Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.04.2008

OLG Düsseldorf: fristlose kündigung, wichtiger grund, world wide web, abmahnung, angemessene frist, vorzeitige kündigung, vertriebsvertrag, bestandteil, unternehmen, werbung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 140/07
Datum:
22.04.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 140/07
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Juli 2007 verkündete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der gekündigte Vertrag auf
den 22.12.2005 datiert.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
A)
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Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die
tatsächlichen Festsstellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
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Die Klägerin, ein Vertriebsunternehmen für kosmetische Produkte, firmiert ständig unter
der Bezeichnung P. C. Sie ist zudem Inhaberin der deutschen Wortmarke "P.", die –
richtig, vgl. Anlage K3 – unter der Nummer 1... in der Klasse 03 für "Parfümerien, Mittel
zur Körper- und Schönheitspflege, Haartönungs- und Harrpflegemittel, kosmetische
Seifen, Deodorants für den persönlichen Gebrauch" eingetragen ist. Die Parteien sind
durch eine Vertriebsvereinbarung ("Sole Distribution Agreement", Anlage K1) über
Produkte der Marke "B." in den Golfstaaten verbunden.
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In Art. 4 b) bis e) regelt diese Vereinbarung die Informationspflichten der Beklagten
gegenüber der Klägerin, Art. 9 regelt die Benutzung von Marken der Klägerin durch die
Beklagte dahin, dass diese die alleinige Inhaberschaft der Klägerin anerkennt und die
Marken nur mit Zustimmung der Klägerin nutzen darf. Nach Art. 14.1 war der Vertrag auf
die Dauer von fünf Jahren geschlossen, Art. 14.2 sieht eine vorzeitige Kündigung aus
wichtigem Grund vor, Art. 14.3 gibt geschätzte Umsatzzahlen an und Art. 15.1 regelt die
Anwendbarkeit deutschen Rechts. Mitte 2006 kam es zu Meinungsverschiedenheiten
zwischen den Parteien.
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Am 27.05.2006 ließ die Antragsgegnerin die Domains www.p.c.com und www.p.-c.com
auf sich registrieren. Diese Domains wurden weitergeleitet auf die von der
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Antragsgegnerin betriebene Internetpräsenz, wobei die Einzelheiten zwischen den
Parteien streitig sind.
Die Klägerin forderte die Beklagte seit Ende Juni 2006 mehrfach zu Berichterstattung
über die Verkaufbemühungen und die Marktlage auf (Anlage K17-K21, GA 138 ff.). Die
Beklagte beantwortete diese Aufforderungen u.a. mit E-Mails vom 13.06.2006 (Anlage B
2.1, GA 118), 5.10.2006 (Anlage B3, GA 120) und Schreiben vom 04.01.2007 (Anlage
B4.1, GA 121). Hierauf reagierte die Klägerin mit Fax vom 18.10.2006 (Anlage K2,
Anlagenband), in dem sie die ungenügende Erfüllung der Berichtspflichten rügte und
einen ausführlichen Bericht forderte.
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Nachdem die Beklagte weder die von der Klägerin geforderte Unterlassungserklärung
bezüglich der Domainnutzung abgegeben hat, noch einen den Anforderungen des
Faxes vom 18.10.2006 entsprechenden Bericht abgab, kündigte die Klägerin den
Vertriebsvertrag mit Schreiben vom 27.11.2006, Anlage K8, fristlos.
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Das Landgericht hat die Beklagte mit der angefochtenen Entscheidung zur Löschung
der beiden Domains verurteilt und festgestellt, dass der zwischen den Parteien
bestehende Vertriebsvertrag vom 22. September (richtig muss es heißen: Dezember)
2005 durch die fristlose Kündigung vom 27. November 2006 beendet wurde.
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Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Registrierung der Domain verletzte
die nach § 5 Abs. 2 MarkenG geschützte Geschäftsbezeichnung der Klägerin. Hierzu sei
die Beklagte weder aufgrund Vereinbarung, noch sonst berechtigt gewesen. Die
Domains hätten auf einen sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache
verfassten Internetauftritt verwiesen, weshalb die Nutzung auch den erforderlichen
Inlandsbezug aufweise. Die Verletzung des geschäftlichen Bezeichnung rechtfertige
auch die fristlose Kündigung des Vertriebsvertrages. Die Beklagte habe zudem ihre
Berichtspflichten verletzt, was die Klägerin über einen Zeitraum von drei Monaten
erfolglos angemahnt habe. Dies stelle angesichts der Umstände eine so erhebliche
Vertragsverletzung dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertige. Die Klägerin habe
diese Verletzung auch abgemahnt und ihr Kündigungsrecht binnen angemessener Frist
ausgeübt.
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Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten
Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung wendet sich die Beklagte nur noch
gegen die Feststellung der Beendigung des Vertriebsvertrages.
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Die Beklagte macht geltend, für eine Verletzung des Unternehmenskennzeichens fehle
es an der Branchenidentität, die bloße Weiterleitung der Domain stelle auch keine
kennzeichenmäßige Benutzung dar. Auch sei die Domain bestimmungsgemäß nur für
die Vereinigten Emirate bestimmt gewesen, weshalb es am Inlandsbezug fehle. Darüber
hinaus stünden der Klägerin auch keine namensrechtlichen Ansprüche zu, da sie ja die
entsprechende .de-Domain besitze. Auch habe das Gericht die Umstände des Falles
nicht zutreffend abgewogen. Die Domainregistrierung habe den gemeinsamen
Absatzbemühungen gedient und sei nicht unlauter gewesen.
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Ihre Berichte seien ausreichend gewesen und von der Klägerin zuvor nie beanstandet
worden. Die Verletzung der Berichtspflichten sei zu keinem Zeitpunkt abgemahnt
worden. Eine Abmahnung müsse eine Kündigungsdrohung enthalten. Schließlich habe
die Klägerin seit drei Monaten schon Kenntnis von den vermeintlich unzureichenden
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Berichten gehabt, weshalb sie hierauf keine fristlose Kündigung stützen könne.
Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Düsseldorf vom 25.07.2007 die Klage insoweit abzuweisen, als dass festgestellt
wurde, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertriebsvertrag vom
22.09.2005 durch die fristlose Kündigung vom 27.11.2006 beendet wurde.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie macht geltend, die Parteien seien in der gleichen Branche tätig, weil beide
Vertriebspartner für kosmetische Produkte seien. Branchenidentität bestehe schon
wegen der Übernahme von Repräsentanzen ausländischer Unternehmen in
Deutschland. Die Domains hätten auch – unstreitig – auf eine Seite verwiesen, in der
Leistungen sowohl in D. als auch in Deutschland angeboten worden seien. Die
Weigerung, die Domains freizugeben, stelle sich als schwerwiegende Verletzung
vertraglicher Treuepflichten dar. Für Absatzbemühungen sei die Domain schon deshalb
ungeeignet, weil sie, die Klägerin gar nicht Hersteller der beworbenen Produkte,
sondern ihrerseits nur Vertreiber sei. Die Tatsache, dass die Beklagte im Jahre 2006
einen Umsatz in Höhe von 1.882,87 EUR und in den Jahren 2007 und 2008 keinerlei
Umsatz generiert habe zeige, dass sie auch keinerlei Vertriebsaktivitäten entfalte.
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Auch die Verletzung der Berichtspflichten stelle einen wichtigen Grund dar. Aufgrund
der deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibenden Umsätze habe sie berechtigte
Zweifel an den Vertriebsbemühungen der Beklagten gehabt. Die Kündigung sei auch
insoweit nicht verfristet, weil der wichtige Grund gerade darin liege, dass die Beklagte
trotz mehrfacher Anmahnungen ihren Berichtspflichten nicht nachgekommen ist.
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B)
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, denn das angefochtene Urteil
beruht weder auf einem Rechtsfehler, noch rechtfertigen die in der Berufungsinstanz
zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass der
Vertriebsvertrag durch die fristlose Kündigung der Klägerin beendet ist.
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Nach § 314 Abs. 1 BGB kann ein auf ein Dauerschuldverhältnis gerichteter Vertrag von
jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt
nach § 314 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum
Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei der danach
vorzunehmenden Abwägung ist auch maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt die ordentliche
Beendigung des Dauerschuldverhältnisses ansteht; ist dies z.B. wegen baldigen
Ablaufs der vereinbarten Vertragslaufzeit oder wegen der Vereinbarung kurzer
Kündigungsfristen kurzfristig der Fall, scheidet eine Kündigung aus wichtigem Grund
regelmäßig aus. Liegen mehrere Sachverhalte vor, die einzeln betrachtet keinen
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wichtigen Grund darstellen, können sie dennoch zusammen einen solchen begründen
(Unberath in Bamberger/Roth, BeckOK-BGB, 8. Edition, § 314 Rn. 8; Gaier in
MünchKom BGB, 5. Aufl., § 314 Rn. 10). Erfordert das Dauerschuldverhältnis eine
intensive vertrauensvolle Zusammenarbeit, kann ein wichtiger Grund zur
außerordentlichen Kündigung vorliegen, wenn die persönliche Zusammenarbeit
schwerwiegend gestört ist und eine Normalisierung nicht zu erwarten ist. Ist die
Vertrauensgrundlage zerstört, kann das Kündigungsrecht auch dem zustehen, der sich
selbst vertragswidrig verhalten hat (Unberath a.a.O. Rn. 12; MüKo-Gaier a.a.O. Rn. 12).
Nach diesen Grundsätzen ist hier das Vorliegen eines wichtigen Grundes sowohl auf
Grund der Verletzung der Geschäftsbezeichnung durch die Beklagte, als auch durch die
mangelhafte Erfüllung der Berichtspflichten zu bejahen.
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Die Beklagte hat ihre durch den Distributionsvertrag begründete Treuepflicht dadurch
verletzt, dass sie sich die geschützte Geschäftsbezeichnung der Klägerin angemaßt hat
und trotz Abmahnung diese Verletzung nicht beendet hat.
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Eine Verletzung der Geschäftsbezeichnung der Klägerin scheidet nicht schon deshalb
aus, weil es am erforderlichen Inlandsbezug fehlt. Der Beklagten ist zunächst darin
zuzustimmen, dass im Immaterialgüterrecht das Territorialitätsprinzip gilt und daher der
Schutz inländischer Kennzeichen der Klägerin nach deutschem Recht zu behandeln ist.
Aufgrund des Territorialtätsprinzips ist der Schutzbereich einer inländischen Marke oder
eines inländischen Unternehmenskennzeichens auf das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland beschränkt. Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 15 Abs. 2, Abs. 4
MarkenG setzt deshalb eine das Kennzeichenrecht verletzende Benutzungshandlung
im Inland voraus. Diese ist regelmäßig gegeben, wenn im Inland unter dem Zeichen
Waren oder Dienstleistungen angeboten werden (BGH GRUR 2005, 431, 432 "HOTEL
MARITIME").
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Eine inländische Kennzeichenbenutzung kann dabei nicht schon allein deshalb bejaht
werden, weil Internetseiten von jedem Ort der Welt abrufbar sind. Wäre dies der Fall,
würde dies zu einer uferlosen Ausdehnung des Schutzes nationaler Kennzeichenrechte
und zu einer unangemessenen Beschränkung der Selbstdarstellung ausländischer
Unternehmen führen. Daher ist es erforderlich, dass das kennzeichenverletzende
Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug ("commercial
effect") aufweist (BGH a.a.O.).
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin besteht ein hinreichender Inlandsbezug im
Falle der beanstandeten Werbung auch dann, wenn man zu ihren Gunsten unterstellt,
dass bei Aufruf der streitigen Domains nicht die von der Klägerin behauptete, sondern
die von ihr behauptete Seite "www.d.-c.info" angezeigt wurde. Zwar befindet sich auf der
Seite die Überschrift "Welcome to our D. internet page" und die Seite ist in englischer
Sprache verfasst, sie richtet sich aber auch an potentielle Kunden in Deutschland, die
im Übrigen über den Link "Deutsche Version" zu der von der Klägerin behaupteten
Seite geleitet werden. Insbesondere heißt es aber auf der von der Beklagten
vorgelegten Seite ausdrücklich:
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"We provide bridging services from the U. to Germany and vice versa. Whether you
would like to engage in business in D. or we should look for business interests in
Germany or Spain …” übersetzt: "Wir bieten Brückendienste von den V. A. E. nach
Deutschland und umgekehrt. Ob sie geschäftlich in D. tätig werden wollen oder wir uns
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um ihre Geschäftsinteressen in Deutschland oder Spanien kümmern sollen..."
Damit richtet sich die Werbung aktiv an Kunden aus Deutschland, die Kontakte in den V.
A. E. suchen. Die Beklagte wirbt namentlich mit ihrem – einzigen – Geschäftssitz in H.
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Es liegt auch eine erhebliche Verletzung des klägerischen Unternehmenskennzeichens
vor. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Klägerin im geschäftlichen Verkehr
allgemein unter der Kurzbezeichnung P.-C. auftritt, diese Bezeichnung demnach ihr
Unternehmenskennzeichen ist, § 5 Abs. 2 MarkenG. Insbesondere ist die Bezeichung
hinreichend unterscheidungskräftig. Neben dem beschreibenden Teil "C." enthält das
Unternehmenskennzeichen seine Prägung durch den Bestandteil "P.", der der
Bezeichnung die erforderliche mindestens normale Kennzeichnungskraft verleiht.
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Die Bezeichnung wurde von der Beklagten auch im geschäftlichen Verkehr verwendet,
indem sie die angegriffenen Domains auf ihre Werbeseite umgeleitet hat.
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Die Verwendung erfolgt auch in einer Weise, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem
geschützten Zeichen hervorzurufen. Der Begriff "P. C." weist eine mindestens
durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Er ist in den beanstandeten Domain-
Bezeichnungen identisch übernommen. Insoweit ist wesentlich, dass der Verkehr die
weiteren Bestandteile einer Domain nicht als herkunftskennzeichnend erkennt. Dies gilt
insbesondere für die Top-Level-Domain (hier: .com), aber auch für die Kennzeichnung
als World Wide Web – Bestandteil, d.h. als im Wesentlichen über das Hypertext Transfer
Protocol kommunizierende Seite, durch die Bezeichnung www. Unterscheidungskraft
besitzt damit allein die Second-Level-Domain, als deren Bestandteil die Beklagte das
Unternehmenskennzeichen der Klägerin identisch übernommen hat, denn die
unterschiedlichen Schreibweisen (zusammen oder mit Bindestrich, mit und ohne
abschließendes "s") fallen nicht erkennbar ins Gewicht.
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Darüber hinaus besteht auch die für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr
notwendige Branchennähe, denn sowohl die Klägerin als auch die Beklagte sind als
Handelsvertreter tätig und bieten Repräsentanzen für andere Unternehmen jedenfalls
für Kosmetika an. Damit besteht aber sogar – entgegen der Ansicht der Beklagten -
Branchenidentität.
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Für gerade diese Tätigkeit – und nicht etwa für den Vertrieb der nach der
Vertriebsvereinbarung betroffenen Produkte – wird auch unter der streitigen deutschen
wie englischen Seite geworben.
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Hierzu war die Beklagte auch dann nicht berechtigt, wenn man zu ihren Gunsten
unterstellt, dass diese mit der Klägerin vereinbart hatte, die zu vertreibenden Produkte
im Zielmarkt unter Verwendung der Bezeichnung "P." zu vertreiben. Zum einen warb die
Beklagte auf der Seite nicht für die Produkte der Klägerin, sondern für ihre Tätigkeit als
Handelsvertretung. Zum anderen geht aber die Eintragung einer ".com"-Domain weit
über den Vertrieb in den Golfstaaten hinaus. Die – nicht (mehr) national gebundene –
".com"-Domain wird im internationalen Geschäftsverkehr genutzt. Wäre es der
Beklagten um den Aufbau einer Internetpräsenz für die Golfstaaten gegangen, so hätte
es auch nahe gelegen, die TLD ".ae" der V. A. E. zu wählen. Die konkret angegriffene
Werbung der Beklagten erweckt demgenüber den Eindruck, sie sei diejenige, die ihre
Geschäfte (auch) unter der Bezeichnung "P.-C." führe, und zwar eben international und
auch in Deutschland. Diese Verwendung geht weit über das hinaus, was der Beklagten
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nach ihrem eigenen Vortrag gestattet worden ist, nämlich bestimmte Waren in einem
regional sehr begrenzten Gebiet unter der Bezeichnung "P." zu vertreiben.
Die Beklagte hatte auch kein berechtigtes Interesse daran, die strittigen Domains für
sich zu reklamieren. Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, dass nach ihrem
eigenen Vortrag die Domains nunmehr von der Firma H.-C. in D. registriert sind, mit der
sie zwar nicht konzernmäßig verbunden sein mag, zu der aber offenbar
Geschäftsbeziehungen unterhält. Gerade dass die Beklagte jedenfalls nach der
Abmahnung nicht etwa ersatzlos auf die streitigen Domains verzichtet hat, lässt für die
Klägerin den Schluss zu, dass die Beklagte in Schädigungsabsicht handelt und stellt
sich als erhebliche Störung des für die Durchführung einer langfristigen
Vertriebsvereinbarung notwendigen Vertrauensverhältnisses dar.
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Der Klägerin ist deshalb ein Festhalten an der immerhin bis Ende 2010 laufenden
vertraglichen Verpflichtung nicht zuzumuten; ein wichtiger Grund liegt schon deshalb
vor.
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Ein wichtiger Grund für die Kündigung stellt zudem die Verletzung von Berichtspflichten
dar. Dabei ist der Beklagten zuzubilligen, dass der Umfang der erforderlichen Berichte
situationsabhängig sein dürfte. So räumt durchaus auch die Klägerin ein, dass ein – wie
gefordert – detaillierter Bericht über die Marktlage und die jeweiligen
Absatzbemühungen – nicht erforderlich wäre, wenn die Geschäfte sich wie projektiert
entwickelt hätten. Dies ist aber offenkundig nicht der Fall. So haben die Parteien in Art.
14.3 den Umsatz für 2006 auf 50.000,00 EUR geschätzt, was in einem auffallenden
Missverhältnis zu den tatsächlichen Umsätzen von nicht einmal 2.000,00 EUR steht. Es
liegt auf der Hand, dass die durch einen langfristigen Vertrag gebundene Klägerin
danach ein erheblich gesteigertes Informationsbedürfnis hat. Dieses hat sie auch unter
Bezug auf die entsprechenden Vertragbestimmungen geltend gemacht. Die – noch
ausführlichste – Mail vom 13.06.2006 enthält zu weiten Teilen des Verkaufgebietes
keinerlei Angaben und zu den allein erwähnten Emiraten keine Angaben über die
getroffenen Werbemaßnahmen und das Marketingkonzept. Die Mail vom 5.10.2006
erschöpft sich in Vorwürfen an die Klägerin, von der die Beklagte ein
Markteinführungskonzept fordert (was nach dem Vertrag aber ihre eigene Aufgabe
wäre!) und der Aussage, man werde die eigenen Bemühungen fortsetzen, ohne über
deren Inhalt auch nur das geringste auszusagen. Auch der – nach der Kündigung
erfolgte – Bericht vom 4.1.2007 enthält solche Angaben nicht.
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Die trotz mehrfacher Aufforderung fortgesetzte Weigerung der Beklagten, der Klägerin
einen aussagekräftigen Marktbericht zu erstatten begründet ebenfalls eine Zerrüttung
der Geschäftsbeziehung und stellt eine – gerade angesichts der geringen Umsätze –
sehr schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Gerade die Mail vom 5.10.2006 konnte
die Klägerin nur als Weigerung verstehen, über die eigenen Absatzaktivitäten zu
berichten.
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Die Klägerin hat hinsichtlich der Verletzung ihres Unternehmenskennzeichens unstreitig
eine Abmahnung ausgesprochen, hinsichtlich der unzureichenden Berichte war eine
solche nach § 314 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Eine
Abmahnung ist danach insbesondere dann entbehrlich, wenn Abhilfefrist oder
Abmahnung keinen Erfolg versprechen oder das Vertrauensverhältnis so
schwerwiegend gestört ist bzw. die Verfehlungen so schwerwiegend sind, dass eine
weitere Fortführung des Vertrages schlechthin unzumutbar ist (Unberath a.a.O. Rn. 19
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m.w.N.). Nachdem die Beklagte die über drei Monate andauernden immer
drängenderen Nachfragen nach Berichten unbeachtet gelassen hatte, konnte die
Klägerin davon ausgehen, dass auch eine mit ausdrücklicher Kündigungsandrohung
versehene Abmahnung die Beklagte nicht zur Einhaltung der vertraglichen
Verpflichtungen veranlassen würde, die Abmahnung also keinen Erfolg versprechen
würde. Hinzu kommt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien auch durch
die Verletzung des klägerischen Unternehmenskennzeichens bereits in einem Maße
belastet war, das der Klägerin ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar war.
Schließlich ist die Kündigung auch noch rechtzeitig erfolgt. Die Kündigungsfrist des §
314 Abs. 3 BGB ist keine starre Frist, sondern ihre Angemessenheit richtet sich im
Einzelfall nach dem einzelnen Dauerschuldverhältnis und der Art und Schwere der
Pflichtverletzung bzw. des sonstigen Kündigungsgrundes unter Abwägung der
Interessen des Kündigenden (Gewicht der Entscheidung, organisatorischer Aufwand)
gegen das Interesse des Kündigungsgegners an alsbaldiger Klärung. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass die Einhaltung der Frist in Bezug auf die Verletzung des
Unternehmenskennzeichens unstreitig ist, zumal der Beklagten ja durch die
Abmahnung Gelegenheit zum vertragsgemäßen Verhalten gegeben werden musste.
Aber auch hinsichtlich der beharrlichen Verletzung der Berichtspflichten ist die Frist
gewahrt. Kündigungsgrund ist insoweit nämlich nicht die einmalige Verletzung, sondern
die Tatsache, dass die Beklagte auch auf mehrfache Aufforderung nicht bereit war,
einen aussagefähigen Bericht zu erstatten. Dies ist aber frühestens mit der Mail vom
5.10.2006 der Fall gewesen. Angesichts der Bedeutung, die der Kündigung eines derart
langfristigen Vertrages zukommt, ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin zunächst
noch einmal eine ausführliche Berichtsanforderung unternommen hat, in der sie die
Gründe für ihr Begehren auch noch einmal anschaulich aufgeführt und die Kündigung
erst erklärt hat, als auch dieses Begehren unbeantwortet blieb. Die Kündigung eines
langfristigen Vertrages stellt sich nämlich als "ultima ratio" dar, weshalb gerade hier die
angemessene Frist nicht zu kurz bemessen werden darf. Die fristlose Kündigung
erfolgte am 27.11.2006 und damit danach innerhalb angemessener Frist. Hinzu kommt
für die Bemessung der Frist, dass ja auch das Informationsbedürfnis der Klägerin mit
zunehmenden Zeitverlauf immer dringender wurde.
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Das Landgericht hat somit zu Recht festgestellt, dass das Vertragsverhältnis der
Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.11.2006 beendet worden
ist.
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Dabei war gemäß § 319 ZPO der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung dahin zu
berichtigen, dass der Vertrag auf den 22.12.2005 und nicht auf den 22.09.2005 datiert.
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Die Kosten der Berufung sind gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, da kein begründeter
Anlass zur Zulassung der Revision besteht (§ 543 Abs. 2 ZPO) und die Beschwer die
Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 26 Nr. 8 EGZPO) auch nach der
zutreffenden eigenen Bewertung der Beklagten nicht übersteigt.
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Streitwert: 20.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht
angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)
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