundlage war für den Kläger daher nicht möglich.
ccc)
verborgen geblieben sein, es sei denn, er hätte ihre Augen vor einer solchen Erkenntnis
gewissenlos leichtfertig verschlossen.
48
ddd)
Unkenntnis und Unerfahrenheit die für sie verlustbringenden, für B. jedoch vorteilhaften
Geschäfte getätigt hat. Trotz der Erfahrungen, welche der Kläger nach und nach mit den
einzelnen Optionsgeschäften machte, ist diese Kausalitätsvermutung auch für die
jeweiligen Folgegeschäfte nicht ausgeräumt. Denn ein Kunde steht warnenden
Hinweisen nach ersten durchgeführten Optionsgeschäften nicht mehr
unvoreingenommen gegenüber, und zwar unabhängig davon, ob Gewinne oder
Verluste erzielt wurden (vgl. BGH, WM 1993, 1454, 1458).
49
eee)
Kontoauszüge informiert wurde und seinerzeit keine Einwände gegen die Geschäfte
erhob, ist ebenfalls unerheblich. Denn in der widerspruchslosen Kenntnisnahme bereits
getätigter Geschäfte kann ohne das Hinzukommen besonderer Umstände keine die
Rechtswidrigkeit des Verhaltens ausschließende Einverständniserklärung gesehen
werden. Darüber hinaus könnte ein rechtlich beachtliches Einverständnis des Klägers
allenfalls dann angenommen werden, wenn ihm damals schon bewusst geworden wäre,
dass die Wertpapiergeschäfte nicht seinem Interesse, sondern vorwiegend den
Provisionsinteressen des Anlagevermittlers und der Beklagten dienten. Ein solches
Bewusstsein kann bei Kunden, die – wie seinerzeit der Kläger – auf dem Gebiet der
Termingeschäfte unerfahren sind, aber nicht vorausgesetzt werden (vgl. BGH, WM
1995, 100 = juris Rn 22).
50
bb)
objektiv beteiligt, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Teilnahme als Mittäterschaft,
51
Anstiftung oder Beihilfe zu qualifizieren ist (§ 830 Abs. 2 BGB).
Die objektiven Voraussetzungen gemeinschaftlichen Handelns liegen schon deswegen
vor, weil die Beklagte im Rahmen des zwar erst zweitinstanzlich in das Verfahren
eingeführten, aber als solches zwischen den Parteien unstreitigen "Introducing Broker
Agreement" vom 12. Juli 2001 (Anlage KK9) dauerhaft und intensiv mit B.
zusammenarbeitete und dieser Anlagevermittlerin überhaupt erst den Zugang zu der A-
Börse eröffnete. Danach war ausdrücklich vorgesehen, dass B. und die Beklagte
miteinander ein profitables Brokergeschäft aufbauen wollten (".. desire to promote and
develop profitable brokerage business"), wobei B. zu diesem Zweck der Beklagten die
geeigneten Kunden zuführen sollte ("... by the introduction by the IB of its financially
responsible and capable clients...").
52
Eine weitergehende Form der Kooperation zwischen B. und der Beklagten ist insoweit
nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass beide nur mit Unterstützung des jeweils
anderen Partners ihre Geschäfte mit den deutschen Kunden ausführen konnten. Zudem
hat die Beklagte durch die an sie für jedes durchgeführte Optionsgeschäft zu zahlenden
Gebühren am wirtschaftlichen Erfolg des sittenwidrigen Handelns von B. partizipiert; auf
die rechtliche Konstruktion, auf deren Grundlage ihr diese Gebühren zugeflossen sind
(Rückvergütung oder nur "Durchleitung" der von vornherein für B. bestimmten
Gebühren), kommt es dabei im Einzelnen nicht an.
53
cc)
zumindest bedingt vorsätzlich erfolgte.
54
aaa)
an der Verletzungshandlung reicht grundsätzlich bedingter Vorsatz aus (vgl.
Palandt/Sprau, aaO, § 830 Rn 2; Palandt/Heinrichs aaO § 276 Rn 10). Anderes gilt nach
der zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH auch nicht für die Beihilfehandlung eines
Brokers (vgl. für den Fall eines Churning BGH, WM 2004, 1768 = juris Rn 33). Selbst die
strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt für die Strafbarkeit des
Gehilfen nicht dessen unbedingten Vorsatz. Zwar ist danach ein Handeln des
Hilfeleistenden regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfe zu bewerten, wenn er nicht
weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird und er es nur
für möglich hält, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird. Etwas anderes
gilt aber dann, wenn das vom Hilfeleistenden erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des
Haupttäters derart hoch ist, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines
erkennbar tatgeneigten Täters "angelegen sein lässt" (BGH, NJW 2000, 3010 = juris Rn
16). Ob die Handlung der Beklagten als "neutral", "berufstypisch" oder "professionell
adäquat" zu qualifizieren ist, ist auch nach der strafrechtlichen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs irrelevant (BGH aaO = juris Rn 17).
55
bbb)
Die Beklagte hat zumindest ihre Augen vor sich ihr aufdrängenden Bedenken
verschlossen und deshalb gewissenlos leichtfertig die durch B. vermittelten Aufträge
des Klägers zu dessen Nachteil ausgeführt.
56
Die Gefahr, dass B. ihre geschäftliche Überlegenheit gegenüber den Klägern in
sittenwidriger B. missbrauchte, lag für die Beklagte, der als großem Brokerhaus die
wesentlichen Grundlagen, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die extremen
Verlustrisiken von Optionsgeschäften mit hohen Aufschlägen auf die Optionsprämie
57
Verlustrisiken von Optionsgeschäften mit hohen Aufschlägen auf die Optionsprämie
bewusst waren, auf der Hand. Dies gilt umso mehr, als der Beklagten klar sein musste,
dass die ihr bekannte oder zumindest bewusst nicht zur Kenntnis genommene
Entlohnung des Anlagevermittlers diesem einen hohen Anreiz bot, seine geschäftliche
Überlegenheit missbräuchlich gegenüber den geworbenen Kunden auszunutzen, wobei
dem Anlagevermittler dabei "arbeitserleichternd" die Möglichkeit gegeben war, mit der
Seriosität der Beklagten um die Kunden zu werben.
Dass die Beklagte der Gefahr eines Missbrauchs geschäftlicher Überlegenheit des
Anlagevermittlers durch eigene Schutzmaßnahmen hinreichend entgegengewirkt hätte,
ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie das Vorgehen des
Anlagevermittlers in geeigneter B. überprüft oder selbst für eine schonungslose
Aufklärung der Kunden Sorge getragen hat. In diesem Zusammenhang mag es sein,
dass aufsichtsrechtliche Verfahren gegen B. nicht anhängig waren. Rückschlüsse auf
die Methoden dieses Unternehmens waren hierdurch jedoch nicht gerechtfertigt.
58
Ein Broker, der unter den aufgezeigten Umständen die aus dem ihm bekannten
extremen Verlustrisiko und der transaktionsabhängigen Vergütung des
Anlagevermittlers folgende naheliegende Gefahr eines Missbrauchs geschäftlicher
Überlegenheit des Anlagevermittlers kennt und ohne jedwede ausreichende
Schutzmaßnahmen gegen diese Gefahr provisionsauslösende Geschäfte ausführt,
nimmt die Verwirklichung der Gefahr in Kauf und leistet damit zumindest bedingt
vorsätzlich Hilfe zu dem sittenwidrigen Handeln des Anlagevermittlers (vgl. für die
Beteiligung eines ausländischen Brokers am Churning eines Anlagevermittlers BGH,
WM 2004, 1768 = juris Rn 33). Ob die Hilfeleistung der eigentliche oder einzige
Beweggrund des Brokers ist, ob er andere Absichten und Ziele als der Anlagevermittler
verfolgt oder ob er dessen Handeln möglicherweise sogar innerlich ablehnt, ist für die
Haftung unerheblich (vgl. BGH aaO).
59
Ebenso wie in dem der vorzitierten Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall
beim Massengeschäft des Brokers sich diesem ein Churning aufdrängen musste, muss
es auch ein Missbrauch geschäftlicher Überlegenheit jedenfalls dann, wenn das
Verhältnis von Chancen und ohnehin hohen Risiken wie im vorliegenden Fall durch
hohe Aufschläge stark zum Nachteil des Anlegers verschlechtert wird. Wie hoch diese
Gebühren tatsächlich waren, zeigen beispielhaft die Kontoauszüge über den Kauf von
32 Stück "M"-Optionen im Juni 2002 (Anlage K 38) für 8.320,00 US-$ bei einem
gleichzeitigen Anfall von Roundturn-Provisionen von 3.840,00 US-$ (= 32 x 120,00 US-
$(, mithin also Gebühren von mehr als 46 % des Umsatzes und über den Kauf von 10
Stück "N"-Optionen für 3.300,00 US-$ bei einem gleichzeitigen Anfalls von Roundturn-
Provisionen von 1.200,00 US-$ (= 10 x 120,00 US-$(, mithin also Gebühren von mehr
als 36 % des Gesamtumsatzes, wobei von diesen Gebühren jeweils 100 US-$ pro
Option auf B. und 20 US-$ auf die Beklagte entfielen.
60
Genau die bei Gebühren in einer derartigen Größenordnung – unabhängig von ihrer
angeblichen "Marküblichkeit" - offenbar werdende sittenwidrige Ausnutzung
geschäftlicher Überlegenheit hat die Beklagte B. ermöglicht und zumindest die Augen
davor verschlossen, dass B. derart hohe Provisionen vereinnahmte und damit ihre
Kunden einem extremen Risiko aussetzte. Dass sich dieses Risiko nicht stets
realisieren musste, ändert nichts. Denn es versteht sich — wie im Übrigen auch beim
Churning (vgl. BGH aaO Rn 23) – von selbst, dass Erfolg und Misserfolg auch der hier
vorgenommenen Kapitalanlagegeschäfte vom Marktgeschehen abhingen. Für oder
gegen den indiziell zu beweisenden Vorsatz der bei der Beklagten verantwortlich
61
Handelnden zur Beihilfe an der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigungshandlung von B.
besagt dies nichts. Wiederum ähnlich wie beim Churning hätte hier bereits ein kurzer
Blick auf die Kontenbewegungen auf dem Konto des Klägers bei der Beklagten genügt,
um zu erkennen, dass der Anleger aufgrund der hohen Aufschläge auf die
Optionsprämien einem extremen Verlustrisiko ausgesetzt war, vor dem er grundsätzlich
eines Schutzes bedurfte.
Unter diesen Umständen bedarf es daher auch nicht mehr der Entscheidung, ob sich ein
sittenwidriges Handeln von B. entsprechend der Behauptung des Klägers auch noch
aus weiteren Umständen, wie etwa einem Churning oder einer unzulässigen "Kick-
Back"-Vereinbarung herleiten lässt. Bereits die extrem hohen Provisionsaufschläge auf
die Optionsprämien des mit ihr im Rahmen des "Introducing Brokerage Agreement"
kooperierenden und die Anlageentscheidungen des Klägers steuernden B. sowie die
Tatsache, dass die damit verbundenen Risiken der Beklagten bekannt waren oder sich
ihr zumindest aufdrängen mussten, rechtfertigen im vorliegenden Fall die Zurechnung
des sittenwidrigen Verhaltens von B. auch zu Lasten der Beklagten (ebenso z.B. OLG
Düsseldorf, 17. Zivilsenat, Urteil vom 09. Februar 2007 – I-17 U 257/0 – juris Rn 70ff.
und Senat, Urteil vom 20. Dezember 2007, I-6 U 224/06 – juris Rz. 88ff.; aA allerdings
OLG Düsseldorf, 15. Zivilsenat, Urteil vom 29. Januar 2008 – I-15 U 18/07, Seite 25ff. –
bisher nicht veröffentlicht = Anlage BB 9).
62
Der Feststellung eines zumindest bedingten Vorsatzes stehen Einschränkungen, die
zugunsten des nachgeschalteten, kundenferneren Brokers insbesondere hinsichtlich
ihm obliegender Aufklärungs- und Beratungspflichten gelten (vgl. BGHZ 147, 343; seit
dem 01. November 2007 auch § 31 e Abs. 2 WpHG), nicht entgegen. Denn hier geht es
im Kern nicht um den Inhalt und die Reichweite (vor)vertraglicher Aufklärungs- und
Beratungspflichten, sondern um eine (bedingt) vorsätzliche Beteiligung an dem
vorsätzlich sittenwidrigen Verhalten von B.. Ebenso wenig wie der deliktsrechtliche
Schutzbereich der §§ 31 ff. WpHG über den Inhalt und die Reichweite (vor)vertraglicher
Aufklärungs- und Beratungspflichten hinausgeht (vgl. BGH, WM 2007, 487 = juris Rn
18), wirkt der Vertrauensgrundsatz, auf den sich der nachgeschaltete Broker berufen
kann, in den Bereich der vorsätzlich unerlaubten Handlung hinein. Insbesondere ist es
nicht Sinn und Zweck dieses Grundsatzes, den vorsätzlich sittenwidrig Geschädigten
gegenüber einem Tatbeteiligten schutzlos zu stellen. Daraus folgt, dass der
Vertrauensgrundsatz nicht nur denjenigen nicht zu entschuldigen vermag, der sich mit
unbedingtem Vorsatz an einer unerlaubten Handlung beteiligt, sondern auch
denjenigen nicht, der vor einer sich ihm aufdrängenden Beteiligung an einer
unerlaubten Handlung gewissenlos leichtfertig seine Augen verschließt.
63
dd)
ff. BGB. Danach ist der Kläger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn seine
geschäftliche Unterlegenheit nicht missbraucht worden wäre und er daher die
hochriskanten Geschäfte nicht getätigt hätte. In diesem Fall wäre ihm ein Schaden in der
Höhe der Klageforderung entstanden, für dessen Berechnung im Einzelnen auf die
Seiten 2-5 der Klageschrift vom 08. Februar 2006 Bezug genommen kann.
64
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, der Schaden sei nicht hinreichend
dargelegt, weil der Kläger zwischenzeitlich bereits anderweitig Ersatz erlangt haben
könnte. Die für eine derartige Behauptung darlegungs- und beweispflichtige Beklagte
hat keinen hinreichenden, konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, aus denen sich eine
derartige, anderweitige Ersatzleistung für den Kläger ergeben könnte. Sein Vortrag
65
hierzu reicht nicht aus, um eine entsprechende sekundäre Darlegungs- und Beweislast
des Klägers auszulösen, aufgrund deren dieser auf die Vorwürfe der Beklagten
seinerseits mit konkretem Gegenvortrag reagieren müsste.
Die Vermutungen der Beklagten, der Kläger könnte sich mit B. verglichen und aus
einem derartigen Vergleich einen Teil seines Schadens ersetzt erhalten haben, haben
keine hinreichende Tatsachengrundlage. Selbst wenn der Kläger insoweit die
möglicherweise unzutreffende Behauptung aufgestellt hat, dass der Finanzdienstleister
B. nicht mehr existiere, liegt es fern, zu unterstellen, dass er damit verschleiern will, B. in
der Vergangenheit erfolgreich verklagt und von diesem Unternehmen Geld erhalten zu
haben. Viel näher liegt statt dessen ein schlichter Irrtum. Auch aus dem möglichen
Verhalten anderer Kläger in Parallelverfahren kann insoweit auf den Kläger des
vorliegenden Verfahrens nicht zurückgeschlossen werden.
66
ee)
Klägers gegenüber einer Haftung der Beklagten aus § 826 BGB kommt nicht in Betracht.
Selbst wenn man unterstellt, dass den Kläger ein gewisses Mitverschulden an der
Entstehung des mit der Klage geltend gemachten Schadens trifft, führt die dann gemäß
§ 254 Abs. 1 BGB erforderliche Abwägung der Verursachungsanteile beider Parteien
nicht zu einer Kürzung des dem Kläger zustehenden Ersatzanspruchs.
67
Der maßgebliche Grundsatz, dass gegenüber einer vorsätzlichen und erst recht
gegenüber einer sittenwidrig vorsätzlichen Schädigung wie im vorliegenden Fall eine
Fahrlässigkeit des Geschädigten in der Regel vollständig zurücksteht (vgl. aus der Rspr.
zuletzt z.B. BGH, Beschluss vom 10.02.2005 – II-ZR 276/02 - = BeckRS 2005 02564
sowie aus der Kommentarliteratur z.B. Palandt/Sprau, aaO, § 826 BGB Rz. 16;
Staudinger/Schiemann, Neubearbeitung 2005, Rz. 121; MünchKomm/Oetker,
5. Auflage, jeweils m.w.N.), gilt zwar nicht ohne jede Ausnahme. Einer der in der
Rechtsprechung angenommenen Sonderfälle, in denen ein Mitverschulden des
Geschädigten ausnahmsweise auch in der Abwägung gegenüber einer vorsätzlichen
Schädigungshandlung nicht vollständig zurücktritt, liegt hier jedoch nicht vor.
Insbesondere ist es zwar zutreffend, dass auch ein Vorsatz des Schädigers für den
Geschädigten nicht zum "Freibrief für jeden Leichtsinn" werden kann (NJW 1984, 921;
1992, 310; 2002, 1643, 1646), jedoch liegt eine derart grobe Leichfertigkeit des Klägers
wie in den zitierten Ausnahmefällen hier nicht vor. Allein die Tatsache, dass sich diese
auf ein Geschäft eingelassen hat, dass er nach seinem eigenen Vortrag nicht
verstanden hatte, ist dafür jedenfalls nicht ausreichend.
68
ff)
Ansprüche des Klägers aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung sind nicht von § 37a
WpHG erfasst (BGH NJW 2005, 1580, 1581). Ihre Verjährung richtet sich gemäß Art.
229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB bereits nach neuem Schuldrecht, denn sie sind erst im
Laufe des Jahres 2002 entstanden. Die damit maßgebliche, regelmäßige
Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB begann gemäß 199 Abs. 1 BGB mit
dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem die Ansprüche entstanden sind und der
Kläger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des
Anspruchsschuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte
erlangen müssen.
69
Beide Voraussetzungen waren hier unstreitig im Laufe des Jahres 2003 erfüllt, denn
nachdem der Schaden des Klägers bereits im Laufe des Jahres 2002 entstanden war
70
(siehe oben zu § 37a WpHG), § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, hatte dieser auch spätestens seit
der mit Vollmacht vom 29.10.2003 (Anlage K 42) erfolgten Mandatierung seiner
Prozessbevollmächtigten, deren Wissen er sich zurechnen lassen muss, hinreichende
Kenntnis von dem Bestehen einer durchsetzbaren Schadensersatzforderung gegen die
Beklagte, um auch das Vorliegen der weiteren Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2
BGB als gegeben ansehen zu müssen.
Eine Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen schon im
Laufe des Jahres 2002, wie sie für einen Ablauf der Verjährungsfrist noch vor der im
März 2003 erfolgten Zustellung der Klage erforderlich wäre, hat die für den Eintritt der
Verjährung primär darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. Palandt/Heinrichs,
aaO, § 199 BGB Rn. 46; MünchKomm/Grothe, aaO, vor §§ 194ff. BGB Rn 25 mwN), nur
pauschal behauptet, nicht aber hinreichend substantiiert vorgetragen. Denn auch wenn
die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Umstände in der Sphäre des Klägers
liegen und daher ggf. für diesen eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die
Aufklärung dieser Umstände in Betracht kommt, wird diese jedenfalls bei einer aus der
Sicht des Klägers negativen Tatsache wie der hier in Frage stehenden Nichtkenntnis
der anspruchsbegründenden Umstände nur ausgelöst, wenn zunächst die Beklagte
eine frühere Kenntnis dieser Umstände als erst im Zuge der Mandatserteilung an die
Rechtsanwälte des Klägers zumindest so konkret darlegt und behauptet, dass dieser
darauf überhaupt in sinnvoller B. konkret erwidern kann. Daran fehlt es hier. Die
Vermutungen der Beklagten über den Zeitpunkt der Kenntnis des Klägers, den er noch
nicht einmal zeitlich überhaupt näher eingrenzt, bewegen sich vielmehr vollständig im
Bereich der Spekulation. Sie können den erforderlichen Vortrag daher nicht ersetzen.
71
3.
30. März 2006 gemäß den §§ 849, 246 BGB (vgl. BGH, WM 2008, 291 f.) und für die Zeit
danach gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
72
Gemäß § 246 BGB kann für die Zeit bis zur Rechtshängigkeit nur eine Verzinsung in
Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % verlangt werden. Erst für die Zeit ab dem 31.
März 2006 besteht gemäß § 288 Abs. BGB ein Zinsanspruch in der geltend gemachten
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
73
Die Beklagte kann der Zinsforderung des Klägers für die Zeit bis zur Rechtshängigkeit
der Klage nicht mit Erfolg entgegenhalten, die ihr von dem Kläger überlassenen
Geldbeträge seien diesem nicht schon durch ihre jeweiligen Überweisung auf das dem
Kläger genannte Konto bei der C-Bank in XY im Sinne des § 849 BGB entzogen
worden, sondern erst durch die Vornahme der jeweils verlustbringenden
Börsentransaktionen mit den ihr überlassenen Beträgen.
74
Jedenfalls bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Anlegers wie in dem
hier vorliegenden Fall liegt der Entzug des von dem Anleger zur Verfügung gestellten
Geldes schon in dessen Überweisung in den Machtbereich des Schädigers, weil –
ähnlich wie beim Eintritt des Vermögensschadens bei der Verwirklichung des
strafrechtlichen Betrugstatbestandes – das Vermögen des Anlegers bereits dann
konkret gefährdet ist, wenn es dem Schädiger überlassen worden ist. Die theoretisch zu
diesem Zeitpunkt noch vorhandene Verfügungsmöglichkeit des Anlegers ändert daran
nichts, denn dieser weiss nichts von der Gefährdung seines Vermögens und hat daher
faktisch trotz dieser theoretischen Möglichkeit keine Chance mehr, dessen endgültigen
Verlust noch zu verhindern. Dies gilt namentlich dann, wenn – wie hier – die
75
überwiesenen Beträge zum alsbaldigen Einsatz bestimmt sind.
III.
76
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2,
711 ZPO.
77
Im Hinblick auf die neuere, zum Teil abweichende Rechtsprechung anderer Senate des
OLG Düsseldorf (vgl. u.a. Urteil vom 23. Januar 2008 I-15 U 18/07 -) lässt der Senat
nunmehr die Revision hinsichtlich der grundsätzlichen Frage zu, ob eine einem
"Churning" vergleichbare Beteiligung des ausführenden Brokers bei der Abwicklung
hochriskanter Optionsgeschäfte an einer sittenwidrigen Schädigung des Kunden durch
den mit ihm im Rahmen einer dauerhaften Geschäftsbeziehung zusammenwirkenden
Anlagevermittler auch bereits dann vorliegt, wenn das Verhältnis von Chancen und
ohnehin extrem hohen Risiken durch unverhältnismäßig hohe Kostenaufschläge
nochmals stark zum Nachteil des Anlegers verschlechtert wird und dem Broker dieses
bekannt ist oder er vor dieser Kenntnis die Augen verschließt.
78
Streitwert für das Berufungsverfahren:
79